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Donnerstag, September 27, 2012

Parken am Park und flanieren

Als ich 2003 mal probeweise nach Taipei kam für zwei Wochen um meiner damaligen Nochfreundin einen Gegenbesuch abzustatten, war das fraglos die Vorstufe davon, dass die Nochfreundin zur Gattin wurde. Merkwürdigerweise erschien mir damals Taipei viel schöner, irgendwie romantisch exotisch und ich nahm weniger triste graue Fassaden wahr als vielmehr hübsche Parks und eben auch mein zukünftiges Eheweib, wer könnte es mir verdenken.


Gewohnt hatte ich in Taipei-NeiHu in einer damals für ein paar Wochen leerstehenden Mietwohnung, auch ein trister grauer Bau, aber nicht ganz so grau und trist wie meine heutige Wohnung im Soldatenviertel - hätte ich fast gesagt, jedoch als ich neulich vorbei fuhr, sah es eigentlich ganz genauso aus, wie mein heutiges Domizil, die Eheanbahnung und die Faszination über das mir vorher weitgehend unbekannte "kleine China" hatten da wohl einen Weichzeichner vor meine Linsen gesetzt. Auch hatte meine zukünftige Frau mir bevorzugt hübsches gezeigt ... von Taipei, das will ich nicht verleugnen. Unter anderem einen Park nicht unweit der Wohnung, an dem wir einmal flanierten noch ganz am Anfang. Die Hochbahn oben im Bild gab es aber damals noch nicht.

Neulich dann machte ich mich auf, den Park noch einmal zu suchen und fand ihn auch alsbalden, auch wenn der Teil im Bild rechts von der Brücke, in dem ich damals mit Bald-Frau flaniert war, heute hinter einem Bauzaun verschwunden war. Sicher bauen sie ein neues Einkaufszentrum oder ein Parkhaus drauf, war ja auch irgendwie viel zu groß der Park.

Der Park mit See liegt in einer Baulücke zwischen zwei Stadtvierteln und gibt den Blick auf sanfte Hügelketten frei, nicht hässlich, nur etwas voll ob der Halbsperrung des Parks - um wieder in den gewohnten Nörgelmodus zu verfallen.

Als wir damals 2003 am Park parkiert hatten, war es der Kia Carens meiner Frau mit 120 Pferdestärken oder so, der uns zum Flanieren geschaukelt hatte. Kurz darauf hatte sie den von ihrem Geld gekauften Wagen verkauft und das Geld ihrer Mutter gegeben, schließlich zog sie mit ihrem neuen Ehemann ins ferne Deutschland. Und da leben wir noch heute glücklich und in Frieden.... bla bla bla. Irrtum, nach 3 Monaten waren wir wieder in Taipei, nur jetzt für die nächsten zwei Jahre ohne Auto, mein Dot-Com-Inernet-Bubble-Arbeitgeber war mittlerweile pleite, Frau Deutschland-Nervenzusammenbruchgeschädigt und ich Neubürger in Taipei. Tja, könnte ich meiner Inkarnation von 2003 eine Botschaft schicken, was würde es werden?

a) Nicht nach Taipei ziehen, du kriegst monatelange Hautkrankheiten und Kreislaufkollaps?

Ach ne, ..... zu vernünftig.

b) Pass auf, Schwiegermutter klaut die Kiste mit dem Hochzeitsgeld, das die Besucher nach Landessitte gespendet haben und das eigentlich die Hochzeitskosten wieder reinbringen soll ....

Ach was, schließlich braucht sie Geld, damit sie es sich ein paar Jahre später von Erpressern wieder abjagen lassen kann (auch irgendwo im Blog) ;-)

Wahrscheinlich wäre mein Rat an mich, gleich da zu bleiben und so das Auto zu behalten...

Idylle im Park, inklusive gespendeter Seifenblasen unten rechts.

....Säulen der Natur im Abendlicht....

Ein mürrischer alter Herr beobachtet uns von jenseits des Bauzauns. Na, der hat nichts zu lachen, wenn er bald mitten auf einem Parkplatz steht.

Taipei an einer der hübscheren Ecken...

... weil man hier eher wenig von Taipei sieht.

Dienstag, September 25, 2012

Lichtmalerei, Soldatenviertel bei Nacht

Wenn es Nacht wird im Soldatenviertel im Stadteil NeiHu, in Taipei, der Hauptstadt der untergegangenen Republik China, und der Oberst zur Oberin in die Federn steigt, dann kehrt Ruhe ein, nur die obligatorischen Mopeds knattern laut um den Block, irgendwo bellt ein Hund. Tristesse. Leise Musik ist nur aus dem Nightclub neben dem Garagentempel ein paar Straßen weiter zu hören, aber auch nur wenn man fast davor steht. Gelbe Taxen huschen dann und wann durch die Gegend, hupend, weil sie ihre Zieldresse nicht finden.

Und ein einsamer Waiguoren steht irgendwo auf dem Dach, fragt sich was zur Hölle er falsch gemacht hat, dass er sich mitten in der Nacht auf dem Dach einer Militärveteranensiedlung am Tellerrand der Weltscheibe irgendwo in Asien wiederfindet. Und stellt fest, dass er auch noch das falsche Objektiv auf der Kamera hat, nicht das lichtstarke 1,7/50mm, um vielleicht Nachtaufnahmen sogar faulerweise von Hand machen zu können, sondern das 8-Euro-Zoom von Ebay, das nicht nur nachts ziemlich dunkel ist.

Hier das Ergebnis. Ich nenne es "Edison attacks", womit nicht der gleichnamige Ehemann der zweiten Schwester meiner Frau gemeint ist, sondern der Erfinder der Glühbirne.

"Outgunned": Der Glühwurm zur Linken hat keine Chance gegen die Übermacht!

"Ufo über Taipei!"

Und leise wieder zurück ins Treppenhaus tasten, ja keinen schlafenden General wecken...

Die Bilder sehen sicher besser in der Vergrößerung aus, Mittelklick beim Firefox.

Übrigens: Die Bilder sind NICHT nachbearbeitet, sondern direkt aus der Kamera.

Montag, September 24, 2012

Wer hat den längsten Schlüpfer....?

Die Fenster meiner Nachbarn faszinieren mich immer wieder, nicht als Peeping Tom, sondern des großen Unterschiedes zu heimatlichen Fensterfronten wegen.

Anlass für diese Exkursion in die Fenster des Viertels war ein neu gekauftes Teleobjektiv, welches ich mit dem alten verglichen habe.

Bei den Testaufnahmen schlug mein neues Telezoom deutlich das alte, allerdings nur weil das alte wohl durch das feuchte subtropische Klima mittlerweile ziemlich verpilzt und auch verstaubt war. Die Schlüpferfarben kamen mit dem neuen Tele viel kräftiger rüber als mit dem vernebelten alten (nur die Fotos vom neuen gezeigt).

Interessant auch den Blick in den "Parkgarten" bei unseren Nachbarn. Man sieht deutlich, wie sehr jeder Quadratzentimeter bei uns im Viertel ausgenutzt ist.

Um das neue Tamron-Tele (links) zu kaufen, hätte ich mich entweder ins Auto durch totales Verkehrchaos mit drei Beinaheunfällen pro Kilometer schwingen können, um dann einem kichernden Verkäufer gegenüber zu stehen, mit dem ich mich nicht verständigen kann und der mir gesagt hätte, dass sie sowieso nicht haben was ich will - oder ich habe es einfach bei Amazon.de bestellt. Mir reichte das günstige Tamron für meine Sony Alpha, 130 Euro bei Versandt nach Deuschland, bei Versandt nach Taiwan entfiel die Mehrwertsteuer (vorbildlich, das macht sonst kein Versender!), Amazon beauftragte gleich noch ein Unternehmen für die Verzollung inklusive 7,90 Euro Zollgebühr und inklusive Versandtkosten musste ich nur 150 Euro knapp für das Objektiv bezahlen. Amazon schaffte das Wunder, dass das Objektiv am 29. August ein englisches Lagerhaus verließ, wie ich im Tracking auf der Webseite von Amazon mitverfolgen konnte, am selben Tag in den East-Midlands am Flughafen war, am 30. August in Köln landete, noch am selben Tag in Taoyuan war, dann aber verwirrenderweise am 31. August in Shenzen, China war, am selben Tag auf den Philippinen in "Pampanga" und des Mittags am 31. schon wieder in Taoyuan zurück war. Wahrscheinlich haben sie in halb Asien herumgefragt, ob irgendjemand "Taipei County" kennt. Trotzdem superschnell, am 31. um 15 Uhr kam es schon bei uns in der Firma an, wo ich es entgegen nahm. Trotz Irrlauf wahnsinning schnell gewesen, binnen 2 Tagen (oder 3, wenn man den Versandttag mitzählt). Rechts mein altes Minolta 4,5-5,6 70-300mm-Tele, 1998 gekauft und seit 2010 an meiner digitalen Sony in Betrieb, allerdings seit 2010 mit fortschreitendem Pilz innen an der Frontlinse und zunehmender Vernebelung von Staubeinschlüssen im Inneren. Beide Objektive sind gleich hoch und sicher verwandt, war doch Tamron einst der Hersteller der Minolta-Objektive. Nur dass das Minolta schwer und metallisch-kühl ist, während das Tamron leicht und nur aus Plastik bestehend ist, so dass ich immer Angst habe, es zu fest anzufassen, oder überhaupt aus der Fototasche heraus zu nehmen. Na mal sehen, wie lange es hält.Einen UV-Filter wollte Amazon übrigens nicht mit dazu liefern, ich hätte ihn ja schon bezahlt, aber Taiwan kam als Zielort für einen Tamron-UV-Filter nicht in die Tüte, der Amazon-Partnershop wollte ihn da nicht hinliefern. Das Objektiv wird von Amazon direkt verkauft, die sind da mutiger. Allerdings wollte mir Amazon ein Sony-Blitzgerät auch nicht nach Taiwan liefern, obwohl sie es selbst verkaufen. Mysteriöses E-Shopping....

Interessant der Vergleich der beiden Teles. Das alte Minolta stellt bei 300mm einwandfrei scharf, während das Tamron da selten Glück hat. Aber dann kann man auf 180mm zurück zoomen, scharfstellen und wieder hoch zoomen. Und dabei überlegen, ob man nicht doch die 250 Ecken mehr für das original Sony ausgegeben hätte....

P.S.: Bei taiwanischem Versender bestellen ginge ja auch, meine Sony-Kamera war da sogar billiger als Deutschland. Aber weil deren Webseiten nur aus Krähenfüßen bestehen, müsste ich dann wieder Frau einspannen und .... auch iwo... die stellt so viele Fragen....

Freitag, September 21, 2012

Linux-Scripte verschlüsseln


Linux - Scripte sind einfacher Klartext, den man auf einem Linuxrechner direkt ausführen kann und der für Installationen und OS-Zugriffe einfach ideal ist. Ein einfaches Linux-Script etwa wäre

#!/bin/bash

echo "Oh weia!"
cd /
yes | rm -r *


...was komplett das Linux-System vernichten würde, es sei denn man hätte irgendein Security-Tool zum Schutz laufen. Und selbst dann.... oh weia. Wenn es unter Root-(also Admin-)Rechten läuft natürlich nur.

Das weiß fast jeder, außer den taiwanischen Linuxexperten, die können oft nur im grafischen Desktop die Maus über den Bildschirm schieben, haben aber ein Novell-Zertifikat als Linux-Administrator ... Fotokopierer und Drucker gibt es ja genug.

Zusammen mit Frau und Teamkollegen (ein Taiwaner, der sich das alles u.a. durch Hineinsehen in meine Skripte beigebracht hat! Superfähig!) haben wir ein Skript entwickelt, dass auf einem Server läuft. Die Kolleginnen und Kollegen vom Testteam stöpseln dann nur noch ein neues Motherboard mit Keyboard und CPU und RAM dran und schwupps sparen sie sich die OS-Installation (der Teil ist nicht von uns, sondern von einer taiwanischen UNI, mussten wir nur aufsetzen auf dem Server) und dann können sie unser Hardwaretestsript starten, das die Hardware komplett durchtestet und mehrere Tests parallel laufen lassen kann. Spart alles viel Zeit und soll jetzt auch in de Fabrik in China ausgerollt werden.

Was aber, so sagte meine Frau, wenn das Script "ausversehen" weitergegeben wird und am Ende bei der Konkurrenz landet? So ein Script kann ja jeder lesen und verstehen, ist ja kein Binärcode wie etwa bei einem C-Programm.

Da gibt es ein Programmchen namens "shc", welches C-Code aus Scripten baut. Allerdings ist es gruselig instabil und leicht zu knacken. Ersteres selbst gemerkt und letzteres gelesen in Foren.

Also habe ich jetzt eine modifizierte Version der Linux-Shell Bash gebaut (sozusagen der Kommandointerpreter), die verschlüsselte Scripte versteht. Die Verschlüsselung dazu mache ich gerade selber. Das macht mir so eine Laune, dass ich mich wundere, dass ich dafür bezahlt werde. Ich meine, ich habe ja mal in zwei Security-Buden gearbeitet, damals in der Dot-Com Internetblasenzeit, aber die Kryptologie durften immer nur einige wenige "Gurus" progammieren. Die mussten irgendwie besonders sein, der eine war Spanier im homosexuellen Exil, der andere fuhr auf Harley Davidsons rum und der andere ... never mind. Viel Pizza und Cola musste man auch trinken, um dazu zu gehören. Und mit weicher Stimme sprechen. Hash rauchen ging auch stattdessen, erinnere mich jetzt. Waren alles nette Kerle und schwebten immer ein paar Zentimeter höher über dem Flokati.

Und jetzt? Jetzt mache ich es selber. Nachdem ich das alles irgendwann mal gelernt habe ist es nach all den Jahren schon fein, das endlich mal entwickeln zu können, statt nur die Software drumherum zu machen, wie etwa damals die Verschlüsselung in die Kommunikation zwischen SAP-Server und Client. War auch nett, aber endlich mal alles selber machen zu können ohne die "Stars" mit weicher Aussprache ist auch nicht schlecht. Und Zeug vor Chinesen verstecken macht immer Freude.

Mein Teamkollege allerdings hat schon so einen gierigen Blick und will bald meinen Quellcode sehen.....
Bestimmt legt er sich dann bald ein komisches Hobby zu, zieht ne schwarze Lederjacke auf dem Moped an oder fängt an mit weicher Aussprache zu reden....... So fängt es an....

EDIT: Nach einer Stunde Bugsuche fehlt mir meine Flasche Rotwein aus der Dot-Com-Bude....

Und was wurde aus.... dem Japanischstudium meines Beinahe-Neffen?

Wie vor Kurzem berichtet (http://bobhonest.blogspot.tw/2012/09/neffenbildung-teil-2.html) hat unser zugelaufener Quasineffe also mit dem Japanischstudium angefangen und nicht nur ich habe hier im Blog überlegt, was das denn werden soll, ohne Japanisch-Vorkenntnisse.
Allzu begeistert ist er jedenfalls nicht und will jetzt zum Deutschstudium wechseln. Oh weh..... mir schwant Unheil für meine private Zeiteinteilung.

Japanisch könne er ja in einem Jahr in der Sprachschule lernen, das müsse man nicht studieren, sagt der Fastneffe. Angeblich ist es aber wirklich so, dass man ohne Vorkenntnisse in das Studium gehen kann. Wenn das beim Deutschstudium auch so ist, dann ist ein Taiwaner mit Bachelor in Deutsch also kein Germanist, sondern einfach nur jemand der von irgendwelchen Nichtmuttersprachlern ein bisschen Deutsch gelernt hat.

Na dann werde ich versuchen, ihn mit Schillers Glocke abzuschrecken. Irgendwie so.

Soziales und Rente am Rand der Weltscheibe (editiert 2015)

Edit: Besserer, neuer Artikel hier:

http://osttellerrand.blogspot.tw/2015/05/ludigels-lustige-lenten-legende.html(Update: Nov.2016)


Lesen Sie den obigen Artikel, nicht diese ersten Notizen aus dem Jahre 2012! 



----- * alter Artikel * ----

Der Auswanderer per se ist ja ein abenteuerlustiger Typ, der ohne die typisch deutsche Versicherungsmentalität in ferne exotische Länder eilt, dort sein Glück mit einer exotischen Schönheit sucht, die sein gesamtes Kapital an die Mama überweist und dann im Alter ohne Frau, mit Holzbein und Schlaganfall den sozialen Sicherungssystemen in der Heimat nachtrauert und nachts von fester Rente und Krankenversicherung träumt, während er einen kleinen Verschlag in der katholischen Mission bewohnt, wo er bestenfalls durchgebracht wird.

 Ein kostengünstiger Lebensstil ist für machen alten Expat eine Alternative zum sorgsam aufgestellten Rentenplan*

Nun, nicht so in Taiwan. Taiwan hat eine gesetzliche Krankenversicherung, für das sich von meinem Monatsgehalt das Gegenstück von etwa 25 Euro verdünnisiert. Sogar eine grüne Versicherungskarte habe ich, herrlich. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es teilweise auch, allerdings nur 4 Wochen und die Hälfte, allerdings den ersten Tag glaube ich mehr, vergessen. Arbeitslosengeld gibt es allerdings nicht, gekündigt wird aber in Taiwan sehr selten und wenn kriegt man pro Jahr Anstellung ein Montagsgehalt im Kündigungsfall. Weswegen manche kleine Firmen ihre Angestellten jährlich aus der Firma ekeln, aber gut, so ist halt das Leben.

Bezahlten Urlaub hat man auch, sage und schreibe Null (0, 00, Fliegerbrille, niente, nada, nix, Fisch gibt's) bezahlte Arbeitstage im ersten Jahr in einer Firma und 3 im zweiten und ab dem dritten Jahr 10 Arbeitstage (was aber manche kleine Unternehmen illegal auf 7 reduzieren).

Doch wie sieht es mit der Rente aus? In dieser Sache versetzte mich der aktuelle STERN gestern Abend in Unruhe, konnte ich ihn doch wieder bei pubbles.de herunterladen und hier am Tellerrand der Weltscheibe in meiner Bambushütte am Strand (...äh.... Mietskaserne in Soldatenviertel)... lesen. Versorgunglücken von tausenden von Euro machten sie bei so gut wie jedem der deutschen Musterleute aus, alle natürlich ledig und bis auf eine ledige 1-Kind-Mutter kinderlos, ganz wie sich das in einem sich abschaffenden Deutschland gehört. Evtl. haben sie weiter hinten im STERN noch eine Familie mit Kindern, so nach dem Motto "Huch, fast hätten wir die Asozialen Vergessen".

Mein eigener Rentenbescheid kann einem da natürlich die Tränen in die Augen treiben, denn tatsächlich hat mir die deutsche Rentenkasse schon einmal so ein Ding geschickt. 280 Euro monatlich für meine paar wenigen Jahre in der Internet-Dot-Com - Bubble, mit Mottos wie "e-fuck for e-business" und großen BMWs (in der Nachbarfirma) mit dem idiotischen Aufruck "MIS MANAGEMENT". Letzteres kein Witz, sitzen vielleicht noch heute in Darmstadt, sind später insolvent und BMW-frei gesundgeschrumpft worden. Na ja, insolvent waren wir irgendwie alle in dem Dot-Com-Viertel in Darmstadt, irgendwann nach 2001. Hat sich so gehört damals.

Was ist also mit der Rente in Taiwan? Meine Frau jedenfalls hatte folgende Erklärung dazu:

1. Es gäbe seit 2009 eine fondsbasierte Rente, aber per Gesetz nur für Taiwaner, in die Firmen 6% vom Monatslohn einbezahlen und die dann als Grundlage für eine monatliche oder Einmalzahlung dient, wenn man als Mann (Frau früher) das 60. Lebensjahr erreicht hat. Frau hat also eine, ich darf nicht per Gesetz, weil meine Nase zu lang ist. Allerdings sei meine Firma großzügig und würde mir die 6% mit dem Gehalt auszahlen, was sie freiwillig tun würde. "Anstatt es anzulegen habe ich es aber ausgegeben" sagte da meine Frau und kicherte dazu. Ooooooookaaaaaay.15 Jahre müsse man hier einzahlen, sonst hat man weniger raus. [Edit: Seit 2013 oder dergleichen steht diese Rente auch mit taiwanischen Staatsbürgern verheirateten Ausländern zur Verfügung]

2. Es gäbe schon seit vor 2004, also seit ich in Taiwan Arbeitnehmer bin, eine "Labor Law"-Rente, also eine Rente nach Arbeitsgesetz, bei der man auch Einmalauszahlung oder Monatszahlung hätte, wenn man 25 [Achtung: In Wirklichkeit 15 Jahre] Jahre eingezahlt hätte. Bei Einmalzahlung erhielte man eine Zahlung von einem durchschnittlichen Monatsgehalt per Einzahlungsjahr.

Frau hätte demnach im Alter zwei Renten aus Taiwan, ich eine und außerdem noch meine Minirente aus Deutschland. Da ich noch zwei private Renten in Deutschland abgeschlossen haben (deren Auszahlungsprognosen freilich nicht so rosig klingen wie man bei Vertragsabschluss hätte vermuten können), sind wir damit also wohl ganz gut abgesichert, auch wenn man sicher noch eine Versorgungslücke von 1000 Euro oder mehr pro Nase erhielte nach der STERN-Rechung. Muss das mal durchrechnen.

Meine Internetrecherche war freilich nur teilweise Deckungsgleich mit den Darlegungen meiner Frau. Auf einer Regierungsseite (http://www.bli.gov.tw/en/sub.aspx?a=n9N84vZDrjw%3D) ist die Rede von einer erst seit 2009 zwangsweise durchgesetzten Labor-Law-Rente (haben meine ersten Firmen in Taiwan also wirklich schon eingezahlt? Frau meint jedenfalls ja) und die Summe kommt etwa hin mit einem Monatsgehalt pro Jahresbeitrag bei Einmalauszahlung, allerdings steht dort, wer 15 Jahre oder (nicht 25!) eingezahlt hätte, würde eine Monatszahlung und keine Einmalzahlung bekommen - und es scheint eine Bonusregelung für die über 15 Jahre hinausgehenden Beiträge zu geben.

Beamte und Soldaten seien wesentlich besser gestellt, sagt irgendwo ein akademischer Artikel. Und diese US-amerikanische Webseite (http://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2010-2011/asia/taiwan.html) fasst beide Regelungen zusammen inklusive Berechnungsformel für den Rentenanspruch. Na denn mal los mit dem Taschenrechner....

Zitat:

"

Labor insurance program (old-age): The monthly pension is 0.775% of the insured's monthly average covered earnings in the 36 months before retirement multiplied by the number of years of coverage plus NT$3,000, or 1.55% of the insured's monthly average covered earnings in the 36 months before retirement multiplied by the number of years of coverage, whichever is greater.
The minimum old-age pension is NT$3,000 per month.
Early pension: The pension is reduced by 4% for each year that retirement is taken before the normal retirement age, up to 20%.
Deferred pension: The pension is increased by 4% for each year of deferred retirement, up to 20%.
Persons insured before January 1, 2009, may opt for a lump-sum old-age benefit instead of a monthly old-age pension at retirement.
Old-age benefit: A lump sum is paid of 1 month of the insured's average covered earnings in the 36 months before retirement for each year of contributions for the first 15 years plus 2 months for each year of contributions exceeding 15 years, up to a total of 45 months of average covered earnings.
An increment of 1 month of the insured's average monthly covered earnings in the 36 months before retirement is paid for each year of continued work and contributions after age 60, up to 5 months of earnings.
The maximum old-age benefit is 45 months of the insured's average covered earnings."
Aus http://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2010-2011/asia/taiwan.htm

Allerdings spricht die US-Seite von "Citizens", also Bürgern. Nach dem Lesen ist mir immer noch nicht klar, welche der beiden Renten ich nun erhalte und ob überhaupt. Also doch einen bequemen Baum suchen....

* das Bild ist freilich in Niedersachsen aufgenommen :-)

Mittwoch, September 19, 2012

Niedliche Miezen

Weil in manchem Nachbarblog immer so niedliche Miezen so sehen sind, musste das Taiwanblog einfach mal zurückschlagen. Also einfach mal die alte Blitzpocket Agfa-"Ritschratsch-Klick" aus dem Schrank bei meinen Eltern geholt und auf in den Hodenhagener Tierpark (heißt wirklich so), bei meinem letzten Deutschlandbesuch vor ein paar Wochen. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht was dieser ganze Technikoverkill mit Digitalkameras und zig Wechselobjektiven soll...

Mit der Blitzpocket geht es genauso gut wie mit einer Spiegelreflex und Tele. Back to the roots, sozusagen.Einfach aus dem Auto aussteigen (man kann ja mit eigenem PKW da durch) und näher ran ans Motiv. Das empfiehlt übrigens so mancher Fotoratgeber. Nicht ein dickes Zoomobjektiv verwenden und faul am Zoomring drehen, sondern einfach mal bewegen und näher ran. Die Fotos werden einfach besser! Schon x-mal gelesen diesen Ratschlag und hier endlich mal befolgt.

Ups..... nur das mit dem "Ritschratsch" vorm Klick ist vielleicht für die Tierfotografie nicht das ideale. Doch etwas laut.

Ja ja, schon gut, ich spanne den Film ab jetzt etwas leiser...

Gacker, das kenne ich von meiner Hauskatze. Wenn man da am Schwanz gezogen hat...

Oder an den Füßen kitzeln, da wurde sie auch immer ganz wild.

Den sieht man gut. Nicht schlecht. Also leise wieder rein ins Auto...

Unverständlich allerdings.... wieso sie die Leckereien durch einen Zaun abtrennen.

Meine Tour musste ich dann beenden, weil mittlerweile der Streifenwagen gekommen war...

Inselstreit: natürlich gehört's zu Taiwan

Wenn dieser Tage von dem Streit Japans und Chinas um die "Sekaku"-Inseln im Norden von Taiwan (200 km entfernt) die Rede ist, wird manchmal am Rande erwähnt, das auch Taiwan Anspruch auf diese Inseln erhebt. Das mag zunächst mit einem Achselzucken abgetan werden, hat doch Taiwan keine große Militärmaschinerie, die diesen Anspruch unterstreichen könnte bzw. tritt ja international eher zurückhaltend auf. Wieso erhebt Taiwan überhaupt Anspruch?
Spiegel-Online erwähnte etwas von einer historischen Verwaltung der Inseln aus dem 19.Jahrhundert, wo sie einer Stadt im nordtaiwanischen Landkreis Ylan (Ilan) zugeordnet gewesen seien. Abgesehen davon kann das Staatsgebilde, das wir gemeinhin "Taiwan" nennen, aber auch Anspruch erheben, weil es nach seiner Verfassung eben nicht Taiwan sondern "China" ist. Schließlich ist der formale Staatsname des Staates, der die Insel Taiwan und einige kleinere Inseln regiert "Republik China", was sich daraus erklärt, dass Diktator Chiang Kai Check im Jahre 1949 auf die damals gerade noch japanisch besetzte Insel Taiwan geflohen ist - gehetzt von den Kommunisten, die in China die Macht übernahmen. Seinen Staat und die Verfassung hatte Chiang gleich mitgenommen, daher der verfassungsmäßige Anspruch "Taiwans" über das chinesische Festland zu herrschen.

 Taiwan hält sich raus... (aka "Kopf in den Sand")

Japan hatte nun die Inselchen, um die sich gestritten wird, Ende des 19. Jahrhunderts (1895 denke ich) besetzt, als es China militärisch einige Gebiete abgetrotzt hatte, darunter auch die Insel Taiwan. Diese historische Besatzung aus der Glanz- und Gloriazeit des japanischen Kaiserreichs inklusive "Comfort Women", Visisektionen, Massenvergewaltigungen von Frauen mit anschließendem bestialischen Töten und sonstige Massaker an der Zivilbevölkerung inklusive lebendigem Begrabens (200.000 tote Zivilisten in Nanking 1937: http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Nanking) dient nun zur Rechtfertigung des japanischen Anspruchs. Faktischer Grund ist, dass die Amerikaner nach 1945 zunächst sowohl Taiwan als auch die umstrittenen Sekaku-Inseln zunächst den Japanern abgenommen haben, die Sekaku-Inseln dann aber wieder zurück gaben und damit den kolonialen Anspruch Japans de facto abgsegneten. Taiwan haben sie bekanntermaßen nicht Tokio zurück gegeben, sondern den japanischen Truppen auf Taiwan 1949 befohlen, sich Chiang Kai Checks Truppen zu ergeben, so dass dieser seine Republik China als Gegenmodell zur Volksrepublik China weiterführen konnte, das ab 1992/1996 zur parlamentarischen Demokratie wurde.

Derzeit spielt in Taiwans Medien der Inselstreit aber keine Rolle, da Taiwans recht prochinesische Regierung (KMT) unter Präsident Ma Ying Jeou die Annäherung an die VR-China sucht und daher in der Angelegenheit keinen deutlich vernehmbaren Piep sagt. Gut, es wäre sowieso sinnlos.

Sympathisch ist mir der Anspruch der Japaner auf die umstrittenen Inseln nicht, der des Folterstaates VR-China auch nicht. Also unser, taiwanisch, klarer Fall. So, wo wir das geklärt haben kann ich weiter frühstücken....


Montag, September 17, 2012

Käfignesien

Hier in Taipei-NeiHu im "Soldatenviertel", wo also viele Wohnblocks stehen, die ursprünglich nur von ehemaligen Militärangehörigen bewohnt wurden (viele aber heute weitervermietet), droht jeder Spaziergang bei mir eine Depression auszulösen. Hier mal ganz extrem, nahe der Hauptstraße stehen diese wesentlich höheren Häuser, allerdings im selben Stil erbaut, wie die sonst siebenstöckigen Gebäude.

 Während deutsche Wohnungen glasklare Fenterfronten haben, hat man in Taiwan diese individuellen Vorbauten, die ganz unterschiedlichen Zweck haben. Viele dienen nur Nutzflächengewinnung, denn in den Vorbauten lässt sich aller möglicher Krimskrams verstauen, etwa alte Kartonagen oder alte Hocker. Wo soll man auch sonst damit hin? Viele nutzen die Außenkäfige zum Wäschetrocknen, immer wieder findet man Höschen und Söckchen auf den tiefer gelegenen Vordächern. Andere bauen sich Panoramafensterchen, in die sich vielleicht nur ein paar Blumenvasen stellen lassen, denn die Wohnungen sind nach deutschen Vorstellungen oft etwas überbelegt. Jugendliche ziehen hier nicht so schnell bei den Eltern aus, sonst bleiben oft Wohnen, bis sie mit Ende 20 oder Anfang 30 verheiratet sind. Keller oder Dachböden gibt es auch nicht, also hat man schnell ein Zimmer als Abstellkammer. Oder eben ein vergitterter Balkon wird dafür genutzt.
Die Gitter dienen auch dem Schutz vor Taifunen, die sonst manchen Ast oder manches Werbeschild ins Fenster wehen würden. Und zum Schutz vor Fassadenkletterer, denn ein Ausländer schrieb einmal im Ausländerforum Forumosa.com, auch im 11.Stock sei bei ihm noch jemand durchs Fenster gekommen.

Die Vorbauten schützen auch etwas vor Regen, denn ganz dicht sind die Einscheiben-Schiebefenster selten. Manch einer, der etwas mehr Ruhe vor den wochenendlichen kleinen blauen Lieferwagen mit Lautsprechern (sehen aus wie der im Bild rechts von der Garage) haben will ("kauft Fong Hos Soyapudding, LECKER LECKER LECKER" - in ohrenbetäubener Lautstärke gespielt während er dreimal um den Block fährt oder gar seinen Wagen unten eine Viertelstunde stehen lässt) baut sich vielleicht Fenstervorsätze mit Doppelverglasung ein. Unten haben die Mieter ihren gemieteten Parkplatz für den Nissan Cefiro oder den Toyota Camry und die wenigen Stellen, die nicht vermietet sind, werden von den Wohnungsanliegern reifenstechenderweise als ihr Eigentum angesehen. Wenn man Glück hat ist die Straße etwas breiter wie hier, dann siedelt sich (wie hier) am Abend ein Nightmarket an. Dann hat man massenhaft interessante Verkaufsstände direkt vor der Tür, dazu das Geknattere von unzähligen Kundenmopeds und die lehrreichen Lautsprecherdurchsagen "Ping Hongs Kabel am Meter sind die Besten!"
Meist ist es recht ruhig, es sei denn der Nachbar spielt gerne Klavier oder hört gern laut traditionelle chinesische Musik (Mann, wie die Leierkreischen können, die Furien) oder in einem der zig Stockwerke zieht ein neuer Mieter ein, dann kommt eine Baukolonne und meißelt zwei Wochen lang die Wände auf, bis die Stahldrähte sichtbar sind, bevorzugt am Wochenende natürlich.

In so ein hohes Haus wie hier im Bild würde ich daher ungern einziehen, denn da ist es sehr wahrscheinlich, dass immer einer meißelt oder bohrt oder hämmert. Ruhig hingegen ist das siebenstöckige Haus wo ich wohne, da wohnen die höheren Dienstgrade, da ist verblüffende Ruhe. Generäle hören keine Musik, wie es scheint. Nur meine Nachbarin empfängt manchmal eine Christengemeinde, die sich immer in Taifunnächten zu unheimlichen (offensichtlich US-amerikanisch missionierten) "Ämen! Ämen!"-Rufen hinreißen lassen zu nächtlicher sturmgepeitschter Stunde. Das finde ich immer etwas unheimlich - und störend, weil sie dabei immer die Wohnungstür aufhaben. Aber wie sollte der altchinesische Gott des Sturmes, für den Jesus wohl der neumodische Ersatz ist,  sonst auch die heiseren Altweiberstimmen hören, bei all dem Windgeheul.

Freitag, September 14, 2012

Taiwantoll

Mal ehrlich, wir Ausländer meckern immer irgend etwas an Taiwan herum, aber eigentlich ist gar nicht so schlecht. Richtig gut, vielleicht auch nicht, aber eben taiwangut. Ziemlich gut. Hier sitze ich um 23 Uhr in einer Touristengegend (Longtan bei Taoyuan, aber Longtan heißen da 20 Dörfer oder so...) in einem der Kiosksupermärkte und lese mit meinem Netbook den STERN, den es neuerdings wieder elektronisch gibt (als PDF bei Pubbles.de). Und ich denke "Auf irgendwas müsste ich doch jetzt eigentlich achten!". Worauf? Es kommen nur lauter junge Taiwaner in den großen hell erleuchteten Seven, die draußen ihre japanischen Mittelklassewagen abstellen, kaufen süßen Eistee und Eis und machen sich fade schmeckende Hot Dogs, während ich ihnen den Rücken zudrehend an einem etwas soßenverschmierten Tisch sitze und mit dem Netbook lese, eine Cola Zero gegen das Magendrücken neben mir, die ich vom schweren Burger vom amerikanischen Diner bekommen habe. So ist Wild Bill Hickok einst erschossen worden im Saloon, mit dem Rücken zur Tür, so dass Calamity Jane ihm  bittere Tränen nachgeweint hat. Ich hingegen habe nur stundenlang auf meine Frau gewartet, die ihre Haare beim Friseur gemacht bekommt und mich dann um 22 Uhr bei Lokalschluss hier von der Burgerbude in den "Seven" Kiosksupermarkt verlagert, also einen von diesen immer geöffneten Ladenlokalen. Auf nichts muss ich achten, hier in Taiwan. Keiner macht einen an, keiner ist aggressiv, alle wollen nur eine Limonade oder eine kurze Pause auf der Heimfahrt. Nette junge Leute, dazu noch ein Bautrupp aus einem Bluetruck, die lange gearbeitet haben und sich ein paar Zigaretten holen.

 Des nachts im 24-h Kioskladen: gemütliches STERN lesen am östlichen Tellerrand der Weltscheibe, während Frau einen Bubikopf gemacht bekommt


Da musste ich daran denken, wie ich immer in Deutschland nach wochenendlicher Zugfahrt in Darmstadt angekommen noch bei der Tanke schnell ein bisschen Eis oder Brot gekauft habe und wie unangenehm das war. Draußen Stricher und Prostituierte, drinnen einmal Skinheads, denen ich im Weg war, als sie den türkischen Kassierer anmachen wollten. Draußen auf dem dunklen Parkplatz einmal ein Trupp von vier kräftig gebauten Osteuropäern, die sagten ihr Auto sei kaputt und ich solle doch mal einsteigen und sich erst durch angedrohte Gewalt (und die unmittelbare Einleitung dieser meinerseits) davon abhalten ließen, mir immer näher zu kommen in eindeutiger Absicht.

Als sich der zehnte Taiwaner nun ein Eis aus der Kühltruhe nahm, konnte ich auch nicht mehr anders und aß trotz Diät ein kleines japanisches Eis. Viel zu viel Zucker. Als Ergebnis von Burger und Eis und Chemiecola habe ich jetzt wieder eines des 6 abgespeckten Kilos zurück, super.

Draußen dann auf dem dunklen Parkplatz, ich verstaue mein Notebook im Auto, neben mir hält ein PKW, vier Leute steigen aus. In Deutschlands wären es jetzt vier östliche Herren, die überlegen würden ob sie es wagen oder nicht, zu nächtlicher Stunde. In Taiwan sind es zwei junge Männer und ihre Freundinnen, alle um die 20 und so sehr auf Randale aus wie ein .... keine Ahnung... wie ein Sozialpädagoge mit Joint in der Hand und gleichmäßigen ruhigen Atemzügen....

Taiwan eben, gar nicht so schlecht. Nur besseres Eis könnten sie mal verkaufen, mit guten Zutaten statt Zucker. 

Donnerstag, September 13, 2012

Das Landhaus der Verstoßenen

Spätabends um 10 auf dem Lande in Nordtaiwan, Landkreis Taoyuan, etwa 45 km von Taipei.

Ein Auto braus heran, hält auf stockdunkler Straße neben einem alten Bauernhof. Merkwürdiges Kennzeichen.

Nur die Straßenlaterne war Zeuge, als ein Ausländer aus dem Auto steigt und sich dem alten Bauerhaus nähert....

Er nähert sich einem vergitterten Fenster. Was wird dahinter in dieser dunklen Nacht zu finden sein?

Nun, ginge es nach den gängigen Asien-Vorstellungen deutscher Fernsehzuschauer, müssten da kleine Kinder darben, die billige Textilien herstellen oder dergleichen, aber hier findet man .....


.... siehe unten ...



.... man glaubt es kaum ...


... lauter Hunde in einem alten Bauernhaus. Wo früher einmal Bauer und Bäuerin Ling das hübsche Bild an der Wand bewunderten, sind heute 60 ehemalige Straßenhunde untergebracht.

Es handelt sich hier um eines der nirgends dokumentierten (inoffiziellen) privaten Tierasyle in Taiwan. Diese funktionieren so, das Privatleute einige der zahlreichen Straßenhunde Taiwans retten, diese dann beim Tierarzt auskurieren und dann gegen etwa 2000 NT monatlich (etwa 50 Euro) pro Hund in einem solchen Tierasyl meist dauerhaft unterbringen. Die Betreiber leben entweder davon oder schreiben mit dem Asyl eine schwarze Null oder bezuschussen die Anlage mit ihrem Privatvermögen. Dokumentiert und untersucht sind solche kleinen Hundeplätze nirgends, weil man bei Straßenhundrettung immer an große Organisationen denkt. Nirgends? Nun, in der MBA-Arbeit meiner Frau für eine Uni in England schon (eine sogenannte "Dissertation" zur Erlangung des Master of Business Administration). Dabei hat meine Frau recherchiert, dass die Hundefarmen Profit machen, die eine Fremdhundquote von 80% oder mehr haben (Fremdhunde werden halt mit den erwähnten 2000 NT gesponsort), während die Betriebe die drunter liegen eher ins Minus gehen. Viele Betreiber dieser Stationen retten so viele eigene Hunde, dass sie mit ihren Stationen nie ins Plus kommen können, was aber meist auch nicht das Ziel ist.

Diese Station hier hatte bislang eine schwarze Null, könnte aber langsam auch schon im Plus liegen, weil sie sich vergrößert hat. Manchmal erliegen die Betreiber dem Lockruf des Mammon und bringen die Hunde in kleinen Boxen unter, da kennen wir auch eine solche Station. Einst haben Frau und ich ja eine eigene Hundrettungsorganisation betrieben und mit dieses Stationen zuammengearbeitet, aber Sohn und Job erlauben das derzeit nicht mehr.

Hier ist alles OK, es gibt zwei Rudel auf der Station (Korrektur: wohl 3 mittlerweile), jedes hat die Hälfte des Landhauses zur freien Verfügung (Korrektur: das dritten eine Scheune), die Betreiberin schaut nur tagsüber mal ein paar Stündchen vorbei, nachts sind die Hunde allein im Landhaus. Von ausländischen nächtlichen Besuchern mit einem Sack voller Leckreien abgesehen.

Sie können auch jederzeit raus, jedes der beiden Rudel hat einen eigenen großen Garten. Erst wollten mich alle umbringen, als ich nächtlich am Fenster stand, knurren und Zähne. Doch dann hat mich das Leittier freundlich in Empfang genommen und sie haben alle einen Knochen mit Fleisch dran bekommen, schon war ich ihr bester Freund. Das Leittier ist der Husky in der Mitte, der nebenbei bemerkt mein Privathund ist, den wir hier vorerst untergebracht haben, seit wir vom Lande in die Stadt gezogen sind. Er fühlt sich hier sehr wohl, genau wie unsere Hündin, die Labradordame an der Kette (Betreiberin sagte sie hätte vergessen, sie abzumachen nach der Fütterung: Kontrolle ist immer gut!). Die Hündin war einst eine "Wurfmaschine", ihr Leben lang auch an der Kette gehalten zur Produktion von Rassehunden und war von ihrem Besitzer bei uns in der Straße damals ausgesetzt worden - ich hatte ihn noch mit dem Moped davonfahren sehen. Die Hündin war anfangs so stackelig, dass sie beim Gehen umgefallen ist. Als ein paar Wochen später der Mopedmann noch mal aufkreuzte und ich mit der Hündin gerade Gassi ging, wollte sie ihn zähnefletschend umbringen - da ist er schnell davongefahren, der nette Herr Hundezüchter.

Eigentlich kann die Hündin jetzt aber frei im Rudel laufen, ich kontrolliere das diese Woche noch mal. Wieder mit Knochen und Leckereien im Gepäck, irgendwo auf dem Lande am Tellerrand der Weltscheibe, wo ausgediente Schmusehunde in einem alten Landhaus leben.

Mittwoch, September 12, 2012

Vorgetäuschte Unfälle im Taiwan-Fernsehen

Man sah vor Tagen im TV eine Szene aus dem Straßenverkehr, offensichtlich mit einer im Auto installierten Videokamera gefilmt. Ein PKW hält an einer roten Ampel auf einer breiten Straße in Taiwan. Ein junger Mann kommt frontal auf das Auto zugerannt, sehr schnell und zielstrebig, wirft sich dann mit Karacho auf die Motorhaube, rollt ab und lässt sich vor den Kühler des stehendes Autos purzeln, wo er den "sterbenden Schwan" markiert, was man anhand der ein oder anderen verzweifelt über den Motorraum ragenden Hand erkennen kann. Dann sieht man den Fahrer aussteigen und die Dame (denn es handelte sich offenbar um eine junge Frau mit Kurzhaarschnitt und maskulinem Äußeren) auffordern, aufzustehen und die Show zu unterlassen, sie sei gefilmt worden. Sie bot dem Autofahrer lt. TV-Bericht danach Geld an, um den Schaden an der Motorhaube zu bezahlen. Ein Studentenjux soll das sein, erklärte der Sender. Nun vielleicht etwas verständlich, da man als Fußgänger in Taiwan ohne Bürgersteige oft auf Schritt und Tritt Gefahr läuft überfahren zu werden. Allerdings kann ich mir in Taiwan nicht vorstellen, dass so viel Überlegung dahinter steht, schon eher würde ich auf Gewinnerzielungsabsicht tippen, denn Taiwaner als Unfallopfer sind bekannt dafür etwaige Unfallhelfer (die es ergo sehr wenige gibt) auf Schadensersatz wegen nicht sachgerechter Rettung zu verklagen oder gar zu behaupten, die Helfer seien die Unfallverursacher.

 Taiwan: Surreales am Rande der Weltscheibe (hier Blick aus dem Treppenhausfenster bei Schwiegermutter in NeiHu, Taipei)

Ein in dieser Art vorgetäuschter Unfall war dann gestern im Fernsehen zu sehen, wieder eine ähnliche Straße, wieder gefilmt von der Autokamera. Ein PKW fährt langsam auf einer mehrspurigen Straße, da rennt ein junger Mann sein Moped schnell schiebend dem PKW vor den Kühler - allerdings mit großem Abstand -, wirft sein Moped um und schmeißt sich daneben. Der PKW kommt vor dem Moped und dem verletzt spielenden Fahrer zum stehen. Laut Fernsehbericht ging es diesmal um Gewinnerzielung, man will ein schnelles Handgeld, damit sich der Autofahrer Ärger erspart.

Hier verhalten sich alle Verkehrsteilnehmer schon so hirnrissig und leichtsinnig genug, der Gedanke, dass sie sich absichtlich auf die Motorhaube zu bewegen, lässt mir da die Haare zu Berge stehen.
 

Deutscher Bubbletea im Taiwan-Fernsehen

Gestern Mittag in der Kantine flimmerte ein Beitrag über "taiwanischen" Bubbletea in Deutschland über den Schirm, den meine Frau kurz subsummierte. Gezeigt wurden die oft bunten Getränke, wie sie in Deutschland als taiwanisch kredenzt werden und der Sprecher merkte an, die Deutschen hätte da jetzt Sorgen und Nöte der Reinheit / Gesundheit wegen. Allerdings seien, so der Sender, die Zutaten nicht taiwanisch sondern aus anderen Ländern gekauft. Schon war der Kurzbeitrag wieder vorbei und er deckt sich jedenfalls mit meinem eigenen Eindruck.

Hier in Taiwan ist ein Bubble-Tea (Pearl-Tea) ein süßer Milchtee (gibt es auch mit halb-Zucker oder ohne Zucker!) und schwachsüßen schwarzen Geleekugeln drin.

Mein Eindruck aus der Presse ist hingegen, das er in Deutschland oft quietschbunt und mit gummibärchenartigen Einlagen serviert wird, die z.T. noch schreiend-suß gefüllt sind. Hier ein Bild, wie der Bubble Tea in Taiwan aussieht: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bubble_Tea.png

Als ich das Thema mal ergoogelt habe (ohne mir Links zu merken) bin ich auf Business-Foren (Export-Import-Foren) gestoßen, in denen offenbar oft taiwanische Geschäftsleute mit Sitz in Deutschland Instantpulver, süße Kugeln und süßes grellbuntes Sirup für das Getränk anboten, wobei ich sofort den Verdacht hatte, diese könnten evt. aus China oder dergleichen gekauft sein - eine Packung wirkte mit merkwürdigen Bedruckungen irgendwie vietnamesisch auf mich. Einen Unterschied macht das schon, schließlich hat Taiwan eine Lebensmittelbehörde, die Nahrungsmittel kontrolliert, die "Food and Drug Administration" (FDA) nach US-Vorbild.

Sollten Sie nun in Deutschland den grellbunten Bubbletea mit zuckrigen Kügelchen trinken? Das müssen Sie selber entscheiden, wenn dann würde ich nur einmal im Monat vorschlagen, des Zuckerspiegels wegen und damit die Zutaten aus Vietnam oder von sonstwo auch mal wieder raus kommen aus dem Körper.

Sollten Sie in Taiwan einen echten Perltea/Bubbletea trinken? Sicherlich. Ich trinke ihn alle paar Wochen mal und einmal die Woche ist sicher okay, öfter möchte ich einen süßen Milchtee mit industriell gefertigem Gelee auch hier nicht zu mir nehmen. Selbst Tee kochen ohne Zucker ist sicher viel bekömmlicher.

Sollten Sie Bubble-Tea - Anbieter sein und sich über diesen Beitrag ärgern: Sicher eine gute Gelegenheit die Herkunft der Zutaten werbungsmäßig herauszustellen und auf die taiwanishe FDA hinzuweisen.


Vorbericht im Blog: http://bobhonest.blogspot.tw/2012/08/lesetipp-deutsche-in-bubble-tee-hysterie.html

Dienstag, September 11, 2012

Wie man Nachwuchs bei Deutscher Vetretung anmeldet

Auf Anfrage hier das rohe Posting meiner Notizen, die ich zur Geburtsanmeldung und Passbeantragung gemacht habe (in Taipei, das Deutsche Institut erledigt das):


First step is the birth declaration.
This will give child German birth certificate.
German passport is next step after that.

For birth declaration we need:


- Taiwan household register excerpt for child (official copy)

Important: in the column "English name" it should say:

(Namen geändert)
Chen, Wing-Wang (Klaus Meier)


- Birth declaration of hospital

- Passport of parents
- Household register excerpt for parents OR alternatively marriage certificate (one is enough)
- Birth certificate of parents (for mother this is household register excerpt, my copy needs stamp by local German Family register aka Standesamt)



Den Pass haben wir gleich mit beantragt und nach drei Monaten bekommen. Auf die deutsche Geburtsurkunde warten wir noch heute, die soll jetzt 1 Jahr lang dauern.

Die Passbeantragung brauchte das Ausfüllen von zwei oder drei weiteren Formularen aber (denke ich) keine weiteren Unterlagen.

Näheres hier bei Deutschen Institut:

  http://www.taipei.diplo.de/Vertretung/taipei/de/04-Service/Konsularischer__Service/Seite__Geburtsanzeige.html

Geht alles reibungslos und Filius bekommt dann von den Taiwanern den Pass der R.O.C/Taiwan und von Deutschland den deutschen.

Wir haben englische Unterlagen verwenden dürfen. Frau musste ihre Unterlagen von einem "Gerichtsnotar" beglaubigen und Abstempeln lassen,
Das Deutsche Institut empfiehlt eine Legalisierung der taiwanischen Unterlagen, um Probleme mit deutschen Standesämtern (Berlin I  i.d.R.) zu vermeiden, hatten wir gemacht, kostet etwas extra. Siehe auch Weblink.

Zitat: 




Ob für die taiwanischen Urkunden eine Legalisation erforderlich ist, entscheidet das zuständige Standesamt. Da in der Regel  die deutschen Standesämter auf einer Legalisation bestehen, rät das Deutsche Institut deshalb zur Legalisation der  taiwanischen Urkunden bei Abgabe der Geburtsanzeige im Deutschen Institut, um Rückfragen durch das Standesamt etc. zu vermeiden.
  


Chinesische Dokumente sollte man nicht verwenden, sonst muss man (beglaubigt?) übersetzen:

Zitat:
Bitte beachten Sie, dass grundsätzlich allen fremdsprachigen – außer englischsprachigen - Urkunden und Dokumenten mit einer deutschen Übersetzung eingereicht werden müssen.
 


Sorgen und Nöte der Religionsstifter



Auch als "Holy Baby" (siehe Aufdruck im Kinderwagen) hat man es nicht leicht. Nicht nur, dass einem ständig leuchtende Sterne irgendwo hin folgen, auch der Heiligenschein kann manchmal ganz schön blenden. "Sorgen und Nöte der Religionsstifter", ein Thema über das viel zu wenig geredet wird. Exklusiv im Taiwanblog, wo auch sonst.

P.S.: Sollte Sie einen Laden für Kinderkleidung und -Zubehör im Vatikanstaat betreiben, wenden Sie sich wegen Importgelegenheit vertrauensvoll an mich. "Holy Baby", einfach DIE Marke. Auch Kindertöpfe für das tägliche Geschäft können wir mit "Eliger Stuhl" bedrucken, gegen 99 NT Aufpreis pro Stück, alles kein Problem.

Montag, September 10, 2012

Pleite in Taiwan

Jung, kein Geld, von Freundin rausgekegelt, nichts gelernt, Touri-Visum läuft ab, schlecht bezahlter Job, 500 Euronen umgerechnet als "Englisch Teacher". Pleite in Asien, planlos in Taiwan. Ein junger Mann aus den USA steht ohne Dollar in Taiwan und bittet um Rat im Ausländerforum (https://forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=8&t=113308). Was soll man da raten? Freundin ganz ganz doll um Verzeihung bitten, Dreadlocks ins Haar drehen und Mittvierziger Taiwanerinnen im Business-Suit in der Fußgängerzone ansingen mit dem E-Piano? Irgendwie sowas. Wie würden Sie entscheiden?

PS: Es gibt natürlich sehr wenig Fußgängerzonen. Hartes Brot.

 Schwer haben es die "English Teacher" in Taiwan. Wer Blondinen mögen würde hätte es sogar noch schwerer
  

EDIT: Ein anderer Diskussionsteilnehmer schlägt vor, er solle in die US-Marine eintreten. Hmmm.... "Freundin um Verzeihung bitten" klingt da vielleicht doch nicht so schlecht. Kriegt man natürlich keine Uniform.

EDIT2: Bin überzeugt davon, in einem Jahr postet er Fotos von seinen Kindern im Forum. Weil die erste Büro-Xiaojie, die er nach dem Weg zum Hafen gefragt hat, sich unsterblich in den jungen Waiguoren verliebt hat. Ist ja Taiwan hier.

EDIT3: Was? Er hat 15 Piercings und gedehnte Ohrläppchen? Das wird immer spannender. Wo ist das Popcorn, wo der Eistee? Ohne Zucker natürlich beides. OK, die meisten Xiaojies hier sind eh kurzsichtig, alles nicht so schlimm, solange es nicht allzu sehr klimpert. Mann, ich bin erst auf Seite 1 und bin schon fix und fertig. So ein aufregender Thread mal wieder im Forum.

EDIT4: Mein Gott, er hat Kontakte in den USA; weiß aber nicht wen oder wo. Hmmmmm..... Ich kenne da eine Laura, weiß aber auch nicht wo die wohnt oder ihren Nachnamen. Amerikaner gucken mich immer so komisch an, wenn ich Grüße an sie bestelle.

EDIT5: Er will keine Freundin mehr, weil seine letzte ihn ändern wollte. Na kein Wunder! Am Ende hat es doch zu sehr geklimpert. Ist das spannend, ich habe schon Atemnot.

EDIT6: Nicht zur Marine, sondern Computerprogrammierer werden sagt jemand. Toll, denke ich, das ist endlich mal ein guter Vorschlag. So ein intellektueller Kopftyp wie er kann das sicherlich. Mal eben nach der Wasserpfeiffe ein JAVA-Applet und schon ist alles geritzt. Er kann gut Photoshop, sagt er. Und will einen Doktortitel haben. Es bleibt spannend. Marine und Doktor, hmmm....

EDIT7: Er fällt furchtbar auf mit dem großen Loch im Ohrläppchen, durch das man einen Finger stecken kann, sagt er. Mir ist das zu aufregend geworden....

EDIT8: Er soll sich einen Bart wachsen lassen und Arabisch lernen sagt jemand. OK, das mit dem Bart habe ich dazu gedichtet (Schlacht am Tora Bora in Afghanistan: Die GIs rücken vor, da schmeißt ein bärtiger Taliban sein Gewehr weg und ruft "Don't shoot, I am an Englisch Teacher from Taiwan!!!!).

Freitag, September 07, 2012

Handyritis

Während die Insel Taiwan komplett auf Smartphones umgestiegen ist und jeder Taiwaner unter 30 stets und ständig so ein Minitablett-Ding in der Hand hat und in der Garküche mit den soßenverschmierten Fingern wie ein Scheibenwischer auf dem Touchscreen herum reibt oder sich zwei Minirock-Xiaojies und ihre zwei orangehaarigen Boyfriends wortlos im Lokal gegenübersitzen und alle vier mit dem Koppe nicken und auf dem Bildschirm mit den Fingern bei Facebook herum zwirbeln, habe ich noch völlig die Finger von diesen Teufelsdingern gelassen, die sicher von Aliens erfunden worden sind, um den Menschen den letzten Rest des Verstandes zu rauben - den, der nach der Benutzung von Windowsrechnern überhaupt noch übrig geblieben ist.



Ein bisschen unheimlich finde ich auch, wie damals erst alle gleichzeitig auf das Motorola RAZR umgestiegen sind und dann diejenigen von uns, die es verloren hatten, auf das kleinere KAZR umwechselten (meines im Bild, links und rechts). Es war wirklich unheimlich, auf der Cebit 2006 oder so hatte jeder so ein Ding am Ohr, RAZR oder KAZR. Doch dann wechselten alle gleichzeiig in der selben Sekunde auf das iPhone, nur ich eben nicht. Mir war mein KAZR immer noch ein Mysterium mit seiner Sprachfunktion (habe ich nie richtig hingekriegt, weil es nur bei amerikanischem Akzent funktioniert, etwa Kären staat Karen - nicht, dass ich eine solche noch kenne würde seit 1978), seiner E-Mail-Funktion, dem nie funktionierenden Browser und den vielen Menüpunkten.

Schließlich fiel bei meinem alten KAZR von 2006 (links) hinten der Batteriedeckel immer raus und nachdem einige Straßenhunde drauf herumgekaut hatten, blätterte das Silber vorne ab, so dass man ständig an Lungenkrebs denken musste (aka Asbest im Kürper, nur ohne Asbest). Meine Frau drohte mir mit einem taiwanischen Smartphone (gruselig) und schenkte mir schließlich ein widerwärtiges NOKIA ohne Klappbauweise. Wie soll man denn mit sowas telefonieren? Bis ich die Tastatur entsperrt gekriegt habe mit meinen kaukasischen Fingern kann ich auch gleich persönlich vorbei gehen und anklopfen.

Das letzte Stündlein meines KAZR hat sicher dann geschlagen, wenn dieser anonyme Gott der Zerstörung es einmal in den Fingern hat....


In Deutschland ergab sich bei Ebay für 17 Euro die Lösung, ein fast neu aussehendes KAZR mit deutscher Firmware (rechts, getarnt mit Schutzhülle made in China). Nur kam es nie richtig ins Telefonnetz, nur jedes zweite Gespräch kam rein oder ging raus. Die Lösung war sonnenklar: Ein einheimischer Kollege mit geschickten Fingern baute mir die Innereien meines alten KAZR Handys in das Gehäuse des deutschen KAZR und umgekehrt.

Jetzt habe ich wieder mein KAZR zurück und entdecke stündliche neue Funktionen darin. Den persönlichen Desktop mit dem Bild meiner Frau und unserem kleinen japanischen Hund (der als tapferer Samurai wohl Harakiri mit einem ponygroßen Mörderhund beging oder von den Nachbarn verspeist oder gestohlen und verkauft wurde - das ist leider nie so ganze geklärt worden, verdammte Hakka-Bande auf dem Dorfe in Taoyuan) hatte ich schon länger, und auch das Babygeschrei meines Sohnes als Klingelton. Jetzt habe ich noch entdeckt, wie ich meiner Frau einen eigenen Klingelton zuweisen kann - nach 6 Jahren endlich gefunden! Ruft mich meine Frau an, stößt das Handy jetzt eine Beschimpfung auf Chinesisch mit ihrer Stimme aus - nimmt also sozusagen das Gespräch vorweg.

Meine erste Email vom Handy habe ich auch dieser Tage verschickt und war sogar im Internet. Allerdings sagt mir jede Webseite außer Google mit dem Ding, ich würde Java im Browser brauchen. Super!

Mit einer 2GB-Speicherkarte habe ich das Ding jetzt sogar als USB-Stick in Betrieb. Hmmm... muss mal gucken was passiert, wenn ich ein Linux-OS auf die Flashkarte schreibe (so starte ich sonst Server hier im Unternehmen). Mein eigenes Textlinux auf dem Handy - das wäre was.

./dial 555 34 54 22
No connection.
./ fuckyou | dial 555 34 55 22
Hey can you make up your mind out there?

Allerdings ertappe ich mich in letzter Zeit immer öfter dabei, wie ich gebannt über das kleine Ding gebäugt dasitze und auf den winzigen Bildschirm starre und mir dabei den Rücken verkrümme.
Aber immerhin kann ich jetzt wieder Leute nervös machen, die im Fahrstuhl das schreiende Baby suchen oder sich empört nach der schimpfenden Frau umgucken....

P.S:: All die widernatürliche Handyfummelei ist bei mir nur die Folge davon, weil mir die Krankenschwester oben unter dem Dach (nein, sie heißt nicht Karlson) Süßigkeiten verboten hat. Seither habe ich ständig Handy oder Digicam in der Hand. Schröcklich.

Aufstockinesien

Wenn Sie in Taiwan plötzlich einen Kollegen im Büro nicht mehr finden können, sitzt dieser vielleicht in einem neuen Stockwerk oben auf dem Dach. Oder in dem darüber. Taiwan ist "Aufstockinesien", ohne dass das in den Gebäudeplänen baupolizeilich vorgesehen ist, setzt man hier gern ein Stockwerk oder zwei oben drauf, gerne in Wellblech, das sieht immer schick aus, manchmal aber auch in Stein. Wird schon halten und tut es scheinbar auch, sogar bei den zahlreichen Erdbeben. Weil man hier fast immer erdbebensicher baut, ist vermutlich in der original-Statik so viel Luft, dass es noch passt mit den zwei Etagen drüber.

Macht richtig Spaß in so einem Bild zu suchen, wo überall was aufgestockt wurde, hier in Taipei-Jonghe. Jonghe ist eine der hässlichsten Vorstädte Taipeis, wo jeder Quadratzentimeter betoniert oder mit Wellblech zugeflastert ist und die Gebäude bisweilen Kreuz und Quer stehen. Die roten Pfeile markieren Aufstockbeispiele. Konsequenzen hat das meist keine, als ich mit Frau mal in einer Wellblechetage auf dem Dach gewohnt habe (tolle Anfangszeit), da war unten ein Zettel an der Tür man möge aus dem Haus bis heute Abend ausziehen, es würde insgesamt abgerissen. Wäre aber gar nicht gegangen, dann wäre sonstwas zusammengefallen, dicht an dicht wie alles ineinander gebaut ist. Ist auch nichts passiert.

Reihenhäuser haben immer eine Dachterasse drauf, die vorgeschrieben ist, damit sich die Leute bei Feuer drauf retten können, schließlich hat man hier fast immer vergitterte Fenster und niemand hat mehr eine Ahnung wo der Schlüssel ist. Man baut natürlich die Dachterrasse mit Wellblech und vergitterten Fenstern sofort zu und wirft dann die Schlüssel für die Fenstergitter weg, das ist klar.

Immer mal wieder gut, wenn man als Ausländer irgendwas für die naseweise Meckerei findet, man fühlt sich einfach besser danach.

Mittwoch, September 05, 2012

Neffenbildung Teil 2

Eben noch lasen wir von den Nöten meines Lieblingsneffen, der in den USA in einer Art Bibelschule ist (scherzhafte Bezeichnung nach dem Vorbild "Koranschule") um von Jesus und der wilden Dreizehn zu lernen (jetzt bringe ich irgendwas durcheinander), da fällt mir noch der nächste Neffenbildungsnotstand auf hier in Taiwan. Na eigentlich kein richtiger ... Neffe, weil da ist ja De-de, (sprich es fast "D-d"), der Freund meines Lieblingsneffen, den die Familie meiner Frau hier so mit großzieht, weil.... weil ...... das sowieso hier in Taiwan Mode ist die eigenen Kinder irgendwo anders großziehen zu lassen.
Anyway, mein Beinaheneffe D-d wird jetzt mit dem Studium des japanischen anfangen, an "der besten Universität Taiwans", wie meine Frau sagte. Das ließ mich fast mein japanisches rohes Rindfleisch wieder ausspeien, das sowieso ganz und gar ekelig war. "Wieso studiert er Japanisch, er spricht doch kein Wort Japanisch!?", erkundigte ich mich später diskret.
"Ja eben", sagt da meine Frau, "das soll er ja gerade lernen!"

 Vorsicht in der ersten Japanisch-Vorlesung: Dozent redet möglicherweise Auswärts

Äh.... nun kenne ich das so, dass man nur Englisch an der Uni studiert, wenn man schon einen Leistungskurs in Englisch hatte auf dem Gymnasium, mal auf deutsche Verhältnisse übertragen. Ich hoffe also, D-d wird keine unschöne Überraschung erleben, wenn er bald in der ersten Vorlesung sitzt und alle auf Japanisch reden. "Riben Hwa" (Rüben Hua), wie man das hier nennt (das ü irgendwie zwischen i und ü gesprochen).

Andererseits ist das hier Taiwan. Vielleicht kommen da lauter Ahnungslose an die Uni und sprechen dann nach 4 Jahren ein paar Brocken Japanisch. Wer weiß, möglich wär's.

Ein taiwanischer Doktor der Japanologie kann in Japan eine Flasche Sake ordern (und kriegt einen Kugelfisch), ein Professor traut sich, allein Fahrkarten in der U-Bahn zu kaufen in Tokio etc. Taiwan eben.

Jesus! Ich brauche Nachhilfe!

Obigen Titel wird schon so mancher Schüler in höchster Lernpein ausgerufen haben, jedenfalls in Bayern mit einem zwischengesetzen "Maria und Josef". Ähnlich ergeht es meinem Lieblingsneffen, der zur Zeit in den US of A im provinziellen Maria-Land (der Fachmann sagt hier Maryland) ein Austauschjahr macht und seine Heimat Taipei verlassen hat. Seine Eltern sind Taiwanchristen, will sagen irgendwie Freistilchristen, soweit meine Frau mir das richtig erklärt hat, beten sie Maria an, aber halten nicht so viel von Mr. Jesus, ihrem Filius. Mir geht das auch so, manch nette Mutter finde ich viel interessanter als....
STOP! Schweifen wir nicht vom Thema ab. Jedenfalls schwante mir schon böses, als ich im Internetto die Webseite seiner Schule sah. Da spielten die Jungs und Mädels Gitarre und sagen laut Bildunterschrift Jesus an. Mit Freistilchristentum a la Taiwan, wo Mutter Maria eine der chinesischen weiblichen Gottheiten ersetzt hat (aha!) kommt er nicht weiter, in der Schule hat er nun Probleme mit Jesus, seinem ganzen Gefolge, fiesen Römern, die mit Kreuzen drohen (was haben Italiener bloß damit zu tun wird er sich fragen, denn europäische Geschichte lehrt man hier nicht an der Schule) und der ganzen Bibel.

 Maria in Taiwan (Taipei): Manchmal muss sie den Job vom Sohn mitübernehmen.

Geometrie, Mathe sowieso und Englisch, Bio und Physik, entweder lernen sie das nicht so (mit Bio wäre das ja schon schwierig, ich meine von Wegen Evolution, die darf es ja nicht gegeben haben), oder eben alles kein Problem. Nur die Bibel bereitet ihm Kopfzerbrechen, er weiß nicht wie man in der Wüste in Walfische rein oder wieder raus kommt, brennende Büsche hält er höchstens für ein feuerpolizeiliches Problem und wenn irgendjemand eine Sandale hochhält und Gefolgschaft verlangt oder munter auf wogendes Meer zuläuft und durchgehen will, dann kann er, nur die Stirn runzeln, schließlich ist er mit gesundem Menschenverstand ausgestattet.

Glück hat er allerdings, die amerikanische Familie bei der er unergebracht ist, ist wirklich sehr nett (Frau und ich hatten kürzlich seine Gastmutter im Videochat) und bringt ihm nicht nur bei in der Küche zu helfen und den Tisch zu decken (musste er bei meiner Schwiegermutter nicht, wo er groß geworden ist, mache ich ja auch nicht), sondern sie erklärt ihm das alles geduldig mit Jesus und der Bibel. Enorm bibelfest ist die Familie offenbar, wie sich das dort gehört.

Sonst verläuft sein Leben undramatisch, er mäht den Rasen in der friedlichen Vorstadt und spielt manchmal bei Freunden der Familie mit dem Schlittenhund. Man ahnt langsam, dass einem Hollywood nicht so ganz die Wahrheit erzählt, keine Drogengangs fahren mit lauter Rapmusik durch die Gassen, keine Überfälle auf dem Weg zum Bäcker und Afroamerikaner mit verschmustem Schittenhund darf es in Hollywood auch nicht geben.

Er scheint es toll getroffen zu haben, die Familie hatte ihm sogar ein "Welcome Home" zur Begrüßung ans Fenster geschrieben.

Dienstag, September 04, 2012

Altes Auge, schön Dich wiederzusehen ... äh...

Merkwürdiges Gefühl beim Herumwühlen in der Truhe im Keller im elterlichen Reihenhaus in Niedersachsen vor ein paar Wochen. Da war meine ganze Kindheit verwahrt. Ich wollte eigentlich nach dem dicken Märchenbuch forschen, das ich für meinen eigenen Junior wollte, aber es war leider nicht mehr da. Vor Jahren hatten wir es wohl an irgend jemanden in der Familie verschenkt. Stattdessen fand ich Zigarrenkisten voller alter Kameraden. Ritter, die furchtlos ihre Lanzen und Schwerter hielten, Trapper mit Lasso und Schießgewehr, alles genauso wie vor Jahrzehnten. Ein eindeutig spanischer Conquistadore - Helm lag zwischen Indianern, ganz so wie er in Filmen manchmal von Hollywood als Relikt in Indianerzelte gelegt wird. Erinnerungsfetzen tauchten plötzlich auf, die Plastik-Ritterburg, die ich immer zusammengesetzt hatte (Playmobil glaube ich), die die Ritter bewacht hatten. Toll wie die Figuren die Jahrzehnte überstanden hatten, so als hätte ich eben die Zigarrenkiste erst zu gemacht nach der letzten Spielsession.

Nur..... sie kennen den Effekt vielleicht, wenn sie alte Jugendfreunde nach Jahrzehnten wiedersehen. Einer ist immer dabei ... der hat .... der hat einen anderen Lebensweg genommen. Sieht anders aus als die anderen.


...... siehe unten ...



..... es wird ein Schock, glauben Sie mir, Sie kennen ihn auch.....



..... oh weh....





Oh Ernie, what the fuck man?  Wo bist Du drauf? Crystal Meth? Crack? Was hast Du die ganzen Jahre gemacht in der Zigarrenkiste? Oder bist Du jeden Abend mit dieser halbbekleideten Strohrockpuppe aus dem sonnigen Süden, von irgendeinem Souvenirkiosk von den Eltern mitgebracht, um die Häuser gezogen? Und wo ist sie jetzt? Abgehauen natürlich (war nirgends zu finden). Und Du bist pleite und siehst aus wie ein Schneemann. Ernie auf Koks. Ja nun grins nicht so verlegen, ist Dir peinlich, schon klar. Und wo hast Du Bert gelassen? Ach so, der ist mit der Strohrockpuppe .... OK, never mind. So genau wollte ich das alles gar nicht wissen. So Ernie, war schön mit Dir zu reden, denke ich, aber ich muss jetzt weiter. Ich habe da so eine aus dem Fernen Osten und .... OK Ernie, danke für die Warnung. Ja ich sehe, wie sowas enden kann. Äh.... schluck. OK; ich bin vorsichtig Ernie. OK, leg Dich wieder hin. Alles wird gut....
   

Montag, September 03, 2012

Philly Cheesesteak

Kurzmeldung in Luigis kulinarischem Blog: Ein Philly Cheesesteak ist ein weiches Baguette mit geschnetzeltem Steakfleisch und Käse überbacken aus Philadelphia. Hier in Taiwan hatte ich gerade eine Papiertüte mit einem grinsenden Taiwaner drauf gemalt, neben dem "Philly Cheesesteak" stand. Mein Philly Cheesesteak hatte Knochen im geschnetzelten Steak und der Käse entpuppte sich als saure gelbe Salatcreme. Taiwaner vertragen ja keinen Käse und so hat man viel Falschkäse hier. Der Bäcker bei uns an der Ecke hat kalte Sandwiches mit hervor lukenden Käsescheiben, die aber bloße Ausstülpungen des Brotes sind, mit gelber Lebensmittelfarbe.

Lecker! Oder Taiwanlecker eben.

Laien-Unternehmertum

Die Idee meiner Frau, Schwiegermutter ein italienisches Restaurant eröffnen zu lassen, findet nicht gerade meine Zustimmung, das ist vielleicht schon jedem klar geworden (http://bobhonest.blogspot.de/2012/08/ristaurante-la-mama-etc.html :-) und allen Göttern sei Dank ist in dieser Hinsicht auch noch nichts konkretes unternommen worden - außer mir den Nerv zu rauben. Mein Einwand war immer, das wir als La Familia in Punkto Gastronomie keine Erfahrung haben würden, aber - so machte meine Frau deutlich - mangelnde Fachkenntnis ist in Taiwan kein Hinderungsgrund ein Geschäft auf zu machen. In der Tat haben wir einen "Italiener" direkt an der Ecke, der wohl der Blueprint für die Pläne meiner Frau ist. Dieses Lokal machte vor etwa zwei Jahren zu meiner Freunde in einer ehemaligen Garküche bei uns an der Ecke auf. Freude nicht wegen dem Essen, denn es entpuppte sich anfangs als völlig geschmacklos, sondern wegen der Sauberkeit des neuen Pseudoitalieners. Picco bello ist die Sauberkeit dort, ganz das Gegenteil von der ekeligen Garküche vorher, bei der große Käfer zwischen Salatresten auf dem Bürgersteig herum krochen und das Kleinkind des Hauses hosenlos im Bürgersteigsalat stand und auf den Boden strullte. Wieso da noch Leute Essen gekauft haben begreife ich nicht, auch gerade wegen der Fäulniswolke aus dem Lokal - aber vielleicht ist ja zum Schluss jemand am Essen gestorben oder hatte einen Käfer zwischen den Zähnen, ich weiß es nicht.

 Frau (rechts, mit Gabel) übt sich in Personalmanagement für Restaurants. Hier allerdings beim Urlaub in Thailand. Thailand, nicht Taiwan. Verwirrte Leser sagen jetzt drei mal "Thailand Taiwan" hinterheinander und ahnen dann, es gibt einen Unterschied.

Der neue Italiener nun hat nur Nudelgerichte, Risotto und Pizza. Der große Renner unter den Nudelgerichten ist ein chinesischer Seafood-Nudeltopf, bei dem lediglich die chinesischen Nudeln durch Spaghetti ersetzt worden ist. Etwa 50% der Kunden bestellen das. Die restlichen 50% bestellen Spaghetti mit Seafood, mit einer Art Bolognese dazu. Ich hatte immer Nudeln mit weißer Soße und Hühnerwürfeln drin, völlig geschmacklos, ohne Salz und ohne Wein und ohne Gewürze, aber hübsch anzusehen. Und die Champignons an der Sauce waren recht lecker, da hat ja Mutter Natur schon gewürzt. Die Pizza ein untertassengroßes Ding ohne Geschmack, ein angeschmorter trockener Alptraum. Der Luigi in mir hatte da wohl seine erste Erweckung, wollte ich doch manchmal die Frau Oberin beim Kragen packen und schreien "Vino an die Sauce, Vino Blanco, und eine poco Oregano, aber prego!"

Rotwein oder Grappa gibt es dort nicht, Taiwanchinesen trinken nur süßen Eistee zum (genau genommen: nach dem) Essen, den es gratis gibt. Außerdem vermeiden viele Familienrestaurants die Gabe von Alkohol, da taiwanische Herren dafür bekannt sind, schnell beim Alk die Kontrolle zu verlieren und das Mobiliar zu zerschlagen, wie meine Frau das mal ausdrückte.

Aber eines war das Lokal: Brechend voll. Schnell expandierte es, in dem es die Bibliothek nebenan übernahm und in zusätzliche Sitzfläche verwandelte (macht nix, da haben die jungen Leute eh immer nur Mangas gelesen). Am Wochenende muss man lange vorbestellen für das einfache Essen, gestern am Sonntag Abend standen wohl 25 Leute auf dem schmalen Bürgersteig und warteten auf einen der begehrten Plätze.

Was gibt es dort sonst noch zu Essen? Saltimbocca a la Romana? Nein. Rinderfilet? Nein! Schweinefilet? Medallions? Nein. Maccaroni? Nein! Ravioli? Nein! Lasagne? Nein Nein Nein!  Leckere italienische Nachspeisen? Nein, oder wenn dann vom Supermarkt aus dem Tiefkühlfach.

Das Essen wurde etwas besser, als ein Konkurrenzbetrieb in der Nähe aufmachte, der deutlich besser würzte. Jetzt haben sich Oregano und Wein an die Gerichte verirrt. Vielleicht habe ich aber auch immer zu laut "No damned wine in the sauce and they think Oregano is state in the US" geschimpft und sie haben irgendwann nachgeschlagen was die Begriffe bedeuten.

Frau erklärte mir heute, die Betreiber seinen ehemalige Gemüsehändler. Hatten also einen kleinen schmuddeligen Gemüsestand auf dem "Nightmarket". Nie kochen gelernt, aber Nudeln kann halt jeder.

Meiner Taiwanfamilie hat es früher, als noch kein Geschmack am Essen war, viel besser dort geschmeckt, da sind sie immer wieder hin, heute eher selten. Bessere Italiener lehnen sie ab und jetzt wollen sie auch nicht mehr ins Eckristaurante. Zu salzig das europäische Essen. Zu groß und zu fettig die Pizza. Zu italienisch. Pfui deubel. "Wir Chinesen mögen es eben nicht europäisch", erklärte mir ein Taiwaner aus der Familie und lobte das italienische Ristaurante an der Ecke.

Was wird Schwiegermutter kredenzen? Fake Italienisch nur für Einheimische?
Nun, bislang haben wir das "Luigi-Siegel" eingeführt, das heißt in dieser frühen Planungsphase muss ich alle Gerichte erstmal gut heißen. Sonst werden sie nicht kredenzt. Bislang fand nur das Gulasch von meiner Frau meine Gnade, es war außergewöhnlich köstlich (sollten wir ein ungarisches Restaurant aufmachen?*). Daher ist jetzt auch viel "internationale Küche" geplant. Was meine Frau und Schwiegermutter für "Rinderroulade an grünem Spargel" hielten, fand trotz Drohungen, Ehekrach und mehrfachem Flehen und Lektionen über chinesische Gesundheitsküche NICHT meine Gnade. Kein Luigi-Siegel bekommen. In Rotweinessig sauer eingelegt salzlose Fleischfladen an grünem Spargel. Das geht so nicht.

Erschreckt hat mich meine Frau, als sie mir heute morgen erzählte, auch die taiwanische Massagepraxis (http://bobhonest.blogspot.tw/2011/11/nutella-oder-mayo-chin-trad-heilkunst.html), die massenhaft verstauchte und verquollene Gliedmaßen mit Massage und traditionell-chinesischen Packungen behandelt, sei ... ein Laienbetrieb, die Betreiber hatten vorher einen Fried Chicken - Stand oder sowas in der Art ... und machen jetzt viel Geld mit der ihnen unbekannten Gesundheitspraxis.

So gesehen wäre unser Ristaurante das orginalste im ganzen Stadtteil, habe ich doch einen echten italienischen Onkel, der leider schon verstorben ist. Zwar ohne Blutsverwandtschaft, aber im Vergleich zu den anderen wären wir richtig authentisch. Und mit Luigi-Siegel sowieso.


* Authentisch-ungarisch wären wir auch. Ich hatte mal für 2 Wochen eine Wohnung am Balaton in der Plattenbausiedlung gemietet und kann perfekt das "Chaotsch! Chaotsch!" nachsprechen, das G. Schmidt, wie mein Vermieter verwirrenderweise hieß, immer von sich gegeben hat.



Mehr zum Thema Taiwaner und italienisches Essen bei Luo2 Yuo1: http://luo2you1.blogspot.com/2012/09/italienisch-essen-mit-taiwanern.html

And now for something totally different: Der in Taipei lebende deutsche Journalist Klaus Bardenhagen wirft einen Blick in die Park und auf die Alten und ihre bisweilen vorhandenen Dienstmägde: http://www.intaiwan.de/2012/09/01/wenn-taiwaner-alter-werden/