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Donnerstag, Mai 22, 2014

Amoklauf mit Messer in der U-Bahn (Update 2)

Schon gestern Bilder im Fernsehen gesehen ohne zu wissen worum es geht. Es gab einen Amoklauf in Taipeis U-Bahn "MRT", auf einer der bekannten Hauptstrecken am Sun Yat-Sen - Denkmal (Bannan-Linie)

Ausländer wie eben auch ich empfinden Taiwan und auch die Hauptstadt Taipei immer wieder als ein friedliches Paradies, wo man nächtens durch Schlichthausviertel laufen kann um Fotos zu machen oder was auch immer auf den Straßen tut und wo auch immer herum wandert. Überfälle gibt es so gut wie nie. Die einzige Ausnahme sind offenbar Übergriffe auf einheimische Frauen, da hat meine Frau einiges zu berichten. Ausländische Frauen des "westlichen" Typus sind davon offenbar ausgenommen - wofür man oft Bilder von körperlich kräftigen und auch selbstbewusst auftretenden westlichen Frauen als Erklärungsmodell heranzieht.

Trotzdem liegt Taiwan in der Mordstatistik deutlich über beispielsweise Deutschland, einschlägige Statistiken hatten wir hier im Blog auch schon mal (Edit: Siehe Update2 unten). Man erklärt sich die Diskrepanz durch häufigere Familiengewalt (von der der typische Ausländer in Taiwan maximal aus Richtung der Gattin fliegende Gegenstände mitbekommt) und durch Schießereien im Gangstermillieu, von denen man aber maximal Zeitungsmeldungen sieht.

Um so schockierender wenn die heile Welt jäh unterbrochen wird. Es gab einen Amoklauf in Taipeis U-Bahn, der Täter ist ein 21-jähriger mit dem in Taiwan häufigen Familiennamen* Cheng (korrigiert), der die Bahn bekleidet mit einem roten T-Shirt und kurzer Hose betreten hat und dann mehrere Menschen völlig unprovoziert mit einem 20cm-langen Messer angegriffen hat. Dabei gab es bislang 4 Todesopfer, einige Verletzte schweben noch in Lebensgefahr. Die Opfer sind zwei junge Männer in ihren 20ern und zwei Frauen über 50 bzw. 60. Offenbar galt der Täter in seinem Umfeld als auffällig. Der Täter ist festgenommen worden.


Wer sich jetzt Taipeis MRT als düster und gefährlich vorstellt liegt falsch. Ein heller aufgeräumter Ort, völlig Kameraüberwacht und schon fast steril sauber, mit netten Grünpflanzen auf den WCs und ohne jedweden Vandalismus. Allerdings hatte es wohl schon vor ein paar Wochen einen anderen Messerangriff auf Passagiere gegeben.

UPDATE: 22 Verletzte offenbar, Google lässt einen viele Fotos mit blutverschmierten Opfern finden. Grauenhaft. Hier aber nicht verlinkt.

http://www.taiwannews.com.tw/etn/news_content.php?id=2487259&fb_action_ids=10152409661493374&fb_action_types=og.likes 

http://www.chinapost.com.tw/taiwan/national/national-news/2014/05/22/408340/4-killed.htm

* eigentlich sind alle Familiennamen hier häufig, so viele gibt es nicht, weil alle einsilbig.


***

UPDATE 2:
Hier mal ein statistischer Auszug aus http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_intentional_homicide_rate_by_decade#2010s
Die Zahl gibt die "absichtlichen Tötungsdelikte" pro Jahr pro 100.000 Einwohner wieder, wobei die statistischen Angaben von den betr. Ländern sind. Auch mag verschieden sein, was etwa als Tötungsdelikt (Homicide) gilt. In den USA etwa wäre eine Trunkenheitsfahrt mit Todesfolge schnell Homicide/Totschlag, in Deutschland eher (grob) fahrlässige Tötung, so weit ich weiß.

EUROPA:

Deutschland:
2008: 0,88
2009: 0,86
2010: 0,84
2011: 0,81
2012: 0,7

Großbrittanien:
2008: 1,26
2009: 1,17


ASIEN:

Taiwan:
2008: 3,5
2009: 3,6
2010: 3,2
2011: 3,0
2012: 2,7
2013: 2,0

Thailand:
2010: 5,3
2011: 4,8

Vietnam:
2009: 1,85

Japan:
2010: 0,36
2011: 0,35


AMERIKAS:

USA:
2008: 5,4
2009: 5,0

Canada:
2010: 1,62
2011: 1,73
2012: 1,56

Honduras:
2010: 78,0
2011: 87,0
2012: 86,0

Mexiko:
2008: 13,0
2009: 18,0

Brasilien:
2008: 30,0
2009: 23,0

Also eine etwa dreimal so hohe Rate wie Deutschland, aber etwa nur 3/4 der Rate der USA.

7 Kommentare:

Miri hat gesagt…

:'-( Stand heute sogar in der NP.

Eine Strafverteidigerin (und Repetitorin) sagte mal zu uns im Rep., dass sie berufsbedingt mittlerweile ca. 50% der Menschen für gaga hält. "Sie glauben gar nicht, wer da so alles mit ihnen Straßenbahn fährt und wollen es auch gar nicht wissen."

Na ja, einige von uns, z.B. auch ich, werden ja vermutl. Strafverteidigung machen. Es sei denn, ich mache doch primär Zivilrecht und Europarecht. Und so ein paar gruselige Dinge hat man im Rahmen seiner praktischen Ausbildung auch schon mitbekommen.

Bei dem Täter in Taiwan fragt man sich allerdings schon, ob nicht präventiv mehr hätte gemacht werden können, um die Tat zu verhindern. Angeblich soll er auffällig gewesen sein und bereits seit Kindheitstagen den Wunsch verspürt gehabt haben, diese Tat zu begehen. Er scheint sehr krank zu sein.


"Ludigel" hat gesagt…

In der Tat hatte er wohl immer wieder so Andeutungen.
Tja, in dieser überbevölkerten Gesellschaft mit ihren 12h-Arbeitstagen oft 6 Tage die Woche und dem Fehlen von Streitkultur denke ich immer, da muss es in vielen enorm brodeln. Trotzdem passiert wenig. Trotzdem sagt man, man solle hier keinen reizen, weniger noch als bei uns, weil sie alle intern wegen der konfuzianischen Höflichkeit unter Dampf stehen.
Aber wie gesagt, es passiert recht wenig, auch wenn man die höhere Mordrate u.a. damit erklärt wegen Familiengewalt.
Der Täter ist aber vmtl. wirklich psychisch krank, das gibt es natürlich überall. Schreckliche Vorstellung wenn jemand da im Gedränge ein langes Messer zieht. Gerade zur Zeit trägt man sommerlich dünne Kleidung, da hat man gar keinen Schutz. Immer einen Regenschirm mitnehmen empfiehlt ein Expat. Aber sicher Unsinn deswegen das Verhalten zu ändern.

"Ludigel" hat gesagt…

Der Ruf nach mehr Sicherheit wird uns jetzt vielleicht Metalldetektoren in der MRT bescheren. Aber es gibt natürlich keine Sicherheit vor Angriffen von Irren etwa im Supermarkt oder einfach irgendwo im Gedränge. Man verdrängt es, aber im Gedränge könnte man jederzeit binnen eines Sekundenbruchteils auf den Weg ins Jenseits gebracht werden, weil der menschl. Körper nun mal kein Exoskelett hat und vitale Teile blank liegen. Wir vertrauen implizit drauf, dass unsere Mitmenschen u.a. aus Angst vor Strafe solche Angriffe nicht durchführen. Fällt diese Angst bei ihnen weg (und auch sonstige Hemmungen), dann schützt uns eigentlich nichts mehr. Das macht die Taten schrecklich, aber Gott sei Dank selten. Allerdings pflegt der Mensch auf Gefahren nach Seltenheit und Bizarrheit zu reagieren und nicht nach statistischer Wahrscheinlichkeit. Es ist eben immer noch wesentlich wahrscheinlicher vom Auto überfahren zu werden aus Versehen als vom Amokläufer erwischt zu werden.

Martin hat gesagt…

Hallo Ludigel,
das ist schockierend! Es kann einen aber überall treffen - man denke an die Amokläufer in Winnenden (nicht weit von mir weg - war für mich auch schockierend), Erfurt... Als ich in Frankfurt studierte, gab es auch einen Amokläufer in der U-Bahn. Ein Drogenabhängiger, HIV infiziert, der durch die Wagen ging und mir seiner Spritze Passagiere stach... Grausig. Die Opfer machen dann monatelang immer wieder HIV-Tests...

Ich denke es macht Sinn dann auch mal einen Blick auf die Statistiken zu werfen. Man sieht dass dies eben nicht so häufig ist. Stattdessen sind Verkehrsunfälle erheblich häufiger als Tötungsdelikte. Wer also lange leben will, achte vor allem auf den Verkehr. Die Rate für TW ist da bei 19 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner, also ein Vielfaches höher als die Tötungsdelikte. Du hast ja auch schon oft über Autos berichtet, die schnell durch kleine Gassen fahren... Kann ich nur unterstreichen. Habe mir mal wehgetan, als ich unaufmerksam war und ein vorbeizischendes Auto mit dem rechten Außenspiegel - klatsch - meine Hand traf. Habe vor ein paar Tagen gelesen - weiß der Teufel ob das wirklich stimmt - dass es in TW Überlegungen gibt, Fußgänger zu bestrafen, die sich mit ihrem Smartphone beschäftigen. Richtig so!! Sollen gefälligst auf umherbrausende PKW/Lieferwagen/Motorräder achten!

Kürzlich hattest Du auch über die Müllsammlerin geschrieben, die nächtens von einem Auto angefahren wurde, im Koma lag und dann später verstorben ist...

(By the way, wenn die Müllsammlering mit dem Koma die ersten 24 h nach dem Unfall überlebt hat, gilt sie für die Statistik der ROC nicht als Unfalltote, da die ROC die 30-Tage-Regel nicht anwendet. Vgl. hier http://taiwanheute.nat.gov.tw/ct.asp?xItem=65994&CtNode=1663&mp=22 )

Apropos umherbrausende Motorradfahrer - grunz - da fällt mir gerade ein, wie wir mal ein Motorrad geliehen haben. Ich als waschechter Deutscher versuchte in der Pampa ein Motorrad zu leihen, das ich mit meinem internationalen Führerschein (auf Basis meines deutschen PKW-Führerscheins) auch fahren darf. Der Verleiher meinte, nein, dieser Motor ist für zwei Personen nicht stark genug. Wir sollen die 125 cc nehmen. Es gab eine Diskussion zwischen uns, aus sprachlichen Gründen mit meiner Frau in der Mitte, und am Ende gab ich auf und wir fuhren dann eben die 125 cc. Der Verleiher sage er habe noch nie gehört, dass bei Motorradfahrern Führerscheine kontrolliert worden wären. Das gäbe es nur im Norden oder in großen Städten. Als Leser des Ludigel-Blogs fühlte ich mich trotzdem nicht wohl, sah im Falle eines Unfalls schon die Schlagzeile "Deutscher ohne Führerschein in Unfall verwickelt" vor meinen Augen...

Liebe Grüße nach TW
Martin

Martin hat gesagt…

... Trotz allem schön zu sehen, dass die Tötungszahlen der zivilisierten Länder klein sind und stetig kleiner werden. Die Welt wird also doch langsam immer besser... (mea culpa - ein Sozialwissenschaftler hätte statt dem Wort mit z sicher etwas Passenderes gefunden, vielleicht Staaten mit einer etablierten Zivilordnung oder so was)

Martin hat gesagt…

...oh, der von mir zitierte Artikel zur Verkehrstotenstatistik ist schon ziemlich alt, von 1992, die Zahlen sind sicher überholt, habe gegoogelt aber keine neueren Daten gefunden...

"Ludigel" hat gesagt…

Martin: Mit den Verkehrsbeschwerden kann man sicher ganze Bücher füllen, oder eben auch genug Blogartikel, wie ich das öfter mal tue ;-)