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Mittwoch, November 06, 2013

Das Alpha-Tier der Uhrenwelt

Ludigel kriegt ein tickendes Paket aus HongKong

Im Wolfsrudel ist das Alphatier der Boss und das Omegatier der "Underdog", der dem Rudel ausgegrenzt hinterher trottet. Um es für Taiwanexpats verständlicher zu machen: Das Alphatier ist die Ehefrau, das Omegatier der Ausländergatte (hust). In der Uhrenwelt ist es aber genau anders herum, die Marke Omega gehört zwar nicht zu den allerersten teuersten, aber sicher unter die Alphatiere der Uhrenwelt. Uhren, die im Stil längst Vorbild für eine ganze Industrie geworden sind, zusammen mit Rolex, Breitling, IWC Schaffhausen und anderen. Auf den Uhren von Omega, etwa einer oft 4.500 Euro teuren "Planet Ocean", die man oft mit orangefarbener Lünette hat, prangt natürlich ein stolzes Omega-Zeichen auf dem Zifferblatt.

Und eine Marke namens Alpha gibt es auch, die sitzen in HongKong, haben einen ganz guten Ruf unter Uhrenfreunden von der Technik her, machen aber sogenannte Hommagen von meist Rolex und Omega-Uhren. Hommagen in dem Sinne, dass man bis auf das Markensymbol und der Beschriftung keinen Unterschied findet. Ein Photovergleich einer echten Omega Planet Ocean und einer Alpha "Planet Ocean" etwa findet sich hier: http://forums.watchuseek.com/f71/omega-planet-ocean-look-like-202407.html. Zu beachten ist, dass die Alpha am Metallband liegt, während die im Foto (ein Foto im Foto streng genommen) gezeigte Omega das optionale orangene Lederband hat. Aber ein solches kann man an die Alpha Ocean natürlich auch dran machen. Wer also wissen will, wie die Omega aussieht, kann sich auch unten meine Fotos der Alpha ansehen.

Warum bestellt man nun so eine "Hommage**", bei der sicher auch weniger freundliche Begriffe angemessen wären (?) - schließlich ist die Vorlage noch auf dem Markt und nicht etwa ein historisches Uhrenmodell. Gründe gibt es viele, ein Uhrenforensmitglied etwa hat sie sich bestellt, um die Omega erst mal kostengünstig zum Anzug "probezufahren". Die Probefahrt kostet nämlich nur 70 Euro. Für den Preis liefert sie ein Brite mit wohl chinesischem Hintergrund aus England nach Deutschland auf Ebay oder versendet sie Alpha Hong Kong auch zu mir nach Taiwan, im obigen hübschen Paket.

Manch einer will sicher auch nur so ein schick gestyltes Ding haben und nicht viel Geld ausgeben. Alpha scheint das Ganze halb peinlich zu sein, denn gleich oben liegt eine Art Entschuldigungskarte vom "Unidesign Workshop" im Paket, bei der sie angeben, die Uhren seien vom europäischen Erbe inspiriert. Der Unidesign Workshop ist die Firma hinter der Marke Alpha. Es soll sich nur um eine Art Warenkontor handeln, der also seine Uhren bei wechselnden Zulieferern bauen lässt in China oder HongKong, so dass man nie so genau weiß was drin ist. Wenn man Glück hat ein Seagull-Uhrwerk, denn Seagull ist ein renommierter chinesischer Hersteller, der nicht ganz billige Uhren baut unter eigenem Markennamen und etwa auch für den einstigen renommierten japanischen Kamerahersteller Minolta produziert hat. Seagull macht auch Replikate alter Rollei Mittelformatkameras. Ich habe eine in Deutschland, einst für 90 DM gekauft, ein grundsolides verblüffend authentisch wirkendes Ding, das allerdings keine besonders gute Optik und ein ausgesamtes Samenkorn im Objektiv hat - stört bei dem großen Format aber nicht wirklich. 

Meine eigene Alpha habe ich bestellt, tja, aus Neugierde, weil sie billig ist, meistens gut sein soll (Qualitätsschwankungen sollen fast nicht mehr vorkommen seit 2010 sagt man) und weil ... meine Gattin halt neulich im Ärger sinnfrei auf dem Aktienportal ihrer (unserer) Hausbank herumgeklickt hat und dabei einen so hohen Betrag verloren hat, bei dem ich mir zweieinhalb Originale hätte kaufen können. Die Alpha ist daher eine Art Scherz mit mir selbst und für mich halt sogar "teuerer" gewesen als das Original. Sie soll mich an den Vorfall erinnern. Aus Trotz oder als Mahnung, meinen Finanzhaushalt nicht mehr ganz so taiwanisch dominieren zu lassen. Also nicht nur ein Fake für mich, sondern etwas Persönliches.
Einen Schreck habe ich freilich beim Anblick der Vesitenkarte aus Pappe bekommen, die gleich nach dem Entschuldigungsschreiben kam. Der Materialfehler in der Karte ließ nichts gutes für den Zustand der Uhr vermuten!


Zunächst kam ein Etui aus Kundstwildleder zum Vorschein, statt der üblichen Uhrenbox, das aber haptisch einen ordentlichen Eindruck machte und sogar ein kleines User Manual im perfekten Englisch drin hatte. Englisch ist ja in HongKong kein Problem.


Sogar eine ausgefüllte Garantiekarte gab es! Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Deutsche Verkäufer lehnen ja das Ausfüllen grundsätzlich immer aus religiösen Gründen ab.

Da ist sie nun also, die 70 Euro teure Alpha. Das Armband chinatypisch in dickem Kuststoff eingeschweisst, den man kaum jemals abbekommt (es geht mit Werkzeug, habe ihn aber noch dran) und die Uhr durch Cellophan geschützt. Das Armband passt übrigens für meinen 18cm-Umfang-Arm durch Herausnahme eines einzigen Gliedes. Besitzer ganz stämmiger Arme müssen also aufpassen, aber mit einem schwarzen Kautschukband mit orangener Naht sieht die Planet Ocean im Zweifelsfall auch noch besser aus.

 Das Alphazeichen auf der Uhr, das ja fast ein gedrehtes Omega ist, macht natürlich sofort deutlich, dass hier Lächrlichkeitsgefahr mit der Uhr gesteht. Das gequälte ein-Original-sein-wollen wird dadurch sehr deutlich, auch weil sonst alle Details, wie die typischen orangenen arabischen Ziffern auf 12, 9 und 6 Uhr genau mit dem Original überein stimmen. Wer eine Uhr in dem Stil will und keine Hommage will, kann etwa eine italienische Politi kaufen, die hat ein eigenes Design, ist ähnlich, qualitativ nach Aussage von Uhrenkennern sehr gut und in Deutschland für etwa 170 Euro zu haben. Und auch wasserdichter als die Alpha. Die ist mit 5 ATM / 50 Meter Wasserdichte nämlich im Gegensatz zum Original kein echter "Diver", auch wenn sie tatsächlich eine verschraubte Krone hat, wie sich das für eine Taucheruhr gehören würde.

Ehrlich ist Alpha ja. Während manche pseudo-Uhrenmarke von weiterverkaufenden Deutschen, die Uhrentradition vortäuschen und auf die umgelabelten Chinauhren labbrigster Qualitätsstandards etwa "Calvados 1566" schreiben (Name und Jahreszahl abgeändert), ist Alpha mit der Gründungsepoche da ehrlicher - 1993.

Auch die Beschriftung der Armbandschließe ist wohl eng am Original gehalten, bis hin zum hier nicht lesbaren Schriftzug "professional Instrument". Na ja, es ist ja auch der Job der Uhr, die Zeit anzuzeigen, in so fern sicher richtig. Auch das Armband wirkt wertig, leicht und stabil, nicht so billig wirkend wie das anderer Chinauhren. Aber ich muss es sicher erstmal auspacken, um es ganz bewerten zu können. Wertige Schließe jedenfalls.

Haptisch und optisch war die Alpha sofort eine Freude, das will ich ganz klar sagen. Die wirkt nicht zu leicht, nicht zu schwer und das Mineralglas (zu Saphirglas reicht es bei dem Preis nicht) ist kratzerfrei. Das Gehäuse ist Edelstahl und völlig wertig gearbeitet. Die Uhr wirkt sehr sehr viel teurer als sie ist, von der Verarbeitung her und auch von der schönen orangenen Lünette hier, die sicher und mechanisch sauber ohne Spiel in Linksrichtung drehbar ist. Das macht sie viel besser als viele teurere Uhren. Das Glas spiegelt etwas, was beim Original nicht der Fall ist, habe ich gelesen. Lässt sich aber gut ablesen die Uhr.

Hirn und Gefühl waren bei mir mal wieder im Widerspruch. Mein Hirn meldete "billiger Chinaklunker, schäm dich", während mein Gefühl von der bildschönen und richtig solide feinmechanisch gearbeiteten Uhr ganz angetan war. Sie ist einem teuren Original nachempfunden und bemüht sich, dem nach nahe zu kommen. Nahe lag der Vergleich zu meiner "J.Springs", die ich gerade am Arm hatte, siehe rechts. Die "J.Springs" ist aus dem Hause Seiko (das Label steht für "Japanische Frühlinge" und soll Designfrische suggerieren) und sicher ähnlich in der Farbgebung. In Deutschland wird sie üblicherweise für 120 Euro verkauft, ich habe sie für 78 Euro von einem polnischen Versender*** nach Deutschland geliefert bekommen (versicherter Versand mit Tracking betrug allerdings 14 Euro zusätzlich). Die J.Springs ist schwerer und klobiger, auch keine richtige Taucheruhr, auch wenn sie das Taucheruhrendesign der 70er nachmacht (100 Meter wasserdicht, keine verschraubte Krone). Sofort zeigt sich die Alpha überlegen: Die Lünette der günstigen J.Springs etwa hat Spiel und rastet leicht versetzt zu den Minutenpositionen ein, der Sekundenzeiger der Japanerin hält beim Verstellen nicht an (Sekundenstopp ist in der Preisklasse auch nicht üblich) und läuft sogar beim Verstellen der Uhr etwas rückwärts. Auch schließt die Krone nicht ganz mit dem Gehäuse ab, was mich an den "100 Metern" Zweifeln lässt.

Ganz anders die vornehm wirkende Alpha. Sie hat einen Sekundenstopp und im Gegensatz zur J.Springs kann man ihr Uhrwerk sogar aufziehen! Das ist in der Preisklasse bei (sich selbst aufziehenden) Automatikuhren wirklich nicht üblich. Großes Lob hier an die Alpha. Etwas labbrig fühlt sich die Krone an, wenn man sie heraus geschraubt hat (Taucheruhren verlangen ein "Aufschrauben" der Krone vor Benutzung). Man kann dann die Krone an ihrer Stange ein bisschen wie einen Schaltknüppel "rühren", was nicht sehr solide wirkt, aber über die Langlebigkeit kann eben nur die Zeit entscheiden. Da hat die J.Springs eine klarer definierte Kronenführung und auch meine Orient-Diver (etwa 100 Euro in Deutschland, auch aus dem Hause Seiko, eine ist hier zu sehen: http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/10/uhrenfotografie.html) hat da eine bessere Führung.

Als Uhrenfreund hat man sicher immer zu wenig Arme für die vielen Uhren. Mein obiges Trageverhalten dient freilich nur dem Vergleich, man sieht insbesondere das recht stark spiegelnde Uhrglas der Alpha. Aber trotzdem wirkt die Uhr wertig und teuer und eine ganze Ecke solider als die J.Springs. Auch wenn dei Kronenführung mir Sorgen macht. Hat der Uhrwerkshersteller hier eine variable Kronenstangen-"Aufhängung" (die Fachbegriffe kenne ich hier nicht) eingebaut, um die mechanische Belastung der Kronenstange wegen der Schraubkrone abzufedern? Oder ist es nur ein bisschen labbrig?

Das Alpha findet sich sogar auf der Krone, wie beim Original wohl das Omega. 


Bei meiner original-Alpha jedenfalls war auch der Uhrenboden hübsch graviert, während viele Hommagen da einen blanken Deckel haben. Auch hier will die Alpha wertig wirken mit verschraubtem Uhrboden und Gravur. Das Rote ist von einer Schutzfolie.

Ich bin gespannt, wie es mit dem Alphatier und mir weitergeht. Die Genauigkeit und Gangreserve habe ich noch nicht wirklich geprüft, von Nachtmittags bis zum Morgen des darauffolgenden Tages jedenfalls lief die Alpha minutengenau (Sekundenabweichung nicht geprüft) und trotz wenigen Tragens hat sie auch die Nacht brav weiter getickt bis zum Morgen. Das ist ein gutes Omen.



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http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/10/zuckerloser-tiger.html (Onitsuka Tiger)

http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/10/uhrenfotografie.html (Orient Deep Blue)

http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/10/heiter-bis-uhrig.html (div. Uhren)

http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/04/chinauhr-315-euro.html (Rosra)

http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/07/die-menschen-mussen-gewarnt-werden.html (Tissot Seastar 1000)

** Juristische Bewertung von mir als Laien: Der deutsche Zoll lässt Alphas anstandslos durch (verzollt wird in Deutschland freilich u.U.), weil sie eben keinen gefälschten Markennamen haben. In diesem Sinne sind sie zollarisch Originale und keine Fälschungen. Einen Alphahändler oder eine Vertretung abgesehen von Ebayleuten gibt es in Deutschland im Gegensatz zu etwa den USA nicht, was vielleicht auch juristische Gründe hat. Auch ein zollarisch nicht beanstandeter Artikel könnte wegen Produktähnlichkeit durchaus vor Gericht Ärger geben, wenn etwa ein "Mitbewerber" Klage einreichen würde gegen einen Händler. Rechtliche Schritte gegen Alpha sind mir aber nicht bekannt. Der deutsche Zoll soll selbst Träger von Fälschungen mit falschem Markennamen unbehelligt lassen, solange ein Fake (die Alpha ist keins in diesem Sinne!) am Körper getragen wird. Andere EU-Länder sollen aber auch getragene Fakes durchaus mit empfindlichen Geldbussen und Beschlagnahme ahnden.

*** Bei der J.Springs will ich an ein "östliches" Fake aus Polen nicht glauben: Dazu ist eigentlich das Label zu billig und sie wirkt abgesehen von den kleinen Unschönheiten durchaus solide, hat viel Gangreserve und geht fast sekundengenau über längere Zeit. Wäre bei einem Billigstfake sicher nicht der Fall.

UPDATE: Das Armband ist zwar solide, offensichtlich hat es aber Fertigungstoleranzen bzgl. der Armbandstege. Obwohl ich schon so manches Band gekürzt habe, habe ich in diesem meinen Meister gefunden. Ein Steg ließ sich problemlos entnehmen, alle anderen sitzen fest wie festgeschweißt. Heute Abend darf sich der Uhrmacher beim Meißeln versuchen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den guten Bericht =) Und läuft die Uhr immer noch?

"Ludigel" hat gesagt…

Läuft immer noch, trage sie immer mal im Wechsel mit den anderen Uhren. Sie ist etwas uneinheitlich mit der Geschwindigkeit, mal hat sie +15 Sek., wenn sie viel auf der Seite mit der Krone nach oben auf dem Schreibtisch liegt. Mal +55 Sek., wenn sie viel am Arm ist. Das Armband ist poliert um die Meisselspuren zu verdecken an den Steglöchern ;-) Sie sieht aber auch am Lederband gut aus.

"Ludigel" hat gesagt…

Will sagen in 24h die +15 bzw +55 Sek.