Seit Tagen beschäftigt die Krise zwischen der Republik China (Taiwan) und den Philippinen die Medien hier, das Taiwanblog hat mehrfach berichtet. Während in Deutschland die Presse den Konflikt nicht mal zur Kenntnis nimmt, vergeht hier kein Tag, in dem nicht Moderatoren in Fernsehen herum springen und wütend gestikulieren, taiwanische Kriegsschiffe zeigen und immer wieder erregt "Mango" und "Philipin" rufen.
Was ist nun eigentlich los, was hat die Herren so erregt?
Der Anlass:
In umstrittenen Gewässern, die sowohl von der Republik China (Taiwan) als auch von den Philippinen beansprucht werden, hat ein philippinisches Boot mit Schnellfeuerwaffen ein unbewaffnetes taiwanisches Fischerboot beschossen und dabei einen Taiwaner an Bord getötet. Dieser Videolink zeigt gut, wieso die Taiwaner so wütend sind: https://www.youtube.com/watch?v=j5JzRUQZdwo; danke an MKL für den Link!
Was macht Taiwan nun?
Die Republik China, gemeinhin "Taiwan" genannt, verlangt eine Entschuldigung der Philippinen (gab es, wurde von Taiwan als unehrlich abgelehnt), Bestrafung der Schützen und eine Entschädigung für die Familie des Opfers, hat die Visaregelungen für philippinische Staatsbürger verschärft, lässt keine philippinischen Arbeitskräfte mehr ins Land und importiert wohl auch keine philippinisches Waren mehr.
Wie reagieren die Leute?
Taiwaner schimpfen viel auf die Philippinen dieser Tage, werden von den Medien noch aufgestachelt, Geschäfte räumen teilweise philippinische Waren aus den Regalen. Die Moderatoren im Fernsehen spielen immer wieder einen Seekrieg zwischen Taiwan und den Philippinen durch.
Meine Frau fragte gestern Abend das philippinische Dienstmädchen von einer Familie im Hause von Schwiegermutter, ob sie noch gut behandelt werde und sagte, sie könne im Zweifelsfall uns um Hilfe bitten. Sie sagte jedoch, dass sie keine Probleme habe.
Ein philippinischer Arbeiter ist in Südtaiwan offenbar von mehreren Taiwanern zusammengeschlagen worden, der genaue Zusammenhang ist freilich unklar: http://asienspiegel.ch/2013/05/zwischen-den-fronten/
Wie reagieren die Philippinen?
Eine sehr professionelle Regierungssprecherin (wenn sie das denn war) wurde im taiwanischen Fernsehen gezeigt und erklärte in fließendem Englisch, man sei noch bei der Aufklärung und könne derzeit keine Details geben. Bezüglich des Boykotts von Arbeitskräften erklärte sie, sich nach anderen Ländern um zuschauen, etwa Südkorea, Malaysia und dem Mittleren Osten. Die Dame war rhetorisch geschult und diplomatisch.
Ein sehr unprofessioneller Sprecher des Präsidenten der Philippinen erklärte in einer den US-White House-Konferenzen nachempfunden Kulisse (Stehpult, stilisierter Präsidentenpalast an der Wand) u.a., die taiwanischen Fischer seien sowieso berüchtigt in der Welt, das taiwanische Boot habe das philippinische rammen wollen (die Taiwan haben allerdings den Rammspuren-freien Rumpf des taiwanischen Bootes vorzeigt!) und "sein Präsident" habe bessere Zustimmungsraten als der taiwanische Präsident. Körpersprache und Auftritt waren provozierend nach dem Motto "ihr Taiwaner könnt uns Mal". Die Philippinen sind allerdings auch gerade im Wahlkampf.
Ein paar ergraute Ermittler des philippinischen "NBI", offenbar eine Art FBI, erklärten in einer in etwas holprigem Englisch gehaltenen Pressekonferenz, sie wollten unvoreingenommen ermitteln und forderten dringend das von dem philippinischen Boot gedrehte Video ein, das existieren soll.
Interessant hier, dass die philippinische Seite offenbar keine Koordination hat, wenn Regierungssprecherin und Präsidentensprecher verschiedene Dinge sagen und die NBI-Ermittler offenbar gefrustet sind, weil sie von einer anderen philippinischen Behörde die Beweise nicht bekommen.
Wie reagieren die USA?
Die USA stehen den Philippinen nahe, die ihr strategisch nicht unwichtiger Verbündeter sind. Sie sind auch immer noch die Schutzmacht Taiwans, auch wenn sich Taiwan unter der gegenwärtigen Regierung deutlich der VR-China angenähert hat. Die USA haben offenbar ein Aufklärungsschiff zur Beobachtung in der Region und vermeiden es ansonsten, Stellung zu beziehen.
Wie geht es weiter?
Mittelfristig wird es vermutlich weniger Mangos in den Geschäften in Taiwan geben und manche philippinische Arbeitskraft wird vermutlich bald die Heimreise antreten müssen, wenn die Papiere nicht verlängert werden.
LINK: "The View From Taiwan", die Mutter aller Taiwanblogs, schildert den Fall völlig aus philippinischer Sichtweise: http://michaelturton.blogspot.com/2013/05/philstaiwan-mess-take-5-troublemaker.html
Sicher hat Michael Turton Recht, dass die prochinesische Administration Taiwans unter Präsident Ma nur zu gerne Streits mit pro-US-orientierten asiatischen Ländern eskalieren lässt, um Punkte in Peking zu sammeln. Und er hat Recht, dass die Stimmung in Taiwan bisweilen rassistische Züge trägt. Aber ich finde, man muss auch sehen, das letztlich in umstrittenen Gewässern auf ein unbewaffnetes Boot gefeuert wurde. Und Turton schreibt selbst, wie sehr die philippnischen Partoullienboote immer wieder taiwanische Fischer im Seeräuberstil ausplündern...
LINK: Die NEUE ZÜRICHER ZEITUNG online über den Konflikt: http://www.nzz.ch/aktuell/international/taiwan-droht-den-philippinen-1.18080620
Das zweite Schiff im Foto der NZZ müsste eine Fregatte der franz. La Fayette - Klasse sein. Schickes Ding! Die zeigen auch die Taiwanmedien immer wieder.
KEIN LINK: Finde bemerkenswert, wie sowohl SPIEGEL.DE als auch STERN.DE das Thema völlig ignorieren, obwohl mit China und den USA her zwei Weltmächte mit im Boot sitzen bei diesem Konflikt.
6 Kommentare:
RTL-Zuschauer wrote:
Bitte mit Fotobericht aufpeppen. Äh... nur vom Dienstmädchen natürlich.
In Taiwan laufen doch mindestens 3, 4 deutsche Profireporter herum. Tatsächlich komisch, dass da keine anderen Originalberichte kommen. Vielleicht ist denen die Angelegenheit zu blöde und sie berichten lieber von Büroangestellten und Imbissbuden? Kann ich verstehen...
Turton ist ein Witzbold. Die Philippinische Regierung lügt auch wie die Taiwans, es gibt keinen Grund jetzt auf der Philippinischen Seite zu sein nur weil man den aktuellen Taiwanischen Präsidenten nicht mag. Das Boot wurde dermaßen durchgeschossen, da wundere ich mich was passieren würde, wenn z.B. Kubaner ein Amerikanisches Fischerboot beschossen hätten und dabei einen Fischer töteten. Wäre dann der gerechtfertigte Protest der Amerikaner und deren Regierung auch "basierend auf Rassismus" und "eine Überreaktion?"
Das Boot war komplett Schweizer-Käse, wie kann man den das Verteidigen? Auch wenn beide Regierungen lügen und auch wenn die Fischer nicht die ganze Wahrheit sagen, kann man sich den Toten und das durchlöcherte Boot nicht schönreden.
So was tut man nicht as Nachbarn, es ist einfach ein Verbrechen. Der Ball ist jetzt bei der Philippinischen Regierung, mal sehn was die jetzt tun.
Die NZZ hat übrigens schon einige Male über den Konflikt berichtet
http://www.nzz.ch/aktuell/international/taiwan-droht-den-philippinen-1.18080620
http://www.nzz.ch/aktuell/international/taipehs-zorn-trifft-manila-1.18082645
und auch gleich vorhin wieder:
http://www.nzz.ch/aktuell/newsticker/philippinische-gastarbeiter-in-taiwan-sollen-in-haeusern-bleiben-1.18083026
Lese dein Taiwanblog nun schon eine Weile, gefällt mir ganz gut, vielen Dank! Weiter so!
Gefällt mir immer besser die NZZ. Gruß in die Schweiz (wenn ich nicht irre), die ich hoffentlich 2014 wieder besuche.
Genau. Gruss zurück nach Taiwan. Hoffe ich bin im 2014 wider dort.
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