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Dienstag, Oktober 08, 2013

Taiwans Politskandal

Relativ unbeachtet von der Expatgemeinde: Präsident Mas instinktloser Feldzug gegen den Parlamentssprecher seiner eigenen Partei

Taiwan, eigentlich "Republik China" heißend, ist eine parlamentarische Demokratie und ihr momentaner Präsident ist Ma Ying-Jeou, dabei ist Ma der Familienname und heißt übersetzt "Pferd". Gesprochen wird er etwa "Ma-ah", auch Ma3 geschrieben. Pedanten merken jetzt unten an, dass man das eher "Ma-ah-ah" oder wie auch immer spricht, dem Jodeln in den Kommentaren sind hier keine Grenzen gesetzt. Ma ist von der KMT (Kuamintag), eine Partei, die einst diktatorisch über Taiwan herrschte, seit 1992/96 jedoch demokratisch legitimiert herrscht (mit einer Unterbrechung 2000-2008).

Mas Regierung hat nun einen beispiellosen Feldzug gegen den Parlamentssprecher (das Parlament heißt "Legislativer Yuan") der eigenen Regierungspartei losgetreten mit dem Ziel diesen von seinem Posten zu entheben. Allerdings ist Ma bislang mit allen diesbezüglichen Anträgen durchgefallen. Der Parlamentssprecher namens Wang soll einen Staatsanwalt ersucht haben, kein Berufungsverfahren gegen einen Politiker der oppositionellen DPP (Democratic Progress Party, eine antichinesische Partei, die von 2000-2008 den Präsidenten stellte) einzuleiten, sondern den Freispruch zu akzeptieren - wobei mir immer noch unklar ist, wobei es in diesem Verfahren ging. Hatte Wang da ein harmonisches Klima zwischen DPP und KMT im Sinn?

Präsident Ma jedenfalls ist eher als sehr pro-VR-China eingestellter Hardliner bekannt und geht daher instinktlos auf den eigenen Parlamentssprecher los, als gelte es einen Kampf um Leben und Tod zu führen. Wieder mal fällt Ma da durch fast schon autistisch wirkende Instinktlosigkeit im Umgang mit Volkes Meinung auf - seine gegenwärtige Zustimmungsrate soll nur noch 9% betragen. Schon beim Taifun Marakot vor ein paar Jahren fiel Ma dadurch auf, dass er sich auf Cocktailparties herumtrieb, während das Unwetter ein ganzes Städtchen von der Landkarte tilgte - und sich das Militär den Einsatzbefehl schließlich selbst gab. Auch während der bisherigen Verhandlungen mit der VR-China um 2010 herum bewahrte er merkwürdiges Stillschweigen, so dass viele schon einen Staatsstreich zum Zwangsanschluss Taiwans an die VR-China befürchteten. Ma macht alles hinter verschlossenen Türen und ignoriert das Volk weitestgehend. Ein bisschen wirkt er da wie ein Politiker aus Peking. Und er wäre ja wohl auch gerne einer, hat man den Eindruck. Seine Töchter sollen in HongKong und Peking leben.

Notiz: Bei dem Feldzug gegen Wang wurde sogar der Telefonanschluss des Parlaments offenbar illegal abgehört: http://asienspiegel.ch/2013/10/taiwans-lauschangriff/

Mehr in der Sache: http://michaelturton.blogspot.com/2013/09/mawangmess-wiretapping-scandal-expands.html

UPDATE: Ma versucht Wang die KMT-Mitgliedschaft zu entziehen, was allerdings gescheitert ist.

1 Kommentar:

Xinxi hat gesagt…

Wenn ich die Nachrichten und die Kommentare meiner hiesigen Verwandtschaft richtig lese/deute, finden schon viele Taiwanesen das Verhalten von Präsident Ma in Ordnung. Der angegriffene "Pressesprecher" ist wohl eine der grauen Eminenzen in der hiesigen Politik. Teil einer Gruppe von Clans, die sich die politischen Posten untereinander aufteilen wollten. Ma kennt sich zwar in Sachen Wirtschaft einer Demokratie nicht so aus (ist halt noch in der Diktatur ausgebildet worden), hat aber ein starkes Rechtsempfinden. Zumindest aus seiner Perspektive heraus. Dabei ist ihm "das Volk" wirklich wohl egal. Liegt vielleicht am Hakka-Hintergrund. Wenn er den Pressesprecher wirklich aus den inneren Kammern der Macht kicken könnte, wäre das für Taiwan eine feine Sache. Damit wäre nämlich Raum für Leute, die keine engen Bande zu irgendwelchen Clans unterhalten.