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Montag, Dezember 08, 2014

Kack- und Spucktaiwan (mit Chemieabfällen)*

Die Gegensätze vom Erleben von Taipei mit Familienanschluss und als alleinstehender Expat, beim morgentlichen Frühstücksholen

Heute morgen eröffnet mir meine Gattin, dass sie wieder für zwei wie seit Jahren an der einen Frühstücksbude in der Nähe der Firma bestellt hat. Mir bleibt fast das Herz stehen, bin ich doch gerade meine wochenlangen Magenschmerzen los, die etwa mit dem gerade vergangenen Speiseöl- und Talg-Skandal (siehe meine FAQ hier) eines im taiwanischen Besitz befindlichen Unternehmens mit Hauptsitz in China namens "Ting Hsin" (vertrauenserweckender Name, eh?) zeitlich in Deckung zu bringen sind. Abstinenz von den öligen Frühstücksbuden in dem graugrünen Wellblech-Industrieviertel wo ich arbeite trug da erheblich mit zur Gesundung bei. Da bereiten teilzahnlose ältere Frauen ölige und fettige labbrige Toastbrote immer wieder mit viel im Öl schwimmenden Ei zu und die schwarzölige alte Kochplatte, auf der sie werkeln erweckt gerade nicht viel Vertrauen. Früher habe ich das alles vertragen, mittlerweile nicht mehr, aber mir kann auch niemand erzählen, dass diese ein Frühstück für umgerechnet 1.25 Euro oder dergleichen verkaufenden Buden das Budget haben, ihr Altöl immer durch neues (und skandalfreies) zu ersetzen. Missmustig tapse ich durch die bürgersteiglosen Barackenviertel, im Nieselregen heranrasenden Blue-Trucks ausweichend, lasse mich beim normalen Überqueren der Straße vom einem Taxi anhupen, dem ich den Stinkefinger zeige (eine kluge Handlungsweise, wenn man sich mit einem oft bewaffneten Taxifahrer prügeln will oder seinen 20 herbei gerufenen Kumpels oder per Dashcam ins nationale Fernsehen von Toxiwan/Taiwan kommen will), ärgere mich über den quer über einem der wenigen Bürgersteigen stehenden LKW, der mich zum Ausweichen auf die vielbefahrene Fahrbahn zwingt und atme den Duft der Weltstadt Taipei ein. Irgendeine Mischung aus Kunststoff (bereiten sie in den Fabrikhallen Nahrungsmittel zu?), Mopedabgasen, Dieselschwaden, fauligem Kanalisationsgeruch und das ganze dekoriert mit Hundekot und ausgespucktem Betelnusspriem. Und denke mal wieder, wie viel angenehmer alles als alleinstehender Expat wäre, wenn man sich zu Hause einfach ein Brot (idealerweise ein deutsches Brötchen morgens geliefert vom deutschen Bäcker Wendel) selbst zubereiten würde und dieses ganze hässliche und müffelnde Industrietaipei nur durch die Scheiben des klimatisierten Autos sehen würde. Allein würde ich auch höchstens mein Frühstück da kaufen, wo sie die Barackenviertel schon weggerissen haben und im Zuge des Wandels von Taipei in eine moderne Großstadt durch Beton- und Stahltürme ersetzt haben, mit schicken Cafés und Restaurants drin. Und Parks und breiten Bürgersteigen. Gut, das schicke Restaurant der Kette "Tasty" gehört auch zum Unternehmen Ting Hsin und hat auch das Horroröl verwendet. Frau und ich haben da früher oft gegessen. Das Öl ist übrigens aus Tierkadavern (von kranken Tieren natürlich) und aus Restaurantabfällen gerpresst worden, versetzt (jedenfalls das Talgfett) noch mit Östrogen, Antibiotika und dem taiwanischen Dauerbrenner DEHP, ein Flüssigkunststoff, der karzinogen ist und schon seit den frühen 2000ern im Essen ist in Taiwan.

Kaum bin ich an der Bude da winkt die Bedienung ab. "Meiyou" sagt sie, "haben nix". Meine Frau hatte tatsächlich irgendeine falsche Nummer gewählt, wie sich später rausstellte und ihre Horrorfrüchstückchen-Bestellung irgendeinem schlaftrunkenen Taiwaner um die Ohren gehauen. Frohlockend schwebe ich zurück durch die Straßen, kunstvoll Hundekot und ausgespuckten Priem vermeidend und eile zu Seven-Eleven um mir zwei eingeschweißte Sandwich zu kaufen. Wenn die im nächsten Lebensmittelskandal dran sind (der kommt bestimmt, weil den Taiwanern das Thema im wesentlichen egal ist), dann falle ich tot um, da bin ich von überzeugt, so viel wie ich davon esse in letzter Zeit.

Genießen Sie also in Deutschland ihr frisches Brötchen mit Käse oder Marmelade.


* Immer noch stocksauer wegen der wochenlangen Magenschmerzen habe ich lange an der Überschrift gefeilt. Ich bitte sie hinreichend zu würdigen.

P.S.: Ting Hsin ist sicher so ein Vorzeigeprojekt für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Annäherung an die VR-China, die Taiwans regierende KMT-Partei betreibt, im Rahmen ihres panchinesischen Wohlstandskonzepts. Ting Hsin war sowohl beim 2013er- als auch bei 2014er Lebensmittelskandal dabei. Sollen wir für den 2015er schon vorreservieren?

6 Kommentare:

Miri hat gesagt…

Na wenigstens hast Du in T keine Sinusitis mehr, so wie ich hier gerade mal wieder in D. ;-P

Oh diese Kopfschmerzen und dieses Spucken... Und dieses komplette Schlappsein. So disgusting! Aber die nette junge muslimische Frau mit dem Kopftuch vorhin in der Apotheke hat mir neben dem Nachschub an DEM Sinusitismittel (hatte übers Wochenende ein anderes nehmen müssen, dessen Wirkung leider komplett suboptimal war, ich brauche irgendwie einfach das Kräuterzeugs) so ne Art Wundermittel zur Stärkung des Immunsystems auf Pflanzenbasis vom selben Hersteller wie das Top-Sinusitismittel empfohlen, nimmt sie auch selbst. Witzig, wir sind uns vom Immunsystem her total ähnlich und sie verträgt auch kaum noch ein Antibiotikum. Die Pillen wirken tatsächlich Wunder. Sind alle möglichen Kräuter drin. Vlt. irgend so ein altes Kräuterrezept, das die "Hexen"verbrennungen überlebt hat. ;-) Während ich hier vor der Infrarotlampe hänge und endlich der Schmerz nachlässt, bekomme ich langsam wieder Appetit. Werde gleich mal nen Hefeteig ansetzen für Brötchen/Baguettes... Die Chemiebrötchen vom dt. Durchschnittsbäcker würden die Nebenhöhlen wohl noch nicht wieder vertragen, würden gleich wieder zuschwellen und der tolle Biobäcker ist zu weit weg, um im so kranken Zustand hinzufahren. Im Ort hier fahren sie seit den vielen Baustellen übrigens nun komplett wie die Irren. Vorhin auf dem Weg zur Apotheke Freundin M. getroffen, die mit dem Fahrrad unterwegs war; sie wäre kurz vorher beinahe von einer solchen, wie eine Irre fahrenden, umgefahren worden, die sie dann anschließend auch noch behupte. Mir nahm ein Mann die Vorfahrt, um dann vor der Schule in einer Tempo-30-Zone Vollgas zu geben und zum Messeschnellweg durchzurasen. Null Schutz für die Kids hier, meinte meine Freundin entsetzt.

Bäcker Wendel: Von dem schwärmt Kumpel N auch. :-) Richtig guter Bäcker, meint er. Backt wie früher. Ja, ich merke es: Ich muss dringendst endlich nach T fliegen... :-)

"Ludigel" hat gesagt…

Bürgersteige sind eben wichtig und die fehlen hier immmer noch vielerorts. In der Tat scheint der Fahrstil in Deutschland multikulture.... äh ... wilder zu werden, den Eindruck habe ich auch von Jahr zu Jahr. Gut, ich handle Toxiwan (kicher) sicher gerade etwas unfair ab, magenschmerzenausgelöst

Miri hat gesagt…

Fahrstil wird nicht multikulti hier, wird egoistisch und alte Menschen und Kinder zählen nichts... Bürgersteige werden aufgerissen und die Ersatzwege und -querungen von irgendwelchen Egoisten zugeparkt. Da es zu wenig Geld für die Polizei gibt, werden sehr selten Kontrollen durchgeführt.

Miri hat gesagt…

Ja, bei mir merkt man irgendwie auch, dass ich krankheitsbedingt gerade besonders gut drauf bin. ;-)

"Ludigel" hat gesagt…

Den Effekt kenne ich gar nicht ;-) Gute Besserung!

Miri hat gesagt…

;-) Danke. :-) Gleichfalls. :-)