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Dienstag, April 30, 2013

Endlosgeschichte um flüchtigen Briten

Die Ausländergemeinde, wenn eine solche denn überhaupt existiert und jedenfalls das Ausländerforum  beschäftigt seit Ewigkeiten der Kriminalfall um den angeblichen britischen Todesfahrer Z.D., der wegen einer Trunkenheitsfahrt mit Fahrerflucht und Todesfolge in zweiter Instanz von einem Gericht in Taiwan verurteilt worden ist. Auch das Taiwanblog berichtete mehrfach, zu Letzt hier: http://osttellerrand.blogspot.com/2013/01/verurteiler-brite-fluchtig-aus-taiwan.html

Z.D. bestreitet seine Schuld nach wie vor. Um noch einmal den Ablauf der unseeligen Nacht zusammenzufassen: Z.D. hat in einem wohl der Unterwelt angeschlossenen Karaoke-Lokal mit Taiwanern so viel getrunken, dass er kaum noch auf den Beinen war und ein von seinen Trinkgenossen abgestellter Fahrer (angestellt im Karaokelokal) hat ihn daraufhin nachweislich in Richtung zu Hause aus dem Lokal gefahren. Der Karaokebarangestellte saß am Steuer, Z.D. auf dem Beifahrersitz. Nach Angaben von Z.D. muss sich der tödliche Unfall mit einem Mopedfahrer zugetragen haben als er, Z.D., praktisch bewusstlos auf dem Beifahrersitz döste. Hingegen gab der Karaokebarangestellte an, das Steuer auf Drängen von Z.D. diesem schnell wieder übergeben zu haben, so dass Z.D. zum Unfallzeitpunkt den Wagen selbst gesteuert hätte.

 Unklar wer der Fahrer ist....?*

Wer ist nun wirklich gefahren? Ich weiß es natürlich auch nicht, jedoch fiel mir auf, dass Z.D. eben nicht der übliche Trunkenheitsfahrer war, der sich einen fiktiven "Mr. X" als wirklichen Fahrer ausdenkt, dem er dann die Schuld in die Schuhe schieben will , sondern dass Mr. X hier eben Namen und Adresse hatte. Trotzdem wirkte Z.D.s Geschichte bisweilen löchriger als die des Barangestellten, das will ich nicht verleugnen. Zwei Umstände brachten mich dazu bisweilen eher Z.D. zu zuneigen: Erstens die massive Vorverurteilungskampagne  der Taiwanpresse, die oft einer Hexenjagd glich. Und zweitens der Umstand, dass viele Prozessbeobachter aus der Ausländerszene nach dem ersten Prozess davon sprachen, ein Beweisvideo, das die frühe Heimkehr des Barangestellten beweisen sollte, sei manipuliert gewesen und daher für den Prozess nicht verwendet worden. Es entstand der Eindruck, Z.D. sei ohne wirkliche Beweise verurteilt worden.

Nach dem zweiten Prozess war jedoch NICHT mehr die Rede davon, das Video, das mit Zeitstempel zeigt, dass der Barangestellte schon nach wenigen Minuten wieder zurück in der Bar war, sei manipuliert. Stattdessen brachten sowohl Z.D. in der Diskussion im Forum wie auch andere einen Dritten ins Spiel, der nun der Fahrer gewesen sein solle. Ein zweiter Barangestellter?
Natürlich hilft eine sehr komplexe Mr.X-plus-Mr.Z - Geschichte nicht sehr der Glaubwürdigkeit eines Beschuldigten, das ist klar.

Derzeitiger Stand: Z.D. hat sich abgesetzt in die Schweiz (wo er sich jetzt aufhält weiß ich natürlich auch nicht) und hat die Haftstrafe nicht angetreten. Zur Flucht verwendete er den offenbar ihm freiwillig überlassenen Pass eines anderen Engländers, der sich jetzt in Untersuchungshaft befindet und dem offenbar eine mehrjährige Haftstrafe droht. Auch die Frau oder Freundin von Z.D. befindet sich offenbar in Haft. Z.D. äußert sich im Forum wieder selbst zur Tatnacht: [Link auf Ausländerforum entfernt], erstes Posting oben.

Als Außenstehender bekommt man nur vor-gefilterte und subjektiv verdrehte Infos vom Prozess oder den Fakten, da kann man eigentlich keine Meinung abgeben sinnvollerweise, das lerne ich mehr und mehr.
Unangenehm, wie sehr die Affaire möglicherweise das Verhältnis von Taiwanern und Ausländern berührt. Als der neuste Bericht vorgestern in der Kantine im TV lief, guckte ein mir unbekannter Kollege die ganze Zeit rüber zu mir. Als ob ich der Zwillingsbruder des pakistanischstämmigen Z.D. sei. Ein merkwürdiges Gefühl, da in einen Kontext mit völlig fremden Leuten aus anderen Kulturkreisen geworfen zu werden, nur weil wir beide "Nichttaiwaner" sind. Das war Pol Pot auch.

UPDATE 2017: Z.D. in Schottland, noch immer in Auslieferungshaft (?), schottischer Highcourt hat gegen Auslieferung an Taiwan entschieden, jedoch hat der Supreme Court vom GB die Weichen andersherum gestellt. Offenbar muss der High Court neu prüfen. Siehe auch: https://newbloommag.net/2017/07/10/zain-dean-controversy-extradition/


* vom Betreiber des Roadies Café angefertigte WKII-Miniatur (http://www.roadiescafe.com.tw/). Ludigels Leib- und Magenlokal.


WEITERE MELDUNG:

"Deutsche" Windkraftanlage in Taiwan führt zu Hungerstreikprotesten: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2013/04/18/2003560034,
gefunden in der Mutter aller Taiwanblogs: http://michaelturton.blogspot.com/2013/04/daily-links-monday-april-28-2013.html

Montag, April 29, 2013

Deutsche Bockwurst in Venedig (jetzt mit Ortsangabe)

Mit Kollegen ging es in ein mir noch unbekanntes Restaurant. Deutsche Küche sollte es geben. Ein Kollege fuhr und so ging es aus unserem Wellblech-Industriegebiet (das freilich mehr und mehr durch Beton-und-Stahl-Büros dezimiert wird) hinein in zunächst einige der grauen Schlichtwohnhaus-Viertel Taipeis. Doch dann tauchte alsbald das neue Taipei auf in Gestalt von hohen Beton- und Glaswohnhäusern. Alles in den letzten Jahren blitzschnell hochgezogen, hohe Wohntürme wie in US-Städten, die Eingänge schlossartig gestaltet mit Lüstern und goldfarbenen doppelflügligen Toren. Hier wohnt man sicher nicht ganz billig. iMax-Kinos und Einkaufszentren dazwischen - hier waren die Schlichthäuser konsequent weggerissen worden. Dass Büros kleine Fabrikationsbetriebe und Nobelwohnhäuser billigen Wohnraum verdrängen, ist ein Trend in Taipei, das nach willen des Bürgermeisters bald wie HongKong aussehen soll.

Altes Taipei: Schlichthäuser (hier in der Minireihenhausvariante) bei uns im Viertel, mit Bauzhi (Bauze)-Fressbude. "Bauze" sind Hefeteigtaschen mit fettigem Fleischmett gefüllt, das oft schmeckt, als sei es mit Pappe angesetzt. Ich vermute auch stark, dass das oft der Fall ist und verzehre das Zeug nie. Hier ist wieder ein Fernsehmann da, so dass die Bude dann für ein paar Wochen mehr Besucher hat.

 In eines der Einkaufszentren ging es rein und mein Magen knurrte so, dass ich von der Einrichtung des Einkaufszentrums gar nichts mitbekommen habe. Im soundsovielten Stock war jedenfalls ein Kellergewölbe nachgebildet und Bedienungen rannten mit nachgemachten bayrischen oder österreichischen Klamotten herum mit Lederhosn und Tirolerhut. Es gab viel Fischgerichte, aber auch einen Teller mit viel Bockwurst und Pommes, dann noch eine Platte mit Hähnchenschenkeln aus der Fritteuse mit basisch die Zunge ablösender Tunke. Alles was Bayern eben so essen ;-) Dekoriert war alles mit europäischen Fähnchen, nie allerdings die deutsche oder die österreichische. Es gab angeblich selbst gebrautes Bier (aber nirgends standen Braukessel), in schlicht Pils oder Dunkelbier (gar nicht schlecht). Meine Taiwaner in der Runde orderten die Kirsch- und Vanillevarianten des Bieres oder was auch immer das war. Good German Beer. Yeah, wat wäre der Bayer ohne sein Vanillebier. Oder war es Honigbier? Aber kein Met, sondern Bier mit Honig. Oder es gab beides. Ich ignoriere so etwas, weiß es also nicht so genau.

 Spagetti mit Seafood, Haxe und dergleichen gab es auch. War alles lecker, ich habe Würstchen und dei rote gesalzene Haxe (eher norddeutsche Art denke ich mal) gegessen. War lecker, kann ich nicht anders sagen.
War also ein netter Abend, sehr fleischetarig sicherlich.

Hier italiensiche Pommes. Ich habe mir gar keine Vesitzenkarte eingesteckt vom Lokal, war wohl zu gesättigt von Wurst und Pommes, die wir eine Bowlingkugel im Magen lagen. Wo ich doch sonst nur noch leicht und locker esse.


Mit glasigem Blick wunderte ich mich plötzlich, wieso ich einen Gondoliere sah. Dachte wieder zurück an den Venedigurlaub in den 80ern, als meine Minolta XG-2 mitten in Venedig ihren Geist aufgab. Einmal in Venedig sein und kaum Fotos haben, der Horror. Venedig ist für mich bis heute ein Inbegriff des Horrors. Da gab es auch noch diesen Film, wo eine geistesgestörte kleine Frau mit dem Hackebeil in roter Kapuze rumläuft und alle massakriert, darunter ein Elternpaar, das seine rotbehäupte Tochter in einem der Kanäle verloren hat. Blanker Horror! Für einen kurzen Augenblick war ich überzeugt, ich sei am schweren Essen gestorben und der Teufel habe Venedig zu meiner persönlichen Hölle auserkohren. Taste automatisch nach meiner alten Spiegelreflex um den Hals ... doch statt alter defekter Minolta hatte ich nur mein Fotohandy.

Das Luxuseinkaufszentrum war Venedig nachempfunden worden, kein Zweifel. Wieder eine Fortsetzung meines Venedigalptraums: Ich war wieder da, sozusagen, und hatte diesmal gar keine Kamera, sondern nur mein altes Motorola-Klapphandy. 

 Kaffee und Kuchen und Parfum vor falscher Italokulisse, warum auch nicht. So stellt man sich Asien vor als Deutscher. Entweder Bambushütte oder eben so Konsumtempel wo alles überkanditelt nachgemacht ist.


Bei dem reichlichen Licht gab sogar die Handykamera mit ihren 1,3 Megapixeln und ihrer Fixfocusoptik recht brauchbare Resultate. Als Smartphoneverweigerer habe ich bislang immer eine Sony-Kompaktkamera benutzt, wenn ich die große DSLR nicht mit habe. Aber da meine Gattin die Sony beschlagnahmt hat, gibt es diesmal nur Handyfotos.

Ich starrte die Kulisse an und der Ober starrte mich an. Jau, so ein Weißbrot wie ich ist immer wieder eine Sehenswürdigkeit.

*
Ich musste bei den Aufnahmen ständig an "Corel Draw" denken, ein Grafikprogramm aus den 80ern. Die hatten immer Balons auf den CD-Hüllen. 

Ganz kurz meinte ich eine rote Kapuze in einem der Fenster zu sehen. "Tief durchatmen" sagte ich mir. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden vom Essen, sonst träumst du von kleinwüchsigen Serviererinnen mit roten Kapuzen, die dich mit dem Hackebeil verfolgen und ständig fragen: "Wollen Sie noch ein Kilo blutiges Fleisch...." und dazu irre kichern. Keine Frage. Und das alles in Venedig mit Luftballons. 


Laufend schaltete sich auch das Telefon ab mit Batteriewarnung. Fotografisch meint es das echte oder falsche Venedig nicht gut mit mir. 

Was ist nun die Moral von der Geschicht'?

Vielleicht der Hinweis: "Kontrollieren Sie Ihre Kamera immer ausgiebigst vorm nächsten Urlaub" oder "Vorsicht vor schwerem Essen"?

Oder der Gedanke, dass sich Taipei lieber an florentinischer Architektur (Venedig ohne Kanäle, gell?) oder dergleichen hätte orientieren können, als am zusgestunkenen und zugestopften HongKong. 

Never mind.

Update: Anhand des auf den Fotos befindlichen "Perfum Dance" ließ sich die Lokation in Banciao ermitteln: 
Xinzhan Road
F9, No. 28, Xinzhan Rd, Banqiao District, Xinpei City (新北巿板橋區新站路28號9樓)
Ohne Gewähr, aber scheinbar hat das "Perfum Dance" nur zwei Fillialien, eine davon in Banciao, mit venezianischer Kulisse und Bancio liegt in der Nähe "meiner" Firma. Ich war aber NICHT im "Perfum Dance" sondern in dem deutsch-inspirierten Lokal in der Nähe: ein eher untscheinbarer Eingang den man errecht, wenn man im unteren Foto dort (in der großen "Venezia-Halle" stehend auf die Tische des "Perfum Dance" guckend) linkerhand das "Wasser" überquert.
 

Donnerstag, April 25, 2013

Hitlers Tagebücher

Dieser Tage werden und wurden die STERN "Hitler-Tagebücher" (Kujaus bekannte Fälschung, vergl. auch den herrlichen Film SCHTONK darüber) dem Bundesarchiv übergeben. Da dachte ich mir, den Artikel würde ich gerne noch mal lesen; den wo der STERN noch ganz stolz ist. Und wer war doch gleich der Reporter damals? Ein ganz berühmter war er, hatte ich noch im Kopf, der sich dadurch den Ruf ruiniert hat. Doch wo findet man den alten STERN noch mal? Ebay hat ihn im Original für 35 Euro, das war mir doch zu teuer. Die Lösung liegt wie fast immer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten:

http://ia700403.us.archive.org/9/items/TheHitlerDiaries-Stern-April281983-TheHitlerDiaries/HitlerDiaries-Stern-28April1983.pdf

Lustig: Die dicken "FH"-Initialien auf dem Einband der falschen Tagebücher ;-)
Irrwitzig hingegen: Der abgedruckte Eintrag zur "Reichskristallnacht", bei dem Hitler Millionenschäden an Glas bedauert und sogar die "erschlagenen Juden" bedauert. Da wäre Adolf Nazi glatt nach dem idiotischen "wenn das der Führer wüsste"-Prinzip partiell reingewaschen worden, hätte man den Schwindel geglaubt. Pfui Deibel.

Taiwanischer Krimineller trägt WANTED-T-Shirt.

Ein taiwanischer Krimineller, der von der Polizei gesucht wurde, hat angeblich ein T-Shirt mit der Aufschrift WANTED (zu Deutsch: -von der Polizei-GESUCHT) getragen, was einem vorbeifahrenden Polizisten auffiel, der daraufhin seine Personalien überprüfte und ihn festnahm. Wenn diese lustige Meldung denn stimmt: http://www.paradisi.de/Beauty_und_Pflege/Bekleidung/T-Shirts/News/82901.php

Der Kriminelle wusste nicht, was das Wörtchen "Wanted" bedeutet, hieß es. In der Tat tragen hier viel unsinnige T-Shirts, etwa mit sinnfreien englischähnlichen Brocken. Die Leute wissen i.d.R. nicht, was da steht.

How to "frubbel"

Heute morgen beim Frühstückholen in dem kleinen Frühstücksrestaurant, einem offenen Ladengeschäft, hinter dessen langer Theke fünf Frauen zwischen 16 und 45 so etwa allerlei Frühstück zubereiten. Sie haben ein paar neue Mitarbeiterinnen und während ich die 80 NT für zwei Eierrollen und einen Tee bezahle, die Rollen mit Mais gefüllt, geschnitten und scharfer Soße, bäugt sich eine der Neuen mit aufgeregt rotem Kopf zu mir rüber, lacht und fragt etwas, das mein Rudimentärchinesisch mit "möchten Sie Schmerzen kaufen?" übersetzt. Offensichtlich hat das Wort "Tong" für Schmerz noch zig andere Bedeutungen. Alle lachen und kichern, die neuen Damen. Nicht schlimm, ich gehe amüsiert über mein Satzverständnis mit dem Essen ins Büro, muss dann aber doch daran denken, dass so oft ein Phänomen in Taiwan auf diese Art angefangen hat, das ich mittlerweile als "frubbeln" bezeichne. Denn die Taiwaner haben sich eine Art des Umgangs mit "weißen" Ausländern angewöhnt, für die eigentlich ein Verb fehlt. Es fängt immer mit einem "Späßchen" an, bei dem meistens alle kichern, der Ausländer nix versteht (im Notfall reden sie Taiwanisch, nicht Mandarin) und alle irgendwie aufgeregt sind und einen roten Kopf haben. Ist lustig ist nett und die Reiseführer schreiben deshalb wie freundlich die Taiwaner sind. Und sicher hat dieses Frubbeln im Frühstadium auch eine freundliche Komponente. Schön, wenn es dabei bleibt. Oder wenn man als Junggeselle das von einer jungen Frau erfährt, die man dann zum Tee einlädt und irgendwann viele Kinder hat. Wie es ja oft passiert hier in Taiwan. Frubbeln kann auch schön sein.
Doch gerade bei Taiwanern mit eher niedriger Bildung kommt dann manchmal herumtatschen oder irgend so ein anbrummen (nur bei den Herren), das schon eine eigenartige Wirkung hat. Das Frubbeln steigert sich leicht, nicht immer, aber manchmal. Dann meidet man die Lokalität, weil die Späßchen irgendwann ein "Bully"-Niveau erreicht haben, um den englischen Ausdruck zu verwenden. So Schulhofspielchen auf Kosten des Schwächeren. Und man kann schlecht was gegen 3 bis 6 Leute machen, die einen auslachen in unbekannter Mundart, wann immer man auch nur peripher ihr Gesichtsfeld kreuzt. Weil irgendwann sagt dann eine vielleicht "den würd ich mal gerne..." und die anderen haben dann ihre weiteren Deutungen oder der männliche Küchenservierer, der irgendwann rotköpfig aufgeregt hervorprustet (meine Frau hat übersetzt damals): "Dem stelle ich ein paar Mädchen vor, die er dann zum Tee einladen kann..." und alle Kollegen in der Mittagsreihe kichern und kichern und wiehern wie die Pferde. Der Frubbel-Peak. Das geht immer weiter, steigert sich bis zum Antatschen und versaut einem schnell den Tag. Sie sind erstaunlich persistent die Taiwaner, halten das wochenlang durch. Beim Diner bei uns Zuhause nennt mir die junge Bedienung oft drei verschiedene Preise und lacht dann mit den anderen Gästen, wenn ich bezahlen will und ratlos oder verärgert da stehe. Ich habe dann nur gelächelt am Schluss und gehe heute nicht mehr hin.
Nette junge Frau, aber wirkt ein bisschen schlicht im Kopf. Was macht man da? Übers Knie legen kann ich sie ja nicht. Zum Tee einladen auch nicht. Sie rollt niedlich mit den Augen dabei und geniest ihre kleine Show, bei der sie eine Bühne hat und für ein paar Minuten jemand Besonderes ist. Von der kleinen Serviererin zum Ausländerdompteur oder so. Verstehe ich ja alles, aber im Gegensatz zu den Taiwanern ermüdet und nervt mich die Show ab dem 5. Male.

Wieso sind sie so hemmungslos dabei? Wieso ufert das so leicht aus? Ich denke, der Grund ist, man wird nicht als Mitmensch angesehen sondern als Ausländerding, das eben der Belustigung dient. So einfach und so schlicht.
Da muss man gegensteuern. Weil sie aber in ihrer aufgeregten Frubbelei schwache Signale nicht verstehen (ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Kultur, bei der man zwecks Gesichtswahren eigentlich auf schwache Signale reagieren muss!), muss man oft unfreundlich oder offiziell werden (offiziell etwa in der Firma über den Dienstweg) um das abzustellen. Dann hat man ein Feindchen sich gemacht oder der Taiwaner wird versetzt oder gefeuert, es verläuft immer wieder unbefriedigend.

Nichts gegen die netten Damen in dem Lokal, aber so nett sie auch sind, sie sind ja nicht zu mir nett weil sie mich mögen, sondern weil ich eben anders aussehe. Und bei den vielen Frubbeleien, die ich schon erlebt habe, werde ich die nächste Zeit nicht mehr zurücklächeln. Denn letztlich ist der Ausdruck "Schmerz kaufen" gar nicht so falsch für das, was man oft in den billigen Fressbuden in Taipei als Ausländer erleben kann.

Taiwan ist eben Taiwa(h)n. Alles ist oft irgendwie .... wie in einer Klamaukkomödie.


P.S.: Was hilft ist grenzwertig unfreundlich zu sein oder ein skeptischer Blick mit hochgezogener Augenbraue. Das bremst sie meist ab.

2.P.S: Kein Wunder, dass sich der gemeine Collegeboy aus der angelsächsichen Welt (aka "English-Teacher") hier so wohl fühlt. Jung und voller Tatendrang baggert er die frubbelnden Taiwanerinnen an, eine nach der anderen und alle sind zufrieden. Das Biotop hier ist wie für ihn gemacht!
 

Mittwoch, April 24, 2013

Ximen Tempel

UPDATE: Danke an MKL in den Kommentaren, es handelt sich also um den Tianhou Tempel (http://taipeitiauhou.tw/en/index_en01.html). MKLs englischspr. Blog ist nebenbei bemerkt eine Dauerempfehlung (http://mykafkaesquelife.blogspot.tw/).

UPDATE2: Und wenn ich das richtig verstehe, wird hier Mazu verehrt, eine Göttin vom Archetyp der Muttergöttin, maritimen Charakters und ehemals eine Fischertochter aus dem Jahre 960, die in den Götterstand erhoben wurde wegen Trancerettung ihrer ertrinkenden Familie. http://de.wikipedia.org/wiki/Mazu 
Hätte ich gleich gewusst, dass es Mazu ist, hätte ich mich gleich wie zu Hause gefühlt. Erinnert mich immer an Travia, die Göttin aus dem "Das Schwarze Auge"-Rollenspiel. Oder auch in Ludigels alter Fantasyspielrunde vorhanden ;-)

***

Neulich nach dem Stadtrundgang in Ximen fand ich bei Anbruch der Dunkelheit noch einen ganz netten Tempel. In der beginnenden Dämmerung wurde die Umgebung stumpf und düster, was die Lichter im Tempel um so schöner leuchten ließ. Was für eine Anziehungskraft müssen Tempel da erst in früheren Jahrhunderten gehabt haben (oder auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts in Taiwan), als die Umgebung noch nicht so lichtreich war.

Leider hatte auch mein Standardzoom mangels Lichtstärke so seine Probleme und bestrafte mit Verwacklungsgefahr, so dass ich bei vielen Aufnahmen die Kontraste verschärfen musste, um den Eindruck von größerer Schärfe zu erwecken - ein kleiner Trick bei der Bildbearbeitung, denn das menschliche Auge ermittelt Schärfe kontrastbasiert. Auch meine rufende Ehefrau, die zur U-Bahn wollte, mag beim Nichtruhighalten der Kamera eine Rolle gespielt haben. Sonst habe ich bei solchen aufnahmen ein 1,7/50mm - Objektiv auf der Kamera oder ein 2,8/28mm, beides lichtstarke Festbrennweiten. Aber diesmal eben nur das Standardzoom - meine Frau hatte mich auf Taschendiebe im Stadteil Ximen und seinen Fußgängerzonen hingewiesen. Mit 3,5-5,6/28-80mm ist das Standardzoom wirklich eine unschöne Lösung, da hatte ich doch zu viel gespart, als ich es einst für 9 Euro plus Versand bei Ebay erworben habe. Trotzdem leuchtet der Tempel schön in der Aufnahme und man kann sich vorstellen, wie Menschen in alten Zeiten aus ihren dunklen Hütten heraus (vgl. Fotos von Taipei um 1910 etwa) vom Licht eines solchen Tempels angezogen wurden. Auch wenn der noch keine chinesische Leuchtschrift per Computer hatte damals wie hier.

Götter und Opfergaben. Manchmal tut mir meine westliche Sichtweise da fast weh, die bunte und güldene Götterfiguren automatisch als sinnfreien Mummenschanz einstuft, so wie es die christlich-abendländische Theologie lehrt, vgl. Tanz ums goldene Kalb. Ich bemühe mich dann immer um eine offenere Sichtweise, schließlich sollen die hübschen Statuen Ehrfurcht beim Betrachter erzeugen. Aber ganz kann ich mich von der christlichen Askeseästhetik nicht lösen, das gebe ich zu. Hat der da links Hörner?

Hübsch immer die Dächer mti ihren Drachen und derlei Dekorationen. Meiner Frau ist immer unwohl, wenn ich im Tempel fotografiere, vielleicht deshalb auch das Drängen in die U-Bahn zu steigen. Sie weiß, dass das für mich halt nur bunte Deko ist, während es für sie ein sehr ernsthafter Ort ist. Auch wenn ich mich natürlich respektvoll verhalte.

Sehr ungewöhnlich die Tierstatuen. Jeder Tempel hat so seine eigene Spezialität. Was genau hier die Bedeutung ist weiß ich nicht, ich kenne etwa einen Tempel in Taiwan, bei dem eine Schildkröte als Fruchtbarkeitssymbol diente, auch Affen mit gottähnlichem Status hat man manchmal, aber selten.

Hübsch die Lampinon-Decke.

Sicher kann man auch hier um irgend etwas bitten, beim Kerze aufstellen, da bin ich mir sicher.


...

 Auf den ersten Blick dachte ich wirklich, ein Hund würde hinter mir stehen beim fotografieren. Der zynische Expat will fragen: "Was brauchen die bei all den Straßenhunden hier noch hundegroße Löwenstatuen?", doch der respektvolle Tempelbesucher bringt den frechen Kerl zum schweigen.


Solche Tempel sind im hektischen Taipei immer eine angenehme Ruhezone.

Immer wieder pratisch der "Raus"-Pfeil, in Verbindung mit dem "Kao"-Symbol für Gebiet oder Mund üblicherweise (ein einfacher Kasten, links nicht mehr im Bild), zusammen heißt das dann "Ausgang". Dieses Wissen ist in Parkhäusern praktisch, hier im Tempel oder auch dereinst in der Unterwelt, wenn man sich als ungläubiger Expat ganz tief unten in der traditionell chinesischen Hölle wiederfindet.

Dienstag, April 23, 2013

Ach Du liebe Mandarine...

Mein Chinesisch lernen ist ja auch so ein Debakel für sich. Frisch 2004 angekommen ließ ich das Chinesischlernen zunächst bleiben, u.a. weil ich schon nach ein paar Monaten immer wieder abreisen wollte, was ich aber offensichtlich immer wieder aufgeschoben habe - bis heute.
Mein Grundsatz, zwar Taiwan zu mögen, aber das Leben in Taipei absolut nicht zu mögen, kam damals schon zum tragen. Der Grund für den Aufschub fängt mit F an und hört rau auf, aber darum geht es jetzt nicht.
Immer wieder habe ich zwischendurch in den Folgejahren mit Mandarinlernen angefangen. Mein erster Fehlversuch war wohl schon 2004, mit einem mitgebrachten deutschen Buch von einer Chinesin, die gleich vorne zig Schriftzeichen hinknallte und schrieb: Da hilft nur LERNERN, LERNEN, LERNEN. Lauter Negativspracherlebnisse von kichernden Taiwanern, die sowieso nie ein Wort verstehen wenn ein Ausländer etwas sagt, ließen mich bald wieder aufgeben. Ich bestellte eine deutsche Multimedia-CD, doch die die hatte nach ewig langer Installation mit notwendigen Updates, damit sie überhaupt startete (nach 2 Wochen hat der Support geantwortet, super!) viele bunte Animationen von Viechzeuch und Schnellzügen und Kurse im Schriftzeichen-Malen. "Kalligraphie" eben. Tolle Beschäftigungstherapie für Verhaltensgestörte, aber mit Sprachenlernen hat das alles nichts zu tun. Also wieder weg damit. Steht heute im Schrank gleich neben dem deutschen Chinesischbuch. Letzterem hatte ich bei der Einreise nach Taiwan noch die VR-China-Flagge auf dem Einband mit einem Photo-Porst-Entwicklungsgutschein überklebt (den ich ja in Taiwan schlecht einlösen konnte), weil mein Reiseführer für den Taiwahn damals sagte, Lehrbücher aus der VR-China würden vom Zoll beschlagnahmt. Bei meiner ersten Reise nach Taiwan 2003 hatte ich sogar noch eine ältere Manuell-Fokus-Kamera wiederbelebt, die gute Minolta X-700, anstatt meine moderne Autofokuskamera zu nehmen, weil die X-700 Made-in-Japan war und der Reiseführer behauptete, der Zoll würde in China hergestelltes Zeug beschlagnahmen. Nur um dann in Taiwan chinesisches Tsingtao-Bier im Seven-Eleven zu finden. Na gut, außerdem hielt ich Taiwan für ein wildes Dritteweltland ein bisserl, schließlich redete die deutsche Medienlandschaft immer mal wieder von armen Fabrikarbeitern in Taiwan. Aber das ist auch ein anderes nicht minder peinliches Thema.

Dann hatten wir jedenfalls diesen jungen Russen, einen langen blonden jungen Mann hier in der Firma, der mir ständig auf dem Fuße folgte. Und er sagte ständig "zhende? zhende!", also zu deutsch "Wirklich? Wirklich!". Natürlich nicht beides hintereinander. Alle machten sich über sein zhende lustig, mit dem er den Eindruck zu erwecken versuchte, Chinesisch zu sprechen. Ich habe mir das seither auch angewöhnt, wenn meine Frau lange Reden hält. Wie dem auch sei, der Russe schwor auf ein Chinesischlehrbuch aus Taiwan nebst CD, mit dem man so wunderbar Zhende... äh .... Chinesisch lernen lonnte. Es steht heute gleich neben den beiden anderen Fehlschlägen und begrüßt einen sofort mit unzähligen chinesischen Schriftzeichen und allen Übungen auch mit selbigen, so dass man keine Chance hat, die Übungen zu bestreiten als Nichtchinese. Herr Zhendowitsch und zig Taiwaner im Internet waren sich aber einig, dass man damit prima Chinesisch lernen kann.

Dann ging ich auf eine Chinesichschule in Taipei. Gleich nach Feierabend 90 Minuten oder so. Prima! Viel Stoff durchgenommen, in der Klasse ein mit einer Taiwanerin verheirateter Pakistani und eine nette junge Englischlehrerin aus den USA. Rothaarig, was aber nicht so viel zur Sache tut. Jedenfalls bekamen wir dann abends immer Homework für 1-2 Stunden, wozu ich keine Zeit hatte, weil ich wieder in die Firma zurück fuhr und oft bis 9 oder 10 weiter arbeitete, meine Mitschüler hatten die Zeit aber schon. Nach einem Kurs strich ich die Segel, als auch noch eine andere junge Frau auftauchte, die sehr charmant war, aber auch noch eine taiwanische Großmutter hatte, sonst Amerikanerin war und schon fließend Mandarin sprach. Da war ich da nun wirklich fehl am Platz. Das gekaufte Lehrbuch hatte wieder jede Menge chinesische Schriftzeichen, nur Krähenfuß-Übungen und tauchte zum Selbststudium rein gar nicht.

Ich habe mir aus meinen ganzen Erfahrungen heraus einen Leitsatz einfallen lassen, frei nach Mark Twain:

Chinesisch-Lernen ist so einfach, dass ich immer wieder neu damit anfange.

Ein anderer Expat auf Forumosa.com hat den Sloagan sogar in seine Signatur aufgenommen, mit Zitathinweis auf meine Wenigkeit. Aber seit ein paar Wochen sehe ich etwas Land beim Lernen und hoffe mein "Survival-Mini-Chinesisch" langsam auf ..... irgendwas besseres aufzustocken. Ich habe nämlich Zugriff auf eine ganze Kiste voll Audio- und Buchmaterial für Anfänger und Fortgeschrittene in Sachen Chinesich, darunter zwei US-Bücher. Und die sind endlich didaktisch so aufgebaut, wie ich es noch aus Zeiten des Spanischlernen kenne (damals große Fortschritte gemacht, aber alles längst eingerostet wieder): Einfache lebensnahe Dialoge, Vokablen sofort erklärt, Übungen ohne altägyptische oder chinesische Hieroglyphen und  chinesiche Schrift nur mal als Extra anbei. Vielleicht klappt es jetzt endlich. Für so eine Kiste müsste man wohl hunderte von Euro zahlen.
Wichtig offenbar: NICHT mit chinesischen oder taiwanischen Büchern lernen. Ein chinesisches aus der VR ist auch dabei in der Kiste, genauso unbrauchbar wie meine Taiwanbücher. Krähenfüße, Krähenfüße.

Abschließend noch ein bisschen "Chinese fur Runaways", ein Zungenbrecher aus dem Lehrbuch, der verdeutlicht, wie wichtig die Betonung in Mandarin ist. Aufgeschrieben in Pinyin, der lateinischen Umschrift für das Chinesische, die von der VR-China standardisiert wurde, die in Taiwan jedoch so gut wie niemand lesen kann:

shi2si4 shi4 shi2si4,
si4shi2 shi4 si4shi2,
bu2shuo1 si4shi2 shi4 shi2si4,
bu2shuo1 shi2si4 shi4 si4shi2.

Vierzehn ist Vierzehn,
Vierzig ist Vierzig,
Sage nicht Vierzig ist Vierzehn,
Sage nicht Vierzehn ist Vierzig.

Ich hoffe es ist kein Fehler drin, denn im Deutschen ist ja die Logik von Vier-Zehn und Vier-Zig auch noch umgekehrt, jedenfalls bei der .... äh .... Vierzehn. Äh... never mind.

Die Tonzeichen für die vier Töne sind mit Zahlen geschrieben, wie man das oft tut: 1 für deutlich, aber konstant, 2 für ansteigend, 3 für leiernd (hoch/runter) und 4 für abfallende Betonung.

Montag, April 22, 2013

Vollistan

Bemerkenswert finde ich immer wieder, wie gerammelt voll alles im Norden von Taiwan und insbesondere hier in Taipei ist. Alles scheint doppelt ausgenutzt und jede kleine Nische erfüllt noch irgendeinen Zweck. Mindestens.

Hier ganz gut erkennbar beim Bild von dieser Fressbude in der 737-Lane bei uns ganz in der Nähe. Alle Nebenstraßen sind ja als Lane Nr. Soundso durchnummeriert, bezogen auf die nächste große Straße, aber die 737-Lane ist wohl wegen dieser eingängingen Nummernkombo zu etwas besonderem geworden. Hier ist eine beliebte Einkaufstraße, in der sich Menschenmassen am Wochenende zwischen Fressbuden, Geschäften und unzähligen Verkaufsständen hindurchdrängen. Und Mopeds, viele Mopeds. Bis vor kurzem auch noch wild hupende Autos am Wochenende, aber die müssen seit kurzem zu den Stoßzeiten draußen bleiben - für mich immer noch ein kleines Wunder.
Aber was ich eigentlich sagen wollte: Achten Sie mal auf den Bildrand, da wo es etwas dunkel ist. Merken Sie es? Es ist alles voll. Alles ist mit irgendwas zugestellt, Krirmskrams, Klimbim, Kochutensilien und sogar die Fahrbahn ist kaum zu erkennen - die ist zwischen dem Laternenmast und den Mopeds der anderen Straßenseite links. Es müffelt und knattert, brutzelt und vibriert und Menschenmassen schieben sich schnatternd und hektisch von Stand zu stand und kauen auf ihrem Essen rum, eingenebelt von Mopeds. Die beiden jungen Männer verkaufen übrigens eine Art chinesischen Hamburger - in einer Hefeteigtasche oder dergleichen ist eine Frikadelle, ein Gemüsebrei und allerlei Würzkraut. Scheckt ausgeprochen gut, aber das hat sich herumgesprochen, so dass man jetzt immer eine riesige Schlange davor hat. Entsprechend habe ich das schon seit einem halben Jahr oder so nicht mehr gegessen.

737-Lane





Leckere Deserts und geschnitten Obst und Miniröckchen, geht alles weg wie geschnitten Brot in 737-Lane


Fisch am Spieß mit vergorenem Kraut drüber, fein abgeschmeckt mit Mopedschwaden. Meiner Frau ist es die liebste Flaniermeile in der Gegend, gerne geht sie mit mir Hand in Hand von Stand zu stand und knubbert hier und da an den gekauften Leckereien herum. Und ich bemühe mich flach zu atmen ;-)


Das ist das Taiwan der Nightmarkets, bei denen entweder Gangster oder Anwohner kontrollieren, welcher Händler hier seinen Stand aufstellen darf. Natürlich hat keiner eine Lizenz. Alle paar Jahre sehe ich mal die Polizei Lizenzen kontrollieren. Dann machen schnell alle das Licht aus an den Ständen und die Polente tut dann so, als seien die Stände nicht vorhanden. Man muss nur die Regeln kennen als Händler! Der ein oder andere Nightmarket verschwindet heute um moderne Bebauung Platz zu machen. "Good Riddance" sagt man da auf Englisch.

Ganz in der Nähe hat sich die Ecke deutlich gewandelt. Modernere Bebauung ist hingesetzt worden und hat alte Schlichthäuser verdrängt - oder sie sind wenigstens mit Leuchtreklame zugepflastert. Ein Konditor ohne Meister einer solchen Kaffee-, Bäcker- und Kuchenkette hat sogar Sitzplätze draußen, wo Taiwaner ein leckeres Törtchen nebst Kaffee in einer unglaublichen Smogwolke direkt neben den räuchernden Mopeds genießen. Toll, was der menschliche Körper alles so mitmacht.

Hektisch, laut und voll ist es hier. Ich habe hier eine Zeit lang gewohnt - so unglaublich laut war es 24-Stunden am Tag, dass ich des nachts keinen Schlaf gefunden habe. Der Gesundheitszusammenbruch ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Um 22 Uhr haben sie immer die Straße neu aufgerissen damals, jede Nacht ;-)


 So richtig schöner ist das moderne auch nicht. Grün und Blumen gibt es nur auf der Werbetafel und den Bürgersteig haben sie hier auch wieder "vergessen".

An dem Verkehrsknotenpunkt nimmt eine protzige US-Kirche mit ummauertem Kirchhof den ganzen Platz ein, hier mit Weihnachtsdeko zu sehen. Ihren schönen leeren Kirchhof hätten sie ja auch zumindest teilweise den von Mopeds und Autos eingekeilten Fußgängern zur Verfügung stellen können. Aber nein. Aber schöne Säulen haben sie.

Hier sieht man was ich meine: Die Mauer des Krichengrundstücks und der fehlende Bürgersteig zwingt die Fußgänger wie den etwas links zur Mitte im Bild zum gehen auf der viel befahrenen Fahrbahn, der breite gepflasterte Hof der Kirche bleibt unbenutzt. Schuld sind natürlich die "Planer" Taiwans, die keine Bürgersteige planen.

 Gegenüber ein kleines Geschäft, das einem Franchise angeschlossen heiße Süßkartoffeln verkauft. Der leckere Duft mischt sich mit den Abgasschwaden an der Kreuzung. Bald werden sicher die Wellblechbuden verschwinden, die sich um Abbruchhäuser herum gruppiert haben, denn die Grundstücke locken sicher irgendwann Bebauung an. Ich habe schon öfter mal überlegt, dort eine Süßkartoffel zu kaufen. Man kann aber immer wieder Gruseliges erleben in Taiwan, wenn man als Ausländer mit Rudimentärchinesisch etwas an solchen Buden kaufen will. Entweder kriegt der Verkäufer eine Schreckstarre und ignoriert einen oder häufiger bricht er in nicht mehr enden wollendes Verlegenheitsgekichere aus und ist nicht mehr in der Lage auch nur die einfachsten Transaktionen hinzubekommen. Hatte das wirklich schon: Ich zeige auf die Ware neben der der Preis steht, winke mit dem abgezählten Geld, aber vor mir stehen drei Leute gucken sich an und wiehern wie eine Komikertruppe im Mel Brooks - Film. Solange bis man weggeht. Wiegt der vermutete Lustgewinn einer heißen Süßkartoffel den mit 33% - Wahrscheinlichkeit eintretenden Nervfaktor einer gescheiterten Transaktion auf? Nun: Eigentlich nicht, ich gehe immer weiter ;-)

Bei dem 85-Grad-Kuchenlade hätte ich auf dem Heimgang noch etwas leckeres mitgenommen. Fast. Aber die junge Frau in dem Schuppen hat mir schon so oft irgendwie genervt das Wechselgeld hingeknallt (während sie Einheimische normal behandelt), dass ich da auch nicht mehr hingehe. Vielleicht kaufe ich ja immer das Falsche. Es sind aber glaube ich die Kohlenmonoxidschwaden, die ihr einen Hirnschaden verursacht haben, ist meine Theorie. Nicht alle Taiwaner sind freundlich uns Westlern gegenüber, die meisten aber schon. Oder sie kichern halt ;-) Hmmm... Vielleicht hatte die Kuchentusse ja mal ein schiefgegangenes Date mit einem Englischlehrer gehabt - und ich muss es dann ausbaden. So ging ich hungrig zurück in mein Heim, in einem der immer weniger werdenen Schlichthäuser Taiwans. Man achte drauf, wie nah die Rückfront der Häuser an meinem Fenster nach Hinten raus ist.


Ein heißer Tee zu hause ist auch kalorienarmer als das abgasdurchtränkte Zeug da draußen. Und irgendwie ist es schon gemütlich in den Schlichthäusern. Manchmal sehe ich es mit den Augen meiner Frau, die diese heimelige Enge sehr mag und deswegen immer wieder solche Wohnungen aussucht. Und wenn man Glück hat, ist es viel leiser als es aussieht.


So müllig das Schlichthausviertel auch noch teilweise ist...


Hauptsache man macht es sich innen gemütlich, etwa mit THE WALKING DEAD auf der Heimkinoanlage. Meist aber mit Kopfhörern, den dünnen Wänden halber.

Spartanisch eingerichtet am Rand der Weltscheibe, Hochzeitsbild an der Wand. Richtig einrichten tue ich nie in Taiwan, wozu erst Bilder aufhängen? Hängt man bald nur wieder ab. Für das Hochzeitsbild war schon ein Haken da, ist auch noch ein Klingelkasten dran befestigt ;-)

 Die meisten dieser Schlichthäuser in der Umgebung sind schon weggerissen, hohen Verkaufspreisen zum Trotz...


... und neue Wohnblocks haben ihren Raum eingenommen, keine 100 Meter von meinem Wohnzimmer entfernt. Besser? Hmmm.... anders auf jeden Fall.


4000 in Seenot

Erschreckende Bilder gestern im Fernsehen hier in Taiwan. Angeblich sollten die 4000 Teilnehmer eines Massenschwimmens an der Südspitze Taiwans in Kenting in Seenot sein und die Retter seien nicht in der Lage, die Menschenmassen, die aufs Meer hinaus getrieben würden, so schnell zu bergen. Man sah Menschen meist mit Badekappen und Schwimmbrillen, oft mit Neoprenoberteilen, die sich an Schwimmhilfen klammerten und in Boote gezogen wurden. Von 2 Todesopern war die Rede.

Sofort kam mir der Gedanke, dass das Taiwanfernsehen sicher wieder überteibt und das vermutlich nicht alle 4000 in Seenot waren; evtl. war aber auch das Stille-Post-Prinzip der Übersetzung durch meine Frau schuld. Ich überlegte aber auch: Welcher Vollidiot schickt 4000 Menschen zum Schwimmen ins offene Meer? Rein statistisch gesehen muss mir doch klar sein, dass ich kaum kontrollieren kann, wenn da der ein oder andere Wadenkrampf oder sonst was hat - wie will ich als Organisator da die Verantwortung für übernehmen? Und das setzt schon voraus, dass ich den Wetterbericht lese.

Die Taipeitimes schreibt nun, von den 4000 Teilnehmern seien immerhin 300 in Seenot gewesen und u.a. wurde die Luftwaffe mit Helicoptern eingesetzt, um die Menschen zu retten. Einige liegen im Krankenhaus, Tote gab es aber offenbar nicht. Die irrsinnige Veranstaltung nannte sich: "International Olympic Hengchun Open Water Swimming for All" und hat natürlich nichts mit Olympiade zu tun.

http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2013/04/22/2003560399

Freitag, April 19, 2013

101 bei Nacht, gucken wir mal raus

Gehen wir noch mal rauf und werfen wir noch ein paar Blicke aus dem Fenster im 86. Stock (so habe ich es im Kopf behalten) bei Diamond Joe's Italiener im 101-Hochhaus in Taipei, dem 101 Stockwerke hohen Wolkenkratzer. Das muss man man wörtlich nehmen, denn manchmal haben Wolken in der Tat den Ausblick versperrt. Hier der Link auf den ersten Teil: http://bobhonest.blogspot.tw/search?updated-max=2013-04-08T08:53:00%2B08:00

Ob das 101-Hochhaus ein "Stairway to Heaven" zu kulinarischem Hochgenuss ist oder nicht vermag ich nicht schlüssig zu klären, war ich da oben doch meist mit Fotografieren beschäftigt und fand die vielen manchmal Seafood-lastigen Gänge daher manchmal regelrecht störend. Wie bereits gesagt, es war gut, aber ich würde für meine leckere parmaschinkenumwickelte Roullade mit der sehr ungewürtzt lebrig schmeckenden Leberpastete als Vorspeise keine 2300 NT ausgeben wollen, die das ganze wohl gekostet hat. In Taiwan hatte ich für 2500 NT bessere Hochgenüsse im Tappernyaki - Restaurant, wo ein Koch vor einem das Essen auf heißer Platte brät. After in Anbetracht der hübschen Aussicht ist natürlich nichts zu kritisieren, auch wenn meine taiwanischen Kollegen eher unzufrieden waren mit ihren ekeligen heilen Krebsen, die sie da tot auf dem Teller hatten. 

Hier irgendeine fischige Vorspeise, weg damit, nachdem mich Frau zum Fotografieren gezwungen hat und dann wieder aus dem Fenster geguckt...

Ob es einen Gott gibt, lässt sich selbst so weit oben nicht klären, zumindest scheint es einen Kronleuchter im Himmel zu geben, das wird vielleicht den ein oder anderen Agnostiker schon befriedigen. Firefox mit mehrfachem Mittelklick oder auch Linksklick vergrüßert wie immer.

Helfen Sie mir mal, serviert man dieses Hauptgericht hier auch außerhalb Taiwans? Ich habe so eine Monströsität bislang nur hier auf der quirligen Insel gesehen: Ein Meerestier mit harter Kruste wird mit dicker Käsekruste serviert. Die wirft dann der Gast zusammen mit der harten Schale weg, weil er hier in Asien Käse sowieso nicht essen will oder kann, was auch immer. Käse auf harter Kruste? Unten schmeckt es besser, sagten die Kollegen. Die Taiwaner halten das Essen wohl für typisch europäisch und bestellen es immer wieder in europäischen Restaurants. 


Fleisch mit Obst und Fisch. Halten wir`s mit Beckenbauer: "Ja gut ... äääääh".

"Ganze Krabbe ohne Nudeln und Beilagen". Auch nicht so gut, sagte die Kollegin. Dabei finde ich das leckere Essen sieht aus, als wenn der Tierarzt noch was machen könnte. Alles eine Frage des Standpunktes eben.

Ich fand es jedenfalls toll bei "Diamond Joe". Wer genau hinsieht, erkennt die Kollegen links beim Essen.

OK... Carpaccio ist also rohes Rind. Der Salatanteil war lecker, der Rest ging bei mir als Wenigfleischesser den Weg alles irdischen, worum sich die Bedienung kümmern musste.

Ludigels leckere Loulade. Meine Frau, mit ihrem selbst bestellten Seafood auf dem Teller, war wieder kaum von meinem fernzuhalten.


Während die Kollegen löffelten und gabelten und harte Krusten zerrissen...


... machte ich mir Gedanken, wie ich Taipei als Motherboard erscheinen lassen kann auf dem Foto, so dass man glaubt, den Strom in den Leiterbahnen fließen zu sehen. Hmmm... ach so geht das.... Na ja, irgendwie so.

Die weiße Fensterbordwand und die einzelnen Lichter erinnerten mich an "10 Vorne" in der Serie Star Trek.

Also nach dem Dessert Flugs nach Hause ... mit Warp 3 oder dergleichen...