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Montag, September 26, 2011

Straßen-Haifisch

Nun ich bin ich ja Hundefreund. Aber als ich gestern fröhlich am Mietshaus vorbei gehe, in dem Schwiegermutter und mein Junior wohnen, rast plötzlich ein großer Schlittenhund auf mich zu. Denke schon der will schmusen wie die anderen zwei Huskies im Wohnblock. Allerdings kenne ich das Verhalten von Hunden sehr genau und so fällt mir auf, dass irgendetwas nicht stimmt. Zu schnell, zu gerade und mit zu stierem Blick kommt er auf mich zu, direkt aus dem Gebüsch. Ohne Bellen, mit anderen Worten er will angreifen. Kaum habe ich das begriffen in einem Sekundenbruchteil ist er auch schon an mir dran. Steht wie eingefroren fast wie ein Vorstehhund an meiner Hand und hat seine kalte Nase direkt an meine linke Hand gepresst, die an meiner Hosennaht ruht, denn ich bewege mich instinktiv nicht und rede jetzt dem Tier beruhigend zu. Allerdings zeigt er die Zähne etwas und kurrt. Seine Augen sind kalt wie die eines Haifisches und fixieren meine Hand wie ein Kaninchen, dessen Genick es jeden Augenblick durchzubeißen gilt. Jetzt fällt mir auf, dass der "Schlittenhund" gar kein Schlittenhund ist sondern braun-weiß. Zwar gibt es auch braune Schlittenhunde, aber diese typische braun-weiße Färbung spricht für einen ... Aktia Ainu, einen japanischen Kampfhund, der als furchtloser, niemals loslassender (wenn er einmal zugebissen hat) Kampfgefährte der Samurai einst die Landschaft unsicher gemacht hat. Wie nett, dass ich einen davon steifgefroren an meiner Hand habe. Das angenehme Gefühl einer kalten feuchten Hundenase steht im krassen Gegensatz zur Gefährlichkeit der Situation. Was mich irgendwie amüsiert. Angst darf man den Biestern sowieso nie zeigen.

Da kommt eine chinesische alte Vettel auf mich zu (eine Japanerin wird es ja kaum sein), lächelt und sagt irgendetwas. Meine zwanzig Meter entfernt stehende Frau übersetzt rufend:

"Nicht anfassen, sagt sie, sonst beißt er."

Seelenruhig erkläre ich "Das muss sie ihrem Hund sagen, er fasst mich an, nicht ich ihn!".

Die alte ruft ihren Hund und verschwindet mit ihm in der Parterre-Wohnung. Nicht mal die kleinste Entschuldigung, die hässliche Alte scheint das sogar genossen zu haben. Die Familie dort hatte bislang einen kleine weißen aggressiven Kläffer, offensichtlich haben sie den gegen einen großen psychotischen Kampfhund eingetauscht, den sie ebenfalls ohne Leine und Maulkorb herumlaufen lassen.

Später stellte sich heraus, dass er auch schon Schwiegermutter fast gebissen hätte, eine falsche Bewegung und man ist fällig, denke ich mal. Das Tierchen ist eine echte Gefahr, das ist offensichtlich und als Hundeerfahrener (bis vor kurzem mit eigener Hunderettung hier in Taiwan, die derzeit wegen Desertation des Eingeborenenpersonals brach liegt) erkennt man das dominante Territorialverhalten, das hier wenigstens dem leider auch menschlichen Gegner noch die Möglichkeit zur Unterwerfung lässt. Das Stillstehen interpretiert er vielleicht als eine Art Demutshaltung. Auf den Boden legen wie ein Hundchen sollte man sich nicht, es sei denn man braucht seine Kehle nicht mehr. Und die spannende Frage ist, was er bei einem Kind machen würde. Wirkt bei ihm das Kindchenschema oder sieht er ein Kind eher als leichte Beute? Ein Kind würde sicher auch falsch reagieren, entweder wegrennen (Jagdtrieb wird ausgelöst) oder abwehren (Kampfmodus wird ausgelöst) oder große Angst zeigen (macht das Opfer noch interessanter weil es schwach wirkt). Eigentlich sollte ein normaler Hund in dicht besiedelter Gegend und einem Grundstück ohne Zaun ein solches Verhalten nur auf Hunde beziehen, nicht auf Menschen.

Mit dem Begriff Kampfhund habe ich so meine Probleme, weil es sicher immer auf das Individuum ankommt. Aber der alten Vettel ist es sicher gelungen, die angezüchtete Anlage zur Aggressivität voll zur Entfaltung kommen zu lassen. Und die Japaner können neben anderen kulturellen Errungenschaften wie Unterhöschenautomaten darauf stolz ein, die freundlichen Schlittenhunde "böse" gemacht zu haben. Denn der Akita gehört tatsäschlich zu dieser Familie. Auch wenn die Japaner ihn zweckentfremdet haben.

Zwei Minuten später kam ein richtiger Schlittenhund aus dem Haus, grau-weiß und freundlich, strahlte mich im Vorbeigehen gleich an, grinste und wedelte. Genauso groß aber superlieb.

Wie wir jetzt damit umgehen, dass ein Straßenhaifisch den Eingang zum Wohnhaus zu seinem Jagdrevier erklärt hat, ist die nächste Frage. Mit Wurscht mit dem Ding anfreunden? Hübsch sieht er ja aus so braun-weiß und gesund ist er, da konnte ich mich durch Nasenkontrolle von überzeugen*.

Vielleicht sagt die Alte ja beim nächsten Mal. "Er will doch nur spielen". Jo, mit meinen Knochen....

* Kalt und feucht heißt i.d.R. gesund bei der Hundenase.

6 Kommentare:

Miss Vanilla hat gesagt…

Ich gehe nicht davon aus, dass hier die landesüblichen Gesetze dir Hilfe dazu anbieten?

Dann würde ich mich bewaffnen mit Pfefferspray zb.

Miri hat gesagt…

Bitte freundet Euch ganz schnell mit ihm an... Man bekommt ja richtig Angst um Euch, wenn man das liest. Wie gut, dass Du Dich instinktiv richtig verhalten hast und zum Glück scheint er ja nicht abgerichtet zu sein.

"Ludigel" hat gesagt…

Vanilla: Meine Frau sagte, die Polizei zu rufen führt dazu, dass sie eine Verwarnung kriegt. Die können erst was machen wenn er beißt. Und vermutlich wird bald irgend ein Nachbar den Hund vergiften und wenn wir uns dann exponiert haben, denken die Besitzer wir waren es und haben ständig Krach im Haus.
Miri:
Also warten wir auf die Nachbarn, ob anfreunden geht weiß ich nicht. Ich mit Wurst in der Hand, dann denkt er nachher noch "doppelt lecker" hihi.
Junior wird ja so schnell nicht raus gehen, hoffentlich ist das Thema bis dahin durch. Wenn man einen so aggressiven Hund ohne Leine und Maulkorb rumrennen lässt, muss man sich nicht wundern, wenn die Leute sich selbst helfen.
Wunderschönes Tier, aber er bräuchte professionelles Training und einen sehr hundeerfahrenen Besitzer, der auch gerade diese Rasse kennt. Ich würde den Hund nicht wollen, keinen Bock auf aggressive Hunde.

Miri hat gesagt…

Kannst ihm ja veganes Hundefutter vor die Nase halten, mit ganz viel Tofu drin, dann tut er Dir vlt. nichts, weil er a) ganz schnell die Flucht ergreift oder b) ab sofort ein lieber Hund wird, der kein Fleisch mehr essen möchte, also auch Dich nicht mehr, sondern nur noch veganes Hundefutter. ;-)

Nee, jetzt mal im Ernst, ich hoffe die Nachbarin kommt alleine zu sich und fängt an ihren Hund zu erziehen, ehe er sie und die Nachbarschaft "erzieht" oder gar anfällt. Habe heute nen Fall für die AG erstellt "Straßen-Haifisch als Waffe"... Mal sehen, was die AG-Mitglieder sagen, wenn ich ihnen den Sachverhalt vorlege. Vermutl. sowas wie "Ha, ha, ha, da hast Du Dir aber mal wieder was komplett Irres als AG-Beitrag ausgedacht...", ehe sie beginnen wild rumzusubsumieren und dabei auch Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe für das Vergiften des "armen" Tieres prüfen inkl. Notwehrexess und Erlaubnistatbestandsirrtum. ;-)

"Ludigel" hat gesagt…

An vergüften in den Mauersklüften darf ich gar nicht denken, es ist ein so schönes Tier. Nur eben nicht erzogen. So ein Japaner braucht halt Erziehung, dann klappt es auch ohne Tora Tora Tora.

Miri hat gesagt…

Das wird bitte ein pazifistischer Hund und keiner, der Euch alle überraschend verspeist... ;-) Tora! Tora! Tora! eines dieser vielen Beispiele für "Missverständnisse" im 2.Weltkrieg: Tora (jap. Tiger) und to ra (als Codewort der Japaner für einen erfolgreichen Überraschungsangriff: totsugeki (Angreifen) und ra für raigeki (Torpedos/Torpedobomber). Hoffe wir Menschen werden endlich pazifistisch, zum Glück versuchen wir das ja mittlerweile ernsthaft und versuchen uns dabei auch immer wieder gegenseitig zu erziehen und zunehmend Missverständnisse auf Debattenebene auszuräumen. Leider klappt es nicht immer, aber es sind durchaus wesentliche Fortschritte festzustellen. Und wir begreifen zum Glück langsam auch, dass man z.B. keine AKWs bauen sollte, v.a. nicht in tektonisch und auch aus meteorologischer Sicht betrachtet schwierigen Gebieten, da wir uns und unsere Nachkommen sonst auch auf diesem Wege alle gegenseitig umbringen könnten. Ach wie war das noch mal mit dem halbvollen Glas? ;-)