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Dienstag, August 04, 2015

Schülerproteste Taipei

Privat und beruflich eingespannt ist es völlig an mir vorbei gegangen.

Taiwans Schüler der Klassen 10 bis 12 führen derzeit massive Proteste bis hin zur Umzingelung des Regierungssitzes in Taipei durch (siehe etwa im Blog von Klaus Bardenhagen: http://www.intaiwan.de/2015/08/03/schueler-proteste-taiwan-geschichtsbuecher/). Anlass für die Proteste ist das Umschreiben der Schulbücher zum Thema Geschichte durch die derzeitige chinafreundliche KMT-Regierung des Präsidenten Ma Ying-Jeou. Ein wegen Eindringens in das Erziehungsministerium verhafteter Schüler hat Selbstmord begangen, offenbar nachdem er von seinen Eltern unter Druck gesetzt wurde.
Konkret sollen die Geschichtsbücher wohl eine eher chinazentrische Sichtweise bekommen. Passend dazu, dass sich die regierende KMT eben als "chinesische" Partei ansieht - freilich nicht im Sinne der VR-China sondern sich aus dem Umstand erklärend, dass die KMT einst über China geherrscht hat, bis ihre Regierung 1949 vor den chin, Kommunisten auf die Insel Taiwan geflohen ist, die damals eine japanische Kolonie war.

Von den Protesten habe ich nichts mitbekommen. Frau (nicht im Bild), Junior und meine Wenigkeit tingeln derzeit viel an Ausflugsorten herum und wollen Taiwan noch mal genießen. Droht doch evtl. bald unser Wegzug aus der Roc-Republik.

Damit schließen sich Schüler-Proteste gegen Taiwans (freilich 2x frei gewählte) KMT-Regierung an die 2014er Studentenproteste an. Damals wurde das Parlament besetzt und gegen eine weitere wirtschaftliche Annäherung Taiwans an China protestiert. http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/03/demo-in-taipei-mit-300000-menschen-oder.html.

Und ob es nun ein oder zwei Chinas gibt verliert doch irgendwie seine Spannung, wenn man die Diskussion 11 Jahre lang gehört hat. Wie wäre es mal mit zwei Taiwans stattdessen. Spalten wir uns doch in Norden und Süden, das verwirrt dann auch die Chinesen. Oder noch besser in Osten und Westen mit Taipei mitten durch geteilt.

Für die 2016er Präsidentschaftswahl schlägt der KMT sicher ein strenger Wind ins Gesicht. Da sich jüngere Taiwaner immer weniger als Chinesen und eher als Taiwaner ansehen, können sie mit der China-Nostalgie der das chinesische Erbe pflegenden KMT wenig anfangen. Demografisch gesehen werden die jüngeren Taiwaner natürlich einen immer größeren Anteil der Wählergemeinde stellen. In der 2016er-Wahl kann Präsident Ma Ying-Jeou (KMT) nicht wieder antreten. In seine Fußstapfen will die KMT-Hardlinerin Hung treten, die einerseits von "nationaler Vereinigung" mit der VR-China redet, andererseits aber auch die existierende Republik China alias Taiwan als eigenen Staat durch Peking anerkannt bekommen will.
Ihr Gegenüber ist die Oppositionskandidatin Tsai (DPP) aus dem die Eigenständigkeit Taiwans betonenden "Taiwan-Independence"-Langer, die sich moderat gibt.

Von einem Wahlsieg der DPP wird ausgegangen. Jedoch denke ich nicht dass es angemessen ist, die KMT schon endgültig als gescheitert oder gar in ihrer Existenz gefährdet anzusehen, wie das viele Kommentatoren der Expatszene tun. Sollte die DPP etwa wieder einen großen Korruptionsskandal haben wie unter der letzten DPP-Präsidentschaft 2000-2008 unter Präsident Chen (DPP), dann kann das politische Klima sicher in künftigen Legislaturperioden wieder in Richtung KMT umschlagen, selbst wenn Studenten und Schüler dann wieder oder immer noch gegen die Regierung auf die Barrikaden gehen. Das Phänomen ist ja auch in westlichen Gesellschaften bestens bekannt und nur für das früher familiär strenge und ehemals autoritär regierte Taiwan ein neues Phänomen.

EDIT: Ein Beispiel für "chinesische Geschichtsauslegung" sei im Folgenden genannt:

Im Zweiten Weltkrieg war die Insel Taiwan japanische Kolonie und Taiwaner kämpften in Uniformen der japanischen Armee gegen die Amerikaner. Trotzdem fand in Taipeis Straßen kürzliche eine Siegesparade zur Zelebrierung des Anteils der Republik China (die wir ja umgangssprachlich Taiwan nennen) am Sieg über Japan statt. Klingt widersinnig, erklärt sich aber aus der Identifikation der regierenden KMT und dem sino-taiwanischen Mainstream in Taipei mit dem alten China, das Gegner Japans war. Hier gibt es freilich auch keine militärischen Erfolge gegen Japan zu verzeichnen sondern nur Niederlagen, Schmerzen und Qualen. Aber Feiern sind ja immer ein Wert an sich.

1 Kommentar:

Xinxi hat gesagt…

Wenn Taiwan != China und = Teil Japans, dann gibt es sicher auch Forderungen der Opfer taiwanesisch-japanischer Kriegsverbrechen. Es wird ja z.B. von der DPP nie erwähnt, dass ein taiwanesische Chinesen ihre relativen Reichtum durch Kollaboration mit dem Nazi-mäßig bösen japanischen Kaiserreich verdient haben. In Korea sind solche Familien auch im Süden inzwischen teilweise enteignet worden. Das kann noch echt lustig werden...