Emotionen kochten verständlicherweise hoch nach dem grausamen Mord an einer Schülerin durch einen offenbar Geisteskranken. Die Regierung liefert und lässt (andere*) hinrichten - man darf spekulieren, ob politische Pluspunkte passend zur Stimmung der Bevölkerung gesammelt werden sollten.
Hinrichtungen werden in Taiwan ohne Vorankündigung vollstreckt und entweder durch Schüsse ins Herz oder im Falle von Organspendern durch Kopfschuss vollstreckt. Sich da freiwillig zu melden kann wohl keinem Todeskandidaten geraten werden, schließlich sind in Taiwan Fälle vorgekommen in denen den exekutierten Organspendern die Organe noch lebendig entnommen werden sollten oder gar entnommen worden sind (http://en.wikipedia.org/wiki/Capital_punishment_in_Taiwan#Human_vivisection). In der momentanen Serie findet sich ein Mörder/Vergewaltiger eines (anderen) Schulmädchens und auch ein Gangster, der einen Rivalen lebendig begraben hat (http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2015/06/07/2003620127). Der am harmlosesten klingende Fall ist der eines Fahrgastes oder Taxifahrers (das wird nicht so ganz klar bei der ungenauen Berichterstattung), der einen (anderen) Taxifahrer beim Streit um einen Fahrpreis getötet haben soll. Taxifahrer sind Leute, die schon mal schnell handgreiflich werden in Taiwan. Auch ich habe schon einmal schnell ein Taxi verlassen und Frau und Junior dabei Deckung gegeben. Man könnte sich fragen ob so ein eskalierter Streit überhaupt in die Kategorie Mord fallen müsste, wenn man die Hintergründe kennen würde.
Wie dem auch sei, ein "schwerer Junge", den die Berichterstattung mit Mord und Folter in Zusammenhang bringt, hat eine Stunde gebraucht zum Sterben und ein weiterer Todeskandidaten musste zweimal zur Zielscheibe werden. Lebendentnahme von Organen, doppeltes Herumballern und stundenlanges Sterben, das alles ist meiner Meinung nach ein zu tiefst unwürdiges Spektakel, das sich eine parlamentarische Demokratie wie Taiwan nicht leisten sollte, allen Populismus hin oder her. Leider hat die gegenwärtige prochinesische Regierung unter Präsident Ma (KMT) die vorher von der DPP unter Präsident Chen ausgesetzte Todesstrafe wieder aufgenommen - und poliert sich so die teilweise bis auf 9% gefallenen Popularitätswerte wieder auf. Ein schmutziger und irgendwie nach der hofierten VR-China riechender Job. Moderne zivilisierte Länder sollten ihn nicht machen, trotz aller Trauer für die Opfer der Verbrechen, die die Täter begangen haben.
* Der aktuelle Täter ist ja noch nicht einmal verurteilt
4 Kommentare:
Das mit dem Seitenhieb auf die VR China ist hier aber echt überflüssig. Auf dem Festland sinkt die Zahl der Hinrichtungen nämlich seit Jahren. Immer noch zu hoch, aber Taiwan orientiert sich hier eher an den USA und Japan. (Und D hätte doch auch die Todesstrafe, wenn das normale Volk mehr Mitsprache hätte.)
Präsident Ma würde bei diesem Tadel, zu devot-chinesisch zu sein, nur lustvoll stöhnen.
Ach wie schrecklich, dass ein Mörder eine Stunde gebraucht hat um zum sterben, mir kommen die Tränen. Fassungsloss, dass dir die Täter wichtiger sind als Opfer.
Sehr enttäuschter Leser
Horst,
ich habe kein Statement gemacht, dass die Täter wichtiger seien als die Opfer. Ich halte es nur nicht für angemessen für einen zivilisierten Staat die Täter dann ebenfalls zu Tode zu quälen. Er hat seine Opfer gefoltert und nun hat ihm das Universum etwas zurück gegeben. Ich breche hier bestimmt auch nicht in Tränen aus, aber Gefühlsregungen und wie ein zivilisierter Staat vorgehen sollte sind zwei verschiedene Dinge denke ich. Sonst enden wir am Ende noch beim Gleiches mit Gleichem vergelten oder nageln die Leute an Kreuze.
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