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Donnerstag, Dezember 18, 2014

Japan, Museum, in Reih und Glied

Ordnungswütige Ordner organisieren ein ... äh ... Trickfilmmuseum in Tokio bis zum Overkill. Und ebenso ordnungswütige Verkehrspolizisten, die ganz genaue Vorstellungen davon hatten in welchem Winkel und Abstand Ludigel zu einem Blumenbeet stehen sollte ließen den Verdachtaufkommen, die Ordner im Museum könnten möglicherweise mit ihrer Ordnungswut nicht ganz allein dastehen.

Die Reise nach  Japan im März dieses Jahres (hier letztes Posting aus der Reihe) eröffnete wieder den Einblick in eine ganz andere Kultur, auch wenn manches ähnlich mit Taiwan ist. Oder wie der Thailänder (und nicht der Taiwaner) salomonisch sagen würde: "same same but different".

Abgepackte Sandwich haben sie dort auch, nur vielseitiger als in Taiwan.

"Den Fischkopf willst du bestimmt für dein Blog fotografieren" sagte meine Frau. Recht hat sie, nur hatte ich gerade ein 28mm-Weitwinkel drauf mit Festbrennweite, da ist er etwas kleiner unten in der Mitte. Sähe aber sonst auch zu ekelig aus.

Hier in den Büro- und Einkaufsecken ähnelt Tokio sehr den entsprechenden neuen Vierteln in Taipei in Taiwan, nur dass Tokio wohl keine schmuddeligen grauen Plattenbausiedlungen hat, die eben das alte Taipei ausmachen.

Hier im Zentrum und den U-Bahnanlagen fielen mir schon die vielen Schülerinnen im Ultramini auf und ich dachte, als Vater einer hypothetischen Tochter würde ich da ziemlich genervt sein. Wieso müssen Schülerinnen (nicht im Bild natürlich) grundsätzlich Höschenblitzer sein, während ihre männlichen Gegenstücke lange Hosen tragen? Und als eine halbe Schulklasse von Abschlussschülerinnen (mit gefühlten 18-19) mit Ultraminis und auf das Pflaster knallenden College-Schuhen (und Strohhüten) an mir vorbei schritt dachte ich, Gymnasiallehrer muss hier ein harter Job sein. Das Frauenbild in Japan schein noch patriarchalischer zu sein, auch als ich mal einen Blick ins Backoffice des Hotels durch eine geöffnete Tür werfen konnte, sah ich da sich devot verborgene hübsche Frauen und Männer in dunklen Businessanzügen. Frauen nur zum Bedienen und Servieren offenbar. Oder hat da das Japan-Klischee im Kopf die eine beobachtete Szene zu sehr generalisiert? Wer weiß.

 Eintönige Viertel sind immer etwas weniger eintönig als in Taipei/Taiwan und vor allen Dingen nicht so schmuddelig. Auch wenn hier ein Sonnenstrahl und etwas Wärme wie auf dem Werbeschild nicht schaden könnte.

Unsere Reisegruppe wurde unnachgiebig in ein Museum in einer Vorstadt von Tokio gelotst. Da kann man große Augen machen, aber das ist trotzdem der Reisegruppenrythmus wo man mit mus, da hilft nichts.

Möglicherweise handelte es sich um das "Ghibli Museum Mitaka", aber mir ist das ehrlich gesagt halbwegs egal. Das Museum hatte in erster Linie sich selbst auszustellen und strahlte manchmal eine poppige Niedlichkeit aus, dann wieder im Inneren ein merkwürdig verbautes Sammelsurium aus schmiedeisernen Wendeltreppen und durch die große Halle gehenden schmiedeisernen Laufgängen und Balkonen. Erwartungsvoll kletterte ich viel zu kleine Gänge und Treppchen hoch, den Kopf einziehend, schob mich durch ein rundes Loch und erwartete irgendetwas besonderes. Und stand dann doch nur wieder vor den Toiletten, die auch durch die normalen Gänge und Treppen erreichbar waren. Okay, never mind. Was gab es also auszustellen? Nun, es gab einen merkwürdig oberlehrerhaften Trickfilm, bei dem ein Cartoon-Charakter und ein Hase sich um einen Krückstock stritten und ihn am Ende einer älteren Hasenfrau brachten, der er auch gehörte und die in einem superniedlichen Haus wohnte. Okay, Lesson learned. Respektiere die Älteren! Und es gab einen winzig kleinen Raum neben der übergroßen schmiedeeisernen Halle mit Notizen des Trickfilmmachers. Konnte ich wenig mit anfangen. Bestimmt hatte er auf Japanisch "Respektiere die Älteren!" notiert, der gute Mann. Aber so ist es mit kulturellen Ikonen (?), der Expat teilt sie nicht unbedingt.  Es gab noch einen engen Raum, wo man durch Ferngläser auf Regale voller irgendwie halbwegs niedlicher Miniaturhasen und Papphäuser gucken konnte, aber alles nicht wirklich interessant genug um einen zweiten Blick zu riskieren. Aber bestimmt ergoogelt gleich ein Leser den ikonischen Wert all dieser Dinge und es ist ja auch in Ordnung. Für Japaner ist das bestimmt toll und die taiwanische Reiseleitung kriegt nun mal Provision vom Museum.

Wirr aber die militärische Verwaltung des Museums, die uns dazu brachten hinter Absperrketten am Eingang in Reih und Glied zu stehen. Höfliche, adrette junge Männer und manchmal Frauen, aber granithart hinter höflicher Fassade und so schnell den entspannten Besuch in eine Disziplinübung verwandelnd. Aber es war auch wieder amüsant sie zu beobachteten, wie sie hin und her rasten, als gelte es einen Feldzug zu überwachen. Oder einen Gefangentransport. Hielt man einen Hauch zu viel Abstand zum Hinterteil des Vordermannes, raste ein junger Mann heran und deutete einem höflich-energisch an, man müsse bis auf Tuchfühlung ran. Hing links die Kameratasche nur einen Zentimeter über der Absperrleine, wo die jungen Männer hin und her rasten, dann kam sofort ein Ordner und beanstandete das. Hektisch höflich bekam man innen seinen Besucherpass und wollte man dann noch mal die Treppe wieder hoch, kamen sofort höflich lächelnde Ornderfrauen angerast, die einen daran hinderten, sich nach Frau und Junior zu erkundigen, die noch oben waren ein paar Meter hinter einem. Irgendwann ignorierte ich die Leute und ging einfach dahin wo ich wollte, geht auch.

Junior wollten wir schließlich in einer Kinderspielecke unterbringen. Da hatten sie einen riesigen Plüschbus aufgebaut, in dem die Kinder krabbeln konnten. Aber der Plüschbus hatte Spinnenbeine und vorne einen Katzenkopf. Wirkte auf mich abstoßend hässlich, fand aber bei den Kindern Anklang. Frau wollte Junior einfach in den abgesperrten "Busplatz" setzen, bekam es aber sofort mit Orderinnen zu tun. Es gab natürlich eine lange Schlange, die mit mehreren Absperrketten unterteilt war und so musste auch Junior anstehen. Als er, damals erst 2 Jahre alt, endlich an der Reihe war, bekam er exakt eine 2-minütige Zeitscheibe zugeteilt, in der er aber vor den omnipräsenten Ordnerinnen Angst hatte und zu Mama wollte und prompt kurzerhand aus der Spielecke raus flog. Da dachten wir, es wäre vielleicht auch Zeit uns einfach in den Entspannung von den überorgansierten Japanern versprechenden herbstlich aussehenden Park vor dem Museum zu begeben. Weite Bürgersteige mit reichlich Platz, sogar für eine Kleingruppe wie unsere. Wir standen also irgendwo rum, Passanten hatten immer noch reichlich Platz (es gab sowieso fast keine). Ich wollte gerade etwas durchatmen von der irgendwie ansteckenden Verkrampfung im Museum, da bemerkte ich eine schreiend gelb gekleidete Frau, die irgend etwas von mir wollte.

  Park? Irgendwie schon, aber jeder Quadratmeter wird energisch verwaltet (hier ein männlicher Verkehrspolizist oder dergleichen)

Sie machte Handzeichen, nach denen ich wohl näher an ein Blumenbeet heran treten sollte, damit der Platz hinter mir von 10 Metern auf 10,1 Meter wuchs oder so. Ich ignorierte die Dame einfach. Sind Uniformierte nicht bewaffnet, ist das meist eine erfolgreiche Strategie. Filmschnitt, nächstes Bild. Wir stehen alle aufgereiht in einem in Schlangenlinie durch das Blumenbeet verlaufenden Gang. Die gelbe Dame hatte sich an den Reiseleiter gewandt der uns in fast militärische Art antreten lassen musste. Das war alles weniger nervig als viel mehr amüsant, wie sehr die Japaner darauf bestanden, alles und jenes völlig tot zu organisieren. Ach ja, es gab eine Sitzbank an der Bushaltestelle. Die war auch abgesperrt und wurde auch von Verkehrspolizisten oder was auch immer die Leute waren verwaltet. Setzen nur auf Anordnung. Mir schwante, würde ich in Tokio leben würde es unmöglich sein, Junior auf eine japanische Schule zu schicken. Japan ist nach Geert Hofstede  eine maskuline Gruppenkultur. Das heißt grob paraphrasiert, dass sie gerne Gruppenaktivität mögen und aggressives (aber eben gruppenorganisiertes) Verhalten positiv angesehen wird. Im Gegensatz zu Taiwan, das eine feminine Gruppenkultur ist (Deutschland ist übrigens eine maskuline Individualkultur). Mir schwante, dass "maskuline Gruppenkultur" eben auch aggressives Management von Gruppen bedeutet. Und eine Schule ist ja per Definition ein Gruppenbetrieb.

Interessanter als das Museum selbst war also die Art und Weise, wie es verwaltet wurde. Aber die Überorganisation hat natürlich auch Vorteile. Wie auch Taipei ist Tokio ein extrem dicht besiedeltes Gebiet, was natürlich immer die Gefahr von Schmuddelecken mit sich bringt, weil so viele Leute schnell irgendwo ihr überzähliges Zeug herumstehen haben. Oder auch wild geparkte Mopeds und Autos auf engem Raum. Ganz anders aber Tokio. Mopeds haben sie sowieso nicht, eher richtige Motorräder und beim Parken herrscht Disziplin. Und die Straßen, mögen sie noch so beengt sein, sind blitzsauber. Ich konnte nicht anders als mir so ein winzig kleines Häuschen wie im Bild hier "taiwanifiziert" vorzustellen. Dann wäre das vorne eine schmutziggraue Mauer, die Tür hinge möglicherweise schief in den Angeln und zumindest auf dem Vorhof stünde allerlei Zeug rum. Etwa ein fahrbarer Garküchenwagen mit dem auf den Straßen Teigtaschen verkauft werden (unlizenziert herumstehende Garküchenwagen gibt es in Japan so kaum), vier Mopeds, die alten Kisten und Kasten und Eimer, die man halt so hat und die Fenster wären vergittert und schmutzig und vielleicht mit an das Fenster längst festgepappter Jalousie verschlossen. Nicht immer ist Taipei so, aber oft. Tokio ist aber immer blitzsauber.


Oder diese Straße! Wie sähe die in einer Vorstadt von Taipei aus? Exerzieren sie es mal durch.

WEG MÜSSTE:
* Die saubere Fensterscheibe
* Die "schweren" Motorräder
* Das Verbotsschild

HIN MUESSTE:
* Mehr Gammel an die Fassaden
* Links in der Mitte eine ältere Dame, die Abfall an der Straßenecke sammelt und diese teilweise blockiert und nicht benötigten Müll auf der Fahrbahn verteilt. Auch Windeln. Lecker.
* Lauter private und beim Motorradladen verkäufliche Motorroller, alle im rechten Winkel geparkt, damit es enger wird in der Gasse.
* Noch ein paar PKWs, die die Gasse ganz oder teilweise unpassierbar oder schwer passierbar machen.
* Ein paar Hundehaufen und ein paar Häufchen ausgespuckter Betelnusspriem.
* Die Halle rechts in der Mitte wäre bei uns in der Gegend eine offene Bäckerei (ohne Glasfront, nur mit Rolltor), vor der ein paar Ratten über den Asphalt huschen.

Ergo musste ich beim Anblick dieser Gasse die Japaner, eben noch wegen Ordnungswut gescholten, gleich wieder entlasten. Sie müssen bei der Bevölkerungsdichte wahrscheinlich so extrem organisiert sein, damit alles sauber bleibt.

Was ist nun besser, Japan oder Taiwan? Dat muss jeder selber wissen. Irgendwas in der Mitte mit weniger Leuten wäre nicht schlecht, denke ich.



Dienstag, Dezember 16, 2014

KMT-Urschrei am frühen Morgen

Wieder mal wunderliche Leute im heimatlichen Schlichtwohnviertel

Es ist ein leidiges Thema, "unser" Wohnhaus, ein  Schlichtbau mit seiner 70er-Jahre - Bausubstanz und abblätternder Farbe und Siff im Treppenhaus versetzt mich nicht gerade in Begeisterung, ist aber billiger und erstaunlich ruhiger Wohnraum. Und verkörpert für meine Frau die vertraute Umgebung ihrer Kindheit, in die sie immer wieder zurück will. Meine Lust, neue Wohnraumexperimente in Taipei zu machen hält sich auch in Grenzen. Der bessere Wohnblock in einigermaßen schicker Allee im selben Viertel führte zu drastischer Anhebung des Lärmpegels. Nicht nur schrie die "Generalsgattin" nebenan bei offener Wohnungstür zusammen mit mehreren älteren Frauen in sturmumtosten Nächten immer wieder "Ämen, Ämen, Ämen" (die US-Version von Amen, es waren offensichtlich irgendwie Christen), die besseren Straßen zogen auch Taiwans Lautsprecher-Verkaufswagen magisch an. Die wollen nicht etwa etwas von Bose und Harman-Kardon verkaufen, sondern sie benutzen einen auf dem Lieferwagen angebrachten Lautsprecher, um ihre Waren anzupreisen. Und parkten gerne unter meinem Fenster. Ein in Jongli (Zhongli) gekauftes Reihenhaus in einer Hakka-Community hatte eine ständig lauthals Karaoke singende Nachbarin, die auch noch stahl wie eine Elster (sicher nicht Hakka-typisch, aber typisch für die stadtbekannte Nachbarin) und eine Verwandte eben der Nachbarin kippte hinter unserem Küchenfenster ihren Kot aus, den sie in Eimern sammelte. Als Dünger für ihr Gemüsebeet auf wildem Grundstück. Jetzt wieder wie in den ersten Jahren im Schlichtwohnviertel in einer Wohnung wohnend finde ich es erstaunlich ruhig - und vor dem Dreck im Treppenhaus muss man halt kurz die Augen verschließen.

 Taiwans Präsidentenpalast, in dem heute der chinafreundliche Präsident Ma Ying-Jeou von der KMT (noch) sitzt und in dem einst der japanische Gouverneur saß. Als ich das Ding mal im Original von Vorne fotografiert habe, kam gleich ein Securitymensch angerannt. Hier konspirativ sogar von hinten fotografiert. 


Merkwürdig nur immer wieder ein alter Mann aus der Wohnung unter unserer, der mir schon mehrfach den Zugang zum Haus blockierte, die Türe vor der Nase zuschlug und mich im Treppenhaus anschrie. Völlig unprovoziert. Er mag offenbar keine Ausländer und schreit seine Aversion lauthals heraus. Da komme ich heute Morgen noch schlaftrunken aus dem Hauseingang und habe bepackt mit mehren Taschen nicht die Haustür zugemacht (bin aber auch zwei Minuten später wieder vor Ort, wenn ich meinen kleinen Sohn abhole und zu Schwiegermutter rüberbringe), da steht er im Halbdunkel vor mir, schreit mich mit hysterisch überschlagener Stimme an, dass er das halbe Viertel aufweckt und zeigt dabei mit seinem Spazierstock auf mich, als habe er den leibhaftigen Teufel gesehen. Habe mich etwas erschreckt, das gebe ich zu. Verstanden habe ich nur "Ni ren", den Rest nicht mehr. Also "Du Mensch...". Ich denke, so einen Ehrentitel würde er mir als Nichtmitglied der sinoiden Herrenrasse nicht zugestehen, daher kann man das wohl auch als Schimpfwort benutzen. Oder das "ren"/Mensch wurde durch ein nachstehendes Adjektiv abqualifiziert. Wieder mal denke ich, ich will gar nicht mehr Mandarin lernen, dann würde ich ja den gesamten Unsinn verstehen. Mit dem Krückstock zeigte er auf die Haustür, ich machte sie auch prompt zu, allein damit er aufhörte rumzuschreien. Der Vorfall ist um so blöder, als dass er ja selber gerade im Begriff war, durch die geöffnete Haustür zu gehen und sie dann wieder aufschließen musste. Aber bitte, wenn die Seligkeit dran hängt.

 Vieles in Taiwan hat "China" im Namen, wie eben auch die halbstaatliche Flugline "China Airlines" oder hier ein Schiffbauunternehmen. Dies ist freilich eine Miniatur aus dem "Shao Ren Guo"/Window-on-China - Park im Landkreis Taoyuan. Auch im Namen steckt schon wieder "China", obwohl es doch eher ein Fenster auf Taiwan ist.

In Taipei hatte ich über die Jahre immer eigenartige Vorfälle mit älteren Leute, von denen manche wenige offenbar einen ziemlichen Ausländerhass aufgesogen haben und mich daher an die alten "Wehrmachts-Opas" erinnern, die ich noch aus meiner Jugend in den 70er-Jahren in Deutschland kenne und die mir und Spielkameraden damals oft ein "unter Hitler wäre das nicht passiert" (Ballspielen, Kreidemalen auf dem Pflaster) oder "euch sollte man ins KZ schicken" hinterher schrien.
Taiwan hat da seine abgemilderte Form mit der einst diktatorisch herrschenden Partei KMT und ihrer Rassenlehre-Light, die natürlich den sinoiden Menschen zum Herrenmenschenbild stilisiert hat. Ich nehme an, rechtsradikale Pygmäen haben sich den "Superpygmäen" als Herrenmenschenbild gebaut, das kann auch jeder machen wie er will. Unser Schlichtwohnviertel ist hier jedenfalls um meine Wohnung rum ein Militärveteranenviertel. Und auch der Schreiopa heute Morgen sah wie eine Verkörperung eines solchen aus. Graue Hose, dunkelblaue Jacke und eine dunkelblaue Schirmmütze mit dem Logo des taiwanischen Militärs dran (Kaktusblüte im Ährenkranz). Die Familien hier kommen alle ursprünglich vom chinesischen Festland und stehen fest zu ihrer ebenfalls ursprünglich mit Diktator Chiang-Kai-Shek nach Taiwan rüber gekommenen KMT, deren Parteifarbe dunkelblau ist.

Wenn mich mal jemand fragen würde, würde ich als Nationalsymbol ja nicht die chinesische Kaktusblüte, sondern - zumindest heute Morgen reichlich genervt - den "oben offenen Kackpapier-Eimer im Ährenkranz" vorschlagen. Denn der ist für mich das Wahrzeichen Taiwans - findet man ihn doch auf jeder Toilette hier.

Stramm die Hacken zusammenschlagend,

Ludigel*

* Bar jedweden militärischen Grades

Edit: Und Taiwan aka die Republik-China nannte man ja früher auch "Nationalchina". Da waren die älteren Herrn noch jünger und hatten das Sagen. Die jungen Taiwaner haben aber offenbar China mehr und mehr satt, sei es das alte Nationalchina oder das neue pseudorote VR-China. Siehe HIER.

Montag, Dezember 15, 2014

Deutsch-Deutsch, Deutsch-Taiwanisch, Taiwanisch-Taiwanisch

oder: Völker mischet euch, oder eben auch nicht
Notizen zu einer Begegnung von taiwanischen, deutschen und gemischten Paaren auf einem Empfang

Ohne Ross und Reiter nennen zu wollen werden meine Notizen veranstaltungsanonym in den Raum gestellt. Es trafen sich am kalten Buffet diverse deutsche Expatpaare, ein paar wenige taiwanische Paare und auch zumindest zwei gemischte Paare, letztere natürlich in der vorherrschenden Form aus Deutschem und Taiwanerin, der Blogautor darunter.

Ich selbst kaute gerne den selbstgebackenen Kuchen der deutschen Expatfrauen, wann kriege ich so etwas schon mal. Zwischen all den leckeren Sachen fiel mir eine typische Dinner-Pappschachtel mit angebratenen taiwanischen Teigtaschen ins Auge. Superlecker diese länglichen Dinge, ich esse sie eigentlich für mein Leben gern, bin aber nicht beigegangen, meiner neuen ölkritischen Ernährungsmaxime halber. Denn Garküchenessen so per se vertrage ich nicht mehr - esse eben nur noch von ausgesuchten Garküchen, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Man denke auch an die endlosen Lebensmittelskandale, von denen sich der letzte ums Öl drehte. Auch sonst ging niemand an die Garküchenbox. Die zweite Garküchenschachtel mit Ente a la Hong Kong oder was auch immer das war ging jedoch schnell weg. Eines der zwei (oder drei) rein taiwanischen Paare auf dem Empfang hatte offenbar ein glückliches Händchen bewiesen, das andere nicht. Der Deutsche scheut das Öl dieser Tage im taiwanischen Land.

Viele deutsche Expats im eleganten maßgeschneiderten Anzug, graumeliert oder schon ganz ergraut, markante Gesichter die das Entscheiden gewohnt sind und natürliche Autorität ausstrahlen. Auch beim Zugriff auf den Christstollen. "Nimm dir noch ein Stück und schick mir hinterher ein Memo über die Absatzprognose in Q1" ergänze ich mir den Ton zu den Bildern am anderen Ende der Tafel und ermahne mich gleich selbst zur Fairness, kaue ich doch auf dem köstlichen Bananenkuchen der Deutschengemeinde. Und mir fällt auf, wie sehr ich selbst aus dem Rahmen falle, anfangs mit sage und schreibe fünf Taschen behängt (wir hatten ja Junior mit) und auch am Buffett noch mit Tasche behängt und mit Junior(3)-Füttern beschäftigt. Andere Expats sind immer viel cooler als ich, das fällt mir sowieso immer auf. Alle saßen auch brav während den Ansprachen auf den Stühlen im abgedunkelten Raum, nur wir nicht, weil meine Frau unbedingt da hinten was bei Junior richten wollte, der irgendwo anders gerade war. "Sorry sorry schieb... schieb.....". Wir sind anders als die anderen Expats.

Meine Ohren hören das ein oder andere zynische, das können Expats immer gut. Dann die Taiwaner im Raum, brave Paare, bleiben für sich, so wie die Deutschen unter sich bleiben. Und zwei weitere getrennte Gruppen, das eine deutsch-taiwanische Paar, beide in den 30ern, sie mit Ultramini und modischer Kleidung.. Ganz anders aussehend als die Businessgattinnen der Deutschen. Und Ludigel und Frau und Junior wieder eine andere Gruppe für sich. "Expat im Endstadium mit Anhang", ergänzt die sarkastische Stimme in meinem Kopf das Bild von mir selbst und fügt noch "weit jenseits aller sozialen Konventionen" hinzu. "Rede du nur", antworte ich mir selbst. "Lass uns noch ein paar der Apfelkekse da nehmen, die finde ich sonst ´hier nirgends." Wir einigen uns auf lautloses Kauen.

Am Ende ist alles weg, bis auf die Teigtaschen, Junior will nach Hause und wir verschwinden in die Nacht. Ich suche jemanden zum Verabschieden und nicke den zwei verbliebenen Apfelkeksen zum Abschied freundlich zu.

Mittwoch, Dezember 10, 2014

Wieso sterben die Japaner aus?

Wichtige Fragen stellt man sich beim Disneybesuch....

 "Die Japaner sterben aus" lautet eine gängige Einschätzung, die man immer wieder liest. Hier im Disneyland Tokio besah ich mir daher prüfend die Jugend, die das ja mehr oder minder in der Hand hat. Bei den merkwürdigen Schuluniformen der Schülerinnen (anderes als Mini war offenbar verboten) und dem guten Wuchse der jungen Herrn müsste eigentlich alles in Ordnung sein. Hier gibt es jedenfalls keine Schwierigkeiten, siehe Hut.

Räusper, never mind...

Link

Raus aus Mickeys Garage und rechts abbiegen

Feenhaus

Das Blog springt in munterer Folge zwischen dem mörderischen Manila, dem garküchenöligen Taipei und dem blitzsauberen Japan hin und her. Warum auch nicht. Hier mal wieder Disneyland Tokio.



Link:

Ein paar Meter rechter Hand davon (auch Disneyland)
 

Dienstag, Dezember 09, 2014

Anatomie eines Todes... in Manila

Recherchen zum von Frau und ihrer Schwester diktie.... äh ... zum von uns geplanten Umzug nach Manila auf den Philippinen. Wenn denn der Planungshorizont der beiden taiwanischen Businessfrauen dann noch aktuell ist (oder wie auch immer man das umschreiben soll, dass sie bei taiwanischer Planung alle drei Minuten eh die Naturgesetze ändern)

"Von der Sowjetunion lernen heißt Siegen lernen", so stand es einst in der DDR auf diversen Straßenschildern zu lesen und ganz im Sinne dieses klugen Mottos habe auch ich mir angewöhnt von Fehlern und Tragödien, die anderen Expats passiert sind zu lernen, bevor ich irgendwo hingehe. Die Angehörigen bitte ich um Verzeihung, es geht hier rein um eine Fallstudie aus der ich für mich selbst lernen will, nicht um irgendetwas negatives.

 Das reiche Manila mit seinen Kondotürmen


Bei meinen Recherchen zu Toden von Ausländern in Manila stieß ich auf so viele Tote, dass man sich das alles kaum merken kann. Doch unter den offenbar von ihren eingeladenen einheimischen Damen, eingestellten Dienstmädchen und uneingeladenen Überfallrollkommandos unter anderem wegen Handy und Laptop zu Tode gebrachten Weißen (und einem Koreaner) fiel mir ein Fall ins Auge, der nicht ins Schema passte, aber versprach für mich als Auswanderer relevante Details über Manila zu offenbaren. Ich rede vom Fall von George Anikow, 41, seines Zeichens Major der US-Marines, entweder selbst für die US-Botschaft in Manila tätig oder mit einer Botschaftsangehörigen verheiratet (an der Stelle gab es unklare Infos). Herr Anikow wurde offenbar direkt vor dem Sicherheitstor seiner bewachten Wohnanlage in Manila von vier Einheimischen im November 2012 erstochen. Das ist schon mal ungewöhnlich, stehen doch immer 1 bis 2 bewaffnete grimmige Männer an diesen Toren. Und da machen arme Leute einen Überfall? Direkt vor der Security? Ist Manila also so gefährlich, dass die Leute wie die wilden Tiere Menschen auf der Straße anfallen ohne Rücksicht auf Verluste und eigene Sicherheit? Oder war Rassenhass im Spiel? Oder kannten die Täter den Mann? Ich wollte mehr wissen.



Bizarr sofort, dass die mit Messern aus einem Auto gesprungenen Täter (am frühen Sonntagmorgen) der Oberklasse angehören sollten wie in dem deutschsprachigen Artikel (Link habe ich nicht mehr, englischer Link siehe unten) angegeben. Was war da vorgefallen?

Bei näherer Recherche wurde der Fall immer merkwürdiger. Die Gegend wo der tödliche Angriff stattfand war Makati, offenbar eine gut bewachte Top-Gegend von Manila. Und deswegen war auch nur ein Sicherheitsmann vor Ort (in weniger guten Gegenden sind es mehr), der allerdings mit einer Faustfeuerwaffe bewaffnet war. Hier ist sofort wieder eine Lektion zu lernen: Die durch die stämmigen bewaffneten Herrn scheinbar gegebene Sicherheit ist nur vorgetäuscht: Der Security-Mensch hat schließlich bei der Tat nur zugesehen und nie seine Waffe gezogen! Er gab später beim Prozess an sie vor Wegnahme durch die Täter in Sicherheit gebracht zu haben - durch Nichthandeln / Raushalten. Die Securityleute sind also ähnlich wie die Eisverkäufer, die wir in Manila frequentiert hatten: Die wollten auch kein Eis verkaufen sondern lieber untereinander schwatzen. Hier geht es aber nicht ums Meckern, sondern ums Lernen, wie Manila funktioniert. Und das ist schon eine wertvolle Lektion***. 

Weiter im Text. Herr Anikow war ein kampferfahrener Mann in besten Jahren und vor kurzem noch in Afghanistan gewesen. Nun läuft er in eigentlich sicherer Umgebung auf einen noch sicheren Kontrollposten mit bewaffnetem Wächter zu. Hier hat offenbar ein silberner Oberklasse-Volvo gestanden, der gerade kontrolliert wurde. Wieso zum Teufel ist er dann erstochen worden?

In dem Volvo saßen vier junge Männer in den 20ern, drei "Geschäftsleute" (sind wir das nicht alle?) und ein Student. Sympathische junge Männer, wenn man sie mal ergoogelt, einer sogar mit Jackett. Sie hatten keine für die bewachte Siedlung gültige Zugangskarte, deswegen kam es zu einer harmlosen Diskussion mit dem Wachposten. Jetzt kommt Herr Anikow dazu, angetrunken. Er will sich in die Verhandlungen mit den Insassen des Volvos, den jungen Philippinos aus der Oberklasse einmischen, obwohl er dafür als Anwohner natürlich kein Mandat hat. Offenbar schiebt ihn der Wachposten mit sanfter Gewalt zur Seite, aber der Exsoldat lässt sich nicht beirren. Schließlich beschließt der Securitymensch, den Volvo passieren zu lassen und verlässt das Fahrerfenster des Volvos, dessen Insassen wegen des Eingreifens des Amerikaners leicht genervt sind ("Wer ist das?", fragt der Fahrer den Sicherheitsmann). Der Sicherheitsmann geht vor den Kühler des in Manila auffälligen und Oberklasse signalisierenden Wagens und räumt die Absperrhütchen zur Seite, damit das Fahrzeug passieren kann. Jetzt tritt der Amerikaner ungefragt an das Fenster und erklärt den Insassen "Ihr müsst den Wachmann respektieren. Sie überprüfen hier eure ID, das machen die so" (aus dem Gedächtnis aus den Zeitungsartikeln zitiert). Dann klopft er auf den Kotflügel des Autos.



Dieses wohl mittelstarke Klopfen auf den Wagen wird in jeder Quelle und in jedem Kommentar, den ich zu dem Fall bislang gefunden habe als aggressiver Akt des Amerikaners verstanden. Philippinische Kommentatoren geraten dabei sogar in Rage und sagen, der Amerikaner habe sich damit selbst zuzuschreiben, was dann passiert ist. Was dann passiert ist, ist schnell erzählt: Wie die Derwische springen die vier jungen Männer aus dem Auto, zücken in einem kurzen Handgemenge Messer, der Amerikaner versucht wegzulaufen, wird aber von den ihn 20 Meter verfolgenden und einholenden jungen Männern aus guten Hause dabei von hinten mehrfach mit dem Messer verletzt, einer der Männer (der Fall ist auf Video im Internet zu sehen) sticht ihn dabei von hinten in den Hals. Die jungen Männer brausen mit dem Volvo davon als der Amerikaner blutend am Boden liegt und fordern den Secuirtyguard auf, sich nicht ihre Nummer zu merken, denn der Amerikaner sei "nicht gut" gewesen. Der Wachposten ruft allerdings die Polizei. Der Amerikaner wird im Verlaufe der nächsten Dreiviertelstunde verbluten, denn der Krankenwagen wird sich so lange Zeit lassen.

Und was ist der Stand heute? Prognosen von Kommentatoren waren in zwei Lager geteilt. Die einen meinten, die Oberklassejungs könnten sich ihre Freiheit wie immer erkaufen, wobei eventuell das Mittel eines sich über 10 Jahre hinziehenden Prozesses mit auf Kaution freigelassenen Tätern und rechtzeitigem Absetzen der selbigen vor dem Urteil zum Tragen käme. Andere meinten, jetzt hätten sich die Jungs endlich mal verrechnet, weil die mächtige US-Botschaft für Gerechtigkeit sorgen würde. Und man liest, dass junge Philippinos immer Messer bei sich tragen (wieder was gelernt!).

Was ist der Stand heute im Dezember 2014, über zwei Jahre nach der Tat?
Nun, die sofort festgenommenen Täter sind mittlerweile (nach wohl 9 Monaten Untersuchungshaft oder so) gegen Kaution auf freiem Fuß, der Prozess läuft oder lief, die Anklage ist aber mittlerweile in Totschlag umgewandelt und ein Gerichtssprecher bezeichnete die Beweislage gegen die vier Verdächtigen als "schwach".


Wieder kann man viel lernen, wie die Philippinen funktionieren. Die Oberklasse (die teilweise noch Spanisch spricht im Gegensatz zur Tagalog sprechenden Bevölkerung  - zumindest etwas Englisch sprechen alle, gebildete Philippinos auch sehr gut) steht offenbar in der Tat über dem Gesetz. Das ist die selbe Gesellschaftsschicht, der die Schwester meiner Frau keine Wohnungen vermietet, weil sonst die Inneneinrichtung nur noch Sperrmüll ist. Und man sieht auch, dass die auf mich so ruhig wirkenden Leute in Manila offenbar einen lateinamerikanischen (vgl. spanische Kolonialzeit) Messer-Machismo nur vordergründig verborgen haben. Und wie auch in Taiwan ist der Straßenverkehr offenbar ein probates Mittel zum völligen Ausrasten sonst freundlicher und ruhiger Menschen. Nur auf den Philippinen eben mit Messern und oft auch Schusswaffen.

Ansonsten bin ich glaube ich der einzige Mensch auf der Welt der wirklich verstanden hat, was vorgefallen ist an jenem tragischen Sonntagmorgen. Wie Schuppen aus den Haaren fiel es mir, als ich die Ereignisse (Dialoge am Fahrerfenster, Zeitpunkt des Klopens auf den Wagen) richtig geordnet hatte, denn die Zeitungsartikel erzählten die Ereignisse oft durcheinander, aber mit mehreren Artikeln konnte man es rekonstruieren: Achten Sie mal auf die Filme mit den US-Soldaten in Afghanistan und Irak. Wenn die Autos am Kontrollposten kontrollieren, hauen sie vorne mittelschwer auf den Kotflügel, um dem Fahrer die Erlaubnis zum Passieren anzuzeigen. Der betrunkene Expat, der erst 100 Tage in Manila war, war geistig wieder in seinem Soldatenmodus. Deswegen zog ihn der aus Afghanistan bekannte Checkpoint magisch an. Und er klopfte auf den Kotflügel oder die Haube, als der Wachmann die Passage frei gab. Wie am Checkpoint in den Filmen.


*** Andere Deutung der Inaktivität des Sicherheitsmannes: Die Angreifen gehörten der Oberklasse an. Damit könnte er es gar nicht wagen, einen der ihrigen zu verletzen! Ein toter Oberklassejunge und ein Schütze aus der Unterklasse (wenn auch mit Uniform) klingt danach, als wenn der Schütze das nicht lange überlebt, oder?


Link
http://www.dailymail.co.uk/news/article-2238585/U-S-diplomats-husband-stabbed-death-outside-exclusive-gated-development-Philippines.html

Montag, Dezember 08, 2014

Baumhaus

Mal was anderes, ein Foto von der Disneyland-Tokio - Tour im März dieses Jahres.

Während der Tagestour war es den ganzen Tag am Regnen und Nieseln. Zu meinem Schrecken stellte ich fest, dass meine Neopren (oder was immer das ist) Bereitschaftstasche keinesfalls wasserdicht ist und meine Sony DSLR nass wurde. Ständig waren Sucherbild und Objektiv beschlagen, grauslich. Zu meinem Erstaunen machte die Kamera das jedoch mit, weder Objektiv noch Kamera nahmen Schaden. Die von mir verwendete Sony Alpha 850 soll ja laut Hersteller auch spritzwassergeschützt sein und das war sie wohl auch. Die alten Minolta- oder Tokinaobjektive daran allerdings nicht - aber auch die vertrugen das Feuchtigkeitsbad. Alles made-in-Japan, nicht China, wie man heute so oft hat. Allerdings löste sich bei der nächsten Reise auf die Philippinen der verklebte Spiegel der DSLR - hatte ihn die Feuchtigkeit angelöst?

Zu meiner Verblüffung hielt auch meine 85-US-Dollar "Invicta"-Armbanduhr dem späteren Monsunregen stand, der mich bis auf die Haut durchweichte. Soll ja auch 200m "Tauchtiefe" haben und 200m waren wir bestimmt drin, im Disneyland....

Link: Mount Fuji, Japan

Kack- und Spucktaiwan (mit Chemieabfällen)*

Die Gegensätze vom Erleben von Taipei mit Familienanschluss und als alleinstehender Expat, beim morgentlichen Frühstücksholen

Heute morgen eröffnet mir meine Gattin, dass sie wieder für zwei wie seit Jahren an der einen Frühstücksbude in der Nähe der Firma bestellt hat. Mir bleibt fast das Herz stehen, bin ich doch gerade meine wochenlangen Magenschmerzen los, die etwa mit dem gerade vergangenen Speiseöl- und Talg-Skandal (siehe meine FAQ hier) eines im taiwanischen Besitz befindlichen Unternehmens mit Hauptsitz in China namens "Ting Hsin" (vertrauenserweckender Name, eh?) zeitlich in Deckung zu bringen sind. Abstinenz von den öligen Frühstücksbuden in dem graugrünen Wellblech-Industrieviertel wo ich arbeite trug da erheblich mit zur Gesundung bei. Da bereiten teilzahnlose ältere Frauen ölige und fettige labbrige Toastbrote immer wieder mit viel im Öl schwimmenden Ei zu und die schwarzölige alte Kochplatte, auf der sie werkeln erweckt gerade nicht viel Vertrauen. Früher habe ich das alles vertragen, mittlerweile nicht mehr, aber mir kann auch niemand erzählen, dass diese ein Frühstück für umgerechnet 1.25 Euro oder dergleichen verkaufenden Buden das Budget haben, ihr Altöl immer durch neues (und skandalfreies) zu ersetzen. Missmustig tapse ich durch die bürgersteiglosen Barackenviertel, im Nieselregen heranrasenden Blue-Trucks ausweichend, lasse mich beim normalen Überqueren der Straße vom einem Taxi anhupen, dem ich den Stinkefinger zeige (eine kluge Handlungsweise, wenn man sich mit einem oft bewaffneten Taxifahrer prügeln will oder seinen 20 herbei gerufenen Kumpels oder per Dashcam ins nationale Fernsehen von Toxiwan/Taiwan kommen will), ärgere mich über den quer über einem der wenigen Bürgersteigen stehenden LKW, der mich zum Ausweichen auf die vielbefahrene Fahrbahn zwingt und atme den Duft der Weltstadt Taipei ein. Irgendeine Mischung aus Kunststoff (bereiten sie in den Fabrikhallen Nahrungsmittel zu?), Mopedabgasen, Dieselschwaden, fauligem Kanalisationsgeruch und das ganze dekoriert mit Hundekot und ausgespucktem Betelnusspriem. Und denke mal wieder, wie viel angenehmer alles als alleinstehender Expat wäre, wenn man sich zu Hause einfach ein Brot (idealerweise ein deutsches Brötchen morgens geliefert vom deutschen Bäcker Wendel) selbst zubereiten würde und dieses ganze hässliche und müffelnde Industrietaipei nur durch die Scheiben des klimatisierten Autos sehen würde. Allein würde ich auch höchstens mein Frühstück da kaufen, wo sie die Barackenviertel schon weggerissen haben und im Zuge des Wandels von Taipei in eine moderne Großstadt durch Beton- und Stahltürme ersetzt haben, mit schicken Cafés und Restaurants drin. Und Parks und breiten Bürgersteigen. Gut, das schicke Restaurant der Kette "Tasty" gehört auch zum Unternehmen Ting Hsin und hat auch das Horroröl verwendet. Frau und ich haben da früher oft gegessen. Das Öl ist übrigens aus Tierkadavern (von kranken Tieren natürlich) und aus Restaurantabfällen gerpresst worden, versetzt (jedenfalls das Talgfett) noch mit Östrogen, Antibiotika und dem taiwanischen Dauerbrenner DEHP, ein Flüssigkunststoff, der karzinogen ist und schon seit den frühen 2000ern im Essen ist in Taiwan.

Kaum bin ich an der Bude da winkt die Bedienung ab. "Meiyou" sagt sie, "haben nix". Meine Frau hatte tatsächlich irgendeine falsche Nummer gewählt, wie sich später rausstellte und ihre Horrorfrüchstückchen-Bestellung irgendeinem schlaftrunkenen Taiwaner um die Ohren gehauen. Frohlockend schwebe ich zurück durch die Straßen, kunstvoll Hundekot und ausgespuckten Priem vermeidend und eile zu Seven-Eleven um mir zwei eingeschweißte Sandwich zu kaufen. Wenn die im nächsten Lebensmittelskandal dran sind (der kommt bestimmt, weil den Taiwanern das Thema im wesentlichen egal ist), dann falle ich tot um, da bin ich von überzeugt, so viel wie ich davon esse in letzter Zeit.

Genießen Sie also in Deutschland ihr frisches Brötchen mit Käse oder Marmelade.


* Immer noch stocksauer wegen der wochenlangen Magenschmerzen habe ich lange an der Überschrift gefeilt. Ich bitte sie hinreichend zu würdigen.

P.S.: Ting Hsin ist sicher so ein Vorzeigeprojekt für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Annäherung an die VR-China, die Taiwans regierende KMT-Partei betreibt, im Rahmen ihres panchinesischen Wohlstandskonzepts. Ting Hsin war sowohl beim 2013er- als auch bei 2014er Lebensmittelskandal dabei. Sollen wir für den 2015er schon vorreservieren?

Freitag, Dezember 05, 2014

Japan im März, Mount Fuji

Während ich nach dem jüngsten Lebensmittelskandal mit Horroröl in Taiwan mit schreckensgeweiteten Augen auf die Uhr gucke und feststelle, dass schon wieder Essenszeit ist (schluck), berichte ich lieber von der zurückliegenden Märzreise nach Japan, hier die Gegend um den Mount Fuji

 Wie immer auf solchen asiatischen Gruppenreise ist man fast immer im Bus, auch wenn das eine "Light"-Reise war, bei der man auch viel draußen war und nicht im Minutentakt von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gefahren wurde und vom Reiseführer in den erlaubten 5 Minuten fürs Foto schon den Schusswinkel auf das Motiv vorgeschrieben bekam, wie ich das auch schon bei taiwanischen Reisen erlebt habe. Hier hat man mehr Zeit gehabt, aber vieles wird dann doch aus dem Bus heraus geschossen mit dem Fenster irgendwie im Bild. oder Spiegelungen.

Die karge Landschaft kann sehr eintönig und depressiv wirken, auch wenn es hier eine ganz interessante Landschafsstruktur ist. Man ist versucht, sie mit Photoshop dramatischer auszuleuchten...

... und Sonne dort zu erzeugen wo keine ist. Immerhin hat Japan ja eine Sonnengöttin oder dergleichen.

In verlassenen japanischen Dorfhäusern vermutet der Kinogänger automatisch schlecht gelaunte untote junge Frauen mit langen Haaren. Schlechte Laune kann man aber bestimmt auch ohne untot zu sein haben in dieser doch eintönig gefärbten Gegend. Wo haben die bloß so viel Braunton her?

Hier Hotel mit Altar. Die Japaner sind wieder eine ganz andere Sorte Mäuse als die Taiwaner, doch davon später mehr in einem anderen Bericht, dann mit Beweisfotos (he he).

Junior (damals 2 Jahre) versetzte das Graubraun offenbar gedanklich wieder ins heimatliche Schlichtwohnviertel in NeiHu, das allerdings ohne so viel Landschaft eintönig grau ist. Bei einem kurzen Ampelstopp vor einem grauen Haus weinte er: "Nein, ich will nicht wieder zur Oma". Denn die wohnt ja in so einem grauen Schlichthaus in Taipei. Merkwürdiger Effekt.

Die Hauptattraktion, nämlich den hier auftauchenden Mount Fuji, gab es natürlich nur schnell aus dem Bus zu sehen, schließlich sind wir ja eine taiwanische Reisegruppe und haben es immer irgendwie eilig.

Interessant war jedenfalls zu beobachten, dass der Busfahrer (wie alle Kollegen) ein paar üblicherweise schneeweiße Extraschuhe nur für seinen kleinen Fahrerplatz hatte und sich seine makellos sauberen schwarzglänzenden Straßenschuhe jedesmal auszog, wenn er in den Bus ging, um auf die weißen Busschuhe zu wechseln. Irgendein Fetischding haben sie da auch am Laufen, die Japaner

Es ist fast unglaublich wie öde die japanische Kleinstädte oder Vororte sein können.

Wenn einst eine Tarnvorrichtung erfunden wird, dann in Japan, denke ich. Sie wird einfach nur braun machen müssen. Genug des Spottes, dafür war alles pikobello aufgeräumt und ultrasauber, wie mir als Taipei-Expat auch gleich auffiel, aber dazu ein andermal. Die grünen Bänder im Vordergrund schreien einen fast an, oder?


Am Ende in so karger Umgebung treibt einen die Sehnsucht nach Farbe um. Und da fiel es mir auch schon ins Auge. Das "down to the basics"-Foto ist dann auch endlich eine Möglichkeit, der "Saccident"-Fotografien in einem Taiwan-Nachbarblog halbwegs Paroli bieten zu können. Wenn auch nur mit Hilfe einer westlichen Touristin in Japan - natürlich aus einer anderen Reisegruppe.

Manchmal besinnt man sich in fremder Umgebung aus das aus Heimat vertraute. Empörte Kommentare wie immer unten.

Schokoladenzeug: sei vorsichtig, was du schlucken willst...

Mein Gaumen wird trotz langsam abebbender Magenbeschwerden in Taiwan immer skeptischer

 Der zurückliegende Lebensmittelskandal in Taiwan (vgl. meine FAQ zur Lebensmittelsicherheit in Taiwan) hat mir allergische Beschwerden beschert, die zu meinen langsam zurückgehenden Dauermagenschmerzen zumindest beigetragen haben. Kein Kunststück, ist doch unter anderem wieder der Flüssigkunststoff DEHP im Essen gewesen und auf zumindest einen (allerdings Textil-) Kunststoff reagiere ich nachgewiesen allergisch. Lösung zur Verminderung der Magenschmerzen war die Tabletten vom Arzt abzusetzen und sehr auf die Ernährung zu achten. Also Sandwichs von Seven-Eleven dem Garküchenessen zu bevorzugen, insbesondere Taiwans superfettige Ei-Bacon-Toasts vom Frühstück zu verbannen und auch sonst alles ölige und talgige zu vermeiden - Taiwans Lebensmittelskandal ging ja in erster Linie ums Speiseöl und um Talg.
Trotzdem gab und gibt es merkwürdige Phänomene. Schon vor Jahren hatte ich eine 6er- oder 8er-Packung von eigentlich recht leckeren Seven-Seven - Pralinen verspeist, die man bei Seven-Eleven (keine Ahnung ob die Unternehmen etwas mit einander zu tun haben) kaufen konnte. Der Geschmack war angenehm schokoladig, wenn auch die Schokolade ein bisschen zu glasiert wirkte, um hochwertig zu sein. Der Genuss von einer oder zweien der Pralinen blieb ohne Folgen, aber als ich einmal die ganze 8er-Packung verdrückt hatte, stieg aus dem Magen so eine absolut chemisch wirkende Wolke auf, was eine sehr unangenehme Erfahrung war. Auch Übelkeit stellte sich sofort ein. Ich hatte eine ganz klare Überdosis, von was auch immer da drin war. Alles eine rein individuelle Erfahrung aus der man ohne Laboruntersuchung der Pralinen keine allgemeingültigen Aussagen ableiten kann, aber es war das letzte Mal, dass ich taiwanische Schokolade verzehrt habe. Auch alle andere glich eher glasierter Fettcreme mit Schokofarbe denn Schokolade. Oder wie es der Taiwan-Godfather of Englisch Blogging einst formulierte: Da kann man auch Kerzenstummel kauen.

Jetzt hat meine Frau so ein Kakaopulver mit Nüssen drin. Nur fiel mir auch schon vor den Magenbeschwerden auf, dass mir nach Genuss einer Tasse Kakao davon sofort schlecht wird. Und jetzt vielleicht durch den aktuellen Lebensmittelskandal übersensibel geworden nimmt meine Nase einen deutlichen säuerlich-chemischen Geruch aus dem Schokopulver auf, auf den mein Magen sofort mit Würgereflexen reagiert. Lustigerweise führte eine Kakaopulverspur an meiner Hand sogar zu Hautjucken. Ob das psychosomatisch oder allergisch ist, ist schwer zu sagen, denn wenn man Dinge kritisch beäugt, reagiert man auch übersensibel.

Magengestresst halte ich mich jedenfalls strickt an das Prinzip, nur das an taiwanischen Lebensmitteln zu mir zu nehmen, was unbedingt sein muss. Jeder Löffel zu viel ist einer zu viel und ich lasse ihn lieber weg, was den angenehmen Effekt der Gewichtsreduzierung hat. Und "Zufüttern" in Form von Puddings, Keksen oder Schnökereien gibt es nur noch mit Importware. Gelegentlich leiste ich mir etwas Milo-Kakaopulver von Nestle, das wohl auch in Taiwan hergestellt ist, welches ich aber vertrage.

Ich denke durch die fortgesetzten Lebensmittelskandale, die nie zur einer strukturellen Änderung der Lebensmittelindustrie führen und daher auch in Zukunft weiter gehen werden, sollte man taiwanische Lebensmittel mit großer Skepsis zu sich nehmen. Oder besser gar nicht, aber das ist in Taiwan natürlich kaum zu machen. Am Besten wäre selber kochen. Mit Importöl oder Wasser - und dann kann einem immer noch das Taiwangemüse mit der 280fachen Pestizidkonzentration erwischen, wie in der FAQ referenziert.

Dienstag, Dezember 02, 2014

China, sei vorsichtig, was du schlucken willst....

Taiwans Kommunalwahl, die der regierenden recht prochinesischen Partei KMT eine herbe Niederlage und den Verlust ihrer Hochburg Taipei beschert hat, schickt auch eine deutliche Botschaft nach Peking. Wie wird sie aufgenommen werden?


Es war erst dieses Jahr, da haben die Studenten Taiwans, die bislang als unpolitische erst den MP3-Player und dann das Smartphone glorifizierende Wattebausch-Generationen-Vertreter galten, plötzlich das politische Heft in die Hand genommen und dem Präsidenten Ma Ying-Jeou, KMT (der freilich 2x frei gewählt worden war) einen herben Dämpfer verpasst. Sie besetzten kurzerhand das Parlament "Taiwans" (Taiwan heißt mit offiziellem Staatsnamen allerdings "Republik China) und lösten damit eine schwere, wenn auch wohl kurze Staatskrise aus. Erst nach Eingreifen des Parlamentspräsidenten Wang (KMT) gaben die Studenten ihre Besetzung des Plenarsaals auf und Wang sicherte zu, die prochinesischen neuen Wirtschaftsgesetze aus der Feder des pekingverliebten Präsidenten des eigentlich eigenständigen Staates Taiwan/Republik-China nicht zu verabschieden, wobei es offenbar auch geblieben ist. Smartphoneverliebt-my-ass, um es amerikanisiert zu formulieren. Damals las man viele Analysen, die jungen Taiwaner würden die weitere Annäherung ihres freiheitlichen und demokratischen Staatswesens "Taiwan" an die autoritär regierte Volksrepublik China fürchten. Sie schienen die Fragen zu bewegen, ob nicht der wirtschaftliche Fortschritt, den der chinaliebende Präsident Ma versprach, in Wirklichkeit nur ein Fortschritt für Großunternehmer war. Ob sie nicht, wenn sie einst aus dem College oder von der Uni kämen, von ihren taiwanischen Unternehmen wie so viele Altersgenossen in eine Fabrik aufs chinesische Festland geschickt würden, um dort als leitende Angestellte oder Produktionsaufseher für das taiwanische Mutterunternehmen zu arbeiten. Aber eben mit fortschreitender Tendenz wohl am chinesischen Gehaltsspiegel orientiert und nicht am höheren taiwanischen.

Auch die Immobilienblase, die längst Taiwan erfasst hat, bereitet den jungen Leuten offenbar Sorgen, wird doch der Traum vom Eigenheim, den die Taiwaner genau wie Europäer haben, immer unrealistischer. Der Autor dieses Blogs hat selbst Häuser den Sprung von 7 Millionen Taiwandollar (durch 40 etwa in Euro umrechenbar) auf 32 Millionen machen sehen. Peking gab den Takt vor, die Preise, vielleicht bald die Gehälter und der in China und nicht in Taiwan geborene Präsident strahlte dazu und versprach gemeinsamen panchinesischen Wohlstand, garniert mit Worten, "wir sind doch alle Chinesen" und dererlei Aussagen. Fühlt man sich noch als Chinesin* oder Chinese*, wenn man um 1990 herum im freien und schon wohlhabenden Taiwan aufgewachsen ist? Wenn man mit den Eltern unzer anderem Urlaub auf Hawaii und vielleicht in Heidelberg gemacht hat? Wenn man Tokio und Seoul bereist hat, japanische Mangas liest und US-Filme im Kino guckt? Wenn man frei bloggen kann und auf Facebook sagen kann was man will? Wie wichtig ist dann noch, wenn der Großvater einst aus China vor den Kommunisten geflohen ist? Und wenn er einen Grund hatte, von dort zu fliehen, wieso soll denn die ganze Insel dahin zurück wollen, wo er hergekommen ist?


Nachdem der "Pro-Unabhängigkeitspräsident" Chen von der DPP 2000-2008 immer wieder dem Taiwan mit Krieg drohenden China oft genug "die Zunge heraus gestreckt" hatte, eben wegen der mit Gewalt unterstrichenen Forderung Pekings, die Inselrepublik "Taiwan" möge sich Pekings VR-China unterordnen, schienen oft kriegerische Handlungen bevor zu stehen. Im taiwanischen Fernsehen sah man mit Marschmusik untermalt Kriegsschiffe u.a. französischer Bauart ihre Raketen abfeuern und der nicht eben diplomatische Präsident Chen (DPP) krakelte "China No, Taiwan Yes". Die autoritären Herrscher im smogumwölkten Peking knurrten vor Wut und schickten eine Drohgebärde nach der anderen nach Taipei und stockten ihre Lenkwaffen auf, die auf Taiwan bis heute gerichtet sind.

Doch dann kam die Präsidentschaft der KMT, des prochinesischen Ma und sein wiederholter Kotau vor Pekings Macht, seine Gesetze zur wirtschaftlichen Annäherung Taiwans und Chinas und sein Versprechen auf "Wiedervereinigung" von etwas, das nie vereint war - eben der Republik China/Taiwan und der VR-China.

Wie wird Peking jetzt reagieren, wenn Taiwans Jugend, die man vorrangig hinter dem aktuellen Wahlergebnis vermutet, dieser pro-Peking-Politik und der KMT insgesamt eine Abfuhr erteilt? Wird Peking seine Pläne das Inselreich Taiwan mit Gewalt "heim ins Reich" zu holen neu auflegen oder wird es sich überlegen, dass ihm der Brocken namens Taiwan schwer im Magen liegen könnte? So wie eben derzeit Hongkong mit seinen mutigen jungen Leuten, die nicht mehr das Haupt vor der korrupten selbsternannten Machtclique in Peking beugen wollen. Die Herzen der jungen Taiwaner hat Peking durch seine Drohpolitik nicht gewonnen. Einen plausiblen Grund außer historischen Anekdoten hat es für seinen Herrschaftsanspruch auch nicht. Wird sich Peking noch einen Brocken an die Freiheit gewöhnter junger Menschen in den schon mit Hongkong gärenden Magen legen wollen? Ich bin gespannt.


* Edit: Das ist eigentlich ein sehr verwirrender Term im Umgang mit Taiwanern. Meint er kulturell-chinesisch oder meint er wirklich "Chinesin/Chinese" wie im Deutschen? Da gibt es also viele Grauzonen. Die jungen Wähler scheinen deutlich machen zu wollen, dass sie sich jedenfalls nicht als dem Festland zugehörig ansehen, denke ich.

Montag, Dezember 01, 2014

Kommunalwahlen in Taiwan: Prinzling entthront

Schwere Schlappe für die exdiaktatorische "KMT"-Partei Taiwans bei den Bürgermeisterwahlen - KMT verliert ihre Hochburgen Taipei und Taoyuan - KMT-Hoffnugsträger Sean Lien deklassiert



Wie unterschiedlich das Wahlvolk Taiwans von mir selbst ist, wird auch anhand dieses Posterchens einer Lokalkandidatin hier in Taipei-NeiHu deutlich, das in einer dicken Broschüre der Kandidatin lag. Als Deutscher kommt einem da wohl sofort die Vokabel "scheinheilig" in den Kopf, weil man unwillkürlich das nicht nur positive Image von Politikern mit der gebetsartigen Pose in Verbindung bringt. Auf ihre Wähler wird das sicher besser gewirkt haben.

Taiwan hat seine Lokalwahl hinter sich gebracht. Meine Frau, die sich vorgestern am Wahlsamstag trotz mittlerweile auch bei ihr eingetretener Magenschmerzen (vgl. diese FAQ zur schlechten Lebensmittelsicherheit und dem aktuellen Billigölskandal in Taiwan) zur Wahlurne geschleppt hat, hat das gewählt, was ihr Gewissen ihr befiehlt. Ich selbst kann als Ausländer (oder Adogah/Bignose, wie die Taiwaner gerne sagen) natürlich nicht an der Wahl teilnehmen. Ich habe in der Vergangenheit immer der KMT zutendiert, rein vom Verstand her, weil diese eher für eine friedliche Beziehung zur VR-China steht als die Konkurrenz von der DPP, die immer die taiwanische Unabhängigkeit vom chinesischen Festland betonen will. Auch der Megakorruptionsskandal des vorherigen taiwanischen Präsidenten Chen aus der DPP wirkt bei mir noch immer nach. Chen hatte einfach so ein unglaubliches Marathonkorruptionsspektakel veranstaltet, dass man eher von einem Amoklauf als von einer Affaire sprechen müsste. Unter anderen hatte der oft kehlig krakelende Mann es geschafft sage und schreibe einen Kaufhauskonzern aus dem Präsidentenpalast heraus zu erpressen. Auf solche Ideen muss man erst mal kommen.

Heute sitzt Chen im Gefängnis und die KMT hatte danach unter dem gegenwärtigen zumindest anfangs extrem prochinesischen Präsidenten Ma (KMT) eine Art Vereinigungskurs mit der VR-China gefahren (die VR-China bezeichnet Taiwan als ihr Staatsgebiet, obwohl das blanker Unsinn ist), bis dieser mehrfach ins Stocken geriet. Zuletzt durch die studentische Sonnenblumenbewegung, die das Parlament "Taiwans" (Taiwan hat formell den Staatsnamen "Republik China") besetzt hatte und damit prochinesische Wirtschaftsgesetze gestoppt hatte (hier der große Fotobericht dieses Blogs von damals: http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/03/demo-in-taipei-mit-300000-menschen-oder.html).

Die Wahl war sicherlich etwas von dem eingangs erwähnten Lebensmittelskandal überschattet, insbesondere in Taipei. Weil hier der "KMT-Prinzling" und Bürgermeisterkandidat Sean Lien, Sohn des altgedienten Parteikaders Lien Chan das Problem hatte, dass sein Vater ein dicker Kumpel des Mannes war, der mit seinem toxischen und illegalen Billigöl den aktuellen Lebensmittelskandal Taiwans (und wohl auch meine Mangenschmerzen) ausgelöst hatte. Traditionell ist die KMT mit der Taipei-"Mafia" namens Bambusgang ("Bamboo Union") verwurzelt und ebenso mit Wirtschaft, Militär, Justiz und Polizei und steht daher korruptionsmäßig zwar eleganter, aber nicht wirklich sauberer dar. Ich nenne die KMT daher auch gerne "Partei der institutionalisierten Korruption", was es ziemlich genau trifft, wie ich finde.

Jedenfalls hat Sean Lien wohl im Wahlkampf auch grenzwertig surrealistische Vorschläge gemacht, wie etwa einen großen Friedhof in ein Wohnungsbauareal umzuwandeln (vgl. den Artikel von Klaus Bardenhagen, deutscher Journalist in Taipei: http://www.intaiwan.de/2014/11/27/sean-lien-wahlkampf-taipeh/).  Da sehr viele Taiwaner sehr abergläubisch sind, kann man sich hier nur vor Lachen am Boden wälzen. Das zeigt, wie sehr der KMT-Prinzling, dessen Vater sein Vermögen in Diktaturzeiten als Regierungsmensch gemacht hatte, vom gemeinen Volke abgehoben ist. Bürgermeister in Taipei wird nun ein parteiloser Chirurg, der für die DPP angetreten war, die so elegant ihr Filzimage etwas umschiffen konnte. Ich will das nicht alles aufschreiben, lesen Sie mehr dazu im erwähnten Blog von Klaus Bardenhagen: http://www.intaiwan.de/2014/11/30/taiwan-regionalwahlen-ergebnis-2014/

Sean Lien war sicherlich als künftiger Präsidentschaftskandidat vorgesehen von seiner Partei, in diesem Sinne ist er jetzt vielleicht als solcher und als Hoffnungsträger entthront worden, wo er doch die klassische KMT-Hochburg Taipei nicht gewinnen konnte. Und was sagte Jason Hu (KMT), der Bürgermeister der mitteltaiwanischen Großstadt Taichung dazu? Schuld sei nur die Jugend, die alles für selbstverständlich nehmen würde und die sauer sei, wenn man ihnen nur ein iPhone 5 schenken würde, weil sie dann lieber ein iPhone 6 hätten (http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2014/12/01/2003605691). Den Jason Hu habe ich einst selbst auf einem Businessklasseflug bei China Airlines erleben dürfen. Ein halbes Dutzend Stewardessen sprang um den korpulenten Mann herum, schob ihm ein Dutzend Kissen unter den Allerwertesten und ich konnte kaum eine Cola oder eine Decke bekommen, ging doch alles an Jason Hu und seine Begleiter. Den harten in der Realität verwachsenen Mann nehme ich ihm irgendwie nicht ab, dem Herrn Hu.