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Freitag, August 09, 2013

"Taiwan is my country", Ausländer im TV

Samstagabendshow am Donnerstag

Gestern lief vermutlich als Wiederholung eine Show mit Taiwans Showgröße Jacky Wu (http://ent.people.com.cn/BIG5/1082/7477813.html). Der 1962 geborene Entertainer hatte bis zu seinem "Ruhestand" vor ein paar Jahren eine fast unheimliche Präsenz im TV. Er pries seine schmachtenden CDs an, moderierte mindestens eine Abendshow gleichzeitig, trat bei anderen auf und beglückte das Publikum mit zahllosen Werbespots. Mir ist er noch im Gedächtnis, als der irgendwie deutlich jünger aussehende Mann vor ein paar Jahren mit einem 7er-BMW betrunken von der Polizei angehalten wurde. Er besaß nicht mal einen Führerschein, behielt aber Sonnyboy-mäßig die Contenance und hatte einen netten Auftritt mit zwei leichtgeschürzten jungen Frauen, mit denen er dann zusammen zu Fuß weiter gehen musste. Mir ist immer noch im Gedächtnis, wie den sich mit ihren Jacken verbergenden gebückt laufenden Frauen die Miniröcke oder Hotpans herunter gerutscht sind. Was man sich alles so merkt, komisch. Kurze Zeit später präsentierte Jackie Wu sich dann im TV wieder am Steuer des 7er-BMWs, mit frisch gemachten Führerschein und hübsche junge Frauen hatte er auch immer um sich. Herr Wu ist der Gottschalk Taiwans, nie oder kaum alternd und auch in seinem Ruhestand immer wieder mit einer Fernsehshow vertreten, meine Frau schmachtet wenn er eine Schnulze zum besten gibt und auch Junior wippt im Takt mit. Gut, das tut er bei allen Sängern außer Punkbands, in so fern heißt das nicht so viel.
Gestern also war er wieder da und hatte mehrere ausländische Herren eingeladen in die Show. Alle samt junge Männer in den 20ern würde ich sagen, Typ Englischlehrer aus den USA gleich dreimal, aber auch jemand aus einem exotischeren Land (die Flagge am Revers müsste ich nachschlagen) und ein Thai, der mit einem Amerikaner im Duo KungFu-artiges auf der Bühe präsentierte. Die anderen jungen Männer musste auch mit Jacky ein bisschen rangeln und Klamauk machen und auf Taiwanisch (nicht Mandarin, sondern Hoklo) singen.
Ein junger rothaariger Amerikaner trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Taiwan is my Country". So unpolitisch wie ein solches Shirt auch erscheinen mag, ist es freilich nicht. Bei seinem schrägen Gesang ging mir auf, dass das in Taiwan ja tatsächlich schon ein politisches Statement ist, wenn man sagt, "Taiwan is my country". Gerade für einen Taiwaner wäre es das. Denn Taiwan ist ja beispielsweise von den meisten Ländern der Erde nicht als Staat anerkannt, die VR-China beansprucht es als "abtrünnige Provinz" und auch ein Vertreter des deutschen Außenministeriums würde sicher gerne Sätze vermeiden, in denen er Taiwan als "Land" (Country) bezeichnet. Auch bei der Deutschen Post wird Taiwan beispielsweise als China, Taiwan geführt, bei Olympiaden wird es als "Chinese Taipei" nach der Hauptstadt benannt mit dem Wörtchen "Chinesisches" davor und viele Internetauswahlboxen nennen es "China, Province of Taiwan". Obwohl ich doch hier meine Steuern nach Taipei, Taiwan zahle und nicht nach Peking, China. Und auch manche (nicht allzu viele) Taiwaner hören den Satz nicht gerne, denken sie doch bei Country and China und nicht an Taiwan. Taiwans Präsident Ma Ying-Jeou etwa sagte kurz nach seiner Amtseinführung, man solle von China und nicht von Taiwan reden, er sieht Taiwan nur als geographischen Teil von dem, was alles China (nicht notwendigerweise die VR-China allerdings) sein sollte, obwohl er nun mal in der Praxis ein eigenes Land regiert.



Auch die Flagge auf dem Shirt des singenden Rothaarigen war interessant, es handelte sich nicht um die offizielle Staatsflagge der "Republik China", die wir umgangssprachlich als "Taiwan" bezeichnen und die hier in Form einer schicken Handtasche im Bild präsent ist (Foto vom Longshan-Tempel), sondern um eine Alternativflagge, wie sie aus den Kreisen der taiwanischen Unabhängigkeitsfreunde lanciert wird. Eine mit viel Grün, die die Landmasse der Insel Taiwan zeigt, es ist die ganz oben auf dieser Taiwanflaggenseite: http://www.taiwandc.org/flags.htm.

Grün ist auch die Farbe der Oppositionspartei DPP, die von 2000-2008 schon mal die Republik China alias Taiwan regiert hat und deren Präsident Chen damals eine neue Flagge mit viel Grün, einen neuen Staatsnamen als "Republik Taiwan" und eine neue Verfassung propagandierte - freilich ohne Erfolg, wohl auch wegen dem Gegendruck aus Peking.

Auch die Dame im Bild macht irgendwie ein politisches Statement, denn wer die Flagge der Republik China alias Taiwan demonstrativ vorzeigt, der betont in Taiwan damit irgendwie den chinesischen Charakter Taiwans, im Gegensatz zu den Unabhängigkeitsfreunden. Es sei denn, es ist gerade ein chinesischer Gesandter in Taiwan (also einer aus Peking), dann verbietet die taiwanische Regierung (jedenfalls wenn es sich um die chinafreundliche gegenwärtige Regierungspartei KMT handelt, die quasi das heutige Taiwan 1949 gegründet hat) das Vorzeigen der eigenen Staatsflagge (die der Parteiflagge der KMT gleicht), weil Peking ja Eigenstaatlichkeit nicht mag. Und dann schwenken plötzlich die Unabhängigkeitsbefürworter die Republik-China-Flagge, die oben im Bild.

Ausländer sind in diesem Sinne meist "grün", wie auch der junge Mann im Fernsehen und sind da oft kompromissloser als die Einheimischen. Klar, wer mag schon China. Ich hatte mal den Regenschirm meiner Frau benutzt, der zeigte auf seinem Schirm eben die oben gezeigte Flagge der Republik China und ich wurde mal drauf angesprochen von einer Frau auf der Straße, das würde an mir komisch aussehen.

Worum es nun ging in diesem Artikel? Um heruntergerutschte Hosen, Staatsflaggen oder Tempel? Vielleicht einfach darum, dass es doch merkwürdig ist, wenn in einem Land das Vorzeigen der eigenen Flagge zum Politikum wird.*** Den Regenschirm würde ich heute immer noch nehmen, ist ja nur ein Schirm, aber ein Hemd mit einer der beiden Flaggen drauf, ob nun Grün-Weiß oder Rot-Blau-Weiß würde ich nicht anziehen wollen. Das überlasse ich dann doch den Taiwanern.
Und taiwanisch im Fernsehen singen möchte ich auch nicht.



*


***Glashaus-Alarm! In Deutschland ist das ein bisschen auch noch so. Geht mir gerade auf. Ich weiß noch, bis vor der Wiedervereinigung durfte man nicht mal "Deutschland" sagen, sondern es musste immer Bundesrepublik heißen, sonst wurde man gleich von der P(oltical)C(orrectness)-Polizei korrigiert. Und wer die Flagge zeigte, war gleich ein Nazi, selbst die Schwarz-Rot-Goldene.


NACHTRAG: Lesen Sie mal auf der Flaggenseite (http://www.taiwandc.org/flags.htm) den Kommentar zur offiziellen Staatsflagge der Republik China/Taiwan. Da heißt es, für 85% der Bevölkerung sei die Flagge ein Symbol der Unterdrückung. Und hier wird ganz stark zwischen "Festländern" und "Einheimischen" unterschieden. Das ist ein extremer Pro-Independence-Standpunkt den ich so nie unterschreiben würde. Meine Schwiegermutter ist aus dem Süden (also einheimisch), meine Frau in diesem Sinne ein "Mischling" mit ihrem "Festland"-Vater. Und auch die Vorfahren von Schwiegermutter (und den meisten anderen "Einheimischen") kamen einst aus China. Die Ureinwohner sind eine Minderheit in Taiwan. So sehr wie die Leute von der Flaggenseite wollen nur wenige die pseudo-ethnischen Gräben aufreißen. Wenn man auf der Seite buddelt findet man, dass die Leutchen wohl in Washington-DC sitzen, vermutlich Auslandstaiwaner. Aus der Ferne kann man schon mal leichter hetzen, da wohnt man nicht direkt neben dem "Festländer". Hier im Land ist das alles viel entspannter. Was ich durchaus an den Taiwanern bewundere, dass sie sich nicht in solche Grüppchen aufteilen im Allgemeinen.

1 Kommentar:

Xinxi hat gesagt…

Taiwan ist ein Fall von geglücktem Multikulti: Festländer, einheimische Chinesen, Hakka, Aborigines - und jetzt auch noch wir Langnasen! Ist übrigens eigenartig, dass nur Hakka und Aborigines besondere Regierungsorganisationen haben. (Präsident Ma ist ja wohl auch ein Hakka, habe ich mir sagen lassen. Mag sogar sein, dass seine mangelnde Popularität teilweise damit zusammenhängt.)