Mein Start in Taiwan war sicherlich kein einfacher, aber auch der schwere Anfang meiner Frau in Deutschland soll hier einmal beleuchtet werden. Im Jahre 2004 war sie zu mir nach Deutschland gezogen in meine Darmstädter Wohnung. In Darmstadt-Griesheim hatte ich damals bei einer Security-Softwarefirma als Produktmanager (und vorher Entwickler) und auch als Firmenkunden-Supporter gearbeitet und gerade als das Unternehmen in schweres Fahrwasser geriet und kaum einer mehr gearbeitet hat, hatte ich mein "Secure SAP"-Produkt, das SAP-Kommunikation verschlüsselte und signierte und dadurch absicherte, fast als OneMan-Show betreut und u.a. auch die Qualitätssicherung selbst übernommen. Der QA-Manager hatte sowieso seine ganze Karriere über dort nur Zeitungen gelesen, ich sage jetzt nicht aus welchem Land, wir wollen ja nicht politisch unkorrekt werden.
Das Unternehmen ging pleite, ich war dann einer von drei Leuten die aus der Belegschaft heraus die Unternehmensführung quasi übernahmen und einen Investor suchten, während sich das ursprüngliche Management heillos zerstritten hatte, u.a. eines kriminellen Ursupators wegen. Ich hatte also genug zu tun und das die Pleite genau in die Zeit gefallen war, als meine Frau gerade nach Deutschland gezogen war, hat bei ihr natürlich den schlimmsten Eindruck hinterlassen. Deutschland sei "schlimmer als der Irak", sagt sie noch heute, für sie ist Deutschland Armut, Pleite und Chaos. Und leere kalte Vorstädte ohne den heimischen Geruch aus Garküchen, Mopeds und den buten Neonlichtern, die sie in engen vollen Gassen aus der taiwanischen Hauptstadt Taipei, eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde, gewohnt war.
Weil ich anfangs mit ihr noch über Abstandszahlungen an ihre Mutter verhandeln musste, während die Firma nun mein Gehalt nicht mehr zahlte und der Kontostand auf Null ging, mich die Betriebskrankenkasse mit Telefonterror nervte (die wollten die abzuführenden Beiträge von mir, die meine Firma nicht mehr gezahlt hatte, mehrere Tausend Euro!), hatte ich meine Frau völlig vernachlässigt und sie saß alleine in der kalten Wohnung und hörte von ihrem Gatten nur Hiobsbotschaften.
Sie hatte teilweise nur 2 Euro in der Geldbörse, sagte sie mir einmal, weil sie sich nicht getraut hat, mich um Geld zu bitten. Einmal hatte sie eine Papaya in einem Asiashop gekauft und festgestellt, dass diese viel zu grün war. Nach ihrer Lieblingsfrucht hungernd wartete sie dann viele Wochen auf die Reife, nur um am Ende frustriert festzustellen, dass das Ding mittlerweile innen verschimmelt war.
Da dachte sie, es reicht, wir gehen nach Taipei. Sie packte also nach 3 Monaten ihre Koffer, zog aus dem chaotischen Darmstadt fort und ich stand ohne Frau und Geld allein herum. Wir in der Firma fanden schließlich einen Investor für das insolvente Unternehmen, einen reichen Schweizer Self-Made-Man, der mir und zwei Mitstreitern bestellen ließ, unsere Anwesenheit in der Firma können zu seinem Rückzug als Aufkäufer führen (wir hatten die gesamte Belegschaft, die er nicht übernehmen wollte in einer Beschäftigungsgesellschaft untergebracht und er musste es teilweise bezahlen, grins***) und so packte ich meine Koffer und zog pleite und gestresst nach Taipei.
Heute bin ich nicht mehr pleite ;-)
Und Frau ist glücklich mit frischen Papayas, was will man mehr.
***Und ja, ich habe es bewusst in Kauf genommen den Firmenaufkäufer zu verärgern, wenn ich dadurch Kollegen in Lohn und Brot halten konnte. Und es bis heute nicht bereut.
9 Kommentare:
Danke für diese privaten Einblicke! Irgendwie kann ich die Motivation Deiner Frau bestens nachvollziehen... Ende gut, alles gut!
Du Schlawiner! :-P
traurige sache.. und falsches timing.
warum wollte die Krankenkasse den Betrag von Dir direkt? warst du da nicht direkt angestellt oder eigener subunternehmer?
Ähnlich gings mir in der IT Welt auch nach Fachinf. Azubi nach einem Jahr ging die Firma pleite natürlich von IHK/Arbeisamt keine große Hilfe. Hab dann letztendlich eine kaufmännische Lehre gemacht, da ich ja auch Miete usw zahlen mußte usw. Dann hatten sich Gesselschafter und Geschäftsführer zerstritten aber immerhin noch Lehre fertig gemacht und ein Jahr Berufserfahrung gesammelt. Dann 9 Monate arbeitslos und anschließend 3 mal in der gleichen Firma auf 6 Monate befristete Verträge allerdings wurde ich dann letztendlich übernommen und konnte meine Frau in Tw heiraten wenn auch ohne großes Fest usw. Meine Frau jammert hier manchmal auch rum weil es kein 7/11 gibt und kein Nachtmarkt etc und der kalte Winter und das deutsche Essen erst;-)
unser quality m. liest zwar nicht dauernd Zeitung ist aber so gut wie immer am rauchen..
Tatsächlich entspricht es der Rechtslage das sowohl Arbeitgeberanteil wie auch Versichertenanteil von den Krankenkassen vom Versicherten zu erbringen sind, wenn der Arbeitgeber ausfällt durch Insolvenz. So hat man dann als Arbeitnehmer ohne Gehalt evt. eine Horroforderung von tausenden von Euro, die man einfach nicht begleichen kann.
Gute Versicherungen wie die AOK oder die Techniker verlangen das NICHT vom Angestellten, aber kleine Betriebskrankenkassen wie meine Sancura damals schon. Die haben Daueranrufe am Arbeitsplatz gemacht und erst als ich sie aufforderte Telefonterror zu unterlassen, haben sie damit aufgehört. Geld haben sie alles bekommen, zumindest teilweise noch von mir. In Zukunft nur noch große Kassen, nicht diese kleinen Buden.
Wenn Du und deine Frau wieder mal nach Darmstadt kommen, gib Bescheid. Ich führe euch dann mal ein bißchen herum (Mathildenhöhe, Oberwaldhaus, Fürstenlager) - es gibt doch auch ganz schöne Ecken bei uns.
Gerne. Allerdings haben wir die Darmstadt-Zelte praktisch abgebrochen. Mir gefiel es da sehr gut, aber ohne familiäre Bindungen kommen wir da praktisch nicht mehr hin. Ich hatte dort mal Vorfahren, einen Kürschnermeister (will sagen Ledermacher) namens Rödiger, sein Familienname gleicht meinem Vornamen bis auf einen Buchstaben. Aber die Rödigers dort haben sich im Nebel der Zeit (100 Jahre) verloren...
Ah, heißt wirklich Kürschnermeister, war mir nicht mehr sicher. Daher die Umschreibung ;-)
ahcso Insolvenz war schon angemeldet.. ja wenn man dan noch weiterarbeitet kann theoretisch auch der Insolvenzverwalter Geld fordern usw.. was ziemlich unglaublich ist
Die Forderung kam zustande bevor Insolvenz angemeldet war. Wenn der Arbeitgeber einfach nicht an die Krankenkasse zahlt, ist diese berechtigt beide Gebührenhälften vom Arbeitnehmer einzufordern. Das wird schnell sehr teuer. Daher ist es wichtig, eine große Kasse wie Techniker KK zu haben, die einen damit verschont. Später zahlt dann das Arbeitsamt, so habe ich dann mit vielen Monaten Verzögerung das an die Sancura BKK gezahlte Geld wieder bekommen. Aber das tat finanziell schon weh, ohne Darlehn bei Eltern hätte ich singen müssen auf der Straße oder Wertpapiere kündigen. Und wer die nicht hat, brrrrr....
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