Taiwans Kommunalwahl, die der regierenden recht prochinesischen Partei KMT eine herbe Niederlage und den Verlust ihrer Hochburg Taipei beschert hat, schickt auch eine deutliche Botschaft nach Peking. Wie wird sie aufgenommen werden?
Es war erst dieses Jahr, da haben die Studenten Taiwans, die bislang als unpolitische erst den MP3-Player und dann das Smartphone glorifizierende Wattebausch-Generationen-Vertreter galten, plötzlich das politische Heft in die Hand genommen und dem Präsidenten Ma Ying-Jeou, KMT (der freilich 2x frei gewählt worden war) einen herben Dämpfer verpasst. Sie besetzten kurzerhand das Parlament "Taiwans" (Taiwan heißt mit offiziellem Staatsnamen allerdings "Republik China) und lösten damit eine schwere, wenn auch wohl kurze Staatskrise aus. Erst nach Eingreifen des Parlamentspräsidenten Wang (KMT) gaben die Studenten ihre Besetzung des Plenarsaals auf und Wang sicherte zu, die prochinesischen neuen Wirtschaftsgesetze aus der Feder des pekingverliebten Präsidenten des eigentlich eigenständigen Staates Taiwan/Republik-China nicht zu verabschieden, wobei es offenbar auch geblieben ist. Smartphoneverliebt-my-ass, um es amerikanisiert zu formulieren. Damals las man viele Analysen, die jungen Taiwaner würden die weitere Annäherung ihres freiheitlichen und demokratischen Staatswesens "Taiwan" an die autoritär regierte Volksrepublik China fürchten. Sie schienen die Fragen zu bewegen, ob nicht der wirtschaftliche Fortschritt, den der chinaliebende Präsident Ma versprach, in Wirklichkeit nur ein Fortschritt für Großunternehmer war. Ob sie nicht, wenn sie einst aus dem College oder von der Uni kämen, von ihren taiwanischen Unternehmen wie so viele Altersgenossen in eine Fabrik aufs chinesische Festland geschickt würden, um dort als leitende Angestellte oder Produktionsaufseher für das taiwanische Mutterunternehmen zu arbeiten. Aber eben mit fortschreitender Tendenz wohl am chinesischen Gehaltsspiegel orientiert und nicht am höheren taiwanischen.
Auch die Immobilienblase, die längst Taiwan erfasst hat, bereitet den jungen Leuten offenbar Sorgen, wird doch der Traum vom Eigenheim, den die Taiwaner genau wie Europäer haben, immer unrealistischer. Der Autor dieses Blogs hat selbst Häuser den Sprung von 7 Millionen Taiwandollar (durch 40 etwa in Euro umrechenbar) auf 32 Millionen machen sehen. Peking gab den Takt vor, die Preise, vielleicht bald die Gehälter und der in China und nicht in Taiwan geborene Präsident strahlte dazu und versprach gemeinsamen panchinesischen Wohlstand, garniert mit Worten, "wir sind doch alle Chinesen" und dererlei Aussagen. Fühlt man sich noch als Chinesin* oder Chinese*, wenn man um 1990 herum im freien und schon wohlhabenden Taiwan aufgewachsen ist? Wenn man mit den Eltern unzer anderem Urlaub auf Hawaii und vielleicht in Heidelberg gemacht hat? Wenn man Tokio und Seoul bereist hat, japanische Mangas liest und US-Filme im Kino guckt? Wenn man frei bloggen kann und auf Facebook sagen kann was man will? Wie wichtig ist dann noch, wenn der Großvater einst aus China vor den Kommunisten geflohen ist? Und wenn er einen Grund hatte, von dort zu fliehen, wieso soll denn die ganze Insel dahin zurück wollen, wo er hergekommen ist?
Nachdem der "Pro-Unabhängigkeitspräsident" Chen von der DPP 2000-2008 immer wieder dem Taiwan mit Krieg drohenden China oft genug "die Zunge heraus gestreckt" hatte, eben wegen der mit Gewalt unterstrichenen Forderung Pekings, die Inselrepublik "Taiwan" möge sich Pekings VR-China unterordnen, schienen oft kriegerische Handlungen bevor zu stehen. Im taiwanischen Fernsehen sah man mit Marschmusik untermalt Kriegsschiffe u.a. französischer Bauart ihre Raketen abfeuern und der nicht eben diplomatische Präsident Chen (DPP) krakelte "China No, Taiwan Yes". Die autoritären Herrscher im smogumwölkten Peking knurrten vor Wut und schickten eine Drohgebärde nach der anderen nach Taipei und stockten ihre Lenkwaffen auf, die auf Taiwan bis heute gerichtet sind.
Doch dann kam die Präsidentschaft der KMT, des prochinesischen Ma und sein wiederholter Kotau vor Pekings Macht, seine Gesetze zur wirtschaftlichen Annäherung Taiwans und Chinas und sein Versprechen auf "Wiedervereinigung" von etwas, das nie vereint war - eben der Republik China/Taiwan und der VR-China.
Wie wird Peking jetzt reagieren, wenn Taiwans Jugend, die man vorrangig hinter dem aktuellen Wahlergebnis vermutet, dieser pro-Peking-Politik und der KMT insgesamt eine Abfuhr erteilt? Wird Peking seine Pläne das Inselreich Taiwan mit Gewalt "heim ins Reich" zu holen neu auflegen oder wird es sich überlegen, dass ihm der Brocken namens Taiwan schwer im Magen liegen könnte? So wie eben derzeit Hongkong mit seinen mutigen jungen Leuten, die nicht mehr das Haupt vor der korrupten selbsternannten Machtclique in Peking beugen wollen. Die Herzen der jungen Taiwaner hat Peking durch seine Drohpolitik nicht gewonnen. Einen plausiblen Grund außer historischen Anekdoten hat es für seinen Herrschaftsanspruch auch nicht. Wird sich Peking noch einen Brocken an die Freiheit gewöhnter junger Menschen in den schon mit Hongkong gärenden Magen legen wollen? Ich bin gespannt.
* Edit: Das ist eigentlich ein sehr verwirrender Term im Umgang mit Taiwanern. Meint er kulturell-chinesisch oder meint er wirklich "Chinesin/Chinese" wie im Deutschen? Da gibt es also viele Grauzonen. Die jungen Wähler scheinen deutlich machen zu wollen, dass sie sich jedenfalls nicht als dem Festland zugehörig ansehen, denke ich.
1 Kommentar:
The future belongs to the young... :-)
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