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Dienstag, März 25, 2014

Ausländer und Proteste...

Können/dürfen/sollen Ausländer an den gegenwärtigen Anti-Regierungs-Protesten in Taiwan teilnehmen?

Gegenwärtig ist (schon seit Sonntag) das Parlament von Taiwan (eigentlich heißt es: der Legislative Yuan der Republik China) von studentischen Protestierenden besetzt, die gegen das letzte wirtschaftliche Abkommen zwischen Taiwan/Republik China und der Volksrepublik China sind. Und eigentlich ist es auch nur ein Abkommen zwischen der Kuomintang-Partei Taiwans und der Kommunistischen Partei Chinas, das jetzt durch das Parlament gewunken werden soll, siehe letzten Bericht.

In Begleitung von Ehefrau hat Ludigel auch schon mal (allerdings vor dem Exekutiven) Yuan demonstriert, hier gegen Taiwans oft grausame Tierheime. Rein wollten wir aber nicht...

Westliche Ausländer in Taiwan sind oft chinakritisch und voller Unterstützung für das "Taiwan Independence"-Lager, das sich politisch in der DPP und der etwas radikaleren TSU konstituiert (möglicherweise neben weiteren kleineren Parteien). Ziel dieses politischen Lagers ist es in der Regel, die Bezüge zu China aus der Verfassung der Republik China alias Taiwan zu streichen und Taiwan auch den formellen Staatsnamen "Republic of Taiwan" zu geben, statt wie eben gegenwärtig "Republic of China" (in den englischen Versionen jeweils). Der Gegensatz zu diesem "pan-grünen" Lager, wie man es wegen der grünen Parteifarbe der DPP auch nennt, ist das "pan-blaue" Lage, das von der Kuomintag (KMT) angeführt wird, die ihre Wurzeln noch auf dem chinesischen Festland hatte und sich historisch von dem Standpunkt "wir wollen China von den Kommunisten zurück erobern" über "Status Quo/wir sind das wahre China, aber wir rütteln besser nicht am Thema" zum gegenwärtigen prochinesischen Standpunkt ("enge wirtschaftliche Kooperation / Reden über Vereinigung von China und Taiwan") entwickelt hat.

Vielleicht sind die "grünen" Ausländer hier auch nur lauter als die "blauen" oder die neutralen, aber ich denke schon, dass einem mit westlicher Prägung das demokratische Taiwan sympathischer ist  als das autoritäre China und man daher oft zum "grünen" Lager neigt. Wobei "grün" hier etwas anderes bedeutet als in Deutschland; siehe oben. Die gegenwärtigen Proteste sind allerdings nicht parteipolitisch, passen aber schon zum pan-grünen Lager und nicht zum pan-blauen, obwohl ich nicht ausschließe, dass hier auch "blaue" Anhänger mitdemonstrieren, denen die gegenwärtige Gesetzesvorlage und die Art ihrer Bearbeitung einfach zu weit geht.
Es gibt eine Facebook-Gruppe, "Foreigners for Taiwan", die schon vor den Protesten existierte, wo jetzt aber pro-Protest-Postings zu finden sind. Allerdings haben die gerade den "Kater", denn tatsächlich ist jemand drauf gestoßen, dass Proteste durch Ausländer eben in Taiwan verboten sind. Genau genommen verbieten die taiwanischen Gesetze politische Betätigung durch Ausländer. Leuten, die offenkundig nichtaiwanisch aussehen, ist schon öfter durch Polizisten das Aufhalten in der Nähe von Wahlkampfkundgebungen oder Demos verboten worden. Letztlich bin ich persönlich immer sehr leise, wenn ich die Demokratie in Taiwan unterstützen soll. Das hiesige freiheitliche Partizipationssystem ist ja offensichtlich nicht für mich gedacht. Auch wenn ich als in Taiwan lebender Ausländer natürlich vom freiheitlichen System hier profitiere. Aber die Taiwaner machen sehr klar, dass das ihre Sache ist und nicht die ausländischer Steuerzahler im Lande, daher verhalte ich mich gesetzeskonform, sehe interessiert aber passiv zu und fühle mich dabei auch ganz wohl. Mal gucken, was noch so alles passiert.

Wie stehen Sie zu den Protesten? Würden Sie persönlich mitmachen wollen? Feedback gerne in den Kommentaren.

LINK
Spiegel.de berichtet auf der Politikseite (nicht auf dem "Hauptblatt"): http://www.spiegel.de/politik/ausland/taiwan-160-menschen-bei-protesten-gegen-handelspakt-verletzt-a-960341.html aus der "abtrünnigen Provinz" Taiwan. Was immer so klingt, als hätte sich Taiwan von der VR-China gelöst. Letzteres ist nicht der Fall, die VR-China hat zu keinem Zeitpunkt jemals über Taiwan geherrscht.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was nun der offizielle Anlass für die Besetzung des Parlaments ist, scheint niemandem so recht klar zu sein. Da in der Vergangenheit die taiwanesischen Wähler der DPP jedesmal einen Tritt gegeben haben, wenn sich diese allzu laut gegen engere Wirtschaftsverbindungen mit China ausgesprochen hat, ist die Opposition offiziell auch nicht grunsätzlich gegen den Vertrag - aber laut KMT hat die DPP versucht, das Vertragswerk durch Verfahrenstricks auszubremsen, es also abzuwürgen, ohne dass die Wähler es merken.
Hier im Süden haben viele kleine Betriebe und Selbstständige die Sorge, dass die Festlandchinesen mit ihren tiefen Taschen und Effizienz alles plattwalzen. Das ist aber keine Fundamentalkritik, sondern ganz konkrete Schutzwünsche, die keine Besetzung verursachen würden.
Apropos: Ich kenne ein paar der protestaktiven Studis. Mein Eindruck - gespeist durch das, was ich seit Jahren aus derem Feed sehe - , ist jede Menge Emotionalität gepaart mit einem teilweise schon beinahe rassistischen China-Hass. Das schaukelt sich schon seit Jahren hoch. Auf jeden Fall wird nun dem Präsidenten Ma vorgeworfen, das Vertragswerk heimlich ausgehandelt zu haben. Dabei sind auf den offiziellen Webseiten doch jede Menge Infos einsehbar und die KMT hat doch auch vor den Wahlen gesagt, wohin die Fahrt gehen soll. Na, wie auch immer, momentan sollte man wohl nicht am Studenten-Pathos rumnörgeln. Anmerkungen wie: "Wenn ihr so toll seid, warum ist der Herr Ma dann zweimal gewählt und legitimiert worden - und eure Seite keinmal?" also solche Kommentare lösen nur wilde Hysterie aus. (Übrigen auch bei vielen anglophonen Expats, die z.T. seit Jahrzehnten Anti-KMT-Slogans an ihre STudis weitergeben.)

"Ludigel" hat gesagt…

Jau, die Expats sind hier oft sehr DPP-grün, viel mehr für Taiwan-Independence als die Leute hier. Ma wird aus Vernunft gewählt, aber man liebt ihn nicht. Die schrittweise Abtretung taiwanischer Souveränität ohne Referendum löst sicher Aggressionsstau aus. Angeblich würde Souveränitätsabtretung ja eine Volksabstimmung notwendig machen, aber weil "wir alle China sind" muss das nicht, sagt Ma, wenn ich das richtig verstanden habe. Und man kann sicher die Leute schnell hassen, die viel rückständiger sind, einen aber ständig mit Raketen bedrohen und schlucken wollen.
Am Ende wird die Insel wohl als eine Art HongKong zur Ruhe kommen, denke ich mal.