Angebote eines Tempelbedarfshändlers am Straßenrand in Longtan
Wenn ich von Taipei in mein Leib- und Magenrestaurant "Roadies" fahre, das auf dem Lande im Landkreis Taoyuan liegt, fahre ich auf dem Expressway 66 an mehreren Ausfahrten vorbei, die alle "Longtan" heißen. Nicht Longtan-Süd und Longtan-Mitte etc., sondern einfach immer Longtan. Man kann nur die diabolische Findigkeit der taiwanischen Verkehrsplaner bewundern und froh sein, dass in Taiwan nicht an jeder Schnellstraßenabfahrt "Taiwan" steht. Wäre ja auch richtig. Ohnehin weiß ich in Taiwan nie so genau, wo ich denn nun gerade bin oder manchmal sogar nicht wo ich gerade wohne, gibt es doch keine Ortsschilder. Aber ich schweife ab, nämlich vom Expressway 66 und fahre dann auf das Roadies zu.
Da fiel mir schon oft dieses Ensemble bunter kleiner Gebäude am Straßenrand auf, wie man es öfter mal in Taiwan sieht, Kennen Sie diesen 60er-Jahres Schlagersänger namens Liberace, der mit Pelzmänteln und zwei Zentner Gold und Perlen behangen Klavier gespielt hat in den USA? Wenn Liberace bei den Verkehrbetrieben gearbeitet hätte, hätten so die Bushaltestellen ausgesehen. Auf den naheliegenden Witz bei Facebook, dass dies unsere lokale Bushaltestelle ist, will ich lieber verzichtet, handelt es sich hier natürlich um religiösen Bedarf, den hier ein Unternehmen zu Werbezwecken an der Straße ausstellt. Das kleine "Wartehäuschen" kann man in einen kleinen Tempel verwandeln und die großen Turmspitzen rechts daneben sind Öfen, in denen Zettelchen oder Geistergeld verbrannt werden, denn durch die Entstofflichung findet es bekanntlich Eingang ins Jenseits. Hier verbrennt natürlich niemand etwas, verbrannt wird nur, wenn ein Betreiber eines kleines Tempels die Hardware kauft für sein kleines kommerzielles Tempelunternehmen. Solche findet man überall in Taiwan, manche gleichen Garagen mit ihrer offenen Simpelbauweise und einem Rolltor davor. Vergleiche etwa den Lieblingstempel meiner Schwiegermutter HIER, der wirklich eine Verschönerung gebrauchen könnte.
Hier ist man schnell fertig mit einem Minitempel, der Altar ist schon drin.
Wer nun den religiösen Respekt hier vermisst im Artikel, der muss sich klar machen, dass es hier um Handelsware geht die letztlich als Produktionsmittel zu bezeichnen wäre, denn die kleinen Privattempel sind ja eben kommerziell. Aber Religion und Wirtschaft sind immer verzahnt, die kleinen Privattempel in Taiwan sind da ein ganz anderes Kaliber als etwa die katholische Kirche mit ihrem weltumspannenden Imperium.
Jedenfalls ein farbenfrohes Ensemble am Fahrbahnrand.
Ich höre von meiner Taiwanfamilie immer wieder die Formulierung, dass da ein Gott im lokalen Tempel "wohnt". Es gibt nun so viele Götter und Tempel, dass ich von ihnen längst eher wie von Nachbarn denke. Haben Frau und ich etwa irgend etwas wichtiges vor, dann kommt Schiegermutter unweigerlich mit der Story, "der Gott hat gesagt", wir sollten das nicht tun oder nur dann tun ... wenn. Das ist ein bisschen so, als ob sie die Meinung einer Nachbarin weiter gibt. Der Unterschied ist nur, man muss es immer befolgen, ist es schließlich mit nachbarschaftlich-göttlichem Ratschluss versehen. Trotzdem sieht man hier am Bild, Götter sind auch nur Menschen. Die holde Dame lässt sich hier auch von Geschenken nicht erweichen, wer kennt das nicht aus seinem eigenen Privatleben. Nein? Okay.... never mind.
Während ich krampfhaft versuche, von irgendwelchen Drachen-Allegorien Abstand zu nehmen...
... komme ich lieber zum Schluss. Vermutlich hatte ich doch irgendwie die Götter durch meine respektlose Fotografiererei erzürnt, denn beim Einsteigen ins Auto...
.... wäre ich ihnen fast näher gekommen, als mir lieb ist. Ich stand den Verkehr abwartend hinter dem Nummernschild meines schwarzen Autos hier im Bilde, wollte noch den Motorroller abwarten, der auf dem Seitenstreifen fahrend mit 80 noch eine Toyota-Limusine überholen wollte, da muss wohl der Toyota beschleunigt haben. Jedenfalls am Ende raste der Motorroller genau auf mich zu und scherte dann haarscharf meinen Jackenstoff schon fast touchierend dem Toyota vor den Kühler. Göttlich ist die Fahrweise der Taiwaner nicht, findet hier aber offensichtlich das Wohlgefallen des älteren Herrgotts rechts im Bild.
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