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Montag, Oktober 24, 2016

Das finale Taiwan-Fotonotizbuch

Eine alte Casio-Kompaktkamera names Z1000 ist meine immer-dabei-Kamera und produziert mit ihren 10 MPixel oft die besten Erinnerungen. Wohl das letzte Mal im Taiwanblog, denn -wenn diesmal nichts dazwischen kommt- geht unser Flug an diesem Samstag und danach werden wir Taiwan wohl nur noch urlaubshalber besuchen.

 "Berliner trinkt kein Bier!" fordert das Plakat zusammengefasst auf diesem alten Foto, das im Krankenhaus in NeiHu hängt. Genau gesagt in einem Cafe dort, in dem wir die Tage viel frühstücken, wo wir mit unserem Sohn (5) nur noch Nachuntersuchungen im Krankenhaus machen (seine Krankheit hatte unsere Abreise letzten Monat um 4 Wochen verzögert). Lustigerweise ist das Foto im "Barrista Cafe" beschriftet mit "Oyster Bay Bar 1905".

Abschied auch von der 737-Lane bei uns in der Nähe, wo wir an den mopedverpesteten Buden oft unser Abendbrot gekauft haben.

Hier gab es für mich ein Fast-Wiedersehen mit dem lange vermissten Döner-Kebab, das ich zuletzt 2004 in Deutschland gegessen hatten und mir an der "weißen Sosssssse" den Magen schlimm verdorben hatte. Klinisch sauber ist es hier in der an die arabische Urform "Shawarma" angelehnten taiwanischen Form. Ohne weiße Soße, aber auch langweiliger schmeckend. Habe es mir nun mittlerweile übergegessen.

Abschied die Tage auch vom dicken Volvo XC60 T5, den damals meine Frau unbedingt haben wollte. Er wird an einen Schwager gehen, der seinen weißen Toyota dann verkaufen will. Solange ich in Manila auf den Philippinen bin, werde ich mich nur vom -dortigen anderen- Schwager bzw. seinem "Chauffeur" dort herum fahren lassen. Chauffeure hat fast jeder dort, der zur Mittelklasse gehört.

Auch wenn ich erwartungsgemäß bald wieder in Deutschland lande, um uns dort eine Alternativexistenz aufzubauen, während meine Frau versucht mit ihrer Schwester in Manila eine Restaurantkette zu eröffnen - mit bescheidenem Neustartkapital werde ich sicher nicht so eine dicke Karosse fahren. Der Wagen hat einen 2-Liter-Motor, den Volvo einen Sparmotor nennt, weil er seine 245 PS eben nur aus zwei Litern Hubraum holt. Größere Motoren baut Volvo nicht mehr ein. Aber mein Verbrauch von früher 13 Litern und derzeit stauinduziert 14,6 Litern auf 100 km Stadtverkehr schreckt mich in Anbetracht hoher deutscher Spritpreise doch ab. Obwohl ich ihn vermissen werden. Sein burgähnliches Gefühl, das er vermittelt. Die vielen elektronischen Assistenten, die ein bisschen Star Trek-Feeling aufkommen lassen ("taktisches Diagramm zeigt eindringende Klingonen auf Mopeds auf 5 Uhr!") und natürlich die souveräne Motorleistung. 7,2 Sekunden auf 100 (nie ausgenutzt) und 350 Newtonmeter Drehmoment. Holz und Leder im Innenraum und eine Stereoanlage mit Sourroundsound, die besser klang als die von Yamaha daheim. Seufz.

Ein letzter Blick auf teure Doppel-Reihenhäuser in Taipei-NeiHu, die Frau für 10 Millionen NT (damals ein paar Hunderttausend Euro) im Jahre 2006 oder dergleichen kaufen wollte, während ich aber auf einem Haus auf dem Lande bestand. Damals hatte ich einen Gesundheitszusammenbruch, der wohl smogbedingt war und auch die Häuser im Bild liegen an einer stinkigen Smog-Hauptstraße. Damals war der Abgasgeruch in Taipei noch schlimmer, weil es weniger Stadtbahnen gab. Heute kosten die Häuser um die 80 Millionen NT. Nach dem Standardkurs 1:40 also um die 2 Millionen Euro, auch wenn der schwache Euro es etwas günstiger macht in der Umrechnung.

Immer mehr Schlicht-Wohnblöcke bei uns in der Gegend werden weggerissen und durch Bürohäuser oder eben auch teure Autovertretungen von Ferrari, Bentley und Lamborghini , Porsche und Konsorten ersetzt. Ach so, eine Aston Martin-Vertretung haben wir auch in der Nähe in Taipei...


Während der Schwager schon mal unseren Volvo ausprobierte fuhr ich das klassische Salary-Man - Auto Taiwans, einen Toyota Corolla Altis. Der Name klingt für mich immer wie "Carola Iltis", aber sonst ist nichts gegen das Ding zu sagen. Kompakt und leicht zu fahren, allerdings eben ziemlich langweilig innen wie außen.

Toyota spart immer irgendwo dran. Hier fehlt der Schiebregler, um die Lüftung am Auslass runter zu regeln.


Das macht der Volvo besser und ist noch holzgetäfelt. Kein Wunder, dass der Schwager dem schwedischen Charme erlegen ist. Bei der Lüftung!  ;-)

Taiwan verabschiedet sich im Regen und trägt zur sentimentalen Stimmung bei.


Wir wollen gar nicht wissen, welchen billigen Bling-Bling Clara Lee verkaufen will. Mit der Klasse der Dame kann die Uhr sicher nicht mithalten. In Taiwan gibt es viele schweizer Fake-Marken made in China mit viel Goldfarbe. Und bei so viel Loch im Zifferblatt sieht man die chinesische Uhrenfabrik förmlich vor sich.

Während ich meine günstigen Uhren im Paket nach Manila schicke, begleiten mich meine drei Schweizerinnen (und noch eine Billiguhr im Bild) am Mann. Darunter auch die durch Watchart.com wiederher gestellte Breil, von deren Defekt ich mal berichtet habe. Dick ist die Tissot. Ein bisschen Bling-Bling mag eben auch der Ludigel.

Letzter Blick auf das wegen permanenter Abreisepläne nie richtig eingerichtete Wohnzimmer, das im Wesentlichen von einem Spielhaus für Junior eingenommen worden ist. Eigentlich hätte das in den Garten gehört, aber einen solchen gibt es hier weit und breit nicht.

Meine Frau hat bis zu Letzt an den schlichten Plattenbauten fest gehalten, die es noch reichlich gibt in Taipei, auch wenn sie tendenziell immer weniger werden. Letzter Blick aus meinem Zimmer.

Morgens hörte man immer die Nachbarn röcheln und spucken. Hatte mich einst darüber muckiert, bis auch bei mir die Dauererkältung los ging. Im Winter heizungslos zu kalt, im Sommer durch eiskalte Klimaanlagen und Ventilatoren verdorben ist man in Taiwan leicht dauererkältet.

Blick aus dem Hotelzimmer des netten "Hotel June" in dem wir wohnten, als wir die Wohnung schon zurück gegeben hatte und Junior kurz vor Abflug an einer Hirnhautentzündung erkrankte, die seine Einlieferung notwendig machte. Wenn Kinder still werden, muss man sofort an die Hirnhautentzündung denken und darf sich nicht von "Spezialisten" mit teuren holzgetäfelten Behandlungszimmern und teuren schweizer Uhren einlullen lassen, die sagen, Junior müsse nur ein paar Tabletten nehmen. Wie es mir passiert war. Daher war Juniors Zustand kurzzeitig kritisch und wir hatten ein paar bange Tage, ob etwas zurück bleibt. Gott sei Dank ist das nicht der Fall.

Draußen wütete der Taifun, während Junior auf der Intensiv lag und Frau und ich abwechselnd mit auf der Intensivstation schliefen. Dort trägt man zwar Schutzweste, hat aber keinen Schutz über den Schuhen und keine Gesichtsmaske. Trotzdem waren alle Behandlungen von Junior auf den Kinderstationen im Trei-Service-Krankenhaus in NeiHu gefühlt sehr gut und immer erfolgreich. Ganz im Gegensatz zu den Erfahrungen, die wir dort sonst gemacht haben.

Im Hotelzimmer verfolge ich gebannt die US-Präsidentschaftsdiskussion auf dem Smartphone über Youtube.

Für wen werden sich die Amerikaner entscheiden? Für den narzisstischen Dämagogen oder die gewissenlose Kriegstreiberin? Ich bin mal gespannt. Mein alter Kommilitone mit US-Staatsbürgerschaft verweigert mir diesmal erstmalig die Auskunft bei unserer Email-Diskussion, wen er wählen wird. Vermutlich steht er auch ratlos vor den beiden Figuren. Passend zur Diskussion natürlich eine schweizer Uhr, die für den US-Markt produziert ist (Hamilton) ;-)

 Kein schöner Anblick. Ludigel in der Burka. Einem Taiwanregenmäntelchen, mit der ich im Taifun schnell ins Krankenhaus rüber mache.

Also, bei den Beiden würde ich doch die Hamilton wählen wollen. Äh... never mind...

Abschied auch von der Rindfleischnudelsuppe Taiwans. Bevor Junior geboren wurde, habe ich immer gesagt, die Rindfleischnudelsuppe und die Damenwelt ist das einzige, das mir an Taiwan gefällt ;-) Hier eine Suppe für 250 NT, etwa das Doppelte vom Garküchenpreis.

Nach ein paar Nächten im Hotel Umzug in ein krankenhausnahes Villenviertel in Taipei, in dem man (nicht im Bild) viele Bentleys und Mercedes etc. sieht. Eine Einzimmerwohnung bewohnen wir hier noch die Tage. Hier hatte Frau einen Laden mit Rindfleischnudelsuppe gefunden und mich zum Besuch aufgefordert.

Schnell kam dann die Rücknahme der Aufforderung. In dem Geschäft...

kosten die Suppen zwischen 500 NT und veritablen 10.000 NT. Das sind je nach Kurs also 200 bis 250 Euro für die teuerste Suppe!

Die Speisekarte haben sie draußen dann hängen, achten sie auf die großen Zahlen! Begründung für den hohen Preis ist übrigens, dass ein Kunde mal gesagt hätte "ihre Nudelsuppe ist so gut, sie könnte 10.000 NT kosten", so dass sie seither 10.000 NT verlangen würden. So schreibt das Restaurant auf seiner Webseite. Gut, dass niemand gesagt hat: "Ihre Nudelsuppe ist so gut, alle Reichtümer der Welt können sie nicht aufwiegen." Denn "Alle Reichtümer der Welt + 1 NT" macht sich als Rechnungsbetrag nicht so gut.

Blick aus Juniors Einzelzimmer im Krankenhaus. So schick haben wir nie gewohnt!

Das Cafe im Krankenhaus verwechselt nicht nur eine berliner Kneipe mit der Blue Oyster-Bar, es assoziiert auch Italien mit Mafia als Werbung für diesen Eiskaffee.

 So sauber war die Intensivstation im Krankenhaus nicht. Hier handelt es sich um die Küche eines Dumplingrestaurants von der brühmten Pong Fong Ding-Kette. Äh Dong Fung-Dung. Oder Kung Dong-Fu. Äh... Dong Ling Ping. Oder was auch immer. Sie sehen vielleicht meine Schwierigkeiten mit der chinesischen Sprache, die ich nie richtig gelernten habe. "Kung Dim Dum.... äh ... never mind."

Frau bittet im Tempel in Taipei um geschäftlichen Erfolg für das erste geplante Restaurant. Ich schimpfe fürchterlich über die 3000 NT Ablass, die wir dafür dem Kerl in Badelatschen in die Hand rücken müssen und wir streiten uns fürchterlich darum. Frau erklärt mir noch, sie habe einen Package-Deal verhandelt, wo der Segen gleich für ein halbes Jahr gelten würde. Ich antworte teutonisch-streng: "Teurer sinnloser Unsinn für einen langen Zeitraum ist immer noch teurer sinnloser Unsinn". Na, das hat gekracht...

Hinterher musste ich mich bei den Göttern entschuldigen, sonst war Frau nicht gewillt, dieses Sakrileg zu verzeihen. Götter sei Dank hat das nicht auch wieder Geld gekostet.


...

Durch die Verlängerung des Aufenthaltes gaben schließlich meine Schuhsohlen auf. Da unser Schuhmacher eine geschlagene Woche für solche Reparaturen braucht statt 5 Minuten wie in Deutschland, blieb mir nur der Kauf eines neuen Paares Schuhe. Früher (vor 12-10 Jahren) war die taiwanische Schuhwelt immer bei Größe 44 zu Ende, so dass ich mit meiner Größe 46 nie etwas gefunden habe und in Nobel-Schuhgeschäften Sonderanfertigungen (die immer schrecklich GÜNSTIG waren - verkehrte Welt!) bestellen musste. Da jedoch die junge Generation der Taiwaner, die jetzt um die 20 ist, deutlich größer und breiter geworden ist (doch wirklich!), hatte ich Hoffnungen, nach Jahren (mein Schuhvorrat vor Jahren gekauft ist im Paket in Manila) endlich einfach im Schuhgeschäft ein Paar erstehen zu können. Und wirklich, nach langer Suche hatte das Outlet von einer Adidas-Marke im Carrefour-Markt in NeiHu ein paar blaue Wildlederschuhe der Größe 46.5, die so schmal geschnitten waren, dass sie passen. Schmeichelhafter Name des Modells ist "Boat". Fußbett haben die Schuhe keins, sind aber dafür mit 5600 NT ziemlich teuer. Und Frau und Junior treten mir seither wie besessen auf die Blue Suede Shoes. Man möchte fast ein Lied drüber machen.

Romantisch wird er Taipei-Plattenbau immer des Abends. Und Taipei...

verabschiedet sich mit einem echten Regenbogen, der aus der rechten Seite eines hässlichen koreanischen Autos entspringt.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ludigel zum Abschied in Hochform, habe herzlich gelacht. Alles Gute!

Lion hat gesagt…

Bitte bitte in Manila (oder auch Deutschland) weiterschreiben, musste doch einige Male gut lachen :)

Unknown hat gesagt…

Good Luck. Ich bin auf deine Berichte aus Manila gespannt. Ich könnte mir vorstellen das dort zumindest wettertechnisch etwas mehr Sonne gibt...?