Vor ein paar Wochen war es eine lustige Geschichte, aus Taichung glaube ich (obwohl ich das manchmal mit Tainan verwechsele). Ein englischer Muttersprachler, Amerikaner, Kanadier vermutlich, rettete sich auf das Dach der "Buxiban" (sprich: "Buschiban"), in der er dafür bezahlt wurde, kleinen Taiwanern im Vorschul- oder Grundschulalter Englisch beizubringen. Solche Schulen, oft auch mit dem deutschen Wort "Kindergarten" bezeichnet (weil es klein geschrieben auch in den US-Sprachschatz eingedrungen ist) sind sehr populär in Taiwan, fast jeder kleine Pöks kriegt dort frühen Englischunterricht.
Wenn junge Frauen junge Weiße in Bars ansprechen in Taiwan, sind es manchmal NIA-Agentinnen, wie man im Ausländerforum liest, die nach illegalen English-Teachern fahnden (*** klick ***). Im Bild sind freilich nur Hitachi-Agentinnen auf der Computex Computermesse
Die übliche Buxiban mit dem üblichen jungen US-Amerikaner und großen Klassen ist aber offenbar wenig effektiv, jedenfalls sprechen die Taiwaner dann später doch kaum Englisch. Das soll daran liegen, dass der Unterricht nach asiatischen Vorstellungen sehr schriftlastig ist. In Taiwan ist es guter Unterricht, wenn die Kinder viel auswendig lernen. Reden steht da nicht so hoch im Kurs und so kriege ich in den Unternehmen oft ganz gute englische Emails von Kollegen, die sich schlichtweg weigern mit mir auf Englisch zu reden (und ja, mein Chinesisch ist bei technischen Fragen immer noch keine Hilfe). Manche Kollegen böxen veritabel mit roten Kopf aus, wenn sich die Notwendigkeit zum Englischsprechen ergibt. Denn wenn Taiwaner einem Westler gegenüber nicht absolut perfekt Englisch sprechen und auch nur den kleinsten Fehler machen, verlieren sie ihr Gesicht! Da können aber die Englischlehrer nun auch nichts dafür. Mittlerweile müssen sie übrigens wirklich einen Abschluss in Englisch haben und eben Muttersprachler sein (Taiwanerinnen* ausgenommen natürlich, die sind oft die Assistenzlehrer), aber viele besorgen sich wohl einen Abschluss in einer bekannten Straße in Bangkok in Thailand und sind dann halt Englischlehrer.
Wie dem auch sei, wie kommt es dazu, dass sich so ein Englischlehrer auf das Dach seiner Vorschule retten muss, wenn er doch sonst nichts getan hat? Außer zu unterrichten meine ich. Gerade habe ich wieder einen neuen Fall im Forum gelesen, wo eine Tapeten-Geheimtür den Englischlehrer gerettet hat. In der Tat wurde der "Lehrer auf dem Dach" jedenfalls nach seiner eigenen Schilderung u.a. von jungen National-Immigration-Agency (NIA) - Mitarbeiterinnen an der Dachleiter belagert, bis er sich erschöpft in die starken Arme der NIA sinken ließ, filmen ließ, sich vor Zeugen als "Teacher Bill" oder was auch immer von der Klasse bezeichnen ließ und schließlich die höflichen Entschuldigungen seiner jungen weiblichen mit FBI-artigen dunkelblauen NIA-Westen (gelbe Schrift!) bekleideten Häscherinnen entgegen nahm. "Die aus Taipei haben uns gezwungen", sagte seine Häscherin entschuldigend. Die jungen Damen trugen auf dem Foto das jemand beisteuerte die selben roten Sportschuhe, die auch meine Frau gerade gekauft hatte. Müssen im Angebot gewesen sein.
Der junge "Englischlehrer" wird nun deportiert, höflich auf taiwanische Art mit einem Stempel im Pass und freiwilligem Begeben zum Flughafen.
Aber warum das Ganze. Warum lädt ein Land viele junge Englisch-Muttersprachler ein, um sie dann auf die Dächer und aus dem Land zu jagen, nur weil sie ihren immer noch stark nachgefragten Job machen?
Die Lösung ist, dass das taiwanische Recht zwischen Vorschulen und Nachhilfeschulen unterscheidet, also zwischen "Kindergarten" und "Cram School". Und Branchen in Taiwan brauchen eine pauschale Öffnung seitens der Regierung, um überhaupt Ausländer beschäftigen zu dürfen. Ein Supermarkt etwa darf das offenbar nicht, ein Kindergarten auch nicht, eine Nachhilfeschule und ein IT-Unternehmen aber schon. Ausgenommen sind Leute, die mit Einheimischen verheiratet sind, die dürfen auch in Supermärkten arbeiten.
Nun sind die meisten dieser Buxiban(e) als Kindergärten registriert, damit ihnen nicht das ultrajunge Publikum entgeht und per se ist jeder Lehrer, der dort arbeitet illegal, wenn er Ausländer ist. Sogar wenn er eine Arbeitsgenehmigung hat, denn die ganze Branche ist ja für Ausländer gesperrt. Sinn der Regelung war wohl mal, dass kleine Taiwaner nicht noch mit einer zweiten Fremdsprache gepeinigt werden sollen, was nun aber in der Praxis zur Jagd auf "Johnny Weißbrot" in den Kindergärten führt. Die NIA-Agenten in ihren roten Turnschuhen ;-) platzen in die Englischklassen, ziehen den "Weißen" (Englischlehrer sind fast nur hellhäutige Westler in Taiwan, weil die Eltern das so wollen) aus der Klasse und lassen die taiwanische Assistenzlehrerin dann weiter unterrichten. Die Jagd auf Johnny Weißbrot kann wohl auch von Politikern ganz gut ausgenutzt werden, die in Wahlkampagnen die Englischlehrer mit moralischer Verderbnis gleichsetzen.
Auswege, die Englischlehrer als ausländische Berater und nicht als Lehrer anzustellen, funktionieren natürlich nur bedingt. Mein Traum ist immer, irgendwann mal meinen Sohn von einer Buxiban abzuholen, während dann gerade eine Weißen-Razzia stattfndet. Bestimmt fände ich mich von eifrigen jungen Frauen umzingelt, "ge-cockblocked" und gefilmt. Ich würde natürlich sofort alles vor laufender Kamera zugeben, seit 25 Jahren (ach was, 48) in Taiwan Englisch zu unterrichten, ja den Englischunterricht und vielleicht sogar das Englische selbst erfunden zu haben. Alles auf Deutsch freilich, dann würden die NIA-Agenten an ihren Englischkenntnissen zweifeln, das Gesicht verlieren und vermutlich mit rotem Kopf weglaufen...
* offenbar nie Herren
LINK: Eine Razzia in einer alten Kurzgeschichte: "The Teaching Dead", http://osttellerrand.blogspot.tw/2009/07/klub-der-toten-lehrer-teaching-dead.html
1 Kommentar:
Hi
" viele besorgen sich wohl einen Abschluss in einer bekannten Straße in Bangkok in Thailand und sind dann halt Englischlehrer".
Du meinst doch wohl nicht die Kaosan Road, wo ich meinen neuen Führerschein und meinen Abschluss in Atom Physik her habe. :-)
Frank
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