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Montag, April 28, 2014

Anti-AKW - Proteste und Tumulte in Taipei

Die Sonnenblumenbewegung Taiwans kämpft wieder auf Taipeis Straßen

Während Ludigels Hauptsorge dieses Wochenende dem Ergattern von Teigware auf einer Familienveranstaltung war,  geht auf Taipeis Straßen wieder viel wichtigeres vor. Taiwans studentische Protestbewegung, die kürzlich die Sonnenblume als ihr Symbol erkoren hatte und den prochinesischen Kurs der gegenwärtigen KMT-Regierung teils mit Erfolg angegriffen hat (letzter Bericht dazu hier: http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/kmt-parlamentarier-zweifeln-nutzen-des.html), ist jetzt zu ihrem Urthema zurück und organisiert Straßenproteste gegen den gegenwärtigen Bau des vierten AKWs in Taiwan, das sogar im Landkreis Taipei (neuerdings New Taipei City genannt) gebaut wird:
http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2014/04/28/2003589062
Wie man auf Fotos in TV und Taiwanpresse sieht, sind die Stacheldrahtbarrieren vor dem Präsidentenpalast jetzt mit den gelben Protestbändern der Bewegung vollgehängt. Das TV zeigt Bilder von Wasserwerfer- und Gummiknüppeleinsatz gegen die Protestierenden. Dabei laut TV auch wieder der charismatische Studentenführer, ein junger Mann namens Chen, wenn ich das richtig mitbekommen habe.

Wir brauchen mehr "Tree-Hugger", Baumumarmer in Taiwan. So nennt man Ökos manchmal im Englischen. Der Baum in der Mitte im Park in NeiHu lädt ja zum Umrarmen geradezu ein...

Persönlich hoffe ich, dass hier endlich eine richtige Grüne Partei entsteht, denn als ich direkt nach dem Besuch des "Bird Wo Wo"-Restaurants mit Junior an der Hand über die Straße wollte, bei Grün an der Fußgängerampel, erkämpfte sich ein fetter Infinity-SUV mit heulendem Motor Vorfahrt und raste uns als Rechtsabbieger direkt vor den Füßen lang. Wir brauchen hier endlich Petra Kelly!


Kalter Krieg am heißen Drehtisch

Kennen Sie diese Drehtische für Gruppen im Chinarestaurant. Wo man an die leckeren Sachen per Drehen der Mittelscheibe des Esstisches kommt? Eben.

Der Gatte der ersten Tochter der Mutter meiner Frau hatte zum Dinner in ein Nobelrestaurant in NeiHu, Taipei geladen. Das "Bird wo wo", wie die englischen Letter verkündeten, was wohl "Vogelnestchen" heißen soll. Wo1 jedenfalls heißt Nest und Wo1wo1 dann Nestchen. Eines der Nobelrestaurants wo man unten am Empfang den Namen des Reservierdenden wissen muss, um dann einen Passierschein zu bekommen, mit dem man dann oben vom mit Federn am Hut gekleideten Personal an einen Tisch oder in unserem Fall in ein Separee geleitet wurde. Dort in dem kleinen Raum stand ein riesiger runder Tisch, wie in Taiwan üblich mit drehbarem Mittelteil, auf das die Köstlichkeiten geladen werden. Mit 15 Leuten war es an dem Tisch so eng, dass sich manchmal die Stuhllehnen überlappten und unser Junior mit Kinderstuhl außerhalb des Kreises sitzen musste. Eigentlich hätten es zwei Leute weniger sein sollen, aber Schwiegermutter hatte noch die Eltern unseres "Quasineffen" eingeladen, eines jungen Mannes aus der Nachbarschaft, dessen Eltern einen Kiosk und in Internetzeiten wirtschaftliche Pein haben und ihr Sohn daher traditionell von meiner Schwiegermutter mit ernährt wird, die seine ehmalige Babysitterin ist. Allerdings war Schwiegermutter nicht die Gastgeberin, sondern das war mein Schwager, Gatte des Ersten Tochter der Familie, weswegen sich die Enge am Tisch ob der unangekündigten Personalstreckung erklärte. Raum ist in Taipei teuer und daher geht es immer irgendwie bedrängt zu. In Garküchen hat man kurioserweise oft mehr Platz als in Nobelrestaurants. Oder vielleicht ist meine Taiwanfamilie auch einfach zu groß.

 Heimatliche Siedlung in Taipei NeiHu, hier festlich dekoriert. Das Restaurant liegt freilich in einem modernen Büroviertel ganz in der Nähe

Das Essen bestand nicht aus dem üblichen gibberigen Seafood, worüber ich froh war, denn das taiwanische Festessen schätze ich nicht so sehr. Dinner mit meiner "Chinese-Taipei"-Familie haben auch immer einen gewissen Stressfaktor, den kritischen Blick meiner Schwiegermutter auf meinen oft nicht hinreichenden Verzehr von glibbrigem Seafood neurdings inbegriffen. Gut, die Beziehung zu Schiwegermüttern ist ja in gängiger Literatur hinreichend besungen worden und ich will da nichts hinzufügen außer der Aufsummierung, die nette Dame und ich hatten in unserer Beziehung schlecht angefangen, hatten in der Mitte einen Durchhänger und haben die letzten Jahre stark nachgelassen (Augenzwinkern bitte mitgedacht an dieser Stelle). Allerdings fiel mir nun auf, dass die grundsätzlich abgezählten Köstlichkeiten grundsätzlich immer zu anderen Familienmitgliedern und auch zu den Eltern des Quasineffen hingedreht wurden, während bei Gattin, Junior und mir der Anblick von Sojagefäß und leeren Gläsern und Servietten etc. blieb, was die Versorgung von Junior, der längst nicht alles von den kleinen Feinschmeckerhappen mochte, nicht gerade einfach machte. Hat eigentlich irgendjemand schon mal eine Doktorarbeit geschrieben mit einem Titel wie "Die soziale Funktion des drehbaren Esstischs und ihre empirische Korrelation mit der Mahlzeiten-Zugriffszeit pro Person in der chinesischen Kultur im Allgemeinen und der von Chinese-Taipei im Besonderen"? Chinese-Taipei ist ja die Bezeichnung für das von der UNO etc. nicht diplomatisch anerkannte "Taiwan" (das eigentlich mit Staatsnamen Republik China heißt). Dieser Terminus spiegelt aber recht gut mein soziales Umfeld wieder hier in Taipei, ist doch "meine Taiwanfamilie" eine alte Großgrundbesitzerfamilie vom chinesischen Festland (aus der selben Provinz aus der auch Exdiktator Chiang-Kai Check enstammt, erzählen sie gerne), bei der sich die abgöttische Liebe für die eigene (5000jährige!) chinesische Kultur mit dem südtaiwanischen Extrembuddhismus (personifiziert durch meine aus Kaoshiung stammende Schwiegermutter) vermischt. Meine "Taiwanfamilie" ist schon etwas Besonderes. Dramatischer Höhepunkt des chinesischen Familiendinners war, als eines der Junior-kompatiblen "Brötchen" (köstlich gefüllt mit krossem undefinierbarem Irgendwas) übrig blieb und schon auf eine der Resteunterfassen umgelagert worden war. Meine Frau hatte dieses von irgendjemanden nicht verzehrte Brötchen schnell aufgenommen und wollte es mir als Juniorfütterer schon überreichen, da schnappte es die "Erste Tochter" der Familie und Gattin des Gastgebers meiner Frau ganz undamenhaft aus der Hand und erklärte sogleich, das Brötchen sei das Ihrige, sie wolle es aber selber nicht essen, habe aber entschieden es dem (mopfsfidel runden und siebenjährigen) kleinen Neffen "Didi" zu geben. So musste Junior dann ohne das Brötchen satt werden, obwohl er im Gegensatz zu den älteren Kindern vieles am Tisch wegen zu scharf oder zu salzig nicht essen konnte, aber im Verhältnis zu den Gesamthürden der Kinderaufzucht stellte das eher eine kleine Widrigkeit da.
Sehr nett am Abend das Gespräch mit meinem philippinischen Schwager, der zwar einer in die Philippinen um 1949 rum aus China emigrierten Familie entstammt, aber eben auch ethnisch philippinisch ist und der, so wie ich gehört habe, anfangs ganz schlecht von meiner und seiner Taiwanfamilie aufgenommen worden ist. Weil er nicht so ganz waschecht 5000jährig-chinesisch war, wie ich annehme. Kann ich mir ja gar nicht vorstellen, so etwas ob meiner herzlichen Aufnahme in den Familienkreis (rhetorisches Räuspern).
Er lud Gattin, Junior und mich zum wiederholten Male auf die Philippinen ein und wir haben uns lange sehr nett unterhalten. Mir schwante, dass es Zeit wurde, die diplomatischen Beziehungen des deutsch-taiwanischen und philippinisch-taiwanischen Familienflügels zu intensivieren.
Kulinarisches Highlight des Abends war an einer Art Mini-Wäscheleine (aus Holz nebst Holzgestell) aufgehängter hauchdünner Schweinespeck mit hauchdünnen passenden Gurkenstreifen und ansonsten eine köstliche Kugel aus Shrimpsfleisch, kein bisschen fischig schmeckend, mit einer leckeren dicken Teigkruste und dem äußerlichen Antlitz einer Seemine - sie wissen schon, die aus den Seekriegsfilmen mit zahlreichen Kontaktzapfen).
Daheim rezensierte dann meine Frau in einer Art militärischem Debriefing sichtlich genervt die taktischen Vorkommnisse des Abends. Die großen Essen-Wegdreher waren demnach die fingerfertige Erste Tochter und meine Schwiegermutter. Hingegen war der philippinische Familienzweig und auch die vierte Tochter und ihr Gatte (die mit den Zwillingen) Essen-Hindreh-Fraktion, aus unserem Blickwinkel gesehen. Politisch neutral hingegen die Quasineffen-Fraktion, bei der mir nur die übergroßen Augen anlässlich der vielen Köstlichkeiten aufgefallen waren den ganzen Abend und die ja auch das Essen immer wieder hingedreht bekamen. Mit Butterkeksen daheim sieht man solche Vorkommnisse locker und ich wollte dann auch gar nicht so viel von den sozialen Interdependenzen meiner Chinese-Taipei-Familie hören. "So war es schon immer", sagte meine Frau. Und erwähnte, die Erste Tochter (das dürfen wir um der Götter Willen nicht klein schreiben), habe ihr als Kind schon immer das Spielzeug weggenommen, sanktioniert von der Mutter, die im Tempel ja gehört habe, die dritte Tochter bringe Unglück  - und die dritte Tochter ist ja meine Frau.

Ich war froh, als der Abend ausklang und ich am Rechner noch etwas das Uraltspiel "Baldur`s Gate" spielen konnte, ganz ohne Taiwanfamilie. Nach dem Familiendinner war ich innerlich gegen die Nachstellungen der Kopfgeldjäger gewappnet, die mich am Eingang des Gasthauses "Zum freundlichen Arm" oder dergleichen empfingen.

Sehr zu empfehlen, aber natürlich nur mit Vorbestellung, das Restaurant Bird-Wo-Wo in NeiHu, möglicherweise nur ab einer gewissen Gästezahl, das hat man manchmal in Tawan: http://www.taipeitimes.com/News/feat/archives/2014/04/03/2003587149/1
http://birdwowo.com/Default.aspx

Gattin, Junior und ich werden da ganz in Ruhe noch mal allein hingehen, vermutlich mit dem Quasineffen zur numerischen Unterstützung. Mein philippinischer Schwager reist leider am Dienstag schon wieder ab. Zum mulitkulturellen Aspekt meiner Chinese-Taipei-Familie kann ich mir ein kleines Nachwort nicht verkneifen: Mein Lieblingsneffe, der Sohn der Ersten Tochter, weilt mittlerweile auf Austauschjahr bei einer afroamerikanischen strengchristlichen Familie in Maryland, USA. Da gefällt es ihm so gut, dass er bisweilen die Heimaturlaube nur höchst unfreiwillig antritt. Seine Facebook-Vorkommnisse nähren in mir die Hoffnung, dass meine hiesige Familie vielleicht nach dem Schock eines zumindest teilweise philippinischen Schwiegersohns und eines ganz und gar teutonischen nun vielleicht noch den Schock einer afroamerikanischen Schwiegertochter zu verdauen hätte. Zu schön um wahr zu sein, aber was würde ich geben, um das Gesicht von Erster Tochter und Schwiegermutter zu sehen. Notfalls sogar ein Krabbenfleischbällchen im Seeminen-Design.

EDIT: Artikel etwas editiert, ursprünglicher (doch zu ernster Titel) war "Zustimmungsbarometer"  ;-)

Donnerstag, April 24, 2014

Neu und alt in Jonghe (Zhonghe)

Die MRT und neue glitzernde Bürohäuser in Taipei-Jonghe

Ich bin ja ein Sammler der lateinischen Schreibweisen von dem Stadtteil, in dem "meine" Firma liegt. Soweit habe ich Zhonghe, Jhonghe, Jonghe und ChungHo, aber bestimmt gibt es auch noch mehr. Früher war es lustig die Straßenschilder kurz hintereinander auf der selben innterörtilichen Hochstraße zu betrachten, wo die verschiedenen Schreibweisen alle kurz hinterheinander auftauchten. Man spricht es übrigens meist "Dshonghwe" oder so, mit einem weichen sh und der Andeutung eines w, die erste Silbe Zhong (Dshung, Dshong gesprochen) bedeutet "Mitte". Mittlerweile geht der Trend in Taiwan zur Übernahme der Pinyin-Umschrift aus China, die das dann Zhong schreibt.


Dieses Viertel war bei mir immer völlig verhasst, ich gebe es zu. Morgentliches Frühstückholen führt mich noch immer durch enge Straßen zwischen grünen Wellblechschuppen, in denen kleine Betriebe untergebracht sind. Ohne Bürgersteige rasen LKWs und Mopeds und natürlich auch PKWs halsbrecherisch dicht an einem vorbei, die Straßen riechen nach den Ausdünstungen der schornsteinlosen Fabrikhallen, nach Moped- und LKW-Abgasen und der Straßenbelag ist oft von einer Mischung aus undefinierbarem Dreck, Hundekot (von den Wachhunden) und Betelnusspriem bedeckt. Wenn ein LKW irgendwo parkt, muss man als Fußgänger ungeschützt auf die Mitte der Fahrbahn treten.
Das ist das Taiwan, das die meisten Kurzzeitbesucher oder sogar viele Langzeiter nur mal an den Fenstern eines Taxis vorbeiziehen sehen, das aber einen gewissen Teil von meinem Alltag ausmacht, zusammen mit dem immer noch etwas schmuddeligen Militärveteranenviertel, in dem ich wohne, weil sich meine Gattin in den grauen Wohnblockgassen ihrer Kindheit so wohl fühlt. Genervte Blogpostings über die Jahre haben mir schon öfter mal den Vorwurf eingetragen, Taiwan "schlecht zu machen". Aber wie gesagt, wer nur das Hotelzimmer und innerstädtische Einfkaufszentren kennt, der hat halt eine andere Perspektive.

Aber die Taiwaner sind ein Völkchen, das ist ihr Land noch permanent verbessert. In so fern hat sich das Problem mit meinem heimatlichen Wohnviertel NeiHu schon fast erledigt. Die meisten Häuser in meinem Wohnviertel sind renoviert, auch durch Eigeninitiative und Umbau der Wohnungseigner, so dass sie manchmal schon besser aussehen als die Wohnscheiden in meiner niedersäsischen Heimatstadt. Und viele Schmuddel-Wohnblöcke sind längst durch Büroviertel mit breiten Bürgersteigen und sogar eine Porsche- und eine Bentleyvertretung ersetzt worden. Ich weiß, es klingt wie ein böser Scherz, Bentley statt billigem Wohnraum.

 Aber auch im Industriegebiet ist der Wandel rasant. Der mysteriöse gelbe Quadratbau ist die Halterung für eine Schwebebahn, denn Schwebe- und U-Bahn werden in Taipei immer noch massiv ausgebaut, was über die Jahre den Verkehr deutlich reduziert und die Luft verbessert hat. Und viele Brackenhallen in der Nähe meines Arbeitsplatzes sind weggerissen und durch schicke Parks, breite Bürgersteige und klinisch-reine Bürotürme mit schicken Cafés ersetzt worden. Ich weiß, dass die kleinen Betriebe jetzt keinen Platz mehr haben, aber als morgentlicher Fußgänger ist es halt viel angenehmer, im Café von der netten Taiwanerin ein Bagle-Ding und Kaffee entgegenzunehmen zu Sinatra und Bossanova vom Band, als vor LKWs in Deckung zu gehen und in Hundekot zu treten. Ich gebe zu, da habe ich klare Präferenzen und mir gefällt die Umgestaltung von Taipei.

  Hier sieht man die neuen Bürotuürme und links den neuen Park, da wo früher verfallene, verrostete Wellblechhallen waren. Und Hallelujah, ein breiter Bürgersteig zusätzlich zum schmalen alten. Rechts wird die Trasse der Schwebebahn gebaut, auf der ich dann vielleicht künftig einschwebe ohne Auto.

Auf der rechten Straßenseite sieht man noch die alten Wellblechhallen. Die wären ja nicht so schlimm, wenn sie Bürgersteige davor hätten und nicht die ganze Gegend einsauen und in ein Spucke- und Spring-vor-dem-wilden-LKW-in-die-(nicht vorhandene)-Gosse - Abenteuer verwandeln würden. Taipei verfällt hier von einem Extrem zu anderen und reißt immer mehr von dem alten Zeug weg, aber ändern könnten sich die Kleingewerbetreibenden da wohl auch nicht.

Sicher ziehen die Betriebe dann wohl an den Stadtrand um. Als ich jedenfalls gerade die Aufnahmen machte...

... sah ich wieder die Folgen eines der zahlreichen Mopedunfälle, die man auf dieser Straße immer wieder sieht. Der Mopedfahrer hier war offenbar im Bauzaun hängen geblieben. Richtig gefährlich wird es, wenn man weiter nach links fährt, dann mündet die Straße auf eine riesige Kreuzung, auf der von den mindestens 4 konkurrierenden Fahrbahnen zwei gleichzeitig Grün bekommen, die sich dann im spitzen Winkel treffen. Da muss man mit äußerster Vorsicht durchfahren und hört immer wieder diesen Knall der Kunststoffverkleidungen, wenn die Mopeds aufeinander scheppern und dann die Schmerzensschreie der Leute. Aber bestimmt ändern sie das auch mal. Dann, wenn sie anfangen, die Standup-Comedy in Taiwan zu entdecken und die Komiker aus der Straßenverkehrsbehörde an die TV-Sender und Bars vermitteln ;-)

Bis dahin freue ich mich über das heranwachsende neue Taipei. Und wer sich darüber politisch korrekt aufregt, von wegen zu wenig Wohnraum und kein Platz für Kleinbetriebe, der muss halt bedenken, dass sie oder er vermutlich einen Bürgersteig für etwas Selbstverständliches hält. Taipei Go go go, lass die Abrissbirne Überstunden machen oder den Blechschneider - und vergiss nicht die Sache mit den Verkehrskomikern. Und zum Abschluss noch...

... neben diesem Bild von Alt und Neu in Zhonghe ein paar Bilder vom vergnügten Sonnabend in einem Einkaufszentrum in Taipei-NeiHu.... um den negativen Spin der letzten Artikel etwas Positives entgegenzusetzen. Im Blog schreibt man eben oft über Negatives, das einem auffällt und nicht über den positiven Alltag.


Karussell, Riesenrad und derlei Entertainment für Junior ganz in der Nähe vom Wohnort, in 5 Minuten per Taxi zu erreichen.

Inklusive Life-Musik.

Miranmar-Einkaufszentrum, Taipei Neihu.

Fototechn. Notitzen:
Fotos aus freier Hand mit Kompaktkamera Casio Exilim Z11 oder Exilim Z1000 (unten), auf die ich kürzlich upgegradet habe (36 Euro bei Ebay, Neupreis 2006 noch 320 Euro, es lebe Ebay!) 

Mittwoch, April 23, 2014

KMT-Parlamentarier zweifeln Nutzen des Handelspaktes mit China an

Prochinesischer Kurs der Adminstration von Präsident Ma (KMT) nicht unumstritten in eigener Partei

Nach den studentischen Protesten gegen den jüngsten Handelspakt zwischen Taiwan und der VR-China scheint es eine innerparteiliche Debatte um den Kurs der KMT zu geben, oder jedenfalls hört man immer mal wieder von Abweichlern in der regierenden KMT vom prochineisischen Kurs des Präsidenten.

Berichte zu den studentischen Prostesten und Gegenreaktionen hier:

http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/triaden-pate-gibt-politische-statements.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/studenten-ziehen-ab-demo-storer-gewurgt.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/der-geheimpalast-studenten-auf-dem.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/barrikaden-in-taipei.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/uberblick-uber-die-artikel-zu-den.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/pro-china-demo-der-bushaltestelle.html
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/03/demo-in-taipei-mit-300000-menschen-oder.html


In diesem Artikel in der TAIPEI TIMES (http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/04/23/2003588692) wird berichtet, dass KMT-Parlamentarier öffentlich den Nutzen des Handelspaktes in Frage stellen und darauf hinweisen, junge Taiwaner hätten mit stagnierenden Gehältern zu kämpfen und könnten sich eben keine Immobilien mehr leisten, trotz der Annäherung an die VR-China, die ja laut Regierungslinie mehr Wohlstand für die Taiwaner bringen soll.

 Ratespiel im Taiwanblog: Was ist das für ein gelbes Ding, hier in Taipei-Jonghe (Zhonghe): Abstrakte Kunst? Teilchenbeschleuniger? Seifenblasenmaschine (für eckige Seifenblasen, ein Forschungsprojekt der National University of Taiwan) oder die erfolgreiche Quadratur des Kreises, die Demokratie in Taiwan mit der Annäherung an China unter einen Hut zu bringen?


In der Tat ist wohl ein Nebeneffekt der China-Annäherung, dass die Immobilienpreise in Taiwan extrem steigen. Über das Steigen gibt es keinen Zweifel, nur über die Ursache kann man diskutieren. Mein letzter Blick auf den Immobilienmarkt hier. http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/immobile-teils-doch-mobil.html

Dienstag, April 22, 2014

Keine Bahn-Ermäßigung mehr für Ausländer?

In Taiwan ist Diskriminierung völlig normal. Natürlich unterscheidet man zwischen Inländern und Ausländern. Und die sollen gefälligst mehr zahlen

Wer Taiwans "High Speed Rail"-Zug nimmt, also den Hochgeschwindigkeitszug basierend auf dem japanischen ICE-Gegenstück, bei dessen Organisation im Fahrbetrieb übrigens deutsche Zugführer behilflich war, erhält eine Ermäßigung, wenn er geistig oder körperlich behindert, hohen Alters oder unter 12 Jahre ist. Nach dem Vorschlag des "Control Yuans" in Taiwan sollen diese Ermäßigungen in Zukunft für alle Ausländer entfallen, weil die Ermäßigungen schließlich von taiwanischen Bürgern subventioniert werden.

http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/04/17/2003588248

Nach diesem Vorschlag müsste also etwa der ausländische Ehepartner eines taiwanischen Bürgers, der in Taiwan im Berufsleben Steuern gezahlt hat und im Greisenalter angelangt ist oder eben etwa aufgrund eines Unfalls behindert ist, den vollen Fahrpreis zahlen, weil er nicht die hiesige Nationalität hat.

Persönlich habe ich mich schon oft gefragt, was der "Control Yuan" eigentlich so treibt. Das ist eine Regierungsinstitution, die auf das Staatsprinzip von Dr. Sun Yat Sen zurückgeht, der Gründer der Republik China auf dem chinesischen Festland war. Seit der Flucht der chin. Regierung 1949 vor den Kommunisten wird die Republik China auf der Insel Taiwan (die 1895-1945 japan. Kolonie und vorher lose an das chin. Kaiserreich angebunden war) fortgeführt, weshalb es hier die Yuane gibt. Der Kontrollyuan soll dabei offenbar die klassischen drei Gewalten Legislative (vgl. Legislativer Yuan aka Parlament), Exekutive (vgl. Exekutiver Yuan, Regierung im engeren Sinn mit Premier an der Spitze) und Judikative (vgl. Judikativer Yuan, die Oberaufsicht der Gerichte) ergänzen. Außerdem gibt es noch den Prüfungs-Yuan, der die Befähigung der Beamten prüfen soll.

Taiwan grenzt strenger als etwa westlichen Länder zwischen "eigenen Leuten" und Fremden ab und das Fehlen eines Diskriminierungsverbot führt immer wieder zu von Ausländern als unfair wahrgenommenen Regelungen oder auch merkwürdigen Situationen im beruflichen Alltag, etwa wenn Afroamerikaner hier zu hören bekommen, sie könnten wegen ihrer Hautfarbe nicht richtig Englisch sprechen (bei Bewerbungen für einen Englischlehrerjob). Doch ich sage immer, man soll sich in Taiwan nicht beschweren. Die Maßstäbe, was eine ordentliche Behandlung von Ausländern ist sind eben international niedrig, wenn man sich anguckt, was einem jedenfalls als "Johnny Weißbrot" in anderen Kulturkreisen widerfahren kann. Kein Grund zur Klage also im bestens kontrollierten Taiwan.

 

Montag, April 21, 2014

No country for pedestrians

Unfall am Sonntag, während ich Essen vom Diner hole. Titel des Postings frei nach dem Spielfilm "No country for old men". Taiwan ist definitiv kein Land für Fußgänger (Pedestrians).

Bei uns um den Block gibt es viele bürgersteiglose enge Wohngassen. Da fiel mir öfter mal ein Skoda Yeti auf, der mit nach meinen Begriffen zu hoher Geschwindigkeit an mir vorbei raste. Zugeparkte Hauseingänge sollten eigentlich zu vorsichtigerer Fahrweise verleiten - nach deutschen Maßstäben. Tatsächlich ist mir der Skoda nur aufgefallen, weil es ein seltenes Auto in Taiwan ist, das mir recht gut gefällt. Praktisch jeder rast hier zu schnell durch.

angeerfahrener Fußgänger, Skoda Yeti


Erst neulich hatte ich ihn einem anderen Stadtteil Taipeis Probleme, bei Grün über die Fußgängerampel zu kommen. Unzählige Rechtsabbieger, bestehend aus LKWs und Motorrollern, fuhren einfach durch und wollten mich nicht passieren lassen. Erst als ich mit dem Regenschirm buchstäblich in einer Lücke zwischen schnell heran kommenden Mopeds auf den Asphalt eindrosch und laut "STOP IT!" schrie, durfte ich auf den letzten Sekunden Grün passieren. An grünen Fußgängerampeln lebt man in Taiwan gefährlich.

Hier auf dem Foto in NeiHu, Taipei, etwa 100m von meiner Wohnung entfernt, ist auch ein beampelter Fußgängerüberweg, über den Unfallhergang weiß ich aber nichts. Rechts bei den Gasflaschen ist eine Garküche, die fast immer Sonntags den neuen, kürzlich verbreiterten Bürgersteig mit Esstischen zustellt - hier im Foto gerade einmal nicht. Der neue verbreiterte Bürgersteig wird auch immer wieder mit Kundenfahrzeugen aller möglichen Geschäfte zugeparkt. Auch ich weiche als Fußgänger neuerdings immer wieder auf die Fahrbahn aus, etwa wenn abends Fahrzeuge im 90 Grad-Winkel quer stehend vor Einfahrten den Bürgersteig verstellen.
Zebrastreifen und Fußgängerüberwege sind sowieso in Taipei Behelfsparkpläzte...

andere Kreuzung ganz in der Nähe

So ist es in Taiwan und die Stadt hält sich weitestgehend raus aus dem Geschehen, es sei denn das Hauptstraßen betroffen sind. Fußgänger sind immer bedroht in Taiwan, Autos, LKWs und Motorroller rasen oft bis auf Tuchfühlung, im wahrsten Sinne des Wortes heran, wenn es keinen Bürgersteig gibt und der Stärkere hat nunmal Vorfahrt.

 selbe Kreuzung wie beim Skoda-Unfall, andere Straßenseite, abends vor ein paar Wochen

Alltag in Taiwan. Ich halte oft mein Schlüsselbund links neben mich, um PKWs auf Abstand zu halten und strecke Motorrollern die Arme entgegen, damit sie mich nicht touchieren. In meinen Anfangsjahren hier (um 2006 oder so) gab es einen Unfall, da mussten die Eltern einer Elfjährigen den Schaden an einem Moped bezahlen, als das Mädchen angefahren wurde.

Alles anders hier, seid vorsichtig da draußen in Taipei.

Ähnlicher Fall:

http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/12/tod-vor-der-hausture.html

EDIT: Auch aus meiner niedersächsischen Heimat habe ich aber so eine Geschichte, ein roter Mercedes, der mich in der 30-Zone (da gab es immerhin eine) immer wieder nötigte. Mag sein, dass er sich durch meinen BMW herausgefordert fühlte, der da mit 40 Tacho lang fuhr. Er bremste manchmal nötigend vor mir ab und fuhr etwa 70 bis 80 in der Straße. Das wird böse enden, dachte ich mir. Später fuhr der Wagen zwei Radfahrer an, ein junger Mann tot, einer querschnittsgelähmt, nachts auf der Landstraße. Mercedesfahrer war betrunken.  

Donnerstag, April 17, 2014

Festgenommen wegen Drogenschmuggels: was passiert? (editiert 27.08.2015, Update April 2016)

WICHTIG: neue Version dieses Artikels ist HIER!



Aus gegebenem Anlass eine Zusammenfassung der bisherigen Infos hier im Blog mit Updates als Info für Angehörige etc. 
Das Taiwanblog ist Google-halber da immer wieder Anlaufpunkt für Anfragen auch wenn ich mit der Drogenszene rein gar nichts zu tun habe. Infos trotzdem hier im Artikel.


Zur Zeit sind 7 Deutsche in Taiwan in Haft wegen Drogenschmuggels. Die Zahl findet sich u.a. hier.
Zunächst schwebt immer die drohende Todesstrafe im Raum, die in Taiwan auf Drogenschmuggel steht. Die Presse spricht immer von drohender Hinrichtung, wenn sie sich mit dem Fall befasst und ein Auswandererforum hat eine Falschmeldung über die Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan in den letzten Jahren zu bieten - ich widerspreche dort energisch***.

Grundsätzlich sind in Taiwan jedenfalls in einem irgendwie absehbaren Zeitraum (ich verfolge das seit 2004) noch KEINE "Westler" wegen Drogenbesitzes in Taiwan zum Tode verurteilt oder gar hingerichtet worden. So merkwürdig das klingt, nur Taiwaner oder Angehörige diverser asiatischer Nationen sind davon betroffen, Taiwan nimmt Europäer und Nordamerikaner davon offensichtlich aus, sicher um sich in Abgrenzung zur VR-China zivilisiert zu geben - was ja auch zutreffend ist. Die Todesstrafe wird vielleicht vom Staatsanwalt gefordert, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (und ich denke hier eher an 100%) nicht ausgesprochen werden. Mitlesende evtl. involvierte taiwanische Juristen mögen mir diese kecke Einschätzung verzeihen, natürlich sind die Gerichte unabhängig. Trotzdem denke ich, muss sich niemand über die Todesstrafe Sorgen machen.

Die Standardverurteilung in Taiwan wegen Schmuggels von großen Mengen Heroin beträgt Lebenslänglich und auch bei weichen Drogen sähe es wohl nicht anders aus, der strengen Gesetzgebung in Taiwan halber. So weit mir die Fälle bekannt sind, ist der Standardfall eines in Zusammenhang mit dem Drogenimport festgenommenen Deutschen ein Thailand-Residenter (Achtung: Thailand ist NICHT mit Taiwan identisch!), der dort in finanzielle Probleme geraten ist und sich dann vom organisierten Verbrechen überreden ließ, mindestens ein Kilo Heroin nach Taiwan zu schmuggeln (Edit: auch der jüngste Fall betrifft einen Thailand-Residenten). in Taiwan ist der Insellage und hervorragender Kontrollen halber kaum Heroin auf dem Markt zu finden, deshalb ist der Marktpreis hoch und es wird immer wieder versucht etwas hinein zu schmuggeln. Dass der involvierte Flughafen Taoyuan (TPE) als internationaler Drogenumschlagsplatz gilt spielt hierbei keine Rolle, weil wer immer dort auch in Containern oder ähnlichem Drogen umschlägt, bringt diese offenbar so gut wie nie nach Taiwan selbst. Das lässt einen schon erahnen, wer da was macht, aber da will ich hier im Blog nicht spekulieren.

Fast immer werden Drogenkuriere gefasst, angeblich soll es täglich einschlägige Festnahmen geben, allerdings sind nur recht selten Deutsche oder Nordamerikaner darunter. Jetzt erwarten den Festgenommenen 1-2 Jahre Untersuchungshaft, die in Taiwan allerdings nicht auf die spätere Haftzeit angerechnet werden, am Ende steht also eine Verurteilung zu Lebenslänglich oder eine langjährige Haftstrafe, letzteres nur, wenn hart nachweisbare Fakten zur Milde vorliegen, etwa die erfolgreiche und vor Gericht belegbare Zusammenarbeit mit Interpol (Beweis schwierig, weil Taiwan keine offizielle Zusammenarbeit mit Interpol hat soweit ich weiß, weil Taiwan von den meisten Staaten der Welt nicht diplomatisch anerkannt wird) oder ein ärztliches Attest über einen verwirrten Geisteszustand, wie in einem Fall offenbar geschehen. Man kann Atteste o.ä. in Taiwan ausdrücklich NICHT kaufen gegen Bares; die taiwanische Justiz schaut hier sowieso genau hin beim sensiblen Thema Drogenimport.

Die Haftbedingungen sind zunächst recht gut, da während der Untersuchungshaft und der Prozessdauer eine 2-Mann-Zelle o.ä. zur Verfügung steht statt einer überbelegten Massenzelle. Das Deutsche Institut (DI), die inoffizielle Vertretung Deutschlands in Taipei  (http://www.taipei.diplo.de/Vertretung/taipei/de/Startseite.html), das  wegen diplomatischer Nichtanerkennung Taiwans seitens Deutschlands  die Rolle einer Botschaft (teilweise) übernimmt, sorgt für die Übergabe einer Adressenliste mit Anwälten und besucht den Verurteilten regelmäßig. Hier im Blog erweckte ich einst den Eindruck, diese Betreuung sei unvollkommen. Da möchte ich mich beim DI für entschuldigen, ich wollte damals nur dem Eindruck vorbeugen, das DI könne in Taiwan wesentlichen Einfluss auf den Prozess nehmen der dergleichen, wie das manchmal von Laien vermutet wird.

Die anschließende Haftstrafe wird dann jedenfalls im "Taipei Prison" angetreten, das im Landkreis Taoyuan liegt. Link zum Taipei Prison, englische Webseite: http://www.tpp.moj.gov.tw/mp138.html. Nach 2/3 der Haftstrafe kann der Häftling entlassen werden, bei Lebenslänglich heißt das in Taiwan mindestens 20 Jahre. Seit neuestem gibt es ein Auslieferungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik China (so lautet der formelle Staatsname von Taiwan), nach dem nach ein paar Jahren (?) offenbar der Häftling zum Absitzen der Reststrafe nach Deutschland überstellt werden könnte: http://www.china-observer.de/index.php/2013/11/07/auslieferungsabkommen-zwischen-taiwan-und-deutschland-unterzeichnet/
Es handelt sich hier ausdrücklich um Neuland und ich kann wirklich keine Prognose über die Praxis der Regelung abgeben. UPDATE 2015: Offenbar gibt es jetzt ein festgeschriebenes Verfahren zur Überstellung von deutschen Häftlingen, das aber immer noch Neuland ist. Möglicherweise wird das ganze in Form eines Häftlingsaustausches ablaufen. Der erste der Verurteilten, ein wg. mildernder Umstände nur zu 14 Jahren Haft verurteilter Deutscher, ist wohl schon wieder in Deutschland angekommen: http://www.taiwanembassy.org/de/ct.asp?xItem=591566&ctNode=12779&mp=112

Ich habe einen deutschen Häftling zweimal im Taipei Prison besucht, mein Bericht dazu hier: http://osttellerrand.blogspot.tw/2009/12/besuch-bei-deutschem-gefangenen-in.html. Ein Foto aus dem taiwanischen NEXT-Magazin mit Blick in eine der überbelegten normalen Vollzugszellen kann man hier sehen: http://osttellerrand.blogspot.tw/2010/09/deutsche-in-uberfullten-zellen-im.html

Zu den Haftbedingungen ist zu sagen, dass die Häftlinge die meiste Zeit und auch die Wochenenden in den engen Zellen verbringen, wochentags in der "Fabrik" arbeiten können, was als angenehme Abwechselung empfunden wird und sonst keinen Freigang im Hof oder dergleichen haben. Das Essen kann man salopp als schlank machende asiatische Kost bezeichnen, unterernährt sind die Häftlinge nicht, aber eben schlank. Belastend ist, dass das in großen Kesseln lange gegarte Essen recht geschmacklos ist, Festtagsessen oder die Teigtaschen ausgenommen, wie mir berichtet worden ist.

Ein Update zu den deutschen Gefangenen aus dem Jahre 2013 findet sich übrigens hier: http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/05/deutsche-im-gefangnis-in-taiwan-2013.html. Ansonsten sei noch dieses Blog (https://andreasintaiwan.wordpress.com/) eines konfessionellen Gefängnisbesuchers in Taiwan empfohlen, dessen Blog auch Enblicke in die Situation der Gefangenen bietet. Klaus Bardenhagen, deutscher Journalist in Taipei, hat auch gute Infos über die Deutschen und die Todesstrafe in Taiwan: http://www.intaiwan.de/2009/02/11/todesstrafe-in-taiwan/

Zurück zur Haft in Taiwan: Psychisch belastend ist für die ausländischen Insassen, dass sie fern der Heimat sind, es keine sprachliche Anpassung des Gefängnisbetriebes für sie gibt (sie sollen Chinesisch lernen), sie im Gegensatz zu den Einheimischen keinen Verwandtenbesuch bekommen (jedenfalls keinen regelmäßigen) und auch die Essensmitbringsel der Verwandten (die manchmal Essen mitbringen und manchmal im Gefängnisladen für die Gefangenen einkaufen) vermissen, die die einheimischen Gefangenen zur Streckung der Gefängniskost gerne nehmen. Durch das oft feuchtheiße Klima und die Überbelegung kommen noch diverse Hautkrankheiten dazu, in Taiwan ist die Bakterien- und Pilzflora sowieso aktiver als in Europa.

Im Gegensatz zu Asienklischees finden offenbar keine Übergriffe von Wärtern oder anderen Gefangenen auf die ausländischen Häftlinge statt, die Wärter verlangen aber Disziplin von den Gefangenen und bestrafen etwa "Ausflippen" aufgrund des psychischen Stresses mit Isolation. Auch beim Empfangen von Besuch wird vom Häftling eine ordentliche gerade Sitzhaltung verlangt, wie ich selbst sehen konnte.

Was kann man nun tun? Als Nichtverwandter kann man wohl erst mal gar nichts tun, außer sich an die Familie zu wenden und diese wiederum kann vom Deutschen Institut Hilfe und Infos bekommen, Link siehe oben. Um beispielsweise Bücher oder Briefe ins Gefängnis zu schicken, braucht man die Haftnummer des Häftlings, sein Gefangenenkürzel, sein Geburtsdatum etc., Infos die man so nicht hat. Einfach ein Paket schnüren und losschicken geht also nicht, auch weil der Häftling eine Sendung erst beantragen muss.

Wer einen Gefangenen besuchen will, muss wieder die Kontaktinfo haben. Ich musste damals als Nichtverwandter auch erst (über meine Frau) Kontakt mit dem Gefängnis aufnehmen. Wer einen Besuch machen will und die Erlaubnis hat (Verwandte bekommen die immer denke ich, jedenfalls nach der Untersuchungshaft) den kann ich dazu durchaus ermutigen, Taiwan ist ein ordentlich verwaltetes Land mit niedriger Kriminalität, man muss sich da also keine Sorgen machen und das Gefängnispersonal ist hilfreich. Allerdings kann man wohl einen Gefangenen nicht allzu oft besuchen, evtl. nur einmal die Woche, siehe auch meinen Artikel vom damaligen Besuch.

Soweit die Info hier, ich denke die Liste ist jetzt ziemlich komplett.

EDIT: Zu weiteren Besuchen im Gefängnis habe ich leider keine Möglichkeit, da ich aus der Gegend weggezogen bin und durch kleinen Sohn und mehr Verantwortung im Beruf mittlerweile einfach keine Zeit mehr ist.

UPDATE: Link zu einer mit den Häftlingen befassten Anwaltsseite: http://www.stcoll.de/Rechtsgebiete/Strafrecht/Internationales-Strafrecht/Reisebericht-Taiwan/index.html

UPDATE2: Diese Slideshow erlaubt einen Einblick in das Taipei Prison, u.a. auch in eine der überfüllten Zellen: http://www.examiner.com/slideshow/inside-a-chinese-taipei-prison#slide=1

UPDATE3: Offenbar handelt es sich bei der jüngsten Festname um einen französischen Staatsbürger mit jedenfalls deutsch klingendem Namen: http://www.wantchinatimes.com/news-subclass-cnt.aspx?cid=1103&MainCatID=11&id=20140415000086
Auch wenn der Artikel den Namen nennt, bleibe ich hier bei der Keine-Namen-Politik.

UPDATE4: Der Festgenommene hat aber (offenbar ausschließlich) eine private Bindung nach Deutschland, um die entsprechende Info an mich hier zu subsumieren.

UPDATE5: Der Betroffene wurde im Bahnhof verhaftet, zusammen mit einem Taiwaner, möglicherweise also bei der Übergabe: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/04/16/2003588168 

 UPDATE6: Als letztes Update erstmal für heute Morgen die Adresse der franz. Vertretung in Taiwan, die da wohl ein guter Ansprechpartner wäre: http://www.france-taipei.org/
Ohne Gewähr von Google, sieht richtig aus. Diese ist zuständig, weil der Verhaftete Franzose ist. Bei deutschen Staatsbürgern ist das Deutsche Institut Taipei zuständig: http://www.taipei.diplo.de/Vertretung/taipei/de/Startseite.html

UPDATE7: Hier nur noch mal der Beleg, dass in den letzten 20 Jahren jedenfalls keine Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan stattgefunden hat - andere Westeuropäer werden ebenso behandelt, genauso wie Nordamerikaner. Ich reiche das nach, weil Google immer wieder in einem Forum die Falschmeldung einer Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan "vor 4 Jahren" (Stand 2013) auflistet, die von einem anderen Taiwanexpakt in die Welt gesetzt wurde, wohl um ein Abschreckungsszenario zu erzeugen. Die Hinrichtung fand nicht statt, ich zitiere mich selbst auf dem Forum:

Die "Initiative gegen Todesstrafe" nennt (Stand August 2010) in den letzten 20 Jahren nur*** 2 Hinrichtungen an Deutschen, beide in den USA: http://www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de/nc/aktuelles/nachrichten/details/article/zum-tode-verurteilte-deutsche-staatsangehoerige.html?cHash=4ef67d1b60&print=1
Es handelt sich um das folgende Dokument, Zitat: (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten VolkerBeck (Köln), TomKoenigs, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/2761 –, 26.08.2010)


UPDATE 8:  Info von der den Kontakt herstellenden wollenden Kommentatorin: Wenn kein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, müssen (lt. franz. Botschaft in Thailand) zunächst 1-2 Jahre Untersuchungshaft abgewartet werden, dann kann über die deutsche (im Falle des letzten -französischen- Verhafteten natürlich die französische) diplomatische Vertretung in Taipei ein Kontakt zum Häftling hergestellt werden, den dieser initiieren muss (zuerst schreiben). Ich gebe das hier so wieder als Info für zukünftige Anfragen. Danke für die Info.

Abschließende Worte: Es ist klar, dass das Taiwanblog keine Drogenimporte nach Taiwan in irgendeiner Form gutheißt, hier ging es nur um Info für Angehörige eines Festgenommenen, die natürlich in einer sehr schwierigen Situation sind und erst einmal nach Infos suchen. Weil dies die dritte diesbezügliche Anfrage hier im Blog war erscheint es sinnvoll, alle Info einmal upgedated zu haben.

Update April 2016 zu Rückführungen von Strafgefangenen nach Deutschland: Offenbar hat es bereits zwei Überführungen von deutschen Drogenschmugglern nach Deutschland gegeben: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2016/03/26/2003642482

Mittwoch, April 16, 2014

Englishlehrer-Razzien

Ein Mysterium des mysteriösen Asiens: Warum jagen die Taiwaner die Englischlehrer ihrer Kinder?

Vor ein paar Wochen war es eine lustige Geschichte, aus Taichung glaube ich (obwohl ich das manchmal mit Tainan verwechsele). Ein englischer Muttersprachler, Amerikaner, Kanadier vermutlich, rettete sich auf das Dach der "Buxiban" (sprich: "Buschiban"), in der er dafür bezahlt wurde, kleinen Taiwanern im Vorschul- oder Grundschulalter Englisch beizubringen. Solche Schulen, oft auch mit dem deutschen Wort "Kindergarten" bezeichnet (weil es klein geschrieben auch in den US-Sprachschatz eingedrungen ist) sind sehr populär in Taiwan, fast jeder kleine Pöks kriegt dort frühen Englischunterricht.

Wenn junge Frauen junge Weiße in Bars ansprechen in Taiwan, sind es manchmal NIA-Agentinnen, wie man im Ausländerforum liest, die nach illegalen English-Teachern fahnden (*** klick ***). Im Bild sind freilich nur Hitachi-Agentinnen auf der Computex Computermesse

Die übliche Buxiban mit dem üblichen jungen US-Amerikaner und großen Klassen ist aber offenbar wenig effektiv, jedenfalls sprechen die Taiwaner dann später doch kaum Englisch. Das soll daran liegen, dass der Unterricht nach asiatischen Vorstellungen sehr schriftlastig ist. In Taiwan ist es guter Unterricht, wenn die Kinder viel auswendig lernen. Reden steht da nicht so hoch im Kurs und so kriege ich in den Unternehmen oft ganz gute englische Emails von Kollegen, die sich schlichtweg weigern mit mir auf Englisch zu reden (und ja, mein Chinesisch ist bei technischen Fragen immer noch keine Hilfe). Manche Kollegen böxen veritabel mit roten Kopf aus, wenn sich die Notwendigkeit zum Englischsprechen ergibt. Denn wenn Taiwaner einem Westler gegenüber nicht absolut perfekt Englisch sprechen und auch nur den kleinsten Fehler machen, verlieren sie ihr Gesicht! Da können aber die Englischlehrer nun auch nichts dafür. Mittlerweile müssen sie übrigens wirklich einen Abschluss in Englisch haben und eben Muttersprachler sein (Taiwanerinnen* ausgenommen natürlich, die sind oft die Assistenzlehrer), aber viele besorgen sich wohl einen Abschluss in einer bekannten Straße in Bangkok in Thailand und sind dann halt Englischlehrer.

Wie dem auch sei, wie kommt es dazu, dass sich so ein Englischlehrer auf das Dach seiner Vorschule retten muss, wenn er doch sonst nichts getan hat? Außer zu unterrichten meine ich. Gerade habe ich wieder einen neuen Fall im Forum gelesen, wo eine Tapeten-Geheimtür den Englischlehrer gerettet hat.  In der Tat wurde der "Lehrer auf dem Dach" jedenfalls nach seiner eigenen Schilderung u.a. von jungen National-Immigration-Agency (NIA) - Mitarbeiterinnen an der Dachleiter belagert, bis er sich erschöpft in die starken Arme der NIA sinken ließ, filmen ließ, sich vor Zeugen als "Teacher Bill" oder was auch immer von der Klasse bezeichnen ließ und schließlich die höflichen Entschuldigungen seiner jungen weiblichen mit FBI-artigen dunkelblauen NIA-Westen (gelbe Schrift!) bekleideten Häscherinnen entgegen nahm. "Die aus Taipei haben uns gezwungen", sagte seine Häscherin entschuldigend. Die jungen Damen trugen auf dem Foto das jemand beisteuerte die selben roten Sportschuhe, die auch meine Frau gerade gekauft hatte. Müssen im Angebot gewesen sein.

Der junge "Englischlehrer" wird nun deportiert, höflich auf taiwanische Art mit einem Stempel im Pass und freiwilligem Begeben zum Flughafen.

Aber warum das Ganze. Warum lädt ein Land viele junge Englisch-Muttersprachler ein, um sie dann auf die Dächer und aus dem Land zu jagen, nur weil sie ihren immer noch stark nachgefragten Job machen?

Die Lösung ist, dass das taiwanische Recht zwischen Vorschulen und Nachhilfeschulen unterscheidet, also zwischen "Kindergarten" und "Cram School". Und Branchen in Taiwan brauchen eine pauschale Öffnung seitens der Regierung, um überhaupt Ausländer beschäftigen zu dürfen. Ein Supermarkt etwa darf das offenbar nicht, ein Kindergarten auch nicht, eine Nachhilfeschule und ein IT-Unternehmen aber schon. Ausgenommen sind Leute, die mit Einheimischen verheiratet sind, die dürfen auch in Supermärkten arbeiten.

Nun sind die meisten dieser Buxiban(e) als Kindergärten registriert, damit ihnen nicht das ultrajunge Publikum entgeht und per se ist jeder Lehrer, der dort arbeitet illegal, wenn er Ausländer ist. Sogar wenn er eine Arbeitsgenehmigung hat, denn die ganze Branche ist ja für Ausländer gesperrt. Sinn der Regelung war wohl mal, dass kleine Taiwaner nicht noch mit einer zweiten Fremdsprache gepeinigt werden sollen, was nun aber in der Praxis zur Jagd auf "Johnny Weißbrot" in den Kindergärten führt. Die NIA-Agenten in ihren roten Turnschuhen ;-) platzen in die Englischklassen, ziehen den "Weißen" (Englischlehrer sind fast nur hellhäutige Westler in Taiwan, weil die Eltern das so wollen) aus der Klasse und lassen die taiwanische Assistenzlehrerin dann weiter unterrichten. Die Jagd auf Johnny Weißbrot kann wohl auch von Politikern ganz gut ausgenutzt werden, die in Wahlkampagnen die Englischlehrer mit moralischer Verderbnis gleichsetzen.

Auswege, die Englischlehrer als ausländische Berater und nicht als Lehrer anzustellen, funktionieren natürlich nur bedingt. Mein Traum ist immer, irgendwann mal meinen Sohn von einer Buxiban  abzuholen, während dann gerade eine Weißen-Razzia stattfndet. Bestimmt fände ich mich von eifrigen jungen Frauen umzingelt, "ge-cockblocked" und gefilmt. Ich würde natürlich sofort alles vor laufender Kamera zugeben, seit 25 Jahren (ach was, 48) in Taiwan Englisch zu unterrichten, ja den Englischunterricht und vielleicht sogar das Englische selbst erfunden zu haben. Alles auf Deutsch freilich, dann würden die NIA-Agenten an ihren Englischkenntnissen zweifeln, das Gesicht verlieren und vermutlich mit rotem Kopf weglaufen...


* offenbar nie Herren


LINK: Eine Razzia in einer alten Kurzgeschichte: "The Teaching Dead", http://osttellerrand.blogspot.tw/2009/07/klub-der-toten-lehrer-teaching-dead.html

Dienstag, April 15, 2014

English-teacher English

Ein paar Juwelen aus dem Ausländerforum forumosa.com

Das Lesen der aktuellen Diskussions"fäden" (nennt man das so auf Deutsch?) im für seinen bizarren Strauß menschlicher Emotionen bekannten Taiwanforum für Ausländer hat heute morgen förmlich sprachliche Juwelen zu bieten, die gerade für Nicht-Muttersprachler des Englischen ein seltener Genuss sind.

"She is a bitch now, you made her one"

Dazu sehe ich irgendwie eine 70er Girlie-Band in Jeans und College-Shirts grimmig in die Kamera gucken, der Soundtrack hat Motorrad-Motorjaulen und dann singt die Liedsängerin die Titelzeile, begleitet von einem 70er-mäßigen Geröhre des Chors. Konkret geht es in der Diskussion wohl um eine betrogene Taiwanerin, die stinksauer ist und deshalb den biologisch bemerkenswerten Sprung in die kanine Spezies geschafft hat. Aber wir sollten darüber nicht meckern (quit bitching about it) und wenden uns gleich dem nächsten Juwel zu.

"Dumped all of a sudden"

Auch hier lernt man nicht im deutschen Englisch-Schulunterricht, was das heißt, natürlich geht es um einen Englischlehrer mit blutendem Herzen, der von seiner Geliebten schnöde verlassen wurde. Soweit Routine, oder vielleicht gerade deshalb ein Schock, weil es offenbar meist mit vertauschten Rollen stattfindet (siehe oben). Aber es kommt noch viel besser. Nach einem enttäuschenden "Vegan in Taipei" gleich darunter folgt das Kronjuwel dieser ... äh ... Sprachergüsse...

"Been cockblocked in Club again, advice and tips?"

Ich gebe zu, das Wort kannte ich noch nicht, obwohl sich die Bedeutung beim Lesen des Threads erschließt. Betroffen ist hier ein Englischlehrer in höchsten Kopulationsnöten, der in einem taiwanischen Disco-Nightlife-Bar - Dings sich einer von ihm bewunderten Einheimischen nicht nähern konnte, weil offenbar taiwanische Herren (die soll es in Taiwan ja öfter mal geben) die lokale Schönheit vor den Avancen des fremdländischen Herren aus dem Abendland abblockten. Der junge Englischlehrer wiederum lässt durch seine Wortwohl, "cock-blockiert gewesen zu sein" nun schon buchstäblich tief blicken und lässt uns als Sprachrezensenten die Natur seiner angestrebten interkulturellen Beziehung zu der einheimischen Holden erahnen.

to cockblock

Herr Lehrer, was heißt das denn nun? Blockiert man hier mit einem Cock alias Hahn oder sind es hier mehrere der gefiederten Tiere, die dem tanzenden "Pädagogen" physisches Ungemach bereiten und ihn hermetisch vom Ziel seiner rhythmisch gerichteten Bewegungen abbringen? Oder wird doch nur ein einzelnes Federtier als Metapher beim repdoduktivmedizinisch relevanten Vortrieb an der Exekution des ultimaten Vorhabens gehindert? Eine Art coitus interruptus des schopenhauerschen Prinzips der "Welt als Wille und Vorstellung" mit der gesamten Triebwelt des Menschen inkludiert im schopenhauerschen "Willen", der sich hier, trotz dediziertem Impulses und konkreter Aktion, nicht in einem kosmisch-eruptiven Finale ergießen kann, von dem Schopenhauer einst sinngemäß sagte: "Sind die Genitalien fertig, ist die Seele der Trivialität des Aktes halber ganz und gar enttäuscht." Ob der frankfurter Philosoph das so oder anders gesagt hat, wissen wir nicht wirklich, wehren kann er sich aber nicht mehr. Und schließen wir mit der politisch korrekten Bewunderung der fernöstlichen Weisheit unserer Gastgeber***, die dem jungen Englischlehrer diesen Antiklimax erspart haben.

Guten Abend.

Ein gutes Beispiel für eine überflüssige Illustration: Präsidentenpalazzo in Taipei, trotz Einspruch der Sicherheitskräfte der Republik China von mir unlängst abgelichtet


*** Die um so bemerkenswerter ist, als dass sie sich völlig schopenhauerlos nur auf den trägen Laozi und den verwirrten Konfuzius mit seinem herunterfallenden Gesicht stützen konnten.  

Montag, April 14, 2014

Triaden-Pate gibt politische Statements im TV

Wenn Triaden-Paten in Taiwan Politik machen, was kann oder soll man dann noch dazu sagen?

Gestern im TV, ein älterer Herr in seriöser Kleidung steht auf einem weißen Podest mit der Flagge der Republik China aka Taiwan und spricht zu Journalisten, die anders als gewöhnlich sehr devot und folgsam nicken und zuhören. Wenn ich auch weder akustisch noch von meinen Chinesischkenntnissen folgen konnte, was er gesagt hat, sprach das Bild doch für sich. Der Mann ist Chang An-lo, auch genannt "der Weiße Wolf", ein (ehemaliger) Pate der "Bambusgang", sprich der Triade (will sagen Mafia-Organisation), die Taipei beherrscht und der man nachsagt, bestens mit der regierenden KMT-Regierung verzahnt zu sein. Herr Chang hatte sich bis vor kurzem in China verborgen, wurde bisweilen als Taiwans meistgesuchtester Verbrecher bezeichnet und wird auch mit der Ermordung eines KMT-regimekritischen Journalisten in der USA in Zusammenhang gebracht, der in den 80ern über eine außereheliche Affaire des damaligen KMT-Diktators Chiang Chin-Kuo (der Sohnemann von Generalissimo Chiang Kai-Check) berichtet hatte und dafür von der Bambusgang ermordet wurde. Chang ist also die personifizierte schmutzige Wäsche der KMT, die heute demokratisch gewählt seit 2008 wieder über die Inselrepublik regiert.

 In Zukunft lieber ein fröhliches Gesicht machen...

Doch was geschah, als der "meistgesuchteste Verbrecher" aus seinem Asyl in der VR-China (wo er beste Kontakte zur KP Chinas hatte und für die "Wiedervereinigung" von Taiwan mit China eintrat) wieder nach Taipei einreiste? Er wurde zunächst verhaftet (http://www.news.com.au/world/taiwan-gang-leader-white-wolf-arrested-after-china-exile/story-fndir2ev-1226671996791) und kam dann sofort auf vergleichsweise Mini-Kaution von 33.000 US-Dollar frei (http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2013/06/30/2003565973). Und heute hat er eine eigene kleine politische Partei in Taiwan, die für die "Wiedervereinigung" mit China eintritt und darf im KMT-freundlichen TV seine Meinung kund tun. Und organisierte pro-Regierungs-Demonstranten kürzlich als Gegenmacht zu den Anti-China und Pro-Demokratie - Studentenprotesten.

Ich frage mich nun, ob nicht ein demokratisches und pluralistisches System wie das von Taiwan an seine Grenzen stößt mit einem Triaden-Paten als Politiker. Sicher ist wohl niemand in Zukunft gezwungen seine Partei zu wählen, aber Wahlergebnisse hängen ja auch von Medienpräsenz ab. Und was, wenn ein solcher Politikpate mehr TV-Zeit will. Können die gefragten TV-Journalisten wirklich noch nein sagen? Wenn man darüber zu entscheiden hätte als TV-Mensch und ein Abgesandter dieser "Partei" sitzt einem gegenüber, besieht klischeehaft die Fotos von Frau und Kind auf dem Schreibtisch und äußert sich darüber, würde man dann nicht doch lieber das Interview machen? Und die Journalisten, trauen die sich wirklich noch, kritische Fragen zu stellen. Etwa Fragen wie: "Wieso bezeichnen Sie Politiker von Taiwans Opposition als Kriminelle, wenn Sie selbst....?"

 ... und über Fressbuden berichten, statt sich mit taiwanischer Politik die Laue zu verderben.

Persönlich war ich in der letzten Zeit neutral bei den Studentenprotesten, die gegen den prochinesischen Kurs der gegenwärtigen KMT-Regierung angingen. Mein Gefühl konnte sich leicht mit den sympathischen Leuten identifizieren, die gegen eine Vereinnahmung durch einen autoritären Staat wie die VR-China protestierten. Doch mein Hirn (das manchmal doch noch etwas zu sagen hat) beschwerte sich, diese Proteste könnten im Extremfall (hätten sie etwa die KMT-Regierung zum Rücktritt gezwungen oder ähnliches) sehr wohl eine Invasion seitens der VR-China nach sich ziehen. Droht doch die VR-China mit militärischer Annexion von Taiwan für den Fall eines weiteren Abdriftens der Inselrepublik Richtung de-jure Unabhängigkeit von China (auch wenn die Republik China aka Taiwan in der Praxis längst ein eigenständiger Staat ist). Auch mahnte mein Verstand, einem politischen System, das (obwohl parlamentarische Demokratie) Ausländern die politische Betätigung und oft sogar Präsenz auf legalen Demonstrationen verbietet, sei nicht das richtige, um sich da mit einer politischen Strömung zu solidarisieren. Und offen gestanden, ich empfinde es durchaus als angenehm, neutral in einem politischen System zu sein, in dem die Mafia Politik macht. Und das Weißgold unter all dem Katzengold war die Taiwan-Unabhängigkeitsbewegung in der Vergangenheit ja auch nicht, man denke an den Marathon Mega-Korruptionsskandal der DPP und ihres Präsidenten Chen (der Taiwan 2000-2008 regierte), der u.a. aus dem Präsidentenpalast heraus einen Kaufhauskonzern erpresst hatte. Das muss man erst mal hinkriegen!

Für mich persönlich habe ich beschlossen einen Schritt zurück von der Politik zu machen und das Ganze eher von der Außenlinie neutral zu beobachten, ohne den Pro-Protest-Vibe, den ich in der letzten Zeit hatte. So ganz den richtigen Vibe hat das taiwanische politische System eben doch nicht für mich. [editiert]

LINK: Ausländischer Journalist und Blogger besucht das Büro der Partei von Herrn Chang: http://fareasternpotato.blogspot.tw/2013/07/a-visit-to-white-wolfs-unionist-party.html 

LINK: Interessanter Artikel: "Die Rückkehr der Gangsterpolitik in Taiwan": http://thediplomat.com/2014/02/the-return-of-gangster-politics-in-taiwan/

Freitag, April 11, 2014

Studenten ziehen ab / Demo-Unruhen?

Fernsehbilder zum Abschluss der studentischen Besetzung des taiwanischen Parlaments
Während die Besetzung des taiwanischen Parlaments zum Ende kommt, suggerieren manche Fernsehbilder Straßentumulte

Taipei.Taiwan. Kurz für die Pedanten, das "taiwanische Parlament" heißt eigentlich "Legislativer Yuan der Republik China" und letztere wird gemeinhin Taiwan genannt. Hier gab es eine lang anhaltende Besetzung des Plenarsaals,  letzter (Foto-)Bericht dazu hier im Blog: http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/der-geheimpalast-studenten-auf-dem.html

 Schwarze Kleidung und Sonnenblumenlogo mit den Umrissen der Insel Taiwan: Outfit vieler der friedlichen Demonstranten

Nachdem sich nun durch Zusicherungen des Parlamentspräsidenten (Speaker of the Legislative Yuan) namens Wang (Kuomintang-Partei) ein offenbarer Verzicht auf die Verabschiedung des umstrittenden Gesetzentwurfs zu einem (weiteren) Handelspakt mit der VR-China ergeben hat (Wang sicherte zu erst ein Gesetz zur Überwachung von Verträgen mit der VR-China ins Palament einzubringen) haben sich die Studenten zurückgezogen, den vielleicht etwas lädierten Plenarsaal geräumt bzw. sind derzeit im Begriff dies zu tun und auch schon das Hämmerchen des Sprechers wieder auf seinen Pult gelegt. Unversehrt schaut auch Dr. Sun Yat Sen (Sun ist hier der Nachname) vom Ölbild auf die aufräumende und sich verabschiedende Studentenschaft. Herr Sun ist Gründer der Kuomintangpartei, damals noch als "nationalchinesische" Bewegung auf dem chinesischen Festland gegründet, um das China des späten 19. Jahrhunderts vor dem Untergang durch japanische Invasion, chinesischen Kinderkaiser und chinesische Warlords zu retten. Suns Kuomintang (auch KMT genannt) herrschte dann bis 1949 über China, als sich der damalige Generalissimus Chiang Kai Check (Chiang ist der Nachname) auf die Insel Formosa alias Taiwan absetzte, die damals seit 1895 (bis 1945) eine japanische Kolonie war (und im Begriff war, von den Japanern in ihr Kernland integriert zu werden). Chiang führte als Diktatur die alte Republik China vom Festland einfach weiter auf der Insel Taiwan und einigen vorgelagerten Inselchen, während das Festland zu seinem Verdruss von der KP Chinas unter Mao regiert wurde. Bis heute existiert Chiangs Inselreich, auch wenn der alte Diktator und Quasi-Staatsgründer schon seit Ende der 70er nicht mehr lebt. Aber seit 2008 regiert wieder die KMT in Taipei und "Taiwan", das immer noch Republik China heißt und defacto ein souveräner Staat ist. Präsident Ma (KMT) betreibt einen Annäherungskurs an die VR-China, sieht die "Region Taiwan" und die "Region (chinesisches) Festland" als Teile eines einzigen Landes, nämlich "Chinas" an, um hier in die Diktion des unbeliebten Präsidenten (Zustimmungsrate mal mit 9% mal mit noch über 10% benannt) abzugleiten.



Wird sich nun wirklich etwas ändern? Wird das jedenfalls mir oft unausweichlich erscheinende Schicksal Taiwans, zum Status einer Hongkong-Autonomie herüber zu driften, nun nur verzögert oder entsteht eine neue oder frisch belebte "Taiwan Independence"-Bewegung, die das gar verhindern kann? Es bleibt spannend.

Einstweilen in TV-Bildern die weitere Entwicklung:

Ein charismatischer junger Mann, offenbar einer der "Anführer" der neuen "Sonnenblumenbewegung", hält eine offenbar teilweise humoristische Rede auf einem gerammelt vollen Platz. Das Publikum lacht, alle sind guter Dinge.
Im Parlament stimmen die Studenten für den Abzug, sitzen jetzt oft ordentlich an den Abgeordnetenplätzen und diskutieren zwischen den Sitzreihen. Ein bisschen sieht es so aus, als habe eine neue Generation die taiwanische Demokratie übernommen und wolle aufräumen mit den alten Zöpfen, die darin bestanden, dass die vormals hier sitzenden "richtigen Abgeordneten" unter anderem schon mal Wasserflaschen im Plenarsaal warfen, Abgeordnete dort demonstrativ Fahrrad fuhren vor dem Rednerpult und sich würgten und schlugen, wenn es mal hoch her ging. Wohlgemerkt waren die studentischen Besetzer da viel zivilisierter. Aber schon bald kommen die alten Abgeordneten ja wieder, die von der KMT, die mit der "Bambusgang"-Triade verwachsen ist und die von der DPP, die für den Megakorruptionsskandal der Jahre der Präsidentschaft von Chen (DPP) 2000-2008 steht. Und die der diesen beiden großen Parteien zuarbeitenden Kleinparteien.

Man sieht Demonstranten (oder Gegendemonstranten), die von der Polizei weggetragen oder weggezerrt werden. Hardcore-Leute, die nicht abziehen wollen? Oder Krawallmacher? Man sieht einen merkwürdig starr stehenden mittelalten untersetzten Mann, der in einer nach Studentenprotestlern aussehenden Menschenmenge in der Mitte von Getränkemüll steht, es nähern sich einige junge Männer in Schwarz (schwarz mit Sonnenblumenlogo war die Farbe der Demobewegung) und nehmen den Mann in den "Schwitzkasten", zerren ihn also zu Boden und drücken ihn mit der Armbeuge offenbar  die Luft ab. Der Mann erschlafft und wird weggetragen, von Journalisten verfolgt, die im Gedränge den Anschluss verlieren. Was war da los? Genau wird man es wohl nie wissen.

Letzter Bericht: http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/der-geheimpalast-studenten-auf-dem.html

EDIT: Titel geändert, der alte Titel "....Demo-Störer gewürgt?" überbewertet am Ende einen Nebenvorfall der Demo, der ja so nicht geklärt ist.

Dienstag, April 08, 2014

Der Geheimpalast / Studenten auf dem Rückzug

Kommt jetzt das Ende der Studentenrevolte? Zieht sich die "Sonnenblumenbewegung" in die Unis und Jugendzimmer zurück?

Letzten Freitag war frei in Taiwan, da bin ich mit der Kamera in Zentrum von Taipei. Es war etwas gespenstisch, Stacheldraht und Polizisten mitten in der Stadt zu sehen. Noch immer, auch während ich diese Zeilen schreibe, halten ja Studenten in Taipei das Parlament (genauer: den Plenarsaal) besetzt.

anonymisiert ;-)
[TZ]
Zunächst war ich noch im Zentrum, grob mit Kurs auf das Hochhaus "101", das 101 Stockwerke hoch ist. Da merkte man noch nichts von Aufständen. Kurz wunderte ich mich über eine Gruppe konservativ, aber wenig elegant gekleideter Leute, die irgendwie landlebig aussahen, aber ziemlich fremd klingend kommunizierten. Und der Herr im weißen Hemd starrte mich an, an sei ich ein Marsmensch. Das man mitten in Taipei angestarrt wird als "Westler" ist doch eher selten. Aha, dachte ich. Das muss eine Reisegruppe aus China sein. In der Tat folgte die Gruppe einem Herrn mit Stab und kleinem Fähnchen (nein, keine rote), wie sie Gruppenreiseleiter eben haben. Auch Gattin und ich waren ja kürzlich in Japan einem solchen Fähnchen hinterher gerannt. Sicher hatten die Kurs auf das Hochhaus "Taipei 101". Die Leute wirkten so, wie man sich Leute vom Lande aus der tiefsten Provinz vorstellt, die sich "stadtfein" machen. Ob die wohl auch zu den Studentenprotesten gefahren wurden, fragte ich mich. Wohl nicht. Wie würden sie reagieren wenn sie hören, dass Taiwan sie vielleicht als Touristen, nicht aber als Oberherren will?


[F] Ich folgte der Gruppe grob ins Hochhaus 101, auch wenn kurz ein Audi-Rennwagen meine Aufmerksamkeit auf sich zog...


[R] Äh.... wo waren wir? Ach ja, 101. Diese Hostessengeschichte ist auch so typisch Taiwan. Never mind.

[R] Nicht zu verfehlen, das Ding, ist ja eher hoch als breit. Jedenfalls meistens.

[F] Im angeschlossenen Kaufhaus (rechts) fand ich dann auch die chinesische Reisegruppe wieder.

[F] Ein schöner Konsumtempel, dessen Publikum sich wohl eher für die teuersten Handtaschen und Armbanduhren interessiert (oder die günstige Fressmeile im Tiefgeschoss)...

[F] ... hier nicht im Bild, als für die Politik und die Studentendemo.

[R] Der erfolgreiche Kapitalismus mit sozialstaatlichen Elementen der Taiwanprägung hat seine eigenen, systemimmanenten Konflikte. "Wissen Sie, was die aufdringliche Dame da will?", scheint der Filmstaar rechts auf der übergroßen Werbewand neben dem 101 zu fragen. Wir wissen es auch nicht.

[TZ] Vom Hauptbahnhof Taipei suchte ich wieder die Studenten, hier ist das Viertel weniger überkanditelt. Obwohl ein Modellbahner, der das Haus im Bild als Bausatz hätte, wohl mehrere Nervenzsammenbrüche erleiden würde, irgendwo zwischen dem 50. und 51,. Werbeschild und 18. und 19. Balkon.

[TZ] Ich ermahnte mich wieder, dass es mir um die Sache der Studenten ging und nicht um die duftenden Leckereien an den Ständen. Die Studenten wollten klarmachen, dass hier nicht Rotchina ist, so viel ist klar.

[SW] Ein kurzer Abstecher über den "228"-Park, der sich auf den 28. Februar 1947 respektive das an diesem Tag stattgefundene Massaker bezog, an dem die Taiwaner gegen die chinesischen Besatzer vom Festland aufgestanden waren und das Kuomintang (KMT) - Militärregime entsprechend brutal zurück geschlagen hatte (http://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenfall_vom_28._Februar_1947). Die Insel Taiwan war bis 1945 eine japanische Kolonie gewesen (seit 1895) und war nach der Jalta-Konferenz an die chinesische KMT-Regierung übgeben worden, die den aufgeflammten Freiheitswillen der Taiwaner brutal unterdrückt hatte und sich weiter in Taiwan eingenistet hatte. Das hatte offenbar bestand, denn noch immer sitzt die KMT im Gouverneurs- respektive Präsidentenpalast in Taipei, der laut meinem Smartphone-Navidings ganz in der Nähe lag. Allerdings sitzt der Präsident (Herr Ma von der KMT) da mittlerweile frei gewählt (2008 gewählt, 2012 wiedergewählt) und fährt seither einen starken Kurs Richtung chinesisches Festland, das die KMT 1949 an die Kommunisten verloren hatte. Inklusive politischer und wirtschaftlicher Annäherung. Wogegen die Studenten demonstrieren (streng genommen nur gegen den letzten Teil der Annäherung, einen Handelspakt, siehe meinen großen Demobericht HIER im Blog).

[TZ] Alsbald führte mich mein Navidings zu diesem merkwürdigen Kinderspielplatz, der mit Stacheldraht abgeschirmt war und dem sich diverse erschöpft wirkende Polizisten in ihren dunkelblauen Uniformen erholten. Was war da los?

[TZ] Die Frage ließ sich schnell beantworten, während ich mit meiner Kamera auf die angeschlossene Allee trat, von müden aber misstrauischen Polizistenaugen verfolgt. Der Spielplatz war als Barriere gegen eventuell aufkeimende Demos oder Besetzungsversuche angelegt, sozusagen als Wellenbrecher.

[TZ] Denn links ging es zu weiteren Regierungsgebäuden und auch zum Parlament laut meinem Navi, wobei der Zugang mit Stacheldrahtzäunen abgesperrt war. Man erkennt sie im Hintergrund. Näher wollte ich nicht heran, denn die zahlreichen Polizisten, die neben einigen auffällig unauffällig herumstehenden Passanten die einzige Bevölkerung dieses sonst so stark frequentierten Teils von Taipei ausmachten, gaben mir das Gefühl hier nicht wirklich erwünscht zu sein. Irgendwo hinter den Barrieren mussten sich also Studenten im Parlament und beim Soli-Sitin befinden. Aber meine Lust, hier nach einem Weg da durch zu suchen, hielt sich in Grenzen. Mit auf meiner Navi-Route befindlichem Stacheldraht (nicht das erste Mal) und wenig Zeit neben Beruf und Familie ist es mit dem Barrierebrechen so eine Sache.

[TZ] Hier ein Barriere-Closeup von der großen Demo neulich, viel anders sieht es diesmal auch nicht aus.

 ...Barriere diesmal...

[TZ] Rechter Hand jedenfalls lag der Präsidentenpalast in Taipei...

Dies Gebäude war einst für die japanischen Gouverneure erbaut worden ist und heute der Dienstsitz des Präsidenten. Der Verkehr war auffallend ruhig am heutigen Tage, sicher weil viele Seitenstraßen hier abgesperrt waren. Hier sitzt also Präsident Ma, KMT und guckt misstrauisch auf die Studenten, die seinen Pro-China-Kurs nicht mitmachen wollen. Dabei sind "wir doch alle Chinesen", sowas sagt er öfter mal. Und mir ist er ja auch lieber als sein Vorgänger Chen von der DPP, der unbedingt in der Verfassung alle Bezüge zu China per Referendum streichen wollte und die KP in China mit seiner "Taiwan Yes, China No" - Kampagne zur Weißglut (und fast zum militärischen Angriff) gebracht hatte. Im Gefängnis sitzt Chen heute, wegen seiner Dauer-Korruptionsaffaire bis hin zur Erpressung eines Kaufhauses aus dem Präsidentenpalast heraus. Aber besser ist die KMT mit ihrer Verstrickung mit der Bambusgangtriade auch nicht, aber das soll hier nicht das Thema sein.

[TZ] Als ich dieses Foto vom Präsidentensitz machte und wegen des diffusen Lichtes ein bisschen an meiner Kamera herumstellte, näherte sich mir ein in Zivil gekleideter Herr vom Palast kommend und machte eine Handbewegung, ich solle aufhören und schrie "guo lai", jedenfalls verstand ich das. Das würde zu Deutsch "komm her!" heißen, aber ich hatte wenig Lust, dieser Aufforderung nachzukommen. Wenn einen Hunde anbellen oder sich Regierungsagenten nähern, bleibt man immer ruhig und souverän, macht das Foto zu Ende, noch eines dazu und entfernt sich dann ruhigen Schrittes ;-)

Wenn sie den Palast geheim halten wollen, müssen sie sich natürlich was einfallen lassen, schließlich ist er im Normalbetrieb ein Ziel für Reisebusse, sicher auch für chinesische Reisegruppen. Ist ja auch schon ein bisschen groß, um ihn zu verstecken. Vielleicht ein verwirrendes Schild anbringen? "Lustifus Edelpils-Brauerei" vielleicht. Kommt kein Mensch drauf, dass das der Präsidentenpalast ist.

[TZ] Mein zielstrebiges Verlassen der gastlichen Stätte führe mich zunächst zu einigen Polizisten und massenhaft Barrieren, die Herren in Blau habe ich hier lieber nicht abgelichtet.Eigentlich eine ruhige Geschäfts- und Wohnstraße.

[TZ] .... und die Bürgerkriegsbarrieren nahmen sich direkt neben den typischen Garküchen (vor denen die Polizisten saßen und aßen) etwas merkwürdig aus.

[TZ] Direkt um die Kurve dann wieder taipeitypische teure europäische Autos...

[R] .... und weitere Barrikaden, hier vor einem Rolexgeschäft...

[R]... und bewachende Polizisten. Haben die zur Tarnung teils Bauhelme auf? Na ja, so richtig unauffällig ist das freilich nicht.

Und wie ist der aktuelle Stand? Jetzt ist die Luft raus aus den Protesten. Die ganze Zeit schon hatte ja der Parlamentspräsident namens Wang (KMT) eine Räumung des besetzten Parlaments unterlassen, wohl weil er auch den Handelsverträgen mit China kritisch gegenübersteht. So liest man. Oder jedenfalls weil er in der Vergangenheit zusammen mit der oppositionellen DPP den Verabschiedungsprozess der Verträge bis zu 6 Monate verzögert hatte. Das hatte ihm den Groll des Präsidenten Ma (KMT) eingebracht, der ihn deswegen der Parteimitgliedschaft und seiner Funktion entheben lassen wollte***, was aber nicht geklappt hat. Herr Wang ist sowieso ein alter innerparteilicher Konkurrent von Herrn Ma und man kann sich die Frage stellen, ob die Zusammenarbeit mit der DPP und die Duldung der Besetzung des Parlaments seitens Wang nicht nur dazu diente, Präsident Ma eins auszuwischen. Wie dem auch sei, jetzt nach längerer Besetzung tauchte Wang in staatsmännischer Manier auf, streichelte vor Fernsehkameras ein paar Studentinnenköpfe und sicherte zu, dass der Handelspakt mit China einstweilen nicht durchs Parlament käme. Weil er wolle erstmal ein Gesetz einbringen, welches Verträge mit China einem gesonderten Kontrollmechanismus unterwirft. Und nun hat die Mehrheit der Studenten zur Stunde offenbar beschlossen, die Besetzung abzubrechen. Wang soll seine Aktion nicht mit Ma oder der KMT angesprochen haben, aber hat jetzt sicherlich seine Lorbeeren (chinesisch/taiwanisch: sein Gesicht) auf Kosten des Präsidenten im Wert gesteigert. Wang jedenfalls hat auf den studentischen Elan wie eine Nadel an einem Ballon gewirkt offenbar.

Geht jetzt alles wieder seinen gewohnten Gang? Kommt der Vertrag oder nicht? Und entsteht aus der Studentenbewegung eine neue "Taiwan Independence"-Bewegung abseits der alten Tante DPP (die viele immer noch mit Korruption assoziieren)? Man darf gespannt sein.



*** Präsident Ma ließ sogar deswegen eine Zeit lang den gesamten Telefonverkehr des Parlaments abhören, weswegen der Justizminister zurücktreten musste

Fototechnisch: Sony Alpha 850, mit [F]: Sigma EX DG 2.8/15mm, [SW]: Soligor 3.5-4.5/19-35mm, [TZ]: Tokina AF 2.8-4.5/28-70mm, [R]: Tamron Aspherical 3.8-5.6/28-200mm