Der prochinesische Präsident Ma (Kuomintang-Partei) von Taiwan konnte nicht gerade die Menschenmassen mobilisieren für seine Pro-Reigerungs- Demo als Gegendemo zu der riesigen Pro-Demokratie und Pro-Unabhängigkeits-Demo
Stand ich da mit meinem Smartphone, das irgendwie nie eine Netzverbindung bekam. Und suchte die Demo, die ja aus Studentenkreisen kommend gegen die weitere wirtschaftliche und sonstige Annäherung Taiwans an China gerichtet war.
Wo war sie nur, die Demo? Ich suchte und suchte und dann fand ich ein merkwürdiges Grüppchen vor, das sich an einigen Bussen versammelt hatte. Ein Busfahrerstreik? Demo gegen zu teure Monatskarten?
Oder hat hier einfach ein Flaggenverkäufer eine Souvenirbude und die Leute lüften ihre Winkelemente noch mal durch, bevor sie in den Bus nach Kaohsiung steigen. Letzteres übrigens eine unheimliche Stadt, von der niemand weiß, wie man das mit lateinischen Buchstaben schreibt (ich musste erst Wikipedia nutzen um es zu sehen). Oder gegen Mücken hilft das wahrscheinlich auch. Im Laufe der Zeit wurde mir aber immer klarer, dass es sich um eine Pro-Regierungs Gegendemo zu der eigentlichen Demo handelte. Während die richtigen Demonstranten die Rücknahme des letzten Handelsvertrages zwischen Taiwan und China (oder eher: zwischen der Kuomintang-Partei Taiwans und der Kommunistischen Partei Chinas) forderten, um Taiwan nicht noch näher an China driften zu lassen, sollte hier halt für das Gegenteil demonstriert werden.
Sehr trostlos die Gegendemo, aber bitte, wer demonstriert schon für eine Regierung? "Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", sagte neulich einer der größten Philosophen der Gegenwart, der von mir sehr bewunderte Karl Lagerfeld. Ich würde hier bescheiden ergänzen wollen: "Und wer für die Regierung demonstriert, hat seine Persönlichkeit und seinen freien Willen verloren". Irgendwie ist das so, als ob man dem Postboden bei der Nachnahmegebühr Trinkgeld geben will. Oder irgendwie so.
Und eines sollten die Organisatoren der Gegendemo mal lernen: Man bleibt nicht direkt vor den Bussen stehen für eine Demo sondern sollte wenigstens die Illusion einer räumlichen Präsenz schaffen. Oder sie waren gerade fertig, wer weiß das schon.
Wie dem auch sei, wo geht also zur richtigen Demo hier? Meine Ausführungen hier sind ähnlich einschläfernd wie die Bushaltestellendemo selbst.
Suchend lief ich umhehr und besah mir die nicht immer hübsche Architektur. Solche grauen Schmuddelfassaden sind das alte Taipei, das ich noch aus meiner Anfangszeit ab 2004 hier gut kenne und as mittlerweile auf dem Rückzug ist und durch moderne Glas-Stahl-Beton-Konstruktionen ersetzt wird Zug um Zug.
Am Ende lief ich einfach ein paar jungen Leuten hinterher, die sich hier an der Ampel zusammen fanden. Schwarz-Gelb oder auch Schwarz Orangegelb schien die neue Demofarbe zu sein, wie man hier schon an den T-Shirts sieht, auch wenn nur manche das trugen.
Kaum stand ich hier, da sprach mich eine junge Frau an. Oder sagen wir mal, sie war vielleicht um die Dreißig (sage ich doch, jung!), allerdings sah man ihrem Gesicht durchaus an, das ihr Leben wohl nicht das einfachste war. Sie käme aus Malaysia, stellte sie sich vor. Sie hatte dann eine merkwürdige Geschichte parat, die Währungen von Malaysia und Taiwan seien verschieden (aha!) und sie wolle mit der MRT (also der Stadtbahn) nach Kaoshiung (oder wie man das schreibt) fahren, wofür sie 500 NT (etwa 12.50 Euro) bräuchte. Natürlich fährt die Stadtbahn nicht bis zur großen Stadt im Süden Taiwans und ich hatte wenig Lust, ihr Geld zu geben, trotz ihrer perfekten Englischkenntnisse. Ich wies sie reflexartig auf meine eigene fiktive finanzielle Notlage hin (das funktioniert immer am Besten bei berufsmäßigen Schnorrern) und muss etwa sehr ausgeschmückt haben, denn verblüffend schnell suchte die Dame das Weite. Da fühlte ich mich ein bisschen schlecht. Am Ende war sie ein Dienstmädchen oder dergleichen hier, die hart arbeiten muss für wenig Geld und wollte sich von einem unbedarft aussehenden Laowai (Ausländer) in Taiwan ein bisschen Geld holen. Wahrscheinlich lag es an meiner Hose mit Papageienmuster, denke ich. Wie auch immer, ich habe mir fest vorgenommen, die nächste Damsel in Distress erstmal zum Kaffee einzuladen, wenn sie so gut Englisch spricht. Hat man ja nicht immer hier. Und ich hätte endlich jemanden gehabt, mit dem ich über malayische Innenpolitik hätte diskutieren können, in die ich mich in der letzten Zeit eingelesen habe. Und gute Geschichten, etwa wie man mit der MRT nach Kaosh... Kaoshiung kommt, sind bestimmt auch 12.50 Euro wert.
Und was sagt das eigentlich über die Gegendemo aus, wenn in dem Bericht über sie von allem möglichen die Rede ist, nur nicht von der ereignislosen Veranstaltung selbst? Also auf zur richtigen Demo...
Damned..... wo ist denn der Studentenpulk nun abgeblieben?
Gefunden habe ich die richtige Demo denn doch noch, ausführlicher Bericht mit vielen Fotos HIER.
Weiter zur richtigen Demo gegen den Handelsvertrag:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/03/demo-in-taipei-mit-300000-menschen-oder.html
+++++++++++++++ Update: Der "Ex-Gangster" mit dem Spitznamen "Weißer Wolf",
der für eine Vereinigung von China und Taiwan eintritt, hat gestern
(kein Aprilscherz!) an einer Pro-Handelspakt-Demo vor dem immer noch von
Anti-Handelspakt-Protestlern besetzten taiwanischen Parlament (der
Legislative Yuan der Republik China streng genommen) teilgenommen und
gesagt, die Besetzer würde es nicht verdienen, Chinesen zu sein. "Wir
sind Taiwaner" lautete die Antwort. Der "Weiße Wolf" hat auch die
Studenten der Sonnenblumenbewegung verbal bedroht. Warum gesellen sich
anständige Menschen zu solchen Personen dazu, wenn sie in Taipei herum
marschieren?
Hintergrund: Der "Weiße Wolf" Herr
Chang ist ein Ex-Anführer der mit der Kuomintang-Partei oft als
verflochten bezeichneten "Bambusgang"-Triade in Taipei und wurde 2013
nach seiner Rückkehr nach Taiwan verhaftet und auf Kaution freigelassen.
Er hat offenbar 10 Jahre wegen Drogenschmuggels in den USA im Gefängnis
gesessen und wird auch mit Morden in Zusammenhang gebracht. Er markiert
nach Ansicht mancher Beobachter (etwa http://thediplomat.com/2014/02/the-return-of-gangster-politics-in-taiwan/)
die Rückkehr der klassichen "Gangster-Politik" in Taiwan. Er führt eine
politische Partei an, die bislang unbedeutende China Unification
Promotion Party. "Wähl mich oder ich fress' dich" wäre ein hübscher
Slogan für die Partei, denke ich.
Deutsche Info über Chang: http://www.spiegel.de/politik/ausland/taiwan-ex-gangster-chang-an-le-unterwandert-politik-a-956611.html#ref=rss
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++++++++++++++++++ Update 2: Offenbar kauft die "Bambusgang"-Triade Protestler, damit sie an einem Pro-Handelsvertrags-SitIn teilnehmen: http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2014/04/02/2003587077
Im
Zuge der Proteste wird die Querverbindung zwischen Kuomintang-Partei
und Bambusgang-Triade immer... transparenter. Interessant.
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1 Kommentar:
Und warum ist der "Weiße Wolf" gegen die Minikaution von 33.000 USD entlassen worden? Also arbeiten Kuomintang, Bambusgang und Justiz hier Hand in Hand.
Und mit der KP-China ist der Weiße Wolf auch verflochten, liest man. Da war er ja im Exil die ganze Zeit. Also treten die Studenten gegen ein Konglomerat aus
KP-China + Kuomintang + Bambusgang-Triade + Justiz
an. Man kann ihnen nur aufrichtig Glück wünschen.
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