Dramatische Stunden bei den Ludigels zu Hause. Ein Ausländer (Ludigel) schreit nach Leibeskräften aus dem Fenster des Wohnblocks in Taipei, Polizei und Feuerwehr rücken an. Neugierige Nachbarn belagern Treppenhaus und hängen an den Fenstern.
Was war passiert?
Schuld an allem war nur Mickey Mouse. Dessen von einer US-Erziehungsbehörde mitentwickelte Sendung "...Clubhouse" bringt kleinen Kindern einfache Dinge bei. Und Wörter. So hatte Junior, der bei Schwiegermutter mit der selbigen allein in der Wohnung war, das Wort "key" gelernt. "Schlüssel" zu Deutsch. Immer, wenn er einen Schlüssel sieht, zeigt er stolz drauf und sagt bedeutungsschwer "key!". Und macht in der Luft auch schon mal Schließbewegungen an der Haustür, mit seinen zwei Jahren. In der Clobhouse-Zeichentrickreihe, die es auch auf Deutsch gibt, wird schon mal Prinzessin Daisy vor dem Kater Carlo gerettet, der im US-Orignal Pete heißt. "Pete" (Piet) kann Junior auch schon sagen. Und da braucht man einen goldenen Schlüssel. Schlüssel interessieren Junior sehr.
Kurzzum, Schwiegermutter war kurz im Treppenhaus, hatte die Wohnungstür offen stehen gelassen und Junior dachte sich, es sei nun an der Zeit, sein theoretisches Wissen einmal in der Praxis auszuprobieren. Da seine Oma (ergo meine Schwiegermutter) den Wohnungsschlüssel von innen hatte stecken lassen, war es ihm ein leichtes. Schnell machte er die Tür zu und drehte den Schlüssel rum. Die teils gläserne und vergitterte Wohnungstür war abgeschlossen, Oma draußen und er drinnen. Als Oma rein wollte, war er unheimlich stolz auf seine Tat und hüpfte vergnügt auf und ab und jubelte, klatschte sich sogar selbst Applaus. Schwiegermutter kam dann rübergerannt in meine Wohnung, wo ich auf dem Bette einen Kater-Karlo-mäßigen "Cat nap", einen Kurzen Mittagsschlaf hielt. Auch die Mutter meines Sohnes war am Dösen, es hatte sie auf dem Sofa bei der Sendung "The Voice of China" (etwa: Die VR-China sucht den Superstar) dahingerafft, die unser prochinesischer Präsdient dem taiwanischen Fernsehen verordnet hat, damit wir uns alle als gute Chinesen fühlen (der taiwanische Präsident will lieber Chinese als Taiwaner sein, seine Töchter leben da schon). Sturmklingeln von Schwiegermutter riss uns aus dem Schlaf und wir hasteten in (oder eben vor die) die nur 50 Meter entfernte Wohnung von Schwiegermutter (die ja wochentags auf Junior aufpasst und wo er daher praktischerweise gleich wohnt). Wir standen da dann alle vor verschlossener Türe. Junior heulte mittlerweile hinter der Glastür, versuchte sie wieder aufzuschließen, schaffte es nicht, haute wütend auf das Schlüsselbund und trat manchmal gegen die Wohnungstür. Wir waren draußen, er drin. Fenster unerreichbar und taiwantypisch vergittert. Was tun?
Man ruft den Schlüsseldienst, dieser nahm einen Schraubenzieher (von mir mitgebracht!) und stocherte ziellos im Schlüsselloch herum, um den Schlüssel nach innen aus dem Schlüsselloch zu schieben. hatten wir auch schon versucht, geht aber natürlich nicht. Er ist ja herumgedreht im Schloss. Wir schickten den planlosen Fachmann nach Hause und riefen die Feuerwehr. "Wir" ist immer die Mutter meines Sohnes. Wer redet schon mit dem Ausländer, es claro. Gut, Sprachbarriere braucht man da wirklich nicht noch. Problem war wohl auch, dass Schwiegermutters Türe nur ein kleines Loch für den Schlüssel lässt und man den Schließzylinder deshalb nicht fassen kann ohne Schweißarbeiten.
Schließlich trudelten vier Mann von der Feuerwehr ein, sehr schnell nach 10 Minuten schon, voll behelmt etc und machten sich dran, die Glasscheibe einzuschlagen und sich dann mit dem Bolzenschneider durch das Metallgitter zu arbeiten, so dass man schließlich die Tür einfach durch Reingreifen aufschließen konnte. Das dauerte aber lange, weil Junior direkt vor der Tür stand und nicht durch Glassplitter verletzt werden sollte. Deswegen meine Schreierei aus dem Treppenhausfenster, um Junior zum Wohnzimmerfenster zu locken. Was aber sinnlos war. Aber sicher heute in NeiHu Gesprächsthema im Viertel ist.
Alles ist wieder gut, sogar die Polizei war noch da. Junior fuhr ich hinterher in die Notaufnahme, er hatte wohl barfuß ins Glas getreten und eine "Verletzung" am Fuß, die ich als stecknadelkopfgroße leichte Rötung beschreiben würde. Will sagen, es sind schon Klosterschülerinnen nach einem Teekränzchen mit ernsthafteren Verletzungen (etwa von rauem Teegebäck) nach Hause gegangen als Junior hatte. Aber gut, adrenalinbedingt war der Schutzinstinkt für Junior bei meiner Frau erwacht und so ging es mit einer Andeutung eines roten Punktes in die Notaufnahme.
Abends lief wieder Mickey Mouse, wieder kam der "Key" in der Folge vor und Junior wiederholte bedeutungsschwer "key!". Und jetzt suchen wir nach einer motorischen Strickleiter mit Fernbedienung, denn die Wohnungstür hat auch noch einen fest eingebauten Drehknopf, an dem Junior auch immer interessiert herumfummelt.
1 Kommentar:
Schluck. Junior als Sprengmeister. Dann kaufe ich ihm schnell einen Helm mit Frontvisir....
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