Taiwans politische Szene definiert sich praktisch ausschließlich um die Stellung zur VR-China. Was sicher daran liegt, dass das japanische Kaiserreich 1895 dem chinesischen Kaiserreich die Insel Taiwan abgejagt hat und eine Art Kolonie davon gemacht hat. Bis dann Japan nach verlorenem zweiten Weltkriege das Territorium übergangsweise offenbar unter Oberregie der USA stellen musste (die in dieser Zeit den Pazifikraum neu geordnet haben) und die USA eben der vor den Kommunisten fliehenden chinesischen KMT-Regierung die Insel Taiwan quasi übergaben. So setzte sich die eigentlich untergehende Republik China auf der Inselprovinz Taiwan mit ein paar zur chin. Provinz Fujinan (oder wie immer man das genau schreibt) gehörenden Inseln fort. Und die KP Chinas wirft seither begehrliche Blicke auf die Insel Taiwan, die sie nie beherrscht hat und sagt, sie hätte Anspruch dort auch zu herrschen.
Pierre, reg' dich ab, hier geht es nur um Politik. Und der Typ links könnte auch mal wo anders hinglotzen - Werbung in Jonghe, Taipei. Die beiden sind die "Expats", die mir am meisten auf die Nerven gehen so unvollkommen angezogen neben dem Firmendach und der Kantine)
Obige Zustände subsummiert die deutsche Presse üblicherweise damit, dass Taiwan eine (von China) "abtrünnige Provinz" sei, die sich 1949 abgetrennt habe. So als sei hier auf Taiwan 1949 der Rinderwahnsinn ausgebrochen und die Taiwaner hätten hier die Republik Wendtland oder irgendetwas in der Art ausgerufen. Tatsächlich ist der Staatsname hier "Republik China" aber die Taiwaner driften nun langsam aber stetig zu einer eher taiwanischen Identität. Denn 65% der Leute hier sehen sich als Taiwaner, nicht als Chinesen, liest man immer wieder in Umfragen.
Gegenwärtig ist Präsident Ma Ying-Jeou von der KMT im Präsidentenpalast, 2x demokratisch gewählt. Er hat einen stark auf Annäherung oder manchmal sogar Vereinigung mit der VR-China ausgerichteten Kurs gefahren, der im März 2014 zu Massenprotesten in Taipei und sogar zur Besetzung des Parlaments geführt hatte (http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/03/demo-in-taipei-mit-300000-menschen-oder.html).
Die nächste Präsidentschaftswahl ist 2016. Die große Oppositionspartei DPP, die eher für eine "Republik Taiwan" eintritt, die vielleicht irgendwann mal alle Chinabezüge aus der Verfassung streicht damit Taiwan eine ganz normale parlamentarisch-demokratische Republik in Asien sein kann, wird die Politikerin Tsai Ingwen ins Rennen schicken. Eine emotional distanziert wirkende Frau, der die einmal kurz aufgeflammte Debatte um ihre angebliche Homosexualität im aufgeklärten Taiwan nicht geschadet hat. Frau Tsai gibt sich moderat, will also China nicht mit irgendwelchen dramatischen Aktionen (wie Unabhängigkeitsvolksabstimmungen oder dergleichen wie unter dem letzten DPP-Präsidenten Chen) provozieren, sieht aber ihrer Parteilinie gemäß die VR-China eher als Nachbarland an. Und nicht als altes Mutterland.
Die KMT, die man im demografischen Niedergang sieht, weil die noch aus China eingewanderten oder dort psychologisch verankerten Leute langsam älter werden und wegsterben, wird nun wohl auch eine Frau als Präsidentschaftskandidatin aufstellen. Es ist die 67jährige Hung Hsiu-chu, die wohl eher eine Hardlinerin darstellt. Frau Hung hat sich jedenfalls ausdrücklich gegen eine "Unabhängigkeit Taiwans" ausgesprochen und erklärt, diese sei nicht mit der Verfassung vereinbar. Und sie redet vom "nächsten Schritt", den man in der Beziehung zur VR-China tun müsse. Auch wenn das nach Konföderation (?), Hongkong-Status oder ähnlichem klingt, spricht sie andererseits auch davon, dass die Taiwaner eher die Vereinigung mit China in Demokratie und nach Recht und Gesetz wollen würden, während die VR-China da ihre eigenen Vorstellungen habe.
Demographisch gesehen denke ich, wollen die meisten Taiwaner aber keine Vereinigung mit der VR-China, die Frau Hung im übrigen als "nationale Vereinigung" bezeichnet. Und die Republik China, die wir umgangssprachlich als "Taiwan" bezeichnen, ist natürlich längst ein unabhängiger Staat mit eigener Regierung, Währung, eigenem Militär und Visarecht etc. pp. Eigentlich geht es also gar nicht darum, "Taiwan" von der "Republik China" oder von irgendeinem "China" abzuspalten. Der souveräne Staat namens Republik China müsste sich ja nur in Republik Taiwan umbenennen, dann wäre das ja schon geschehen, was Frau Hung für verfassungsmäßig unmöglich hält.
Empfehlenswert wäre die von vielen in der DPP favorisierte Umbenennung aber nicht, weil die VR-China für diesen Fall mit Krieg und Invasion drohnt.
Das Wahlvolk der "Republik China" hat das Wort. Ganz anders als in der VR-China. Und offenbar haben die Leute die Wahl zwischen einer eher der Vereinigung zuneigenden Frau und einer vermutlich den Status-Quo halten wollenden Frau. Die meisten Beobachter gehen von einem DPP-Sieg aus. So wird es wohl kommen, wenn nichts unvorhergesehenes passiert.
1 Kommentar:
Entschuldigung, aber Taiwan war bis 1895 eine wirtschaftlich blühende chinesische Provinz - genau deswegen wollten die Japaner die Insel schließlich. Es gehört eher zu den Mythen der Pro-Unabhängigkeits-Taiwanesen, dass erst die Japaner den Laden in Ordnung gebracht hätten. Genauso wie die Koreaner auch, waren die chinesischen Bewohner und Ureinwohner gut in der Lage, selbst Zuckerrohr anzubauen und moderne Technik zu importieren. Guck dir doch mal die (durch Japan geschleiften und später einigermaßen originalgetreu wieder aufgebauten) Forts, Stadtmauern und Tempel an. Das sind massive und - für die damalige Zeit - sehr fortschrittliche Projekte gewesen.
Langer Rede kurzer Sinn: Taiwan war sehr wohl Teil des kaiserlichen China.
Aber Wiedervereinigung mit den Roten? Hmmm... Lieber nicht. Hier auf diesem (festlandchinesischen) Blog sind alte Bilder vom Kaiserpalast in Chengdu, China. In den 1960ern von den Kommis zerstört - und durch einen krass-sozialistischen Betonplatz ersetzt.
Kommentar veröffentlichen