Dieses Blog durchsuchen

Montag, Juni 30, 2014

Die Dinge, die man nie erwäht

Heute mal im Ausländer-Forum, was man in Blogs immer verschweigt
Taiwan-Neuling lesen bitte den Artikel nicht sondern springen zur Sondersektion für Taiwan-Newbies am Ende. Danke!

Taiwan hat ja, wie wir auch hier öfter mal angesprochen haben, eine deutliche höhere Gewaltrate als Deutschland, jedenfalls was die "Homicide"-Rate, also die Rate an Mord- und Totschlag angeht. Wie das zu Taiwans supersicheren Straßen passt, haben wir auch hier im Blog mit einer höheren Rate an bandeninternen Schießereien, aber auch familiärer Gewalt in Taiwan erklärt. Von fliegenden Fäusten in Taiwanfamilien, jedenfalls hier in meinem Taipei-chinesischen Umfeld, habe ich durch meine Frau auch des öfteren gehört. Fast alle ihre Freundinnen klagen immer mal, vom Gatten verprügelt zu werden. Das Taiwan-TV sorgt da für die hinreichende Einnordung der jungen taiwanischen Zuschauer: Immer wenn sich zwei Leute im Büro gegenüber sitzen, wird gleich einer den anderen Ohrfeigen - Gott sei Dank nur im Fernsehen. Keine Szene in den mir bekannten so friedlichen Parks in Taipei, in denen nicht muskelbepakte Herren eine zierliche Frau oder einen einzelnen Herren zusammenschlagen und -treten und irgendwo hin verschleppen. Jeden Tag, unendlich in dieser TV-Marathon-Seiferoper mit immer wieder den gleichen Schauspielern. Aber nur im Fernsehen, nicht in der Realität. Aber die Shows suggerieren Gewalt als Mittel privater Auseinandersetzung und so ist es auch schwierig Junior zu erklären, nicht gleich auf das Notebook mit dem Mickey-Mouse-Zauberstab einzudreschen, wenn ihm irgendwas nicht passt am Programm. Wenn doch die Leute da im TV es genauso machen.

 Kein Grund, gleich aus dem Fenster zu springen...

Wir männlichen Expats kennen von der Heimgewalt im wesentlichen fliegende Möbel, da brauch mal halt Pattex und viel Geduld und gut ist. Praktisch auch, wenn sie das Notebook im Fluge selbst herunterfährt, weil der Desktop durch eine Fehlfunktion bei unter 98,8% Strom schon einen kritischen Ladezustand sieht und den Rechner linuxtypisch schnell binnen Sekunden herunterfährt. Kabel rausreißen und das Ding olympiareif durch die Gegend werfen dauert halt ein paar Sekunden und so trifft das Notebook dann auf die Fliesen mit sicher arretierter Festplatte. Sie sollten aus dem Bug ein Feature machen, als Asien-Expat - Spezialedition von Fedora Linux.

Aber jetzt muss ich gar nicht aus dem linuxtechnischen Nähkästchen plaudern. Überlassen wir das Wort einem anderen Expat, der es wohl recht extrem erwischt hat, weil es bei ihm erst im 10. Ehejahr losgeht. Bei ihm hantiert die Gattin sogar mit dem Messer und droht mit Selbstverletzung und Selbstmord. So isser spät dran und macht es heute erst mit:

http://www.forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=92&t=132381

EDIT: Gacker: Und hier ist ein Thread, wo jemand Taiwan verlässt und seine Psychopharmaka an einen anderen Expat abgeben will: http://www.forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=54&t=132421.
Wenn er draußen ist, braucht er das Zeug nicht mehr. Prust, Wieher ;-)


Auch das gehört irgendwie zur Taiwangeschichte dazu. Taiwan hat halt eine konfuzianische Kultur. Probleme ansprechen ist unfein und droht Gesichtsverlust zu erzeugen, Hinweise zu Konflikten müssen eben aus dem sozialen Umfeld anhand schwacher Signale erkannt werden. Klappt mit Ausländergatten in der Regel nicht. Bei Taiwaner aber auch nicht. Deswegen fressen Taiwaner manchmal monatelang Konflikte in sich rein, lächeln immer nur bis dann irgendwann der  Druck so groß wird, dass die filmreif ausflippen und man in D-Land an die Beruhigungsspritze und das Gummizimmer denken würde.

Alles nicht so wild. Und die Möbelträger würden taiwantypisch die Möbel eh zerlegen beim nächsten Umzug, warum also aufregen. Bei mir ist schon seit Jahren fast immer alles ruhig. Ich sitze derzeit viel bei Seven-Eleven und esse Obst und lese Frederik Pohls Gateway-Zyklus zum zweiten Mal. Wenn unsere tapferen Raumfahrer dort am Ende endlich die mysteriöse Rasse "HeeChee" finden, sind sie sicher so vernünftig und normal geschildert wie es eben in westlichen SciFi fast immer der Fall ist. Dabei gibt es doch schon auf der Erde ganz andere Kulturen, die viel bizarrer sind. Meine Taiwanfamilie hat derzeit auch so einen Taiwanwinnie-Zirkus am laufen, die Attacken der den Ton angebenden "Ersten Schwester" auf meine Kleinfamilie haben auch meine Frau aus der emotionalen Balance gebracht und all die Pläne mit Kündigung und Familienbetrieb-in-Manila-aufmachen sind wohl nur nicht ernst zu nehmende Symptome dieses sich gegenseitig emotional hochschaukelnden Taiwaniwinnie-Familienspiels. Ich zucke mit den Schultern und warte was da kommt. Kündigen wir nun doch oder nicht? Was weiß ich was sich die wirklichen Heechee gerade ausdenken. Ist mir auch egal im 11. Jahr. Wie gesagt, bei mir ist es ruhiger als bei dem Expatkollegen im Link. Gut, so ein Jahr in der Arktis das Thermometer ablesen und nur alle drei Monate mal Besuch vom Versorgungsflugzeug kriegen wäre schon das Richtige für mich. Aber da schmilzt ja schon das Eis und sie bauen bald Brokkoli an, wie ich gelesen habe. Und dann kommen bestimmt auch die Taiwaner da hin.

Ein toller Job, besser als im Kloster, müsste sonst noch bei der Hongkong-Post zu haben sein. Die brauchen manchmal 8 Wochen, bis sie einen Brief von Hongkong nach Taipei zustellen. Oder länger. Die müssen eine himmlische Ruhe haben da im Büro....


Hier die Kurzform für Taiwannewbies:
Begin
  Taiwan ist so toll, tolle Tempel, freundliche Menschen, tolles Essen. Und die Vertrieblerin beim  Hardwarehersteller war soooo freundlich und lächelt so nett.
End

So haben wir die beiden Sichtweisen des eingeheirateten Langzeit-Expats und des Kurzzeitbesuchers oder Taiwan-vom-Hörensagen-kennen oder Business-only-No-local-Family-Expats beide harmonisch im Blog nebeneinander ;-)

Freitag, Juni 27, 2014

Hass auf die Tür

Man kann Türen hassen. Doch wirklich

Dieser Tage ist alles etwas unstet. Wie bereits berichtet will meine Frau ihr Bürodasein mit seinen 18+-Arbeitsstundentagen (Heimrechnertätigkeit manchmal am frühen morgen mitgerechnet) beenden und ich würde mich dann anschließen, aus vielerlei Gründen. Mein selbst zusammengebautes Rechnernetz (buchstäblich aus Motherboards etc. konfiguriert) mit seinen zahlreichen Linux-OS wird mir sicher fehlen, wie auch die Arbeit. Auch wenn die Arbeitstage taiwantypisch überlang waren.



Wohin dann? Frau will mit dem Reflex von Taiwanern in den Mitt-40ern (die meist in diesem Alter gekündigt werden in den Techfirmen und nicht selbst kündigen wie wir es wohl tun werden) einen eigenen Kleinbetrieb aufmachen. Bei fast allen Taiwanern wäre das eine Garküche, in der Muttern und Frau stehen während er noch Taxi dazu fährt. Frau hingegen will mit meiner Assistenz den Familienbetrieb wiederbeleben, entweder hier in Taipei oder auch in Manila auf den Philippinen, wo ihre Schwester schon erfolgreich geschäftlich tätig ist. Für mich sind das alles noch Fragezeichen. Gut, hier in Taipei hatte meine Frau es damals geschafft, den winzigen Betrieb als kleinen Test- und Lernfall in die Gewinnzone zu führen, durch hartes Management und wir hatten dann den Betrieb an unsere Geschäftsführerin veräußert mit Gewinn, die diesen unbedingt allein und selbst führen wollte. Nur um dann kurze Zeit später Richtung Minus zu gehen. Heute ist der Familienbetrieb von damals wiederum von der glücklosen Geschäftsführerin verkauft und wir würden sicherlich heute eine Nummer größer aufmachen. Hier oder in Manila. Nicht in Bagdad. Frau ist neuerdings auch Brasilienfan, fast hätte ich ihr eben beim Frühstück vorgeschlagen, wir könnten ja auch nach Brasilia ziehen und Michael-Jackson-Teigtaschen verkaufen. Bei denen fällt dann die Nase ab, wenn man sie schüttelt.



Gut, ich bin die Tage genervt, für mich gibt es auch die Option wieder zurück nach Deutschland zu gehen, um als Informatiker weiterzuarbeiten. Auch schon weil das Familieneinkommen mit "Familienbetrieb" drastisch geringer wäre als es bisher ist. Der vielen Fragezeichen halber blogge ich die Tage wenig.


Verdammte Glastür (heute laufen auf dem TV nur noch Taiwan-Seifenopern)

Die Tür in der Überschrift steht übrigens nicht metaphorisch für sich anbahnende Änderungen sondern für die Schiebe-Glastür in unserer Wohnung im heimatlichen Militärveteranen-Schlichtwohnviertel, wo der Durchschnittseinwohner die Kriterien "alt, depressiv, trauert Chiang Kai Shek nach und sammelt alte Pappkartons" erfüllen muss. Müll aus dem Fenster zu werfen, damit er auf den Vordächern vor sich hin gammelt ist eine Option, die Gott sei Dank langsam aus der Mode kommt. Außer bei der Wohnpartei direkt hinter Ludigels Rückfenstern. Unsere Glasschiebetür jedenfalls ist original von 1969 und bestimmt noch vom glatzköpfigen  Diktator Chiang handgewichst. Die alten Schiebetüren verknarzen und verkanten sich in ihrem Altöl (noch original Haarwichse aus Chiangs Jugendzeit). Natürlich immer nur wenn ich sie anfasse, nie bei meiner Frau. Das ist die Rache des alten Diktators. Gestern 22 Uhr, wir sind gerade aus dem Büro zurück, Frau will endlich die Tür reparieren. Ich sage lass es, das dauert Stunden und ist morgen sowie wieder kaputt. Frau sagt, ich bin schuld, immer bei mir geht es kaputt. Ich sage, die ist seit 1985 kaputt und wer von uns will denn immer im Schlichtwohnviertel wohnen seit 2004. Frau sagt völlig korrekt ich soll die Klappe halten und lieber wieder mit anfassen. Mir rutscht bei 28 Grad das glatte Metall aus der Hand. Junior macht sich um 23.01 Sorgen, dass Mama und Papa mit herausgenommenen Flügeln der antiken Schiebefenster ein Duell ausfechten. Frau lächelt ihn an und sagt alles ist in Ordnung, nur um mir von hinten...
Ich hole schließlich das Öl. Caramba, dann geht alles recht schnell, dank des handwerklichen Geschicks meiner Frau und einer zweiten Session von 23.45 bis 0.00 Uhr. Nur dass Frau dann Atemnot bekommt, weil sie gegen das Schmierspray allergisch ist. "Das ist die letzte Schlichtwohnung in die ich eingezogen bin!", entfährt es mir irgendwann. "Tür kaputt!" stimmt Junior zu.

[Neue Szene. Einblendung "6 Monate später". Kamerafahrt auf eine graue Wohnstraße mit Smog und Müllhaufen in Metro Manila.... der Einzugswagen fährt vor. Und Action!]


Montag, Juni 16, 2014

Kindergarten, Englisch-Teacher, Junior (Update)

Einführungstag in einem "Kindergarten" in unserer Nähe.

Taiwan ist voller Vorschulen, die sich auf Chinesisch "Buxiban" (gesprochen: Bushiban) nennen und an die Stelle unserer Kindergärten treten. Englischsprechende Taiwaner und zumindest die Expats aus angelsäschischen Ländern hier verwerden dafür auch tatsächlich das deutsche Wort "kindergarten". Abgekürzt auch "kindy" genannt. Diese Kindergärten beschäftigen oft westliche Ausländer, desto weslich aussehender desto besser und das kurioserweise meist illegal, so dass die "Englischlehrer" dort die gelegentlich stattfindenden und in der Bevölkerung populären Weißen-Razzien zu fürchten haben Ein Bericht über eine ist hier in diesem Artikel im Blog: http://osttellerrand.blogspot.de/2014/04/englishlehrer-razzien.html

Wie dem verlinkten Artikel auch zu entnehmen ist, können Ausländer auch legal als Englischlehrer in einer der kleinen Privatschulen arbeiten, dann müsste es sich aber um eine "Cram-School", also eine Nachhilfsschule handeln, die aber erst Schüler ab dem Schulalter annehmen darf. Und die Lehrer müssen aus einem Land mit Englisch als Muttersprache kommen und über einen "English-Major" verfügen. Damit ist kein Offizier der britischen Streitkräfte gemeint, sondern ein Uni-Abschluss im Fach Englisch.

Auf der Einführungsveranstaltung eines dieser Kindergärten, die wir einmal aus Interesse mitgemacht hatten, weil der Kindergarten nun mal in unserer Nähe lag, konnte ich dann auch das erste Mal einen Englischlehrer live erleben. Trotz allen Klamauks, der auch hier schon oft im Blog über Englischlehrer in Taiwan zu lesen war, muss man natürlich sagen, dass es auch die charismatischen "echten" Kindergärtner gibt, die einfach einen tollen Unterricht herbei zaubern. Der Mann in den 30ern sprach ein klares, akzentfreies Englisch und machte zusammen mit zwei jungen Taiwanerinnen als Co-Teacher eine tolle Show mit Singen, Basteln und Dialogen. Die Kinder waren begeistert - seine reguläre Klasse war anwesend - und er war ein richtiges Showtalent dabei, so locker vor der Menge diesen kinderbegeisternden Unterricht abzuziehen. Respekt!

Als ich später Gelegenheit zu einer Unterhaltung hatte erfuhr ich von dem sehr sympathischen "Teacher", dass er aus einem westeuropäischen Land stammt, das nicht englisch-sprechend ist und in Taiwan auch mit Kind verheiratet ist. Von daher kann er also völlig legal in dem Kindergarten arbeiten, denn mit taiwanischen Staatsbürgern verheiratete benötigen ja keine Arbeitserlaubnis. Ich will hier trotzdem weder sagen welcher Kindergarten noch aus welchem Land er stammt noch Fotos zeigen - taiwanische Beamte stellen einfach zu viel Blödsinn mit den Kindergärten an, als dass ich hier bei solchem Unsinn behilflich sein möchte. 

Junior war begeistert vom Spielen mit vielen Kindern an vielen Klettergeräten an diesem Schnuppertag. Der Kindergarten hatte den Keller regelrecht zum Abenteuerspielplatz umgebaut - überirdisch gab es nur einen kleinen Hof. Weil dort die Stadtluft ja auch nicht die beste ist.

Es ist mal wieder Teil des Taiwahnsinns mit H, hier augenzwinkernd angemerkt, dass ein Bericht über einen Kindergarten eine konspirative Natur haben muss.


 Update:
Als Junior von "Lehrerin" angesprochen wurde auf Chinesisch antwortete er auf Englisch. Als sie dann auf Englisch mit ihm redete, hat er auf Deutsch geantwortet - mit "Genau!". Als die Lehrerin fragte, was "genau" heißt, entgegnete Junior entnervt:  "Mensch!"
 

Donnerstag, Juni 12, 2014

Schottland liefert "Todesfahrer" vermutlich an Taiwan aus

Der pakistanisch- oder indischstämmige Brite Z.D. wird vermutlich an Taiwan ausgeliefert

Zur Erinnerung: Z.D. war in Taiwan wegen einer Trunkenheitsfahrt mit Todesfolge zu 4 Jahren Gefängnis in 2. Instanz verurteilt worden; wer nun den Tatwagen gefahren hatte, war während des Prozesses über längere Zeit strittig, da auch noch ein Taiwaner am Steuer saß während der verhängnisvollen Fahrt.

Der Fall des meist als pakistanischstämmig bezeichneten Briten Z.D., der in Taiwan eine kleine Computerfirma hatte oder eine Dependance davon und dem die ein oder andere unsaubere Geschäftspraxis nachgewiesen worden ist und der offenbar auch in Sachen betrunken Autofahren schon vorbestraft war, hat lange die Ausländergemeinde in Taiwan beschäftigt. Und die taiwanischen Medien generell. Auch das generelle Klima gegen westliche Ausländer wurde durch die teilweise hexenjagdartige taiwanische Berichterstattung meiner (und nicht nur meiner) Ansicht nach verschlechtert. Als die Berichterstattung ihren (lange andauernden) Höhepunkt erreicht hatte, sah ich mich jedenfalls plötzlich Pöbeleien auf den heimischen Straßen in Taipei ausgesetzt, die manchmal kurz vorm Angriff zu sein schienen, aber alle noch harmlos waren. Die sonst so populären "Weißen" sind plötzlich gar nicht mehr so beliebt in Taiwan, wenn die Medien eine große Kampagne gegen einen einzelnen westlichen Ausländer fahren.

Z.D. hatte die Haft nie angetreten, sich erst in die Schweiz und dann an seinen vor-Taiwan-Wohnsitz Schottland begeben. Dort hat ein Gericht nun entschieden, dass er ausgeliefert werden soll, es sei denn dass das schottische Justizministerium noch anders entscheidet oder ein Einspruch Z.D.s greifen kann.

Letzter Bericht:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/05/londoner-gericht-britischer-todesfahrer.html
Aktuelles Urteil:
http://focustaiwan.tw/news/asoc/201406110029.aspx

Sicher werden sich taiwanische Behörden jetzt selbst feiern, selbst der Präsident der Republik China aka Taiwan hatte die Auslieferung zur Chefsache erklärt und Taiwans Medien werden sicher viel Häme in Richtung Z.D. ausschütten, was den Medienzirkus um Z.D. von neuem anfachen wird mit den bekannten Folgen für die westlichen Ausländer hier. Ein Ruhmesblatt ist die Geschichte trotzdem nicht, mit einem Ermittlungsverfahren, bei dem das Polizeirevier ungefähr in der Zeit der Ermittlungen durch das Verbrechersyndikat geschmiert wurde, das auch den zweiten Fahrer des Unfallautos beschäftigt hatte (er war Parkwächter in einem Nachtlokal, das dem fraglichen Syndikat zuzurechnen ist). Und mit hexenjagdartigen Taiwan-Style Prozederen, bei denen Passanten Gelegenheit haben auf den Verdächtigen einzuschlagen. Und (vom Gericht sanktionierten) Entschädigungszahlungen an die Familie in Höhe von Hunderrtausenden US-Dollar, die sehr am Maximum von Schadensersatzforderungen in Taiwan in solchen Fällen liegen.

Obwohl die Faktenlage eher gegen Z.D. spricht finde ich persönlich es wenig gut, dass der taiwanische Staat hier mit seinem Korruptions- und Vorverurteilungszirkus, der Zweifel an einem fairen Verfahren aufkommen lässt, durchgekommen ist. Jetzt noch mehr als vorher gilt: Für westliche Ausländer gilt in Taiwan oft eine Sonderrechtsprechung - jedenfalls wenn sich die Presse einschaltet.

Trotzdem, am Ende der Geschichte, ist mir auch Z.D. wenig sympathisch, und gibt mit seinen krummen Geschäftspraktiken und Trunkenheitsvorstrafen sicher kein Paradebild von einem westlichen Ausländer in Taiwan ab Schade nur, dass medienhörige Leute auf der Straße einen öfter mal mit ihm in einen Topf werfen.

Botanisch interessierter Englischlehrer

Cannabis-Gewächshaus in Privathaus angelegt

Es ist ein bisschen ein running Gag, dass Englischlehrer in Taiwan, in den meisten Fällen junge Männer aus der angelsächsischen Welt, in Taiwan ein plötzliches Interesse an Botanik entwickeln. Zwölf Hanf-Samenkörner waren dann der Grundstock zur Haschfarm zunächst auf dem Balkon und dann in einem Privathaus. Der verhaftete Ausländer gibt ab, diese aus medizinischen Gründen gegen Schlaflosigkeit und Rückenschmerzen konsumiert zu haben, während die Polizei die Möglichkeit des gewerbsmäßigen Handels prüft. Auf den Anbau/die Produktion oder Verkauf von solchen weichen Drogen, die in Taiwan der Klasse II zusammen mit Amphetaminen etc. zugerechnet werden, stehen zwischen 7 Jahren Gefängnis und Lebenslänglich. Wer nur geringe Mengen weicher Drogen besitzt, kann evtl. mit ein paar Wochen "Rehab" im Gefängnis davonkommen und sogar anschließend im Lande bleiben ohne Strafeintrag. Aber nur bei einem Gramm oder dergleichen.
Persönlich kenne ich mich mit dem Zeug gar nicht aus, aber wenn man immer in den Ausländerforen hier liest, wird man fast zum Experten, denn ein Teil der jungen Amerikaner und Kanadier brauchen offenbar immer mal ein Joinderl.

http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/06/09/2003592342


Dienstag, Juni 10, 2014

Lohnt sich Taiwan?

Fast ein Fazit


Fast möchte ich hier schon ein abschließendes Resümee ziehen, meiner ausreisewilligen Frau halber. Noch ist das verfrüht, aber ich denke man kann festhalten, dass sich Karriere-machen im Büro, will sagen als Angestellter bei einem taiwanischen Unternehmen, nicht wirklich lohnt. Dann hat man in Taiwan leicht 12-15h - Arbeitstage und zu Hause kommen noch ein paar Stunden "Heimarbeit" am Notebook über Excelsheets dazu. Das ist bei meiner Frau der Fall, die etwa 50 Leute kommandiert. Als Teamleiter wie meine Wenigkeit etwas entspannter, aber auch viel lange Arbeitstage. Wochenendarbeit kommt bei vielen Firmen noch dazu, bei meiner Frau findet sie wieder am Notebook statt. Das Gehalt entspricht dem deutschen Nettogehalt 2-3 Hierarchiestufen unter dem der aktuellen Tätigkeit, wobei reine Softwareentwickler das oft auf 1 Stufe darunter reduzieren können. Mein Arbeitgeber allerdings stellt zu diesen annähernd westlichen Gehältern dann erst gar nicht ein.

Anmerkung: Wer als nach Taiwan geschickter Manager aus Deutschland hier lebt, hat natürlich eine ganz andere Lebenswelt, Porsche Cayenne und Nobelapartmentblock, das ist klar. Davon ist hier nicht die Rede.

 Positiv: Man hört die Leute viel lachen in Taiwan (kicher)

Altersversorgung gibt es neuerdings auch, das ganze etwas mit Unsicherheit geprägt, ob das wirklich auch später mal ausgezahlt wird, wenn man nicht mehr in Taiwan lebt oder ob Taiwan dann längst Richtung VR-China eingemeindet worden ist und der dann ungeliebten "Langnase" eher nichts auszahlt. Ein Fragezeichen. Krankenversichert ist man und wenn man nicht gerade auf westlichem Essen und teuren Geschäften in der Innenstadt in Taipei besteht, sind auch die Preise günstig. Bei Mieten muss man aufpassen, keinen Ausländeraufschlag zu bekommen, aber wenn einem Taiwaner die Wohnung besorgen oder man gar eingeheiratet hat, geht das natürlich. 

 Früher ist man im Straßenbild viel aufgefallen, heute dreht sich kaum noch einer um

Schon in mittleren Führungspositionen hat man dann ordentlich Kaufkraft, aber wenig Zeit irgendwas zu kaufen. Der Begriff "Arbeitsdrohne" kommt in den Sinn und mit anfangs 0 (später 3,7,10) Tagen bezahltem Urlaub im Jahr ist das Leben dann leicht eine Einöde aus immer gleichen Verrichtungen. Aufstehen. Durch dicken Verkehr ins Büro. Cubical, wenn man Glück hat interessante Arbeit, durch dicken Verkehr zurück, schnell zum Seven-Eleven Kiosk-Supermarkt ein paar Kleinigkeiten kaufen und noch 2 Stunden in den eigenen vier Wänden, bevor man sich ins Bett legt und der Zyklus von neuem beginnt.

 Man kann es sich natürlich gemütlich einrichten, hier mit Papptiger

In den ersten Jahren hatte ich dazu noch die graugrüne Wellblechkulisse des Gewerbegebiets und die grauen Schmuddelgassen des heimatlichen Schlichtwohnviertels meiner Taiwanfamilie. Das hat sich deutlich gebessert, das enge und immer noch bürgersteiglose Wohnviertel wird zusehens sauberer und viel Graues ist durch neue Glas- und Betonbauten bereits weggerissen. Ebenso im Gewerbegebiet. Und die Metro (MRT) breitet sich immer mehr aus und ersetzt bald für die meisten den Stau - wenn man will.

 Und kann stündlich zusehen, wie das neue Taipei das alte verdrängt. Die beiden Wohntürme, die hier noch im Bau sind, sind bereits fertig und geben der Gegend mit verzierten Fassaden ein ganz anderes Antlitz. Viele weitere Baustellen verdrängen das alte verrostete Wellblech

Neulich holte ich eine Art Krapfen und Kaffee dazu in einem modernen Café mit Sambamusik und saß kurz im Park auf einer Bank, da wo neulich noch verrostete Fabrikhallen waren und ich vorher durch ehrlich gesagt Hundekot- und Betelnusspriem-verschmierte Wellblechgassen gewandert bin um von kichernden alten Frauen zusammemgepappte fettige Sandwichs zu kaufen. Die Gassen und die alten Damen gibt es immer noch, aber ich kaufe da nicht mehr, bürgersteiglose Gassen mit rasenden LKWs und Unrat und Müffelei schrecken doch irgendwie ab, wenn das natürlich teurere Samba-Café in der Nähe liegt.

Desto später man ab dem heutigen Datum in Taipei anfängt, desto angenehmer wird die Umgebung sein und in einer Programmiererposition o.ä, kann sich das Arbeiten durchaus lohnen. Aber wehe wenn man aufsteigt, dann ist man Teil seines Cubicals geworden - festgewachsenerweise.

Siehe auch den alten, sicherlich teilweise veralteten Artikel zur Arbeitswelt in Taiwan:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2010/01/arbeitswelt-in-taiwan.html
Auch nicht mehr ganz taufrisch, die Lebeshaltungskosten: http://osttellerrand.blogspot.com/2009/04/fragen-zu-kosten-etc-in-taiwan.html, zur Sicherheit ein Viertel oder so draufzählen heute

Frau und ich suchen nach Änderungen, gucken wir mal, was passiert.

Montag, Juni 09, 2014

Fastdeutsche Notizen

Fast richtig deutsches in Taiwan

In Wendels Restaurant in NeiHu (Nähe WeDe Road) bewundert Junior die Kuchenauslagen...

Beim Betrachten des Bildes kommt einem vielleicht das Wort "Käsekuchen" in den Sinn, aber bei den Füßen, die witzigerweise unter der Kuchenleiste zu sehen sind, handelt es sich natürlich nur um eine Spiegelung und alles ist sauber hinter Glas. Hier waren wir mit dem philippinischen Familienzweig vor ein paar Wochen.

Ich habe hier meine erste Donauwelle seit.... 2004 oder so gegessen. Damals hatte ich immer mal ein Kuchenblech in "meine" letzte DotCom - Bude in Deutschland mitgebracht, bis sich diese zerlegt hatte. Die schwere Donauwelle ist jedoch daran unschuldig gewesen. Erstaunlich, was "Donauwelle" für ein Gekraksele auf chinesisch wird, man sieht förmlich das zerschlagene Strandgut vor sich.

Und ein deutscher Brunch (sagt man: der Brunch?) im Second-Floor- Café in NeiHu, das sich in einem schmalen Haus in einem Büroviertel bei Ludigel in der Nähe über vier Stockwerke erstreckt. Nicht ganz so, wie man in Deutschland isst, aber lecker, wenn auch sehr schwer. Aber man muss es ja nicht jeden Morgen essen. Vorbestellung dringend zu empfehlen. Auch hierher haben wir den philippinischen Familienzweig entführt. Desto mehr erste Tochter und Schwiegermutter auf unfreundliche/freundliche Distanz zur Kleinfamilie um den nun in Taiwan seit Ankuft 10 Jahre gealterten*** Ludigel gehen, desto enger werden offenbar die Beziehungen zum philippinischen Familienzweig. Mein Schwager hat jedenfalls erklärt, auch unter solchen Attacken zu leiden gehabt zu haben, was aber sicher irgendwie mit der fernöstlichen Weisheit meiner Taiwanfamilie wegzuerkären ist, davon bin ich überzeugt (räusper).

Etwas ungewohnt für mich immer noch die in der großen Taiwan-Telenueva geschilderte Situation. Frau und Junior zumindest partiell auf meiner Seite der Familienzuneigung, das muss man erst mal verdauen. Wie einfach oder nicht die Integration eines Deutschen in eine Taipei-chinesische Familie auch ist, hier neben dem Familienparkplatz (jetzt leerstehenderweise) bewundert ein Nachbar das ferne Deutschland durch eine aufgeklebte deutsche Dienstflagge (ergo mit Bundesadler drin) an seinem schwarzen VW Transporter. Das ist mir wesentlich sympathischer als die ungelogen zwei schwarzen T5 mit NSDAP-Aufkleber, die ich einmal vor mir an der Ampel gesehen hatte vor vielen Jahren hier in Taipei. Aber Taiwaner denken sich oft nichts böses dabei, ist doch ein Hakenkreuz im Buddhismus ein positives Symbol und die deutsche Geschichte und die Nazigreul kennen sie gar nicht so genau. Junior jedenfalls saß kurz nach dem Schießen des Fotos auf meinem Schoß, spielte am Lenkrad unseres Volvos herum und besah sich den VW und sah mich fragend an und sagte dabei "kein Volvo". Als er dann noch zärtlich über das Volvoschild auf dem Lenkrad strich und "Volvo gut" sagte, hätte ich fast die Fernsehkameras gesucht.

Nun ist es ein bisschen ein Stream-Of- Consciousness - Posting geworden, aber warum auch nicht. Bei uns geht ja auch viel durcheinander die Tage, Junior muss in den Kindergarten, Frau hat ihn irgendwie in taiwanischer Interaktivität gleich in zweien angemeldet und nebenbei erwägen wir noch die Auswanderung in für uns beide fremde Gefilde, was mich vom Expat zum Expatpat oder dergleichen machen würde. Schauen wir wie es weitergeht, demnächst auf dieser Welle.

*** angeblich altert man hier schneller, also 10 Jahre Aufenthalt gleich 15 Jahre Alterung? 

Freitag, Mai 30, 2014

Entscheidungen Taiwan-Style: Von einer Sekunde zur anderen alles anders (UPDATE2: und jetzt wieder ganz anders)

Die Taiwanfamilie im emotionalen Veitstanz. Und Ludigel fragt sich, ob alle von ihren guten (zahlreich vorhandenen und regelmäßig gefütterten) Geistern verlassen sind

Okay, dritte Version dieses Eintrags
Kommentare beziehen sich auf ältere Version dieses Artikels


Dieser Tage herrschte viel Aufregung bei Familie Ludigel. Plötzlich erklärte sich Schwiegermutter nicht mehr bereit Junior zu versorgen, was für Frau und mich extrem unpraktisch war, da wir tagsüber (oder eigentlich bis spät abends) im Büro sitzen. Wegen meiner kleinen Wohnung wohnte meine Frau auch noch wochentags bei Schwiegermutter und letztere wurde und wird für ihre Dienste gut entlohnt. Nun plötzlich ratz fatz mussten Frau und Junior raus und auch tagsüber wollte ihn Schwiegermutter nicht mehr haben. Was war bloß los, fragten wir uns da. Und tagsdrauf wurde uns noch mitgeteilt, wir dürften auch den unbenutzten Familienparkplatz nicht mehr nutzen. Zusammen mit dem uns und auch unserem dreijährigen Sohn gegenüber aggressiven Verhalten, das wir in der letzten Zeit bei der "ersten Tochter" der Familie beobachtet hatten (die hat eine besondere Stellung in einer chinesischen oder eben auch taiwanischen Familie, insbesondere wenn es keine Söhne gibt!) erschien und das ganze wie eine Kampfansage der Familie meiner Frau an unsere Adresse. Insbesondere weil mein philippinischer Schwager vermeldete, ihm sei einst genauso ergangen in der Familie, erschien uns das alles wie eine bösartige Kampagne der Taiwanfamilie und insbesondere meine Frau war völlig verdaddert. Und mir gingen mal wieder die taiwantypischen schnellen Entscheidungen ohne Vorwarnzeit auf die Nerven, die das Leben recht unstet machen.

Alles nicht so einfach im Zusammenleben...

Nun hat sich alles wohl aufgekärt. Denn die "zweite Tochter", die eigentlich mit ihrem eben erwähnten Mann auf den Philippinen lebt, macht gerade längeren Heimaturlaub in Schwiegermutters Wohnung und hatte nach mehrtägiger Beobachtung dann eine Erklärung für alles.

a) Alles ist in der Tat eine Kampagne, aber nur von der ersten Tochter ausgehend und diesmal schießt sie in unsere Richtung und nicht "in die Philippinen". 

Der Gatte der ersten Tochter ist auch der Eigner des Familienparkplatzes und dem ist der ganze Zinnober nebenbei bemerkt furchtbar peinlich und die Parkplatzgeschichte soll schon zu schief hängendem Haussegen bei ihm geführt haben, weil weder er noch sein früher von Schwiegermutter und meiner Frau groß gezogener Sohn das Parkverbot für das Ludigelmobil sonderlich gut finden.

b) Und Schwiegermutter zeigt hat offenbar leicht senile Phasen, in denen sie zwar Haushalt und Versorgung von Junior wie immer weiter macht (was sie eben schon ewig so gemacht hat), aber eben auch extrem leicht beeinflussbar ist. Und so konnte das erste Töchterlein ihre Mutter in ihre gegen meine Frau (altschwesterliche Rivalität), mich und Junior gerichtete Aktion einspannen. Warum das erste Töchterlein den philippinischen Mann der zweiten Tochter und den deutschen Mann der dritten Tochter und ihren Sprößling nicht mag, weiß ich auch nicht. Bei dem philippinischen Schwestergatten hat sie jedenfalls auszusetzen, er sei braun, so ist von ihr überliefert. Nun, bei mir käme dann vielleicht "rosa" oder "lange Nase" als Stein des Anstoßes in Frage. Und weil Junior ziemlich westlich aussieht mit seinen braunen Haaren, hat es ihn da wohl mit erwischt.

...so ist es jedenfalls bei uns


Ende der Aufregung: Donnerstag mieten wir einen Tiefgaragenplatz 50m entfernt, jedenfalls wenn der dicke Volvo in den Autolift (pfui deibel) passt und Frau, Junior und ich leben ganz vergnügt in meiner kleinen Wohnung. Dort machte es sich meine Frau gestern im Wohnzimmer zu Seifenoper a la Taiwan bequem, während Junior und ich in meiner Besenkammer aka Office auf einer Ministereoanlage Nina Simone gehört haben und anschließend US-Fernsehserien bzw. Little-Einsteins-Disney-TV auf dem Note- bzw. Netbook geguckt haben. Für Junior wird eine kommerzielle Kinderbetreuung tagsüber gesucht (Schwiegermutter war ja eigentlich auch kommerziell, bei der reichlichen Entlohnung ;-) und im Oktober geht es mit dem phillippinischen Familienzweig nach Disneyland Hong-Kong.

Zu Schwiegermutter, der jetzt alles irgendwie Leid tut, wie man von ihrer ungewohnten Höflichkeit mir gegenüber ableiten kann, wird die Beziehung repariert - zu der "ersten Tochter" werden jedoch alle Kontakte inklusive Familienessen abgebrochen. Kommt sie, kommen wir nicht. Hauptgrund ist hier ihre Feindseeligkeit Junior gegenüber, die doch irgendwie schwer verdaulich ist.

Eigentlich fast ein reinigender Sturm, den sie da entfacht hat, die hermana primera.

Nach dem U-Bahn-Massaker...

Notizen zu dem U-Bahn - Massaker und mannigfaltigen Reaktionen darauf


Die Tage war im TV der Täter des U-Bahn-Massakers (http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/05/amoklauf-mit-messer-in-der-u-bahn.html) zu sehen, wie er von der Polizei irgendwo hin überführt wurde. Immer wieder empfinde ich den Anblick des jungen Mannes als verstörend. Nicht, weil er irgendwie monströs aussieht, sondern im Gegenteil, weil er irgendwie wie ein x-beliebiger Teenanger wirkt (auch wenn er schon 21 ist, aber die Leute hier wirken für westliche Augen meist ein paar Jahre jünger). Gerade in seinem rot-schwarzen Turndress, der aussieht wie frisch vom Unisport mitgebracht oder dergleichen, wirkte er nicht wie der irre Attentäter, der er ist, sondern wie irgendein junger Mann. Der etwa irgendwo im Café sitzen könne und mit dem Kopf wippt wie all die anderen jungen Leute hier, während er auf dem Smartphone bei Facebook postet. Seine Normalität macht ihn gewissermaßen unheimlich. Ein rotes T-Shirt hatte er immer noch an, jetzt allerdings Jeans und die in Taiwan auch in der Stadt üblichen blauen Strandlatschen (auch wenn hier nirgends Strand ist) an den Füßen.

Wie im Ausländerforum zu entnehmen ist, wohl aufgrund von chinesischsprachigen Pressemeldungen, fordern die Eltern selbst die baldige Hinrichtung ihres Sohnes - sie haben im übrigen noch ein weiteres Kind.
EDIT: Siehe hier: http://www.news24.com/World/News/Parents-of-Taiwan-subway-attacker-call-for-his-death-20140527. Die Eltern wünschen ihrem Sohn eine bessere Lebensführung in seinem "nächsten Leben".
In den Schilderungen vom Attentatshergang taucht jetzt eine zweifache Mutter auf, Mitarbeiterin eines Landvermessungsamtes, die jetzt anstelle des älteren Herrn als Verteidiger eines Mutter/Kleinkindpaares erwähnt wird. Offenbar hat sie den Angreifer mit einer Büchertüte in Schach gehalten, die sie in seine Richtung geschwungen hat. Ansonsten wird ein 52jähriger Geschäftsmann erwähnt, der mit seinem Regenschirm als Teil einer Gruppe des Angreifer in Schach hielt. Möglicherweise war dies der "ältere Mann", der anfangs erwähnt wurde. Auch wenn ich bei dem Terminus eher an einen Senioren denken muss. Aber ich muss mit als Endvierziger wohl langsam daran gewöhnen, dass andere mit "ältere Leute" meine Altersgruppe meinen.

Und Die MRT (Taipeis Stadtbahnsystem aus U-Bahn und Schwebebahn) wird hier von Christen durch Gebet "vom Bösen gereinigt" - genauer gesagt der Wagon, in dem die Morde stattfanden: http://www.chinatimes.com/realtimenews/20140528002191-260402

Regenschirme, gerade solche, die verkappte Kampfstöcke sind, sollen sich dieser Tage reißenden Absatzes erfreuen.

Wenn in taiwanischen Berichten ältere Männer hervorgehoben werden ist das sicher auch mit der Seniorenverehrung zu erklären, die aus der chinesischen Kultur kommend in Taiwan sehr verbreitet ist. Apropos, im Ausländerforum war sonst noch irgendwo die Rede davon ein westlicher Neuankömmling habe an seinem ersten Tag in Taiwan seinen Englischlehrerjob gleich wieder verloren, alles Geld verprasst und habe sich dann mit einem älteren Herrn geschlagen. So viel zur erfolgreichen Integration.

Dienstag, Mai 27, 2014

Kleiner Diktator (+ Kurzmeldungen)

Sie alle kennen die Baby-an-Bord - Sticker. Bei dieser Version hier, gesehen in meinem Wohnviertel in Taipei, bin ich fast rückwärts hingeschlagen.

Ein peppiger Suzuki SX4-Kompaktwagen, aber diesmal mit einem sehr ungewöhnlichen Baby-Warnsticker. Es ist Taiwans Exdiktator Chiang Kai Shek höchstselbst, der hier den Finger an die Lippen legt, damit das Baby in Ruhe schlafen kann.

Der "Generalissimus" war ja noch im alten chinesischen Kaiserreich Anführer der nach europäischem Vorbild aufgebauten Neuen Armee gewesen, die sich dann gegen den letzten Kinderkaiser gewandt hat und die Republik China mit Hauptstadt Nanking gegründet hatte, als eine Art rechte bürgerliche Diktatur, die freie Wahlen für den Fall aufschob, dass man mal über ganz China herrschen würde. Im Jahre 1949 floh dann der Generalissimus auf die Insel Taiwan, die seit 1895 eine japanische Kolonie war und setzte dort seine Republik China fort. Sie gibt es noch heute, deswegen auch der Aufkleber. Aber seit 1992/1996 ist sie eine parlamentarische Demokratie. Und der Exdiktator wird heute von Menschen, die südlich der Hauptstadt Taipei (seiner alten Zentrale) leben eher nicht mehr gemocht und als ehemaliger Fremdherrscher empfunden, während er im ethnisch chinesischen Taipei immer noch viel verehrt wird. Auch in meinem Viertel. Der 1975  verstorbene Diktator ist halt irgendwie doch der Gründer des modernen Taiwan - auch wenn er das nie gewollt hat.

+++

Kurzmeldungen: 

Unter den Opfern des Amoklaufs in Kalifornien war mindestens ein Taiwaner; ein Mitbewohner des Täters, der am Anfang des Amoklaufs von dem Täter zusammen mit zwei anderen Asiaten erstochen wurde: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/05/27/2003591349

Und in der MRT (Standbahn, U-Bahn) von Taipei ist ein junger Mann festgenommen worden, weil er in der Aufmachung eines US-Soldaten inklusive automatisches Gewehr und Kampfanzug mit Helm saß. Er hatte es tatsächlich bis auf einen Sitzplatz geschafft, jedoch sind alle ruhig geblieben. Der eigenartige Fahrgast wurde festgenommen. Der junge Mann war allerdings nur auf dem Weg zu einem Paintball-Wettkampf, die Waffe war also nur in der Lage explodierende Farbkügelchen abzuschießen. Dummes Verhalten, wo zur Zeit bewaffnete Polizisten und Spezialkräfte mit echten Schnellfeuerwaffen in der MRT präsent sind nach dem MRT-Amoklauf vor ein paar Tagen.

Zu viel "Amok" im Blog die Tage für meinen Geschmack.

Montag, Mai 26, 2014

Londoner Gericht: "Britischer Todesfahrer" zur Zahlung verpflichtet

Londoner Gericht (High Court) bestätigt das Urteil eines Zivilgerichts der Republik China aka* Taiwan, dass der aus Taiwan flüchtige Z.D. den Hinterbliebenen des Unfalls Entschädigung zahlen muss

http://www.taiwannews.com.tw/etn/news_content.php?id=2489565

Der Brite Z.D., der pakistanisch- oder indischstämmig ist, hat wohl implizit das Taiwanerlebnis sehr vieler westlicher Ausländer hier bestimmt. Nicht nur der Autor dieses Blogs war der Meinung, im Zuge des Medienrummels um Z.D. eine deutliche Verschlechterung des Straßenklimas westlichen Ausländern gegenüber wahrgenommen zu haben, die aber offenbar nur von vorübergehender Natur war. Obwohl das viele freundliche Hinterherwinken der Taiwaner beim Anblick eines Westlers, das jedenfalls bis vor ein paar Jahren noch Standard in Taiwan war, in der letzten Zeit wohl nicht mehr oder nur noch sehr wenig vorkommt.

Kurzzusammenfassung: Z.D: hatte in Taiwan gelebt und hier eine Computerfirma betrieben oder die hiesige Zweigstelle einer solchen. Im Jahre 2010 war er dann nächstens zu einem Karaoke-Lokal aufgebrochen, wo ihn ein Geschäftspartner und mehrere andere Einheimische zu einem rauschenden Besäufnis erwartet hatten. Erwiesen ist, dass Z.D. letztlich von einem Parkwächter des Lokals in Z.D.s eigenem alten Mercedes nach Hause gefahren wurde. Unstrittig ist auch, dass Z.D. den Wagen schließlich selbst in seine Tiefgarage gesteuert hatte und dass das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt stark unfallbeschädigt war, von der Kollision mit einem Zeitungsausträger, der den resultierenden Aufprall auf den Asphalt nicht überlebt hatte.

Strittig war, wann genau der Fahrerwechsel stattgefunden hatte und hier spielten sowohl eine Korruptionsaffaire, in die das ermittelnde Polizeirevier und eben das auch solche Karaokelokale kontrollierende organisierte Verbrechen verwickelt war als auch eine massive Vorverurteilungscampagne der Presse (zu einem Zeitpunkt, als Z.D. wegen Überwachungskamerabildern mit dem Parkwächter am Steuer recht unschuldig wirkte) eine Rolle.

Immer noch läuft das Auslieferungsverfahren gegen Z.D., der in Schottland im Gefängnis einsitzt, während über die Auslieferung entschieden wird. Das Verfahren zieht sich schon seit Monaten hin.

Letzter Bericht:
http://osttellerrand.blogspot.de/2014/03/britischer-todesfahrer-expat-update.html

* Hier war ich mitten im Satz weggerufen worden, so dass hier wirklich kurzzeitig die Worte "China aka" fehlten ;-)

Freitag, Mai 23, 2014

U-Bahn - Amoklauf, Nachbereitung (Update)

Ergänzungen zur gestrigen Meldung (http://osttellerrand.blogspot.de/2014/05/amoklauf-mit-messer-in-der-u-bahn.html) über den U-Bahn-Amoklauf in Taipeis "Bannan"-Linie

Im Ausländerforum Forumosa.com fanden sich Berichte, die sich wohl auf chinesischsprachige Seiten beziehen, der Angriff in der U-Bahn habe sich so abgespielt, dass der Täter Namens Cheng (Student aus Taichung, der jedoch in Taipei in der Nähe der U-Bahnstation des Angriffs aufgewachsen war) zunächst ohne Vorwarnung auf zwei schlafenden junge Männer in den 20ern und eine ebenfalls schlafende Endvierziger-Frau eingestochen hat, wobei er offenbar Brust und Magenbereich mit dem langen Messer schwer verletzte, so dass die Opfer kurze Zeit später verstarben. Er griff dann eine Frau in den 60ern an, die später im Krankenhaus ihren Verletzungen erlag und soll sogar einen Säugling resp. eine Mutter mit ihrem Baby angegriffen haben. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die auseinanderstobenden Passagiere allerdings telweise in einer Gruppe zusammengefunden, die den Täter mit Regenschirmen abwehrte (hier ist gerade Regenzeit) und die Rolle eines älteren "beschirmten" Herrn wird dabei hevorgehoben, der den Säugling geschützt haben soll. Passsagiere hatten bereits den Notrufknopf gedrückt, jedoch verließ der Täter zunächst immer noch ein Messer in der Hand haltend die Bahn und wurde dann von Securityleuten, Polizisten und auch Fahrgästen zu Boden gebracht und schließlich festgenommen. Auch dabei wird die Rolle eines offenbar anderen älteren Mannes mit Kampfsportausbildung hervorgehoben.
Solche Berichte im Frühstadium der Aufarbeitung pflegen sich oft noch zu ändern, aber ich denke am positiven Effekt der Regenschirme wird hier etwas dran sein, die wohl in der Masse angewendet einen Messerangreife in der Tat Probleme bereiten können erfreulicherweise.

Momemtan gibt es wohl einige Spinner im Internet, die Trittbrettfahrertaten ankündigen oder Sympathien mit dem Täter äußern. Weitere Infos neben Täterfoto hier: http://edition.cnn.com/2014/05/21/world/asia/taiwan-train-stabbing/?hpt=hp_t3 

Auch hier: http://www.chinapost.com.tw/taiwan/local/taipei/2014/05/21/408258/3-dead.htm

UPDATE: Ein Mitschüler des Täters war offenbar vorab über die Tat informiert und hat seine Mutter gebeten, am Anschlagstag nicht die MRT Taipeis zu benutzen, "weil ein Freund etwas schlechtes vorhabe": http://www.taiwannews.com.tw/etn/news_content.php?id=2489141
[Edit] Weitere Detailinfo darüber hier: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/05/25/2003591192 

Donnerstag, Mai 22, 2014

Amoklauf mit Messer in der U-Bahn (Update 2)

Schon gestern Bilder im Fernsehen gesehen ohne zu wissen worum es geht. Es gab einen Amoklauf in Taipeis U-Bahn "MRT", auf einer der bekannten Hauptstrecken am Sun Yat-Sen - Denkmal (Bannan-Linie)

Ausländer wie eben auch ich empfinden Taiwan und auch die Hauptstadt Taipei immer wieder als ein friedliches Paradies, wo man nächtens durch Schlichthausviertel laufen kann um Fotos zu machen oder was auch immer auf den Straßen tut und wo auch immer herum wandert. Überfälle gibt es so gut wie nie. Die einzige Ausnahme sind offenbar Übergriffe auf einheimische Frauen, da hat meine Frau einiges zu berichten. Ausländische Frauen des "westlichen" Typus sind davon offenbar ausgenommen - wofür man oft Bilder von körperlich kräftigen und auch selbstbewusst auftretenden westlichen Frauen als Erklärungsmodell heranzieht.

Trotzdem liegt Taiwan in der Mordstatistik deutlich über beispielsweise Deutschland, einschlägige Statistiken hatten wir hier im Blog auch schon mal (Edit: Siehe Update2 unten). Man erklärt sich die Diskrepanz durch häufigere Familiengewalt (von der der typische Ausländer in Taiwan maximal aus Richtung der Gattin fliegende Gegenstände mitbekommt) und durch Schießereien im Gangstermillieu, von denen man aber maximal Zeitungsmeldungen sieht.

Um so schockierender wenn die heile Welt jäh unterbrochen wird. Es gab einen Amoklauf in Taipeis U-Bahn, der Täter ist ein 21-jähriger mit dem in Taiwan häufigen Familiennamen* Cheng (korrigiert), der die Bahn bekleidet mit einem roten T-Shirt und kurzer Hose betreten hat und dann mehrere Menschen völlig unprovoziert mit einem 20cm-langen Messer angegriffen hat. Dabei gab es bislang 4 Todesopfer, einige Verletzte schweben noch in Lebensgefahr. Die Opfer sind zwei junge Männer in ihren 20ern und zwei Frauen über 50 bzw. 60. Offenbar galt der Täter in seinem Umfeld als auffällig. Der Täter ist festgenommen worden.


Wer sich jetzt Taipeis MRT als düster und gefährlich vorstellt liegt falsch. Ein heller aufgeräumter Ort, völlig Kameraüberwacht und schon fast steril sauber, mit netten Grünpflanzen auf den WCs und ohne jedweden Vandalismus. Allerdings hatte es wohl schon vor ein paar Wochen einen anderen Messerangriff auf Passagiere gegeben.

UPDATE: 22 Verletzte offenbar, Google lässt einen viele Fotos mit blutverschmierten Opfern finden. Grauenhaft. Hier aber nicht verlinkt.

http://www.taiwannews.com.tw/etn/news_content.php?id=2487259&fb_action_ids=10152409661493374&fb_action_types=og.likes 

http://www.chinapost.com.tw/taiwan/national/national-news/2014/05/22/408340/4-killed.htm

* eigentlich sind alle Familiennamen hier häufig, so viele gibt es nicht, weil alle einsilbig.


***

UPDATE 2:
Hier mal ein statistischer Auszug aus http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_intentional_homicide_rate_by_decade#2010s
Die Zahl gibt die "absichtlichen Tötungsdelikte" pro Jahr pro 100.000 Einwohner wieder, wobei die statistischen Angaben von den betr. Ländern sind. Auch mag verschieden sein, was etwa als Tötungsdelikt (Homicide) gilt. In den USA etwa wäre eine Trunkenheitsfahrt mit Todesfolge schnell Homicide/Totschlag, in Deutschland eher (grob) fahrlässige Tötung, so weit ich weiß.

EUROPA:

Deutschland:
2008: 0,88
2009: 0,86
2010: 0,84
2011: 0,81
2012: 0,7

Großbrittanien:
2008: 1,26
2009: 1,17


ASIEN:

Taiwan:
2008: 3,5
2009: 3,6
2010: 3,2
2011: 3,0
2012: 2,7
2013: 2,0

Thailand:
2010: 5,3
2011: 4,8

Vietnam:
2009: 1,85

Japan:
2010: 0,36
2011: 0,35


AMERIKAS:

USA:
2008: 5,4
2009: 5,0

Canada:
2010: 1,62
2011: 1,73
2012: 1,56

Honduras:
2010: 78,0
2011: 87,0
2012: 86,0

Mexiko:
2008: 13,0
2009: 18,0

Brasilien:
2008: 30,0
2009: 23,0

Also eine etwa dreimal so hohe Rate wie Deutschland, aber etwa nur 3/4 der Rate der USA.

Mittwoch, Mai 21, 2014

Im 6. Gang nach Lukang

Trip mit dem Auto und wegen dem Auto nach Lukang, einer schönen alten Stadt in der Nähe von Taichung

Ziel von Frau und mir im Jahre 2014 ist das verstärkte Bereisen von Taiwan, das wir in den vergangenen Jahren fast völlig aufgegeben hatten. Sicher auch wegen langer Arbeitstage, resultierender Müdigkeit am Wochenende und der Tradition in meiner Taiwanfamilie, die eigenen vier Wände nur zum Broterwerb und Essenkaufen zu verlassen - eine Tradition, die sich wohl aus vergangenen schwierigen Zeiten erklärt. Einer unseren ersten Trips unserer neuen Reisephase jedenfalls führt uns nach Lukang in Mitteltaiwan an der Westküste gelegen (http://rtaiwanr.com/2/Taiwan/lukang). Grund für die Reise war freilich, dass unser neuer Volvo, der im Dezember 2013 das altgediente Nissan - Ludigelmobil ersetzt hatte, ein Kamerasystem bekommen sollte, das nach dem Blackbox-Prinzip Verkehrsgeschehen und Stimmen im Innenraum aufzeichnet. Man darf also nicht mehr "Warte, ich erwisch Dich doch noch, du Lexus-Sau" brüllen, bevor man einen anderen Verkehrsteilnehmer rammt. Oder wenn, dann nur auf Deutsch. Aber natürlich könnte man die Flashcard entnehmen, sollte man das wollen.

Bei diesen Blackboxen hat man einen dicken Innenspiegel (der sich praktischerweise gleich automatisch abblendet) und mehrere angeschlossene Kameras, die vorne und ggf. an den Seiten und nach Hinten alles aufzeichnen in einem Kombibild, das man hier auf dem oberen Spiegel im Bild erkennen kann. Im wilden Verkehrgeschehen in Taiwan ist soetwas beliebt und praktisch.

Nun hatte auch schon unser Altwagen so ein System der Marke WITNESS, aber weil eine Kamera ausgefallen war und sich der Installateur in Taipei weigerte, es zu reparieren und nur einen Komplettneueinbau machen wollte, sind wir einfach zur Hauptvertretung der Marke Witness nach Lukang gepilgert und haben so dem pfiffigen Herrn in Taipei das Geschäft missgönnt und einen schönen Ausflug gemacht - und haben gleich eine neue Version des Kamerasystems mit einer Kamera mehr einbauen lassen. Ach ja, man muss das Ding schon im Auto befestigen und nicht am Computermonitor im Büro, wie hier im Bild ;-)

Dynamische Techniker machten sich sogleich in Windeseile an mein noch nicht ganz zielsicher geparktes neues Auto und bauten vorne, hinten und an den Seiten Kameras an. Etwas unschön nur diesmal die Stromversorgung, die über den Zigarettenanzünder läuft. Das hatte der geschäftstüchtige Lizensnehmer in Taipei geschickter gemacht. Aber wenn ich mich recht erinnere, hätten sie das auch besser anschließen können, hätte nur länger gedauert oder dergleichen. Aber wir wollten ja noch die Altstadt angucken.

Toll der Warteraum mit Gratistheke. Hier gab es eine riesige Auswahl an Keksen und obendrein Fertignudeln und Tee. Meine Frau ermahnte Junior und mich mehrfach, uns nicht mit endlos vielen Keksen vollzustopfen. Na ja, wann kann man schon mal so ein Sortiment durchprobieren. Aber gut, die Käsecracker hatten dies orange Pulver außen dran, das so gruselige Flecken gibt.

Doch dann fuhr mir der Schreck in die Glieder, als in den nationalen Fernsehnachrichten plötzlich MEIN WOHNBLOCK aus dem fernen Taipei zu sehen war...

Det is doch da der Stinky-Tofu-Laden unten bei uns im Haus. Was hat der in den Fersehnachrichten zu suchen?

Der Bericht hatte mit der alten Dame zu tun, die immer in der Kreuzung neben unserem Mietshaus eine wilde Müllverwertung betrieben hat und offenbar nächtens auf der Kreuzung angefahren worden war und seither im Koma lag. Sie verstarb wohl einige Zeit später (http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/12/tod-vor-der-hausture.html). Kurz nur die Bemerkung dazu hier, dass man Taiwanern natürlich in ihrem angestammten Viertel keine "preußische" Verkehrsdisziplin beibringen kann - damals hatte mir der Bericht Vorwürfe eingetragen, mich nicht um die ältere Dame und ihre Sicherheit gekümmert zu haben. Die Einheimischen machen eben doch was sie wollen in ihrer eigenen Heimat und auch wenn man da öfter mal verkehrstechnische Bedenken hat, man sieht nur schweigend zu - als Außenseiter könnte man auch nicht wirklich etwas machen.


Alsbald widmeten wir uns wieder dem Studium der Beschreibung des Kamerasystems, hier an einem taiwanischen "Luxgen" vorgeführt. Dieser SUV ist in Zusammenarbeit mit Nissan und Renault entstanden und war für 850.000 NT damals zu haben, also unter 18.000 Euro oder so mit 2.2-Liter 170-PS-Turbo und Allrad. Aber mir war die Kiste mit dem Lexus-artig geschwungenen L-Logo immer zu schwülstig im Aussehen.



Hier noch der Hinweis, man dürfe mit dem neuen Kamerasystem nicht am berühmten "Taipei-101"-Hochhaus mit seinen 101 Stockwerken vorbeifahren (rechts im Bild).

Kleinstadtromantik in Lukang, hier mit "Hyundai Zombie-Killingmaschine" in Silber im Vordergrund.

In den engen Gassen...


... gab es dann prompt einen Zwischenfall. Meine Gattin rief mich plötzlich zu Hilfe über das Handy, während ich mit dem Kinderwagen nachgekommen bin (sie war schon voraus)...

... und sicher wieder zu viel Zeit mit Fotografieren zugebracht hatte.

Meine Frau fühlte sich von zwei Herren bedroht, zu denen im eigentlich friedlichen Taiwan noch ein dritter dazugerufen wurde per Handy und die sich dann schnellen Schrittes näherten von hinten und auch ihren Schritt beschleunigten, als sie schneller wurde. Nun hatte sie Junior auf dem Arm, der von Taiwanern immer als "kleiner Ausländer / xiao waiguoren" bezeichnet wird (wohl wegen des braunen Haares, obwohl er ja ebenso Taiwaner wie Deutscher ist). Da sind die Taiwaner oft neugierig, machen öfter mal Fotos und bewundern Junior als "hao ke ai"/ach wie niedlich. Nur die Herren seien sehr unfreundlich gewesen, sagte meine Frau. Hatte meine Frau auch eine Dosis des Anti-Johnny-Weißbrot-Klimas auf Taiwans Straßen mitbekommen, das ich damals im Fahrwasser des "britischen Todesfahrer"-Skandals zu spüren glaubte? Taiwan ist eigentlich gastfreundlich gerade "weißen" Ausländern gegenüber. Nur im Fahrwasser großer Presseberichte gegen einzelne (echte oder aufgebauschte) Skandalnudeln eben mal kurzzeitig nicht.

Vielleicht war aber auch alles nur ein Missverständnis in schmalen Gassen. Ich jedenfalls kam zu spät, meine Frau hatte schon Zuflucht in einem Privathaus gefunden. So blieb es mir erspart, einen der drei Herren am Fußgelenk in der Luft kreisen lassen zu müssen, um die anderen beiden im Schach zu halten. Oder irgendwie so.

Nett jedenfalls die Altstadt von Lukang. Meine Frau sprach das so völlig anders aus, dass ich mir mit dem Ortsnamen nicht sicher bin, aber "Lukang" war jedenfalls in lateinischen Lettern auf einem Touristenhinweisschild zu lesen.

...

...
...

Man denkt, vor ein paar Jahrhunderten hätte so ein Hauseingang ganz genauso ausgesehen. Sans die Mopeds.

Tomaten und Erdbeeren in Zuckerguss.

...
Laut einschlägiger Literatur soll ja eine Methode zur Zeitreise sein, eine Stelle, die sich über die Jahrhunderte kaum verändert, längere Zeit zu fixieren und sich in die Vergangenheit hinein zu denken. Also schnell wieder weg-geguckt bei so unheimlich alten Hauseingängen.

 Welcher rotäugige Gott wird hier in diesem Tempel verehrt?

...

Die leckeren Essensauslagen versetzten jedenfalls meine Frau in Entzücken an den zahlreichen Ständen.

Das ... äh.... Gemüsestrangzeug links im Bild war jedenfalls "famous", die Familie hatte es schon in einer Fernsehshow in Taiwan vorgestellt, wie das Foto verdeutlicht. Links in Blau das ist nicht etwa ein TV-Star sondern die Tochter des Hauses. Das mit dem Showstarjob könnte sie aber sicher auch noch gleich mit erledigen, so fotogen wie sie auf dem Bild wirkt. Wer solche grauen Gemüsestränge verknödeln kann, der kann alles.

Buntes Gebäck, in Taiwan ja manchmal mit Fleisch oder ungewürztem Eigelb gefüllt, ganz nach Schiwegermutters Geschmack und für sie gleich mitgenommen.

Bilder aus dem Tempel im Hintergrund demnächst, da hat meine Frau schnell die lokalen Gottheiten um ihren Beistand gebeten. Und Sie können Lukang ruhig besuchen, Taiwan ist wie gesagt friedlich und gastfreundlich, sicher war auch alles nur ein Missverständnis in dunklen Gassen unter den Augen des rotäugigen Gotttes ;-)

Fototechnisch: Sony Alpha 850 und Tokina AF 2.8-4.5/28-70mm, letzteres ein kleines und leichtes Kompromissobjektiv, das gut ist, wenn man sich mit einer Hand um Junior kümmern muss.

 ***

Edit: Hier noch ein paar nachgereichte Bilder:


 ... und iranische Trank-Spezialitäten, wenn auch leider gerade nicht lieferbar, als wir danach fragten.

Montag, Mai 19, 2014

Deine Leber, deine Nieren, deine Gallenblase, deine Schilddrüse....

Jährliche Gesundheitesuntersuchung nach taiwanischem Arbeitsrecht 

Angestellte in Taiwan müssen zumindest in größeren Unternehmen nach dem Arbeitsrecht alle zwei Jahre einen Gesundheitscheck über sich ergehen lassen, u.a. mit Blutprobe und Röntgen und "Echolot" am Körper. Vor 2 Jahren (ist es schon wieder so lange her?) hatte das zu einer Ankündigung von in 2-3 Jahren drohenden schröcklichen Konsequenzen seitens der den Test überreichenden Krankenschwester geführt, ein Stockwerk über mir.
Seither esse weniger Fleisch und Fett und auch weniger Süßes. Von 13 ursprünglich abgenommenen Kilos sind zwar 3 wieder drauf diffundiert, aber dauerhaft bin ich jetzt 10kg unter meinem alten Wert. Und ich nehme selten den Lift in den 6. Stock ins Büro, um das Jogging um den mopedzugeräucherten Block zu vermeiden. Immerhin wurde mir völlige Genesung von der noch nicht eingetretenen Krankheit in Aussicht gestellt.

 Nicht meine Gallenblase, sondern ein Kugeleis, hier in einem italienischem Restaurant in Deutschland

Was nun der diesjährige Report zu vermelden haben wird, weiß ich noch nicht, jedenfalls sagte eben der Doc nach dem Ultraschall der inneren Organe den interessanten Halbsatz:

"Deine Leber, deine Nieren, diene Gallenblase und deine Schilddrüsen scheinen diesmal..." und machte eine lange Kunstpause. "Jetzt", so dachte ich, ist es recht wichtig wie der Satz zu Ende geht! Die Aufsummierung wichtiger Orange ließ mir jetzt wenig Ausweg. Hätte man eine verdaddelte Gallenblase oder eine wohllebende Leber, eine nicht niet- und nagelfeste Niere noch akzeptiert so vor dem Frühstück, war es die Aufsummierung die die Sache kritisch machte. Fehlten nur noch Herz und Hirn in der Aufzählung. Der Doc hatte mich rhetorisch mit einem Dynamitpacken verdrahtet, so wie Jerry den Kater Tom (wenn ich das richtig rum habe) im Cartoon und hatte den Finger über dem semantischen Zünder!

... in Ordnung zu sein, sagte er. Also hat meine Gesundsheitstour etwas gebracht, denn beim letzten Mal gab es da Kritik. Aber bange warte ich nun die Endauswertung ab und verabschiede mich schon mal von Süßem und über eine Untertasse hinausgehende Portionen. Bestimmt finden die wieder irgendwas.

Interessant dabei ist, dass man als Arbeitnehmer das kein Mitspracherecht hat. Ich vermute auch der Arbeitgeber kriegt die Unterlagen zu sehen. Der transparente Angestellte, hier im wahrsten Sinne des Wortes. Aber in Zeiten des Internets durchaus ein gewohnter Zustand.

++++++++++++++++++++++++++
Und etwas aus der Rubrik nervige Stolpersteine für Auslandsdeutsche aus der Heimat: Meine Zweitkreditkarte von der Volovisbank, die auf mein deutsches Konto geht, war mal eine Kostenloskarte vom Karstadt, ideal für den Auslandsdeutschen, der nicht so viele Gebühren auf dem nicht mehr regelmäßig mit Gehaltszahlung bedienten deutschen Konto haben will. Doch nun hat die Valovisbank schon seit einem Jahr oder dergleichen die Karstadtkarte übernommen, will jedoch nun nach offenbar geändertem Geldwäschegesetz einen Ausweis von mir sehen über das Postident-Verfahren, das man in deutschen Postfilialen durchführt. "Kein Problem", dachte ich, gehe ich halt zur deutschen Vertretung. Die allerdings darf seit 2010 kein Postidentverfahren mehr durchführen (http://www.tarifometer24.com/allgemeines/botschaften-duerfen-legitimation/17336/). Oder jedenfalls offizielle Botschaften dürfen das nicht mehr, um die Geldwäsche einzuschränken. Klar, wenn ich im Heimaturlaub oder bei Internetbestellungen bei deutsche Karte nicht mehr nutzen kann, ist das sicher ein großer Sieg für die "Geldwäsche-Bekämpfung". Drogenkartelle in aller Welt zittern schon.



Freitag, Mai 16, 2014

Angriffe auf taiwanische Unternehmen in Vietnam (Update)

Taiwanischen Fabriken in Vietnam wird die Hölle heiß gemacht durch den Mob. Wegen der VR-China

Im Ausländerforum wurde es schon gemeldet, jetzt hat die Story auch die NZZ, die ich nach Erinnerung in den Kommentaren jetzt wirklich morgendlich lese: In Vietnam greift ein gewalttätiger Straßenmob vorwiegend taiwanische Fabriken an, obwohl auch andere nichtvietnamesische asiatische Fabriken und auch entsprechende Leute auf den Straßen gerade gefährlich leben. Grund sind die Angriffe von "zivilen" chinesischen Schiffen auf vietnamesische  Küstenwachschiffe in umstrittenen Seegebieten. Die Vietnamesen setzten dabei offenbar Chinesen und Taiwaner gleich, selbst die NZZ schreibt von "Chinesen" die in einer taiwanischen Fabrik angegriffen worden wären. Sind damit wirklich Chinesen gemeint oder eben Taiwaner?
http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/alles-unter-kontrolle-1.18303269

Andererseits ist natürlich Taiwans offizieller Staatsname "Republik China" und unser prochinesischer Präsident hier in Taiwan betont immer, Taiwan sei eine Region Chinas (wie auch das "Festland" Chinas), womit er freilich China eher als Nation und nicht als volksrepublikanischen Staat meint.
Warum werden gerade taiwanische Unternehmen angegriffen? Vielleicht ist es ein staatlich gesteuertes Ventil, irgendwas antichinesisches zu machen ohne China selbst zu treffen?

UPDATE: Offenbar beschäftigen manche taiwanische Fabriken in Vietnam auch chinesische Angestellte, die sie von in China stillgelegten Fabriken mitgebracht haben. Die chinesischen Arbeiter und Angestellte sind billiger als die taiwanischen. So verschwimmen natürlich die Grenzen im wahrsten Sinne des Wortes (Info freilich nur Hörensagen aus dem Ausländerforum).

Mittwoch, Mai 14, 2014

Ölhuhn

Die mysteriöse Krankheit eines Kollegen

Taiwaner verbringen viel Zeit im Büro, so viel Zeit, dass mancher Deutscher in gewerkschaftlich kontrolliertem Hause in der Zwischenzeit schon nach Hause gegangen und wiedergekommen ist. Im Extremfall jedenfalls. Aber wir taiwanischen Arbeitnehmer lieben unsere Firma und es macht uns nur eines glücklich hier am östlichen Tellerrand der Weltscheibe, nämlich wenn der Taiwandollar mit dem "formosen" Exdiktator Chiang Kai Shek auf dem 10 Dollarstück rollt und rollt.

So dachten dann auch alle, ein plötzlich über Brustschmerzen klagender sehr netter Kollege habe sich durch freiwillige Zusatzarbeit zu sehr die Gesundheit ruiniert, da sein Arzt in der Tat ein drohendes Herzproblem diagnostizierte. Allerdings erwähnte meine Frau sofort, der Kollege sei bekannt dafür, täglich frittiertes Huhn zu bestellen. Es gibt nämlich hier in der Firma täglich oder fast täglich Sammelbestellungen und da bestellen sich die Kollegen gerne so ein großes frittiertes Hühnerteil, schmeckt gut mit lockerer Fritteusenkruste drauf, dazu vielleicht noch frittierte Süßkartoffeln oder eine andere frittierte Leckerei. Ich selbst bin da vielleicht alle zwei Wochen mal dabei, aber der Kollege eben fast täglich.

Nicht von "Kentucky schreit F...." oder wie die US-Kette heißt, die es auch hier in Taiwan gibt, aber von einer lokalen Massenhühnerfrittieranstalt. Tatsächlich kam jetzt die endgültige Diagnose des Arztes: Das Blut des Kollegen ist so voller Öl, dass die Pumpe Probleme bekommen hat, ihren Dienst zu verrichten. Auf Öliges und Fettes verzichten, insbesondere Fleisch, dann ist eine völlige Genesung sicher.

Der nette Kollege wird jetzt erst mal ein paar Wochen Sabbatical nehmen und sicher unter den strengen Augen von Frau und Mutter vom gebackenen Huhn Abstand nehmen, denn wir alle sind nicht bereit ihn an die große Legebatterie im Himmel zu verlieren.

EDIT: Der Kollege ist übrigens schlank! Auch auch wenig zu essen hilft wohl nicht, wenn täglich schwer verdauliches Frittieröl dabei ist.


Montag, Mai 12, 2014

Persönliche Perzeption Politischer Petitiessen, rohe Molussken

Verwurstetes Familiendinner

Wenn ich so an vieles linksliberale deutsche Feedback im Blog denke, dann geht es mir manchmal so, dass ich meine tagtäglichen Handlungen dann und wann daraufhin prüfe, was jetzt wohl wieder die geneigte Leserschaft von diesem oder jenem halten würde. Etwa heute Morgen, als mir zum dritten Mal hintereinander von Spiegel.de eine mir gänzlich unbekannte Frau mit Bart in Großaufnahme präsentiert wurde. So als ob "Conquita Wurst" das Wichtigste am Morgen in Deutschland sei und das drei Tage hintereinander. Ich meine, es ist ja auch eine Frage der Perzeption. Dieses Wort habe ich glaube ich das letzte mal im Biologie-Prüfungskurs auf dem Gymnasium benutzt, nebenbei bemerkt. Von Wegen Aufbau des Auges und Zapfen. Wobei es nur ein kurzer Weg vom Zapfen zur Wurst ist und ich habe wirklich nichts gegen Transvestiten, andere geschlechtlich schwer zuordenbare Leute, singende Tranvestiten (gut, da habe ich das selbe wie gegen singende andere Leute: notfalls Ohrstöpsel) und gegen Paradiesvögel, Lebenskünstler oder Gesamtkunstwerke, aber der Anblick einer Frau mit Bart ist eben nichts, was ich drei Tage hintereinander sehen möchte beim Frühstück und - wie gesagt eben die Perzeption. Da erzeugt mir Spiegel.de immer so ein völlig linksliberal-politisch-überkorrekt verzerrtes Deutschlandbild. Weil ich ja Deutschland meistens nur noch aus dem Internet und da eben durch Spiegel.de kenne. Da stehen dann Themen im Vordergrund und vor allen Dingen Meinungen, die so gewichtig gar nicht sind, wie sie der Spiegel darstellt. Beispielsweise war ich neulich wirklich erstaunt, dass mein jüngst gekaufter Volvo SUV sich auch in Deutschland ausgesprochener Beliebtheit erfreut. Mein Modell ist der meistgekaufte Volvo im Lande und sogar der Nachbar an der Ecke bei meinen Eltern hat so ein Ding, wie ich beim letzten Heimaturlaub sah. Dabei erzeugt Spiegel.de bei mir immer den Eindruck, die Deutschen würden nur noch Einliter-Dreizylinder (besser als andersrum!) fahren mit extra hinten dran geschnalltem Feinstaubfilter. Und jetzt ist das Bartbild der sonst hübschen Dame oder wie auch immer eben von Adblock geblockt, zwei Tage angucken reicht mir einfach.

Jetzt höre ich schon wieder die politisch korrekten deutschen Leser aufjaulen. Über Conquita Wurst meckern und dann noch einen Volvo SUV fahren, pfui deibel. Eigentlich sollte diese Eingangs-Polit-Unkorrektheit aber nur von der wesentlich größeren ablenken, die ich schon wieder begangen habe. Gestern Muttertagsfestessen zu Ehren von Schwiegermutter bezahlt vom unternehmerischen Schwager, in einem Lokal mit "Sehzuan-Hakka-Cuisine", gleich neben Wendels deutschem Lokal in NeiHu. Da gab es massenhaft rohe Molluskeln, Fisch und Tintenfisch (beides auch oft roh) und mir fiel wohl das Fehlen des sonst immer dazu bestellten "ausländerkompatiblen" Essens auf. Eine Fortführung eben des Essenwegdrehens mit dem Drehtisch beim letzten Familienessen (http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/zuneigungsbarometer.html). So saß ich da nichtsdestotrotz quietschvergnügt und fütterte Junior mit gekochtem oder gedünsteten Seafood und gab mir Mühe Fröhlichkeit zu verbreiten. Denn wenn man gesund und fröhlich ist, ärgern sich die Leute erfahrungsgemäß immer am meisten. Außerdem saß ich da mit einem leckeren Oliven-Fladenbrot von Herrn Wendel nebenan und ein paar Quarkküchlein. Ist ja nicht so, dass der Herr Wendel und seine Brottheke aus der Welt liegt. Sehr politisch unkorrekt, ich weiß. Aber hier am östlichen Rande der Weltscheibe ist man als "Expat" eben auch seine eigene sozioökonomische Entität, wenn Sie wissen was ich meine. Und die schlägt eben auch manchmal fast schon asiatisch subitl zurück. Etwa als ich das ausländerkompatible leckere Rindfleisch in Scheiben durch hastige Drehung des Drehtisches erhaschte, mir ausgesprochen viel davon aufgabelte und dann... demonstrativ den ganzen Batzen bei meinem dicken Neffen nebenan auf dem Teller ablud und sagte "chi1, chi1", will sagen "iss, iss". Eine von meiner Frau angeregte Heimzahlung des Vorkommnisses beim letzten Familiendinner, wo mir das für Junior bestimmte Brötchen wieder durch die Frau des Gastgebers entzogen wurde um es demonstrativ eben diesem Neffen zu geben. Na, den Kleinen hat die "Heimzahlung" gefreut.

P.S: Aber da hat sich Schwiegermutter etwas neues einfallen lassen. Sie bedankt sich neuerdings bei mir, wenn ich bei ihr Besorgungen abliefere und lächelt dabei sogar. Anstatt wie früher stumm durch mich hindurch zu gucken. "Der Asiate" ist einem bei solch einem sozialkulinarischem Krieg doch überlegen und lässt sich immer wieder was neues einfallen... ;-)