Heute war ich geschockt. Einer der größten Verfechter der taiwanischen Kultur respektive der hiesigen chinesischen Kultur (da kann man sich schon streiten und haarspalterische Definitionen aufstellen), der einem sonst schon mal den genauen Unterschied in der Konnotation zwischen einem bestimmten Krähenfußschriftzeichen in moderner Dichtkunst und der der Qing-Dynastie erklärt und der Taiwan immer und überall verteidigt im Ausländerforum, gibt seinen Abschied bekannt. Er will mit seiner Familie in die Heimat USA und wirft einen Blick im Zorn zurück. Einen Link gibt es absichtlich nicht, auch um keine Onlinekriege anzufangen. Jedenfalls stellt er provokativ fest, Taiwan sei "kaputt" und er wolle nicht warten, bis es "repariert" sei. Für solch ein Posting hätte er früher die Leute selbst abgewatscht und sofort findet sich ein Taiwanverteidiger, der ihm für seine Schimpftriade den Kopf wäscht. Mir ist der Autor des zornigen Abschieds noch im Gedächtnis, als ich einmal erwähnte, dass es einen im Forum damals gezeigten Kulturvergleich China-Deutschland auch in einer Taiwan-Deutschland-Variante gäbe. Könne nicht sein, schrieb der Kulturverteidiger, ich hätte da gefälligst auf die Lang- oder Kurzzeichen achten sollen. Hatte ich in der Tat nicht, aber der Kulturvergleich war trotzdem der selbe. Ich hatte allerdings auf einen Streit keine Lust und schwieg stille, sind doch diese offenbar total von der hiesigen Kultur absorbierten Leute eine besondere Sorte Mäuse.
Beipackzettel zum Artikel: Oder vergessen Sie doch einfach das Genöle genervter Langzeitexpats und konzentrieren sich auf die Dinge die wirklich wichtig sind im Leben.
Hier ein Kulturvergleich Taiwan-Deutschland von mir, ganz ohne Krähenfüße, aber mit Computexmodellen: http://osttellerrand.blogspot.tw/2012/12/kulturvergleich-deutschland-vs-taiwan.html
Doch nun schimpft er plötzlich selbst über Taiwan. Was ist also passiert?
Man weiß es im Detail nicht, aber offenbar geht es um schlechten Wohnraum und schlechte Jobperspektiven. In der Tat gleichen sich solche Postings immer sehr, meist sind die Kritikpunkte wie folgt:
- Umweltverschmutzung
- Lebensmittelskandale
- Wilder Verkehr
- Schäbige Wohnungen
- Zu wenig Gehalt
- Wenig Jobperspektiven
- Man ist immer nur Ausländer, nie einfach nur Mensch
Davon hatte der erwähnte Posting-Autor nur einen Teil, ich will ihm hier nichts in den Mund legen. Es ist relativ klar, Englischlehrer mit 60.000 NT hört man oft, da lebt man schäbig wie ein kleiner taiwanischer Angestellter, insbesondere wenn noch Kinder da sind. Dann schleicht man durch bürgersteiglose Straßen, weicht heranrasenden hupenden Toyotas aus und ärgert sich über den schäbigen Wohnblock ohne Heizung und mit Riesenkäfern. Und welche Jobperspektiven soll einer der Kleinkinder-Englischlehrer hier schon haben. Oberenglischlehrer?
Auch bei mir ist es nicht viel anders. Zwar hat auch Dank Frau, die sich in der Firma um den wichtigen Flurfunk und das in fließendem Chinesisch stattfindende Beziehungsgeflecht kümmert, mein Job durchaus Perspektive und auch mehr Geld. Aber weil meine Frau in diesen slumartigen grauen Schlichtvierteln groß geworden ist und eigentlich nirgends anders leben kann, schleiche auch ich dort herum, wo die Englischlehrer frustriert knurren. In grauen Schlichtwohnvierteln eben.
Ich denke es liegt an einer Art Kulturmatrix, Taiwanern jedenfalls in den Großstädten bedeutet schönes Stadtbild und sicherer Straßenverkehr und Lebensmittelsicherheit sehr viel weniger als beispielsweise den Mitteleuropäern. Deswegen führt die ständige und jahrelange Verletzung von Grundwerten (wie Beispielsweise das Rücksichtnehmen auf schwächere Verkehrsteilnehmer) zu einem sich langsam aufstauenden Dauerfrust, der sich irgendwann entlädt. Auch das Lesen von chinesischer Poesie hilft da wohl nicht dagegen.
Auch ich könnte nach 11 Jahren genug vor mich hin schimpfen. Ich vermeide es meist, aber auch für mich muss langsam Schluss sein. Meine Frau ist ja auswanderungswillig und redet kaum noch von etwas anderem den ganzen Tag. Binnen eines Jahres soll es Manila sein, hat sie beschlossen. Und ich kann es kaum erwarten, meine Überdosis Taiwan ist hinreichend groß.
Schimpfen will ich nicht, das Land ist eben nicht wie Deutschland sondern ein überbevölkerter hektischer Betonklotz mit praktisch ausschließlich am Essen (bezogen auf Geschmack, nicht etwa Inhaltsstoffe) und Geschäft interessierten Menschen. Könnte man schimpfen, wenn man wollte. Ich sage es so, bei mir ist es halt eine persönliche Sache, eine Überdosis sondershausen.
Hier noch mal geschimpft, "I fucking hate Taiwan": http://ihatetaiwan.blogspot.tw/
[Edit: Natürlich ist der Blog unter dem Link NICHT von mir]
Newbies schreiben jetzt bitte ihre Empörung in die Kommentare, schließlich sind hier alle "unheimlich offen", "supernett", "das Essen ist super lecker", "die Menschen freundlich" und "die Tempel toll". Etc. pp. Ist ja auch alles lichtig.
Update: Gerade sind zwei lachende Vertrieblerinnen in Vertrieblerinnen-"Uniform" hereingeschwebt und haben mir Kuchen serviert. Alles was im Artikel steht ist für ledige Herren ergo völlig belanglos ;-)
2 Kommentare:
Die Auslender nicht gehören in Taiwan, weil immer komplanien!!! In Frankfurt ich immer vom Turke angepöbelt, außer wenn Türke taxi fahren. Aber dann nehmen immer mehr gelt und bedrohen mich und mein Kinesisch freund. Mach ich komplainen auf Deutsimosa??? >_< Wir Kines in Frankfurt immer rassismus ansaugen, am Ohr gevotzt und backpfeifen jeden Tag, aber siehst du Kines oder Taiwaneze mit Wut aus Deutsiland rauslaufen? Nein. Mehr und mehr Gross-China mensch nach Frankfurt kommen, nimmer komplainen oder problem machen. Die laowai in Taiwan immer Mädchen antanzen, insbesondere dunn und langbein Girl mit stocklshoe und makeup sexualisieren am love motel, und die Frau dumm und geht mit. Ok, dass passiert in Frankfurt auch, aber fur Geldaustausch - dagegen ich nicht Kompanien, weil ich einkassieren. Aber dass ist andere Sache! Hoffee du versteh mein Comment, ich schreib auf Chines und use Bing Translate. Sorry! >.<
Ich denke nach wie vor, dass die Kommentare von "Taiwaneze" eine Parodie sind und daher eigentlich gegen die Kommentarregeln verstoßen. Weil aber außer den üblichen Apple Daily-Klischees über Ausländer in Taiwan nichts wildes drin steht, sei er von mir aus freigeschaltet, mit dem üblichen Knurren der Kommentarfee versehen, die schon ihre Zähne wetzt.
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