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Dienstag, Juli 09, 2013

Reisezoom im Einsatz

Blick in die Fotokiste. Altes Analogzeug an moderner DSLR
Teil 1 

Den sogenan Reisezooms stand ich schon immer kritisch gegenüber. Einen besonders großen Zoombereich haben sie, etwa früher für die Analog-SLRs von 28 bis 200mm, also von Weitwinkel bis Tele. Heute sogar (wenn für Vollformat-DSLRs gedacht und nicht für die handelsüblichen APS-C-Format DSLR) von 28-300mm. Die pumpen daher wegen der langen Zoomwege viel Luft (Objektive atmen in der Tat!), können daher viel Staub aufnehmen und Linsen, die man ja eigentlich für genau eine Brennweite optimiert hat im Schliff (bevor die Zooms aufkamen), müssen sich förmlich "verrenken", um für alle denkbaren Brennweiten zu dienen. Habe also immer die Finger von den Reisezooms gelassen, damals für meine analogen Minoltas und heute für die digitale Sony. Bis diesen Juni, als der Deutschlandtrip mit Frau und Junior anstand und ich schon ahnte, dass ich bei üblichen Besuch im hannoverschen Zoo wieder eine deutschlandgenervte Frau nebst unserem Junior zu betreuen habe und daher keine Zeit zum Objektivwechsel haben würde. Also schnell bei Ebay ein altes Reisezoom gekauft, ein Tamron 3,8-5,6 / 28-200, die Kommazahlen geben die Lichtstärke an, wie der Fotofreund weiß (1,0 wäre ein direktes Übernehmen des Umgebungslichts - 1:1,0 eigentlich, 2,0 - oder eben 1:2,0 - stände für die noch sehr gute Halbierung des Lichts).

Tamron 3,8-5,6 / 28-200 Aspherical

Das Objektiv war ein Veteran, denn der Verkäufer gab an es an einer Minolta Dynax 3xi benutzt zu haben, also ein Objektiv der frühen 90er. Immerhin das Aspherical, daher hatte ich Hoffnung auf doch leidliche Bildqualität. Allerdings war es für die 50 Euro ein Risikokauf, sah man doch, dass der Verkäufer keinen Schutzfilter auf dem Objektiv hatte (wer weiß, was die Linsen also abbekommen haben), die Linsen waren nicht zu erkennen auf dem Foto und man war daher ein bisschen im Ungewissen. Immerhin pries er das Objektiv nicht superprofessionell an, wie manche das tun, daher hielt sich der Preis in Grenzen. So ein Objektiv kann durchaus das Doppelte erzielen, denn an einer handelsüblichen APS-C Digitalkamera (die späten Konika-Minoltas oder Sony) kann es als gutes Telezoom dienen und entspricht dann etwa 42-300 mm Brennweite im Kleinbild-Äquivalent (vgl. Crop-factor, der in der Wirkung die Brennweite verlängert wegen des kleineren Sensorformats von APS-C-DSLR im Vergleich zu Vollformat/Kleinbild). 

Nur wenige alte Objektive seien für meine Vollformat-Sony geeignet, schreiben die Leute immer wieder im Netz. Wegen des empfindlichen 24 Megapixelsensors, der angeblich bei jedem Zoom unter 1000 Euro oder dergleichen das Bild in ein dumpfes oder matschiges diffuses Etwas verwandelt, das man vor lauter "chromatischen Abweichungen", "Vignettierung" und sonstiger Grausamkeiten gar nicht mehr erkennen könne. So ganz wollte ich das nie glauben, hatte ich doch bis vor kurzem ein für lächerliche 9 Euro (plus Versand) erstandenes Minolta AF 3,5-5,6 / 28-80mm (D) verwendet, das einst nur 75 Euro neu gekostet hat und mich zwar zum Schluss durch geringe Lichtstärke mehr und mehr nervte (ich werde scheinbar kritischer mit der Zeit), aber sonst eben gute Bilder lieferte. 

Was würde ich also erhalten (hier etwas unscharf mit meiner neuen Casio Kompaktkamera -auch von Ebay - im ausgefahrenen Zustand abgelichtet) und wie würde es sich schlagen? Ich erhielt ein typisches altes Tamron. Tamron kannte ich fast zeitgenössisch von meinem alten Normalzoom her, in den späten 90ern gekauft, ein massives Plastikding mit dicken Gummierungen, eigentlich unverwüstlich. Nur Pilz und Staub hatten mein altes Tamron später in Taiwan dahingerafft. Das Tamron von Ebay war genauso stabil verarbeitet, latent unsympathisch durch extreme Ausfahrtendenz und mit einer (nicht unüblichen) mitdrehenden Frontlinse beim Scharfstellen (die also meine schöne extra bestellte asymmetrische Sonnenblende ad absurdum führte, aber das verstehen nur Freaks denke ich). Staub war keiner drin (kaum benutzt?) aber die Frontlinse lies mich erschaudern, offenkundig hatte der Vorbesitzer am Meer fotografiert und Salzwasser auf Frontlinse kommen lassen, das sich für immer in die Vergütung eingebrannt hatte. Ich tröstete das alte Zoom "so schnöde wird dich keiner mehr behandeln" und zog flugs einen UV-Filter drauf, der es künftig vor solcherlei Ungemach schützen würde. Salzwasser, brrrr....
Die alte Minolta Dynax 3xi hat der Verkäufer auch gleich mitgeschickt. Mit der ausschließlich vollautomatisch arbeitenden alten SLR kann man heute nichts mehr anfangen, denn wer noch Analogfilm nimmt, will ja in der Regel kreativ arbeiten. Aber gut, sie kam zwischen Dynax 7000i und 5xi passend genau in die Sammlung in Deutschland. 


Also auf in den Zoo damit! 


Nichts gutes erwartend drückte ich ab. Nach all den Vorkommentaren aus dem Netz erwartete ich, die Löwin kaum von einem Rauhaardackel unterscheiden zu können. Doch siehe da - ein richtiges Bild, man erkennt das Katzenviech. Alle Bilder sind unbearbeitet. Lediglich beim Scharfstellen merkte ich, dass mein Zoomveteran manchmal die Umstellung des Kamera-AF auf (nur) den zentralen AF-Sensor brauchte, mit den normalen 9+10 AF-Sensoren meiner Kamera kam es nicht immer zurecht (oder umgekehrt), auch brauchte der AF gefühlt etwas länger zum Fokussieren. Sonst bewältigte das alte Zoom des Technologiesprung von einer "nur Programmautomatik" 1-AF-Sensor Analog-SLR für den guten alten Kleinbildfilm hin zu einer gut zwanzig Jahre späteren Sony DSLR mit Vollformatsensor (Sony A850) erstklassig. Bei Tamron sind auch eigentlich nie Kompatibilitätsprobleme zu erwarten (es sei denn man nimmt neue made-for-Sony Tamrons auf alten Minoltas, aber das ist ein anderes Thema).


Aha! Endlich! Nebelige undurchsichtige diffuse Aufnahmen! Hatten die Leute im Forum doch Recht? Nö.... hier war wirklich Bodennebel im Zoo Hannover, sah schick aus, wenn auch weit und breit kein Viech zu sehen gewesen wäre, dass das erfordert hätte (getarntes siganesisches Nebelhörnchen vielleicht?). Oder es war diese Nebelkreatur aus Star Trek, wer weiß.

Mehr und mehr beschlich mich der Verdacht, dass das alte Reisezoom einfach gute Bilder machte und sich für die ganze überdrehten Forumskommentare selbsternannter Fotopäbste einfach nicht interessierte. Diffus war da nix. Mag natürlich sein, dass der Esel mit einem Neuen 2800-Euro Zeiss-Telezoom noch Sattelzeug und einen Reiter drauf gehabt hätte, wer weiß.

Sogar eine Aufnahme bei wenig Restlicht ging, dank des in die Kamera eingebauten Bildstabilisators. Wer es selbst genauer sehen will: Firefox vergrößert mit Mittel- oder Linksklick. Allerdings hat die 72mm-Frontlinse schon mal Lichtreflexe, gerade wenn ein Schutzfilter drauf ist. Hier leicht zu sehen.

Watt die alles aufbauen im Zoo Hannover, toll. Hätte ich die Aufnahme mit dem Carl-Zeiss Telezoom gemacht, wäre in diesem Yukon-Szenario vielleicht noch ein Saloon-Showgirl mit Netzstrümpfen drauf gewesen. Hmmm... die Ausgabe kann doch lohnen. Das alte Tamron hatte das nicht dabei ;-)

Auch bei starkem Zoom (etwa 200mm) waren die Bilder gestochen scharf, was mich ehrlich gesagt verblüffte. UPDATE: Mit dem "ach so schrecklichen Reisezoom", wenn man den Spin... äh ... Experten glaubt, dürfe man ja kaum etwas auf den Aufnahmen erkennen. Ich kann mich aber in der Vergrößerung sogar selbst (!) in den Augen des Seehundes gespiegelt erkennen:


Offenbar spiegelt sich das Licht in der Kamera, oder ist das ein AF-Hilfslicht? Oder sonst was. Sieht aber aus wie mein Kopf. Schon etwas unheimlich. Und spricht für die Qualität des alten Zooms, das offensichtlich bestens zur hohen Auflösung der modernen DSLR passt (wenn eine 3 Jahre alte Kamera heute noch als modern gelten kann).


Das alte Ding ließ sich nicht lumpen...

 .... warf man auch ein noch so kritisches Auge drauf.

Nur die Weitwinkelaufnahmen "Junior vor gefährlichem Viech hinter Glas" waren ziemlich mühsam. Das geht mit einem Normalzoom oder gar einer Festbrennweite besser. Langsames Fokussieren im AF-Modus und die öfter notwendige Beschränkung auf den einen zentralen AF-Sensor machten den AF zur Qual bei solchen Aufnahmen, so dass ich hier für diese manuell fokussiert habe. Auch die Naheinstellgrenze schien ziemlich in der Ferne zu liegen, stellte ich dabei fest. Aber wer will dem Zoom vorwerfen, dass es nicht mit 19 AF-Sensoren klar kommt, wenn es in den frühen 90ern fast nur Kameras mit einem Zentralsensor gab.



Verdammt! Da habe ich Junior gerade im Fokus und will mit der schlechten Lichtstärke eine Aufnahme von ihm und dem Kätzchen machen, da führt er sich auf wie ein Filmstar auf der Cocktailparty vor den Paparazzi. Offenbar hatte er Sorge, die Kamera könne die Katze stören - cleverer Bursche. So schnell bewegend reichte die Lichtstärke des alten Zooms natürlich nicht aus wegen langsamer Verschlusszeit. Aber das wäre bei neuen Zooms auch nicht besser.

Für die wirklich schwierigen Aufnahmen vom Robbenpool "unter Wasser" nahm ich aber lieber mein 1,7/50mm Normalobjektiv, gekauft 1999 für die alte analoge Minolta und auch auf der Sony perfekt funktionierend. Für die extrem schnellen Robben brauchte man einfach ein helles Objektiv, das auch schnellen AF erlaubt.


Hier für die schwierigen Sachen im Einsatz: das 1999er Minolta AF 1,7/50mm


Andererseits zeigen mir die Bilder, wie technokratisch man heute denkt beim Fotografieren. Früher bei einer manuell zu fokussierenden SLR hätte ich die Schärfe hinter der Scheibe wohl abgeschätzt bzw. Scharfstellen auf die Scheibe hätte für die Aufnahme wohl auch gereicht und Junior vielleicht sogar schärfer gemacht. Heute hingegen sagt man, dass man einen supernschnellen Multipunkt-AF braucht, nur um auf das blitzschnell bewegende Tier scharf stellen zu können.

Wie dem auch sei, mit dem dunklen Zoom wären diese Aufnahmen nichts geworden, da brauchte es eine helle Festbrennweite. Ein lichtstarkes Normalzoom wie ein 2,8/28-70 hätte vielleicht auch gereicht, das will ich gerne zugeben. Was aber wieder moderner Overkill ist irgendwo, denn mein 1,7/50mm gibt es manchmal für 50 Euro bei Ebay, für ein helles Normalzoom würden mehrere Hundert Euro fällig.

 Wieder draußen konnte das alte Zoom noch mal bei den Fanten glänzen, an der Haut sieht man in der Vergrößerung gut die Schärfe des Veteranen. Gemeint ist das Tamron, nicht der Elefant ;-)


Nur AF-Schnelligkeit ist nicht die Stärke so eines dunklen Reisezooms. Hier legt die Großkatze gerade los, wie zu Hause früher unser Stubentiger, wenn ich mit der Garnrolle kam. Später auf Fullspeed kam der AF nicht mehr ganz hinter her.

Aber irgendeinen Nachteil muss so ein Reiszoom auch haben. Trotzdem war es für einen Trip mit Kind und Kegel in den Zoo genau das Richtige. Ideal für Zoofotografie wäre sicher das Zeiss 2,8/80-200 (Brennweite aus dem Gedächtnis), das kostet wohl 1800 Euro oder mehr und wenn die Objekte nah an der Kamera sind braucht man noch eine zweite DLSR um den Hals hängender Weise, etwa mit einem 2,8/24-70. Aber andererseits fotografiere ich ja nicht für den National Geographic und genug Geld für den Reis zu Hause in Taiwan muss auch noch übrig bleiben.

Hat das alte Zoom mir Appetit auf eines der neuen 28-300er Reisezooms von Tamron gemacht? Eigentlich nicht. Es ist nämlich so gut, dass ich es einfach weiter nutze....

 *

P.S: Auch die Bilder im Vorbeitrag sind mit dem 28-200er gemacht.

2.P.S.: Mein altes Tamron Telezoom 4-5,6 / 70-300mm hat es klar aus dem Feld geschlagen. Dieses neue Zoom war eine sehr preisgünstige (neu etwa 130 Euro) Anschaffung, ist leicht und dünnwandig "plasticky" und hat leider Schärfeprobleme, braucht ab 250mm auch den Zentralsensor des AF und hat nach ein paar Monaten bereits etwas Staub aufgenommen, weil zu leicht und locker gebaut. Mein bestgehasstes Objektiv (unten im Bild), ich hätte einfach mehr Geld ausgeben sollen.

Schlechter: Mein 2012er Tamron Di LD (+Macro) 4-5,6 / 70-300mm

Dieses neue "made-for-Sony"-Tamron funktioniert übrigens nicht richtig auf meiner alten Minolta Dynax 505si super - der AF geht nicht, die Kamera beschwert sich über mangelnde AF-Kopplung zum Objektiv. Offenbar testet Tamron nicht mehr die Kompatibilität zu alten Minoltas, wenn es Firmwaremods macht.

3.P.S:: Interessant, meine fotografierenden Mitmenschen zu beobachten. NIEMAND scheint mehr mit einer digitalen Kompaktkamera zu fotografieren, obwohl diese noch vor wenigen Jahren die Fotogemeinde absolut dominiert hat. 3/4 der Leute fotografieren mit dem Handy ("kleines Brett vor Kopf"), einige wenige mit dem Tablett-Computer ("großes Brett vor Kopf") und etwa ein Viertel mit dicken DSLRs mit Dickzooms oder schlankeren spiegellosen Systemkameras. NIEMAND außer mir hat mehr Objektive gewechselt. Ich ja auch nur unter beißenden Kommentaren meiner Gattin ("bist du schon wieder am Fotografieren? Sollen Junior die Löwen fressen? Guck, er bohrt gerade ein Loch in den Löwenkäfig / taucht bei den Orcas" etc).

1 Kommentar:

Johannes hat gesagt…

Ludigel,
ich find's gut, dass Du das Blog nicht aufgegeben hast! Immer wieder echt lesenswert und, wie man hier sehen kann, durchaus auch lehrreich.
Immer gut, wenn jemand aus der pauschal verurteilten Hardware trotzdem das Maximum rausholen kann, durchaus eindrucksvoll!
Nächste Reise dann vielleicht zu einer der Polkappen? Da könnte es auch ohne Klimaanlage kalt genug sein und es ist viel Platz zum Spielen da ^^