Ordnungswütige Ordner organisieren ein ... äh ... Trickfilmmuseum in Tokio bis zum Overkill. Und ebenso ordnungswütige Verkehrspolizisten, die ganz genaue Vorstellungen davon hatten in welchem Winkel und Abstand Ludigel zu einem Blumenbeet stehen sollte ließen den Verdachtaufkommen, die Ordner im Museum könnten möglicherweise mit ihrer Ordnungswut nicht ganz allein dastehen.
Die Reise nach Japan im März dieses Jahres (hier letztes Posting aus der Reihe) eröffnete wieder den Einblick in eine ganz andere Kultur, auch wenn manches ähnlich mit Taiwan ist. Oder wie der Thailänder (und nicht der Taiwaner) salomonisch sagen würde: "same same but different".
Abgepackte Sandwich haben sie dort auch, nur vielseitiger als in Taiwan.
"Den Fischkopf willst du bestimmt für dein Blog fotografieren" sagte meine Frau. Recht hat sie, nur hatte ich gerade ein 28mm-Weitwinkel drauf mit Festbrennweite, da ist er etwas kleiner unten in der Mitte. Sähe aber sonst auch zu ekelig aus.
Hier in den Büro- und Einkaufsecken ähnelt Tokio sehr den entsprechenden neuen Vierteln in Taipei in Taiwan, nur dass Tokio wohl keine schmuddeligen grauen Plattenbausiedlungen hat, die eben das alte Taipei ausmachen.
Hier im Zentrum und den U-Bahnanlagen fielen mir schon die vielen Schülerinnen im Ultramini auf und ich dachte, als Vater einer hypothetischen Tochter würde ich da ziemlich genervt sein. Wieso müssen Schülerinnen (nicht im Bild natürlich) grundsätzlich Höschenblitzer sein, während ihre männlichen Gegenstücke lange Hosen tragen? Und als eine halbe Schulklasse von Abschlussschülerinnen (mit gefühlten 18-19) mit Ultraminis und auf das Pflaster knallenden College-Schuhen (und Strohhüten) an mir vorbei schritt dachte ich, Gymnasiallehrer muss hier ein harter Job sein. Das Frauenbild in Japan schein noch patriarchalischer zu sein, auch als ich mal einen Blick ins Backoffice des Hotels durch eine geöffnete Tür werfen konnte, sah ich da sich devot verborgene hübsche Frauen und Männer in dunklen Businessanzügen. Frauen nur zum Bedienen und Servieren offenbar. Oder hat da das Japan-Klischee im Kopf die eine beobachtete Szene zu sehr generalisiert? Wer weiß.
Eintönige Viertel sind immer etwas weniger eintönig als in Taipei/Taiwan und vor allen Dingen nicht so schmuddelig. Auch wenn hier ein Sonnenstrahl und etwas Wärme wie auf dem Werbeschild nicht schaden könnte.
Unsere Reisegruppe wurde unnachgiebig in ein Museum in einer Vorstadt von Tokio gelotst. Da kann man große Augen machen, aber das ist trotzdem der Reisegruppenrythmus wo man mit mus, da hilft nichts.
Möglicherweise handelte es sich um das "Ghibli Museum Mitaka", aber mir ist das ehrlich gesagt halbwegs egal. Das Museum hatte in erster Linie sich selbst auszustellen und strahlte manchmal eine poppige Niedlichkeit aus, dann wieder im Inneren ein merkwürdig verbautes Sammelsurium aus schmiedeisernen Wendeltreppen und durch die große Halle gehenden schmiedeisernen Laufgängen und Balkonen. Erwartungsvoll kletterte ich viel zu kleine Gänge und Treppchen hoch, den Kopf einziehend, schob mich durch ein rundes Loch und erwartete irgendetwas besonderes. Und stand dann doch nur wieder vor den Toiletten, die auch durch die normalen Gänge und Treppen erreichbar waren. Okay, never mind. Was gab es also auszustellen? Nun, es gab einen merkwürdig oberlehrerhaften Trickfilm, bei dem ein Cartoon-Charakter und ein Hase sich um einen Krückstock stritten und ihn am Ende einer älteren Hasenfrau brachten, der er auch gehörte und die in einem superniedlichen Haus wohnte. Okay, Lesson learned. Respektiere die Älteren! Und es gab einen winzig kleinen Raum neben der übergroßen schmiedeeisernen Halle mit Notizen des Trickfilmmachers. Konnte ich wenig mit anfangen. Bestimmt hatte er auf Japanisch "Respektiere die Älteren!" notiert, der gute Mann. Aber so ist es mit kulturellen Ikonen (?), der Expat teilt sie nicht unbedingt. Es gab noch einen engen Raum, wo man durch Ferngläser auf Regale voller irgendwie halbwegs niedlicher Miniaturhasen und Papphäuser gucken konnte, aber alles nicht wirklich interessant genug um einen zweiten Blick zu riskieren. Aber bestimmt ergoogelt gleich ein Leser den ikonischen Wert all dieser Dinge und es ist ja auch in Ordnung. Für Japaner ist das bestimmt toll und die taiwanische Reiseleitung kriegt nun mal Provision vom Museum.
Wirr aber die militärische Verwaltung des Museums, die uns dazu brachten hinter Absperrketten am Eingang in Reih und Glied zu stehen. Höfliche, adrette junge Männer und manchmal Frauen, aber granithart hinter höflicher Fassade und so schnell den entspannten Besuch in eine Disziplinübung verwandelnd. Aber es war auch wieder amüsant sie zu beobachteten, wie sie hin und her rasten, als gelte es einen Feldzug zu überwachen. Oder einen Gefangentransport. Hielt man einen Hauch zu viel Abstand zum Hinterteil des Vordermannes, raste ein junger Mann heran und deutete einem höflich-energisch an, man müsse bis auf Tuchfühlung ran. Hing links die Kameratasche nur einen Zentimeter über der Absperrleine, wo die jungen Männer hin und her rasten, dann kam sofort ein Ordner und beanstandete das. Hektisch höflich bekam man innen seinen Besucherpass und wollte man dann noch mal die Treppe wieder hoch, kamen sofort höflich lächelnde Ornderfrauen angerast, die einen daran hinderten, sich nach Frau und Junior zu erkundigen, die noch oben waren ein paar Meter hinter einem. Irgendwann ignorierte ich die Leute und ging einfach dahin wo ich wollte, geht auch.
Junior wollten wir schließlich in einer Kinderspielecke unterbringen. Da hatten sie einen riesigen Plüschbus aufgebaut, in dem die Kinder krabbeln konnten. Aber der Plüschbus hatte Spinnenbeine und vorne einen Katzenkopf. Wirkte auf mich abstoßend hässlich, fand aber bei den Kindern Anklang. Frau wollte Junior einfach in den abgesperrten "Busplatz" setzen, bekam es aber sofort mit Orderinnen zu tun. Es gab natürlich eine lange Schlange, die mit mehreren Absperrketten unterteilt war und so musste auch Junior anstehen. Als er, damals erst 2 Jahre alt, endlich an der Reihe war, bekam er exakt eine 2-minütige Zeitscheibe zugeteilt, in der er aber vor den omnipräsenten Ordnerinnen Angst hatte und zu Mama wollte und prompt kurzerhand aus der Spielecke raus flog. Da dachten wir, es wäre vielleicht auch Zeit uns einfach in den Entspannung von den überorgansierten Japanern versprechenden herbstlich aussehenden Park vor dem Museum zu begeben. Weite Bürgersteige mit reichlich Platz, sogar für eine Kleingruppe wie unsere. Wir standen also irgendwo rum, Passanten hatten immer noch reichlich Platz (es gab sowieso fast keine). Ich wollte gerade etwas durchatmen von der irgendwie ansteckenden Verkrampfung im Museum, da bemerkte ich eine schreiend gelb gekleidete Frau, die irgend etwas von mir wollte.
Park? Irgendwie schon, aber jeder Quadratmeter wird energisch verwaltet (hier ein männlicher Verkehrspolizist oder dergleichen)
Sie machte Handzeichen, nach denen ich wohl näher an ein Blumenbeet heran treten sollte, damit der Platz hinter mir von 10 Metern auf 10,1 Meter wuchs oder so. Ich ignorierte die Dame einfach. Sind Uniformierte nicht bewaffnet, ist das meist eine erfolgreiche Strategie. Filmschnitt, nächstes Bild. Wir stehen alle aufgereiht in einem in Schlangenlinie durch das Blumenbeet verlaufenden Gang. Die gelbe Dame hatte sich an den Reiseleiter gewandt der uns in fast militärische Art antreten lassen musste. Das war alles weniger nervig als viel mehr amüsant, wie sehr die Japaner darauf bestanden, alles und jenes völlig tot zu organisieren. Ach ja, es gab eine Sitzbank an der Bushaltestelle. Die war auch abgesperrt und wurde auch von Verkehrspolizisten oder was auch immer die Leute waren verwaltet. Setzen nur auf Anordnung. Mir schwante, würde ich in Tokio leben würde es unmöglich sein, Junior auf eine japanische Schule zu schicken. Japan ist nach Geert Hofstede eine maskuline Gruppenkultur. Das heißt grob paraphrasiert, dass sie gerne Gruppenaktivität mögen und aggressives (aber eben gruppenorganisiertes) Verhalten positiv angesehen wird. Im Gegensatz zu Taiwan, das eine feminine Gruppenkultur ist (Deutschland ist übrigens eine maskuline Individualkultur). Mir schwante, dass "maskuline Gruppenkultur" eben auch aggressives Management von Gruppen bedeutet. Und eine Schule ist ja per Definition ein Gruppenbetrieb.
Interessanter als das Museum selbst war also die Art und Weise, wie es verwaltet wurde. Aber die Überorganisation hat natürlich auch Vorteile. Wie auch Taipei ist Tokio ein extrem dicht besiedeltes Gebiet, was natürlich immer die Gefahr von Schmuddelecken mit sich bringt, weil so viele Leute schnell irgendwo ihr überzähliges Zeug herumstehen haben. Oder auch wild geparkte Mopeds und Autos auf engem Raum. Ganz anders aber Tokio. Mopeds haben sie sowieso nicht, eher richtige Motorräder und beim Parken herrscht Disziplin. Und die Straßen, mögen sie noch so beengt sein, sind blitzsauber. Ich konnte nicht anders als mir so ein winzig kleines Häuschen wie im Bild hier "taiwanifiziert" vorzustellen. Dann wäre das vorne eine schmutziggraue Mauer, die Tür hinge möglicherweise schief in den Angeln und zumindest auf dem Vorhof stünde allerlei Zeug rum. Etwa ein fahrbarer Garküchenwagen mit dem auf den Straßen Teigtaschen verkauft werden (unlizenziert herumstehende Garküchenwagen gibt es in Japan so kaum), vier Mopeds, die alten Kisten und Kasten und Eimer, die man halt so hat und die Fenster wären vergittert und schmutzig und vielleicht mit an das Fenster längst festgepappter Jalousie verschlossen. Nicht immer ist Taipei so, aber oft. Tokio ist aber immer blitzsauber.
Oder diese Straße! Wie sähe die in einer Vorstadt von Taipei aus? Exerzieren sie es mal durch.
WEG MÜSSTE:
* Die saubere Fensterscheibe
* Die "schweren" Motorräder
* Das Verbotsschild
HIN MUESSTE:
* Mehr Gammel an die Fassaden
* Links in der Mitte eine ältere Dame, die Abfall an der Straßenecke sammelt und diese teilweise blockiert und nicht benötigten Müll auf der Fahrbahn verteilt. Auch Windeln. Lecker.
* Lauter private und beim Motorradladen verkäufliche Motorroller, alle im rechten Winkel geparkt, damit es enger wird in der Gasse.
* Noch ein paar PKWs, die die Gasse ganz oder teilweise unpassierbar oder schwer passierbar machen.
* Ein paar Hundehaufen und ein paar Häufchen ausgespuckter Betelnusspriem.
* Die Halle rechts in der Mitte wäre bei uns in der Gegend eine offene Bäckerei (ohne Glasfront, nur mit Rolltor), vor der ein paar Ratten über den Asphalt huschen.
Ergo musste ich beim Anblick dieser Gasse die Japaner, eben noch wegen Ordnungswut gescholten, gleich wieder entlasten. Sie müssen bei der Bevölkerungsdichte wahrscheinlich so extrem organisiert sein, damit alles sauber bleibt.
Was ist nun besser, Japan oder Taiwan? Dat muss jeder selber wissen. Irgendwas in der Mitte mit weniger Leuten wäre nicht schlecht, denke ich.
2 Kommentare:
Xinde Laoshi wrote:
Wer erkennt wen auf einem der Fotos?
Ja, jetzt verstehe ich, warum Kumpel N und Freundin langfristig lieber in Taiwan statt in Japan (oder Deutschland) leben möchten. ;-)
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