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Montag, Mai 06, 2013

Blog, Quo vadis?

Dieses Blog ist ja ein nettes Ding, erlaubt es mir doch mein deutsches Kommunikationsbedürfnis zu stillen und gibt dem ein oder anderen Special-Interest-Leser einen recht ungeschminkten Einblick in mein Leben, hier am Tellerrand der Weltscheibe. Es ist eine brotlose Kunst, die mir die Zeit vor der Arbeit und die Mittagspause füllt und manchmal mehr, aber eben doch ein Vergnügen für mich.
Doch schwant mir dieser Tage, dass es nicht mehr lange so weitergehen kann. Schließlich werde ich am 01. Juni im Familienkreis gleichsam zum Werbeträger für ein Produkt werden, wenn auch nur in kleinem Rahmen. Hier in Taiwan natürlich.
Gestern Abend hatten sie bei einer dieser Klingel- und Bimmel-Happy-Peppy - Essensshows im Fernsehen eine junge Deutsche, wenn ich das richtig verstanden habe (namens Michele), die typisch taiwanische heiße Küchlein anbot mit ihrem kleinen Verkaufswagen. Es handelte sich bei der im Studio kichernd verzehrten Speise sicher um irgendetwas europäisch inspiriertes, man sieht sie oft an den Straßenecken und auf den Nightmarkets: dicke Scheiben aus vanillig süßem Teig, innen mit Schoko- oder Vanillepudding oder mit den typisch taiwanischen roten Bohnen gefüllt (letztere etwa wie nicht scharfe Chilibohnen). Die Show schien die Kuchen der netten jungen Frau als deutsch zu verkaufen. Und ich musste daran denken: Was wäre jetzt, wenn die Dame noch ein Blog hätte, wo sie sich über den Fahrstil der Einheimischen aufregen würde? Wäre sicher nicht so gut. So ein Blog hat sie sicher nicht, sondern wenn sie eins hat, dann berichtet es sicher über leckere Törtchen.
Auch bei mir muss es dann wohl so sein, möge mir die Landsmännin verzeihen, sie hier als Beispiel zu nehmen. Es wäre der Supgergau, würde es das Familienprodukt mit mir als Gesicht in die Presse schaffen (sogar die ewig meinen Parktplatz blockierende Fressbude bei uns in der Straße hat öfter mal das Fernsehen da!) und würde dann ein wütender Taiwaner die Verbindung zu meinem Blog herstellen. "Der soll doch abhauen, wenn es ihm hier nicht passt") wäre sicher eine übliche Reaktion. Insbesondere muss man sich vergegenwärtigen, wie sehr die Taiwanpresse Ausländerstories immer wieder zum nationalen Skandal aufbläst. Am 01. Juni geht es los, bis dahin schweige ich still über die eigentlich ganz unspektakuläre Tätigkeit und vielleicht auch noch danach. Aber dieses Blog muss wohl den Vorstellungen eines Taiwaners entsprechen an diesem Stichtage. Und da haben sich Ausländer gefälligst nur über zu hübsche Tempel, zu gutes Essen, zu hübsche Mädchen und die ach so netten Taiwaner zu "beschweren". Jedenfalls habe ich manchmal in Diskussionen mit Taiwanern diese Punkte als meine Antwort vorgefertigt bekommen.
Eigentlich sehe ich darin keinen Widerspruch, einerseits die Insel als solche zu mögen, den Leuten ein von mir beeinflusstes gutes Produkt zu "verkaufen" und andererseits an mir missfallenden Details herum zu meckern. Doch biete ich so eben viel Angriffsfläche, was sicherlich für einen Schmalspur-Werbeträger wie mein zukünftiges Ich nicht besonders gut ist.
Also läuft wohl der Countdown für dieses Blog in seiner jetzigen Form, es sei denn, es kommt alles noch anders oder mir fällt noch etwas dazu ein. Also lege ich bis dahin noch mal richtig los mit der ungeschminkten Kritik ;-)

4 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

Zitat: "Eigentlich sehe ich darin keinen Widerspruch, einerseits die Insel als solche zu mögen, den Leuten ein von mir beeinflusstes gutes Produkt zu "verkaufen" und andererseits an mir missfallenden Details herum zu meckern."

Ich denke, es gibt kein perfektes Land. Man kann kulturell nur voneinander lernen. Die Taiwaner, die ich bisher getroffen habe, waren an meiner eigenen Kultur sehr interessiert. Für mich als Neuaussiedler ist dein Blog mehr ein Taiwan Handbuch - denn in der Tat bringst du viele Aspekte, die einem Frischling das Leben erleichtern. Natürlich ist auch in Taiwan nicht alles perfekt - wie kann es? Auch Taiwaner sind nur Menschen und Menschen machen Fehler. Ein paar Punkte, die einen nerven, von der Seele zu schreiben, sollte daher auch positiv gesehen werden. :)

Derzeit überlege ich, meine Texte zusätzlich auf Englisch zu übersetzen - aber die Zeit. Englisch ist nun auch nicht meine Muttersprache und ich muss sagen, nach den ersten fünf Monaten in Taiwan habe auch ich es genossen ab und zu auf Deutsch zu bloggen.

Grüße aus noch Deutschland
Helmut

Martin hat gesagt…

Wenn das das Ende dieses Blogs wird, dann ist das schon sehr schade. Sehr sehr schade :-(

Viele Grüße
Martin

Y.-C. Lin hat gesagt…

TJAAAAAA… Ich denke mal, das ist längst zu spät. Just als du dachstest, du hättest einen Deutschen als Blog Follower, hast du dir einen von "Taiwahn" eingehandelt!

Manchmal weiß ich nicht, ob du meine Land liebst oder hasst, vielleicht ändert sich das bei dir in Sekundentakt (Stichwort: "Taiwan", "Thaiwan", "Taiwahn" und hey! "Thaiwahn"!) Meine Alter Herr ist auch in Taiwahn und war 20 Jahre lang in 德國 und kennt deinen Blog. Ich glaub' mir, er ist nicht gut auf dich zu sprechen…

Ich kann dir auch den Wahnsinn aus Deutschland schreiben, z.B. Zivilcourage in Deutschland (keine hilft, wenn dir jemand auf die Fresse haut), die Bürokratie (noch Fragen?), moderne Sklaverei (Hartz IV) kannst ja hartzen, wenn dir's nicht gefällt. Wie lange haste nicht mehr die Sozialversicherung eingezahlt? Seit 2007, wenn ich deinen Blog richtig gelesen habe.

"Ludigel" hat gesagt…

Liebe(r) Y.C. Lin, ich zahle dort Sozialabgaben wo ich lebe, arbeite und gemeldet bin. Also in Taiwan. Ich bitte um Verständnis, dass ich ohne Heimgehalt nicht auch noch freiwillig da was zahle.
Ja, Deutschland fällt Nichtdeutschen oft auf die Nerven, wenn sie in Deutschland leben und mich nervt mittlerweile auch vieles. Aber das ist halt eher nicht das Thema dieses Blogs, daher kann und will ich nicht über die Probleme von Hartz IV berichtet. Zeige höchtens mal ein Foto aus den harzer Bergen, wenn ich mal wieder da bin im Heimaturlaub.
Ich mag Taiwan, mir fällt nur Taipei schubweise immer wieder auf den Wecker, das gebe ich gerne zu. Grund ist die unterschiedliche Kulturmatrix, wie ich das nenne, mit krass unterschiedlichen Werten. Und es ist oft hässlich wie ... (Metapher bitte selbst einsetzen). Aber die Taiwaner haben das Recht, es so zu machen. Ich habe das Recht drüber zu meckern.
Und wenn Ihrem Vater der Blog verdruss bereitet, dann bitte einfach nicht lesen.
Ich versuche immer mal wieder auch die guten und normalen Seiten meines Lebens hier darzustellen, auch wenn die etwas unterrepräsentiert sind.
"Thaiwan" habe ich nie geschrieben denke ich.
Jau. Dann also weiter mit der Trennung der Onlineperson von der realen. Danke für das Feedback. Es zeigt warum das nötig ist.