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Freitag, Oktober 25, 2013

Kommt "Ludigels Wohnblock" weg?

Die Schlichtwohnblöcke in NeiHu sind die Heimat meiner Taiwanfamilie, hier sind sie in den 70ern her gezogen und hier ist Heimat, Geborgenheit und Wohlbefinden. Auch schon 2004, als ich hier her gezogen bin und alles noch wesentlich schmuddeliger war als heute. Die SARS-Epidemie, die damals zu Zombiefilm-ähnlichen Szenen geführt hatte (etwa: Krankenschwester, die sich aus dem Fenster aus unter Quarantäne stehendem Krankenhaus abseilt - es hätten nur noch die ins Leere greifenden blutigen Hände im Fenster gefehlt) hat seither Taipei wesentlich sauberer gemacht. Und manche Schmuddelbalkons in der Gegend, die rostige Gitter hatten, hinter denen Unrat übelriechend verrottete, sind mittlerweile in adrette weißliche Holzfensterfronten mit großen Glasscheiben umgewandelt oder haben wenigstens neue saubere Gitter.
Denn die Stadtverwaltung sanktioniert wohl seither Unrat zwischen den Wohnblöcken, in Garageneinfahrten oder auch auf Balkonen.


Ach die Treppenhäuser haben gewonnen, werden gelegentlich nach der Wasserfallmethode mit dem Wasserschlauch gereinigt, anstatt voller toter Käfer zu sein und nach (wohl Hunde-)urin zu stinken wie es noch 2004 der Fall war. Nicht nur ist das Viertel adretter geworden, auch mit zunehmender Nobelkarossendichte, es ist auch kleiner geworden. An der angrenzenden Hauptstraße sind besonders schmuddelige Wohnäuser durch moderne Bürohäuser ersetzt. Gar nicht so billiger*** Wohnraum wird vernichtet, aber ich gebe zu, breite Bürgersteige, Glas und Stahl und die Porsche- und Bentley-Vertretung dort sehen hübscher aus als die slumartigen Bauten, die dort vorher standen, so weit das Auge reichte.

individuell aufgehübschte Fenster gibt es neuerdings

Doch seit einiger Zeit werde ich stutzig. Das erste Foto oben und das unten zeigt die Fassade vom Wohnblock, wo mein Parkplatz ist. Man sieht, dass die Fassade mit ihren taiwantypischen kleinen Fliesen immer wieder geflickt worden ist über die Jahre. Aber mittlerweile scheinen sich die Fliesen überall abzulösen.

Beim vorletzten Taifun sind sogar Steine großflächig herausgefallen - auf mein darunter stehendes Auto und haben das mit (weiteren) Schrammen und weißlichen Lackeinlagerungen noch etwas taiwantypisch verschönert. Das ist schon Monate her, doch am Haus wird nichts repariert! Obwohl sich die Steine wohl bald ganz großflächig abwölben werden, so wie es aussieht. Gut, über den Schaden am Auto will ich mich nicht beschweren, schließlich weht der Taifun in ärmeren Ländern manchen Leuten die ganze Existenz fort oder gar sie selbst. Aber warum repariert diesmal keiner die Fassade? Wenn ich mir nun angucke, wie sehr das Viertel, das damals für Militärveteranen gebaut wurde, bereits zusammengeschrumpft ist und wenn ich mir die Nachbarschaft aus Büros und TV-Sendern angucke, dann denke ich.... ob unser Viertel auch bald dran ist mit Abriss? Für meine Schwiegermutter und ihre mit mir verheiratete Tochter wäre der Verlust von Wohnung und Viertel sicherlich ein Schock. Zumindest die Mutter meines Sohnes fühlt sich nur wohl, wenn sie von heimatlichem Beton umgeben ist. Bei unserem letzten "Deutschlandurlaub" haben wir ja veritabel das grüne Stadtrandviertel meines niedersächischen Elternhauses verlassen, um im betonierten Zentrum meiner Heimatstadt mit Junior spazieren zu gehen. Das nebenbei bemerkt unserem Taiwanwohnviertel recht ähnlich sieht.
Hier in NeiHu sind manche Neubauten riesige Wohnscheiden, zwar auf schick getrimmt mit Vorhof , güldenem Tore und Torwächter - aber eben auch viel Beton. Da ist dem Wohlfühlen in kommenden Jahrzehnten wohl kein Hindernis erwachsen, sollte meine Taiwanfamilie umgesiedelt werden irgendwann. Es sei denn sie bauen ein paar neue TV-Sender statt Wohnraum, eine Maserativertretung oder einen Drive-in Rolls-wieder-Royce - Laden. Ein Nachbar parkt in seiner Einfahrt auch schon mal Mercedes, Ferrari und Maserati und hat sich die Erdgeschosswohnung mit eigenem Parkplatz und Vorhöfchen fast nobelvillenmäßig  aufgezogen inklusive japanischer Zierbüsche - wo vor Jahren noch Unrat war.



In diesem Schlichtwohnviertel sind die Erdgeschosswohnungen manchmal luxuriös zurecht gemacht..

... und ein Nachbar parkt öfter mal Maserati (links), Benz und Ferrari im Wechseltakt in seiner Einfahrt.


*** Quadratmeterpreis soll mittlerweile bei 0.7 bis 1 Million Taiwandollar liegen bei Kauf. Auch für eine kleine Schlichtwohnung ohne Heizung und mit undichten Fenstern und einem Badezimmer a la 1950 werden schnell mal 6 Millionen NT fällig, also umgerechnet etwa 150.000 Euro [korrigiert nach Hinweis in den Kommentaren, hier stand das Doppelte ;-]

2 Kommentare:

Tamasü hat gesagt…

Mist. Ich habe letztens nur knappe 150.000 Euro für 6 Millionen NT$ bekommen. Da hat mich die Bank wohl wieder über den Tisch gezogen!

"Ludigel" hat gesagt…

Ups, verrechnet, haha