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Aus gegebenem Anlass eine Zusammenfassung der bisherigen Infos hier im Blog mit Updates als Info für Angehörige etc.
Das Taiwanblog ist Google-halber da immer wieder Anlaufpunkt für Anfragen auch wenn ich mit der Drogenszene rein gar nichts zu tun habe. Infos trotzdem hier im Artikel.
Zur Zeit sind 7 Deutsche in Taiwan in Haft wegen Drogenschmuggels. Die Zahl findet sich u.a.
hier.
Zunächst schwebt immer die drohende Todesstrafe im Raum, die in Taiwan auf Drogenschmuggel steht. Die Presse spricht immer von drohender Hinrichtung, wenn sie sich mit dem Fall befasst und ein Auswandererforum hat eine Falschmeldung über die Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan in den letzten Jahren zu bieten - ich widerspreche dort energisch***.
Grundsätzlich sind in Taiwan jedenfalls in einem irgendwie absehbaren Zeitraum (ich verfolge das seit 2004) noch KEINE "Westler" wegen Drogenbesitzes in Taiwan zum Tode verurteilt oder gar hingerichtet worden. So merkwürdig das klingt, nur Taiwaner oder Angehörige diverser asiatischer Nationen sind davon betroffen, Taiwan nimmt Europäer und Nordamerikaner davon offensichtlich aus, sicher um sich in Abgrenzung zur VR-China zivilisiert zu geben - was ja auch zutreffend ist. Die Todesstrafe wird vielleicht vom Staatsanwalt gefordert, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (und ich denke hier eher an 100%) nicht ausgesprochen werden. Mitlesende evtl. involvierte taiwanische Juristen mögen mir diese kecke Einschätzung verzeihen, natürlich sind die Gerichte unabhängig. Trotzdem denke ich, muss sich niemand über die Todesstrafe Sorgen machen.
Die Standardverurteilung in Taiwan wegen Schmuggels von großen Mengen Heroin beträgt Lebenslänglich und auch bei weichen Drogen sähe es wohl nicht anders aus, der strengen Gesetzgebung in Taiwan halber. So weit mir die Fälle bekannt sind, ist der Standardfall eines in Zusammenhang mit dem Drogenimport festgenommenen Deutschen ein Thailand-Residenter (Achtung: Thailand ist NICHT mit Taiwan identisch!), der dort in finanzielle Probleme geraten ist und sich dann vom organisierten Verbrechen überreden ließ, mindestens ein Kilo Heroin nach Taiwan zu schmuggeln
(Edit: auch der jüngste Fall betrifft einen Thailand-Residenten). in Taiwan ist der Insellage und hervorragender Kontrollen halber kaum Heroin auf dem Markt zu finden, deshalb ist der Marktpreis hoch und es wird immer wieder versucht etwas hinein zu schmuggeln. Dass der involvierte Flughafen Taoyuan (TPE) als internationaler Drogenumschlagsplatz gilt spielt hierbei keine Rolle, weil wer immer dort auch in Containern oder ähnlichem Drogen umschlägt, bringt diese offenbar so gut wie nie nach Taiwan selbst. Das lässt einen schon erahnen, wer da was macht, aber da will ich hier im Blog nicht spekulieren.
Fast immer werden Drogenkuriere gefasst, angeblich soll es täglich einschlägige Festnahmen geben, allerdings sind nur recht selten Deutsche oder Nordamerikaner darunter. Jetzt erwarten den Festgenommenen 1-2 Jahre Untersuchungshaft, die in Taiwan allerdings nicht auf die spätere Haftzeit angerechnet werden, am Ende steht also eine Verurteilung zu Lebenslänglich oder eine langjährige Haftstrafe, letzteres nur, wenn hart nachweisbare Fakten zur Milde vorliegen, etwa die erfolgreiche und vor Gericht belegbare Zusammenarbeit mit Interpol (Beweis schwierig, weil Taiwan keine offizielle Zusammenarbeit mit Interpol hat soweit ich weiß, weil Taiwan von den meisten Staaten der Welt nicht diplomatisch anerkannt wird) oder ein ärztliches Attest über einen verwirrten Geisteszustand, wie in einem Fall offenbar geschehen. Man kann Atteste o.ä. in Taiwan ausdrücklich NICHT kaufen gegen Bares; die taiwanische Justiz schaut hier sowieso genau hin beim sensiblen Thema Drogenimport.
Die Haftbedingungen sind zunächst recht gut, da während der Untersuchungshaft und der Prozessdauer eine 2-Mann-Zelle o.ä. zur Verfügung steht statt einer überbelegten Massenzelle. Das Deutsche Institut (DI), die inoffizielle Vertretung Deutschlands in Taipei (
http://www.taipei.diplo.de/Vertretung/taipei/de/Startseite.html), das wegen diplomatischer Nichtanerkennung Taiwans seitens Deutschlands die Rolle einer Botschaft (teilweise) übernimmt, sorgt für die Übergabe einer Adressenliste mit Anwälten und besucht den Verurteilten regelmäßig. Hier im Blog erweckte ich einst den Eindruck, diese Betreuung sei unvollkommen. Da möchte ich mich beim DI für entschuldigen, ich wollte damals nur dem Eindruck vorbeugen, das DI könne in Taiwan wesentlichen Einfluss auf den Prozess nehmen der dergleichen, wie das manchmal von Laien vermutet wird.
Die anschließende Haftstrafe wird dann jedenfalls im "Taipei Prison" angetreten, das im Landkreis Taoyuan liegt. Link zum Taipei Prison, englische Webseite:
http://www.tpp.moj.gov.tw/mp138.html. Nach 2/3 der Haftstrafe kann der Häftling entlassen werden, bei Lebenslänglich heißt das in Taiwan mindestens 20 Jahre. Seit neuestem gibt es ein Auslieferungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik China (so lautet der formelle Staatsname von Taiwan), nach dem nach ein paar Jahren (?) offenbar der Häftling zum Absitzen der Reststrafe nach Deutschland überstellt werden könnte:
http://www.china-observer.de/index.php/2013/11/07/auslieferungsabkommen-zwischen-taiwan-und-deutschland-unterzeichnet/
Es handelt sich hier ausdrücklich um Neuland und ich kann wirklich keine Prognose über die Praxis der Regelung abgeben. UPDATE 2015: Offenbar gibt es jetzt ein festgeschriebenes Verfahren zur Überstellung von deutschen Häftlingen, das aber immer noch Neuland ist. Möglicherweise wird das ganze in Form eines Häftlingsaustausches ablaufen. Der erste der Verurteilten, ein wg. mildernder Umstände nur zu 14 Jahren Haft verurteilter Deutscher, ist wohl schon wieder in Deutschland angekommen:
http://www.taiwanembassy.org/de/ct.asp?xItem=591566&ctNode=12779&mp=112
Ich habe einen deutschen Häftling zweimal im Taipei Prison besucht, mein Bericht dazu hier:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2009/12/besuch-bei-deutschem-gefangenen-in.html. Ein Foto aus dem taiwanischen NEXT-Magazin mit Blick in eine der überbelegten normalen Vollzugszellen kann man hier sehen:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2010/09/deutsche-in-uberfullten-zellen-im.html
Zu den Haftbedingungen ist zu sagen, dass die Häftlinge die meiste Zeit und auch die Wochenenden in den engen Zellen verbringen, wochentags in der "Fabrik" arbeiten können, was als angenehme Abwechselung empfunden wird und sonst keinen Freigang im Hof oder dergleichen haben. Das Essen kann man salopp als schlank machende asiatische Kost bezeichnen, unterernährt sind die Häftlinge nicht, aber eben schlank. Belastend ist, dass das in großen Kesseln lange gegarte Essen recht geschmacklos ist, Festtagsessen oder die Teigtaschen ausgenommen, wie mir berichtet worden ist.
Ein Update zu den deutschen Gefangenen aus dem Jahre 2013 findet sich übrigens hier:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/05/deutsche-im-gefangnis-in-taiwan-2013.html. Ansonsten sei noch dieses Blog (
https://andreasintaiwan.wordpress.com/) eines konfessionellen Gefängnisbesuchers in Taiwan empfohlen, dessen Blog auch Enblicke in die Situation der Gefangenen bietet. Klaus Bardenhagen, deutscher Journalist in Taipei, hat auch gute Infos über die Deutschen und die Todesstrafe in Taiwan:
http://www.intaiwan.de/2009/02/11/todesstrafe-in-taiwan/
Zurück zur Haft in Taiwan: Psychisch belastend ist für die ausländischen Insassen, dass sie fern der Heimat sind, es keine sprachliche Anpassung des Gefängnisbetriebes für sie gibt (sie sollen Chinesisch lernen), sie im Gegensatz zu den Einheimischen keinen Verwandtenbesuch bekommen (jedenfalls keinen regelmäßigen) und auch die Essensmitbringsel der Verwandten (die manchmal Essen mitbringen und manchmal im Gefängnisladen für die Gefangenen einkaufen) vermissen, die die einheimischen Gefangenen zur Streckung der Gefängniskost gerne nehmen. Durch das oft feuchtheiße Klima und die Überbelegung kommen noch diverse Hautkrankheiten dazu, in Taiwan ist die Bakterien- und Pilzflora sowieso aktiver als in Europa.
Im Gegensatz zu Asienklischees finden offenbar keine Übergriffe von Wärtern oder anderen Gefangenen auf die ausländischen Häftlinge statt, die Wärter verlangen aber Disziplin von den Gefangenen und bestrafen etwa "Ausflippen" aufgrund des psychischen Stresses mit Isolation. Auch beim Empfangen von Besuch wird vom Häftling eine ordentliche gerade Sitzhaltung verlangt, wie ich selbst sehen konnte.
Was kann man nun tun? Als Nichtverwandter kann man wohl erst mal gar nichts tun, außer sich an die Familie zu wenden und diese wiederum kann vom Deutschen Institut Hilfe und Infos bekommen, Link siehe oben. Um beispielsweise Bücher oder Briefe ins Gefängnis zu schicken, braucht man die Haftnummer des Häftlings, sein Gefangenenkürzel, sein Geburtsdatum etc., Infos die man so nicht hat. Einfach ein Paket schnüren und losschicken geht also nicht, auch weil der Häftling eine Sendung erst beantragen muss.
Wer einen Gefangenen besuchen will, muss wieder die Kontaktinfo haben. Ich musste damals als Nichtverwandter auch erst (über meine Frau) Kontakt mit dem Gefängnis aufnehmen. Wer einen Besuch machen will und die Erlaubnis hat (Verwandte bekommen die immer denke ich, jedenfalls nach der Untersuchungshaft) den kann ich dazu durchaus ermutigen, Taiwan ist ein ordentlich verwaltetes Land mit niedriger Kriminalität, man muss sich da also keine Sorgen machen und das Gefängnispersonal ist hilfreich. Allerdings kann man wohl einen Gefangenen nicht allzu oft besuchen, evtl. nur einmal die Woche, siehe auch meinen Artikel vom damaligen Besuch.
Soweit die Info hier, ich denke die Liste ist jetzt ziemlich komplett.
EDIT: Zu weiteren Besuchen im Gefängnis habe ich leider keine Möglichkeit, da ich aus der Gegend weggezogen bin und durch kleinen Sohn und mehr Verantwortung im Beruf mittlerweile einfach keine Zeit mehr ist.
UPDATE: Link zu einer mit den Häftlingen befassten Anwaltsseite:
http://www.stcoll.de/Rechtsgebiete/Strafrecht/Internationales-Strafrecht/Reisebericht-Taiwan/index.html
UPDATE2: Diese Slideshow erlaubt einen Einblick in das Taipei Prison, u.a. auch in eine der überfüllten Zellen:
http://www.examiner.com/slideshow/inside-a-chinese-taipei-prison#slide=1
UPDATE3: Offenbar handelt es sich bei der jüngsten Festname um
einen französischen Staatsbürger mit jedenfalls deutsch klingendem
Namen:
http://www.wantchinatimes.com/news-subclass-cnt.aspx?cid=1103&MainCatID=11&id=20140415000086
Auch wenn der Artikel den Namen nennt, bleibe ich hier bei der Keine-Namen-Politik.
UPDATE4: Der Festgenommene hat aber (
offenbar ausschließlich) eine private Bindung nach Deutschland, um die entsprechende Info an mich hier zu subsumieren.
UPDATE5: Der Betroffene wurde im Bahnhof verhaftet, zusammen mit einem Taiwaner, möglicherweise also bei der Übergabe:
http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2014/04/16/2003588168
UPDATE6:
Als letztes Update erstmal für heute Morgen die Adresse der franz.
Vertretung in Taiwan, die da wohl ein guter Ansprechpartner wäre:
http://www.france-taipei.org/
Ohne Gewähr von Google, sieht richtig aus. Diese ist zuständig, weil der Verhaftete Franzose ist. Bei deutschen Staatsbürgern ist das Deutsche Institut Taipei zuständig: h
ttp://www.taipei.diplo.de/Vertretung/taipei/de/Startseite.html
UPDATE7: Hier nur noch mal der Beleg, dass in den letzten 20 Jahren jedenfalls keine Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan stattgefunden hat - andere Westeuropäer werden ebenso behandelt, genauso wie Nordamerikaner. Ich reiche das nach, weil Google immer wieder in einem Forum die Falschmeldung einer Hinrichtung eines Deutschen in Taiwan "vor 4 Jahren" (Stand 2013) auflistet, die von einem anderen Taiwanexpakt in die Welt gesetzt wurde, wohl um ein Abschreckungsszenario zu erzeugen. Die Hinrichtung fand nicht statt, ich zitiere mich selbst auf dem Forum:
Die "Initiative gegen Todesstrafe" nennt (Stand August 2010) in den
letzten 20 Jahren nur*** 2 Hinrichtungen an Deutschen, beide in den
USA:
http://www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de/nc/aktuelles/nachrichten/details/article/zum-tode-verurteilte-deutsche-staatsangehoerige.html?cHash=4ef67d1b60&print=1
Es handelt sich um das folgende Dokument, Zitat: (Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
VolkerBeck (Köln), TomKoenigs, Marieluise Beck (Bremen), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Drucksache 17/2761 –, 26.08.2010)
UPDATE 8: Info von der den Kontakt herstellenden wollenden Kommentatorin: Wenn kein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, müssen (lt. franz. Botschaft in Thailand) zunächst 1-2 Jahre Untersuchungshaft abgewartet werden, dann kann über die deutsche (im Falle des letzten -französischen- Verhafteten natürlich die französische) diplomatische Vertretung in Taipei ein Kontakt zum Häftling hergestellt werden, den dieser initiieren muss (zuerst schreiben). Ich gebe das hier so wieder als Info für zukünftige Anfragen. Danke für die Info.
Abschließende Worte: Es ist klar, dass das Taiwanblog keine Drogenimporte nach Taiwan in irgendeiner Form gutheißt, hier ging es nur um Info für Angehörige eines Festgenommenen, die natürlich in einer sehr schwierigen Situation sind und erst einmal nach Infos suchen. Weil dies die dritte diesbezügliche Anfrage hier im Blog war erscheint es sinnvoll, alle Info einmal upgedated zu haben.
Update April 2016 zu Rückführungen von Strafgefangenen nach Deutschland: Offenbar hat es bereits zwei Überführungen von deutschen Drogenschmugglern nach Deutschland gegeben:
http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2016/03/26/2003642482