Meine Frau studiert ja MBA, also so eine Art Ökonomie per Fernstudium an einer Uni in England. Manchmal schnüffele ich da in ihren Büchern oder sie fragt mich nach Erfahrungen zu einem Thema, gerade in Kultursachen Taiwan-Deutschland etc. Gestern wurde es richtig interessant.
Nach einem gewissen Hofstede werden Kulturen nach mehreren Kriterien sortiert. In der Tat passt die Klassifikation sehr gut zu meinen Erfahrungen.
Taiwan: garnicht so "manli" wie hier auf dem Schild...
Taiwan ist eine sehr
gruppenorientierte Kultur, genau wie Japan und natürlich China, während Deutschland und die USA sehr
individualistisch orientierte Kulturen sind. Deswegen erscheint Westlern oft der Durchschnittstaiwanese als überangepasst und auch ich habe hier schon von den androidenhaften "Borg" berichtet, die alle immer die selbe Laune haben, mich auf mechanisierte Halbmenschen in der SF-Serie Star Trek beziehend. Der Einzelne hier steht weniger raus, arbeitet aufopferungsvoll für Eltern und sonstige Familie, hört fast unterwürfig auf Vater und Mutter noch im Mannesalter und ruft beim Verkehrsunfall per Handy seine 20 Freunde. Gruppenwesen eben. Bei uns in Deutschland eher der Einzelkämpfer, deswegen hat man aber auch mehr Streits in den Büros, während man in Taiwan als auf die eigene Karriere bedachter Streithammel hingegen eher als Störenfried gelten würde. In Deutschland und den USA darf man einzelne sehr gute Mitarbeiter loben vor der Gruppe, in Japan als Gruppenkultur würde man dafür verlegenes Husten ernten. Taiwan ist da wohl ähnlich, vielleicht etwas verwestlicht.
Soweit so klar, muss man sich eigentlich nur die Massen an mittelgescheitelten Herren angucken, die brav mit immer den selben Klamotten in die Büros trotten jeden Morgen in Taiwan. Deutschland und die USA sind aber auch
maskuline Kulturen, die USA noch etwas mehr als Deutschland. Das sind Kulturen, in denen männliche Werte wie Aggressivität und entschlossenes schnelles Handeln hoch geschätzt werden. Auch Japan ist sehr maskulin, als maskuline Gruppenkultur erscheinen die Japaner daher fast wie ein aggressives Kampfkollektiv, als solches stellt sie etwa Bo Yang (
LINK) in seinem Buch "Ugly Chinaman" dar, wenn er beschreibt, wie eine chinesische Familie sich gegenseitig bei Geschäften übers Ohr hauen, während drei Japaner automatisch ein Kampfkollektiv bilden, das er "Drachen" nennt.
Hingegen ist Taiwan eine
feminine Kultur, hier werden Werte geschätzt, die man klassicherweise mit Frauen verbindet, also Hegen und Pflegen beispielsweise. Das passt zu der Art von Taiwanfirmen, auch schlechte Mitarbeiter kaum zu entlassen, sondern umzuerziehen, während sie im maskulinen Amerika gefeuert werden. Deutschland hat hier auch ein paar feminine Züge. Maskuline Kulturen wie Japan, das wohl als am stärksten maskulin gilt, tendieren dazu, Frauen aus beruflich höheren Positionen fernzuhalten, in der Tat kenne ich auch nur männliche Gesprächspartner in Japan, die Frauen sind immer nur zum Kaffeekochen leider. Weil ich aber nur per Email mit den Japanern verkehre***, muss ich sogar auf den Kaffee noch verzichten.
In Taiwan hingegen hat man auch im Computerbusiness verblüffend viele Frauen. Angeblich fühlen sich die maskulinen Japonesen von Frauen als Gesprächspartner abgestoßen, lehrte das Buch. Hier bei uns hat sich allerdings noch keiner der japanischen Ingenieure beschwert, wenn ihm hübsche Taiwanesinnen gegenüber sitzten. Die deutsche Legende, dass man Japanern immer kulturell in den Hintern kriechen muss, ist reiner Unsinn und typisch deutsches Multikulit-Gebabbele. Hier in Taiwan verbeugt man sich auch nicht vor den J-Männern, schließlich sind sie hier zu Gast und nicht mehr die Kolonialherren.
Vielleicht wirken wegen der Feminisierung Taiwans die Männer hier auch so anders. Junge Männer kleben sich "Hello Kitty" an den Mopedhelm und laufen in rosa Oberhemden rum. Ein Beispiel für eine individualistische feminine Kultur soll übrigens Dänemark sein. Hier sind Frauen gleichgestellt, sagte der Text, würden sich nie auf Sekretärinnenjobs im Berufsleben beschränken lassen und Machogehabe von Männern würde auch eher schlecht ankommen.
Dann gibt es noch die
Power-Distance, also die Bereitschaft, ungleiche Machtverteilung zu akzeptieren. Japan, China, Taiwan und Südkorea haben eine sehr hohe Power-Distance, will sagen Chefs sind Halbgötter, die man entsprechend vorsichtig anfassen muss, hohe Politiker sind mit mehr Privilegien ausgestattet. Aber nicht nur diese Gruppenkulturen sind mit hoher Power-Distance versehen, auch die Individualkultur Frankreich. Man denke an die zahlreichen Politskandale, die sich dort die Honoratioren scheinbar leisten können.
Die Amerikaner, die die Wertungen abgegeben haben, haben in dem Text die USA mit sehr niedriger Power-Distance bewertet, so als sei es eine Kultur aus Gleichberechtigten und geben für Deutschland einen eher niedrigen, aber höheren Wert als den der USA an. Ich denke nun an unterprivilegierte Ghettobewohner versus die 1% der amerikanischen Gesellschaft, die laut SPIEGEL etwa 75% der amerikanischen Unternehmensgewinne abziehen und dann scheint mir die Powerdistance sehr hoch. Aber das ist vielleicht nicht gemeint, vielleicht haben sich die Amerikaner da aber auch zu positiv eingeschätzt. In der Tat pflegen die Amerikaner ein eher egalitäres Klima in Firmen (allerdings wenden Deutsche da manchmal ein, dass sei nur Schein und Höflichkeit!) und sie legen großen Wert auf die verfassungsmäßigen Rechte im politischen Leben.
Ich erinnere mich da an einen Besuch auf der Cebit, wo ich als Gesandter eines taiwanesischen Partners von Microsoft ein Austellungsstück überbracht hatte. Die deutschen Microsoftler behandelten mich arrogant und weigerten sich zu helfen, so dass ich sie schließlich stehen ließ und mir einen Microsoftler mit englischem Namen am Namenschild suchte. Der war höflich und half mir sofort, obwohl er viel höhergestellt als die deutschen Kasper waren, mit denen ich vorher gesprochen hatte.
Letztlich sind die asiatischen Kulturen
Hochkontext-Kulturen, in denen man oft Dinge nicht sagt, sondern sie der Gesprächspartner aus dem Kontext erahnen soll, man Geschäftspartner in stundenlangen Besprechungen abschnüffelt, bei Angestellten das eheliche Umfeld bewertet (Scheidung führt hier oft zur Kündigung bei Angestellten!) und in denen schriftliche Vereinbarungen weniger gelten als die Good Vibrations, der Eindruck und das stillschweigende Vertrauen der Geschäftspartner (oder ihre Vorsicht voreinander). Deutschland gilt als extreme
Niederkontext-Kultur, die USA knapp dahinter. Hier spricht man die Dinge frontal an, redet nicht drum herum und Verträge sind ausnehmend wichtig. Direkte Kritik, wie sie (frisch verheiratete) Deutsche eventuell gegenüber Asiaten vorbringen, werden vom Asiaten oft als ehrverletztend empfunden, weil er das Gesicht verloren hat und man vorher keine subtilen Hinweise gegeben hat. Hochkontextkulturen mögen das direkte Ansprechen gar nicht. Ein Beispiel aus der Tagespresse: Merkel und Obama kommen sofort zur Sache, während Obama über stundenlanges Beschnüffeln mit dem chinesischen Präsidenten klagt:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,728647,00.html .
So, nun ist die Märchenstunde von Onkel Ludigel beendet, husch husch schön maskulin individualistisch wieder an die Arbeit, ihr lieben Deutschen. Ich lasse mich hier im femininen Taiwan erstmal von den Kolleginnen mit Keksen füttern.... ;-)
*** Zu den Besprechungen mit Japanern schicke ich lieber andere hin. Die Japaner sind höflich, aber nervig-unverschämt bis zum Exzess in Taiwan, die Taiwanesen ertragen das mit Geduld, ich genieße es aus der Ferne und kann mich so vor japanischen Endlosforderungen abschirmen.