Der aktuelle SPIEGEL 02/2012 erwähnt tatsächlich kurz Taiwan. Gesagt wird, dass Taiwan diesen Samstag seinen Präsidenten wählt und das der eher chinafreundliche Amtsinhaber Ma Ying-Jeou (KMT) eine Herausforderin namens Tsai Ingwen (DPP) hat, die für die taiwanische Unabhängigkeit eintreten würde und die Annäherung Taiwans an China gefährden würde. Soweit richtig, allerdings erwähnt der SPIEGEL nicht den im Allgemeinen vermuteten gemäßigten Unabhängigkeitskurs, den man Frau Tsai unterstellt. Stattdessen erwähnt der SPIEGEL interessanterweise den KONSENSUS VON 1992. Dabei handelt es sich um ein wohl eher inoffizielles Einvernehmen der damals regierenden KMT und der KP Chinas, dass es nur ein China gebe und beide Seiten (Taiwan und die VR China) diese Feststellung unterschiedlich interpretieren würden. Raffinierte Übereinkunft, eh?
So sagt die VR-China, dass es ein China gebe, welches die VR China ist und Taiwan würde als momentan "abtrünnige Provinz" dazu gehören. Ein Standpunkt, den die meisten Staaten der Erde halbwegs unterstützen und nur die VR China diplomatisch anerkennen, nicht aber das demokratische Taiwan.
Die KMT Taiwans sagt jedoch verschiedenes. Präsident Mas Linie etwa ist, dass es in der Tat nur ein China gäbe und das dieses die Regionen "Mainland China" (chin. Festland) und Taiwan habe und das China eigentlich die alte Republik China sein müsste, die 1949 von den Kommunisten auf dem Festland abgeschafft wurde. Und die eben de-facto auf Taiwan seither weiter existiert (denn Taiwans Staatsname ist eigentlich "Republik China").
Die DPP um Frau Tsai hingegen sagt dazu gerne: There is only one China. And only one Taiwan. Es gibt nur ein China, okay, aber auch nur ein Taiwan. Was heißt: Lasst uns mit eurem China-Mist in Ruhe, wir sind Taiwan und nicht China.
Kleiner Diskurs: In West-Deutschland hatten wir während der Teilung das Prinzip der unteilbaren Deutschen Nation und der faktischen Existenz zweier deutscher Staaten. So weit sind die Chinesen und Taiwaner nie gekommen. Die VR-China ist aber auch nicht bereit Taiwan als zweiten chin. Staat neben sich anzuerkennen, daher das One-China-Prinzip.
Ausländer mögen wegen der taiwanischen Unabhängigkeitsidee meist die DPP lieber, oder vielleicht sind die DPP-Freunde mit langer Nase auch einfach nur lauter und präsenter als die KMT-Freunde. Erklärlich ist das, weil wir Ausländer das demokratische Taiwan eben meist mit Taiwan und nicht mit China identifizieren.
Aber mir ist noch gut die Amtszeit des DPP-Präsidenten Chen (2000-2008, ab 2004 selbst erlebt) in Erinnerung. Er grölte im Fernsehen CHINA NO, TAIWAN YES, das Fernsehen zeigte Kriegsschiffe und spielte Marschmusik (annehmend, dass die USA Taiwan bei einem chinesischen Angriff verteidigen würden, denn China drohte damals mit Krieg), nachts heulten die Sirenen übungshalber und ich saß schweißgebadet im Bett. Dazu stahl der kleine Mann im großen Präsidentenpalast alles, was nicht niet und nagelfest war und ließ Staatsfonds auf schweizer Konten verschwinden. Heute sitzt er für die Klauerei im Gefängnis. Der Kerl ließ sogar SOGO, den großen taiwanischen Kaufhauskonzern aus dem Präsidentenpalast heraus erpressen. Erst die Steuergesetze geändert, damit SOGOs Aktienkurs wegen höherer Steuern in den Keller ging, dann einen Verwandten geschickt, der SOGO anbot, das Gesetz zurück zu nehmen gegen Endgeld. Nach Zahlung von 2 Mio. Dollar (meine mich an die Summer zu erinnern) das Gesetz wieder gekippt.
KMT wählen? Gut, die ist traditionell mit der nordchinesischen Bambusgang-Triade verbandelt, wird gesagt.
Ich bin doch für Ma, habe mich wieder umentschieden. Ich will einfach nicht mehr die Sirenen heulen hören. Und wenn die KMT so stickum ihr Business in Hinterzimmern macht ist das irgendwie eleganter als die "Los! Wir klauen alles was nicht angeschraubt ist!"-Masche der DPP.
Oben rechts bei meiner Wahl habe ich also KMT gewählt. Eigentlich war die Wahl hier im Blog nur mal ein Ausprobieren des entsprechenden Google-Gadgets, daher auch der Unsinn mit Wulff und FDP. Aber dann habe ich vergessen es wieder zu löschen. Zählen wir also "Wulff und FDP" als Enthaltungsmöglichkeiten, räusper.
2 Kommentare:
Viele meiner einheimischen Bekannten und Freunde in Kaohsiung unterscheiden fein säuberlich zwischen den Parteien und den jeweiligen Kandidaten. Präsident Ma und Oppositionsführerin Cai stehen in ihren Organisationen ja auch für bestimmte Strömungen. Hier in Kaohsiung hoffen/glauben viele Lokalpatrioten eh, dass "unsere" Bürgermeisterin, Chen Ju, irgendwann am Steuer des Staatsschiffes steht.
Chang says:
Ah Bian gehört an die Wand gestellt. Nicht nur gestellt, auch geschossen.
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