Stolz können die Taiwaner auf ihr Land jedenfalls sein. Die Insel (mit ein paar kleineren drumherum) ist etwa so groß wie Schleswig-Holstein, hat 23 Millionen Menschen und ist reich und durchtechnisiert. Und hier im Norden atmet sie chinesische Kultur mit Einflüssen aus den USA und Japan. Die Hauptstadt Taipei mit ihrer chinesisch dominierten Kultur scheint so etwas wie ein besseres China zu sein. Selbstbewusster, friedlicher, wohlhabender, freundlicher. Little China mit Zuckerguss und Kirsche.
Obacht: Taiwan ist das bessere China. Wenn es denn China ist.
Der Unterschied zu China ist die parlamentarische Demokratie und der Pluralismus, den der KMT-Abweichler Lee Teng Hui, der ähnlich wie Gorbatschow eine Demokratisierung der diktatorisch geführten Insel vom Präsidentenamt aus einleitete, eingeführt hat. Im Jahre 1992 gab es erste freie Wahlen und daher konnte meine Frau diesen Samstag wieder ins Wahllokal. Die Schule war es diesmal nicht, wie sonst alle Jahre, sondern witzigerweise die Veranda einer Erdgeschosswohnung. In der schmalen Gasse standen die Menschen diszipliniert Schlange, ein Polizist blickte auf das Treiben (hoffentlich konnte der auch wählen) und fleißige Wahlhelfer halfen den Menschen sich richtig anzustellen. Unbeschreiblich voll war die kleine Veranda, aber alle waren in Schlangen ordnungsgemäß eingeteilt. Eine für den Wahlzettel und dann die große nächste Schlange für eine der zwei Wahlkabinen, dann wieder die kleine Schlange um den Wahlzettel unter den Augen einer Wahlhelferin in die versiegelte Urne zu tun. Philippinische Dienstmädchen fuhren kichernd alte taiwanische Menschen mit dem Rollstuhl ins Wahllokal. Krachend schlug das Fußbrett gegen die Wand, denn die Veranda war viel zu klein. Doch mit großer Ernsthaftigkeit übten die Taiwaner ihre Souveränität aus, nur eine einzige alte Frau kam schimpfend aus dem Wahllokal und alle ignorierten sie und guckten angestrengt geradeaus, während sie herumschrie. Vielleicht war sie sauer dass Generalissimus Chiang-Kai Chek (KMT) aus der Gründerzeit nicht mehr auf dem Zettel stand. Na, der hätte bei so viel ehrlich vergebenen Parlamentssitzen gleich mal in der Kaserne angerufen. Denn unter ihm gab es so einen Trick, dass nur die Parlamentssitze frei vergeben wurden, die nicht zu den 1949 verloren gegangen Wahlkreisen auf dem chinesischen Festland gehörten. Letztere waren für die KMT fest abonniert, schließlich konnten die Wähler auf dem Festland nicht mehr mitwählen, deshalb galt das Ergebnis der letzten Wahl für diese Sitze. Raffiniert, gell?
Heute ist das alles Geschichte. Fotos zu machen habe ich mich nicht getraut, jedoch hat Klaus Bardenhagen, deutscher Journalist in Taipei, ebensolche in seinem Blog: http://www.intaiwan.de/2012/01/15/ein-paar-sekunden-tagesschau-presseschau-am-tag-nach-der-taiwan-wahl/
3 Kommentare:
Die ersten freien Wahlen auf Chinesisch Taiwan waren am 23 März 1996, nett 1992.
Manche Fehler sind gar keine, sondern Missverständnisse ;-) 1992 erste freie Parlamentswahl, 1996 erste freie Präsidentschaftswahl. Die Nationalversammlung genau genommen war es (http://de.wikipedia.org/wiki/Kuomintang).
Fragen wir doch mal, ob sie ihre 92er-Wahl nachträglich wieder für unfrei erklären, damit es für uns einfacher wird hier.
Kommentar veröffentlichen