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Montag, September 30, 2013

Zeitreise

Eine Fotoserie, die ich schon länger im Blogeditor habe und endlich einmal posten will. War schon lange angekündigt der Beitrag, schon vor dem Deutschlandurlaub. Trotz meiner Taiwanrückkehrdepression muss das Bloggen weitergehen. The Blog must go on.



Auf in die Vergangenheit ins Taiwan Times Village:
No.1039, Zhongzheng Rd., Caotun Township, Nantou County 542, Taiwan R.O.C.


Neulich schon kündigte ich einen Bericht über eine versehentliche Zeitreise meinerseits an. Theorien und Praxis zu Zeitreisen gibt es schon lange (ersteres) oder erst seit kurzem (letzteres). Ein Physiker bastelt veritabel irgendwo an einer Tonne, in der das Raumzeitgefüge so sehr gebogen werden soll, dass es ringförmig an der Tonnenwand verläuft (jedenfalls die Zeit, die ja auch nur eine Dimension ist wie Länge, Breite und Höhe). Das Ergebnis wäre dann freilich kein Tunnel in vergangene Zeiten, sondern eher eine Stasekammer, in der keine Zeit verginge (http://www.wissenschaft.de/archiv/-/journal_content/56/12054/1581717/Per-Ringlaser-in-die-Vergangenheit/), wie es mal in einem anderen Artikel dazu hieß (der Linkartikel hingegen redet plakativer von einer Reise in die Vergangenheit). Wäre das etwas, sich sagen wir 10 Jahre lang eindosen zu lassen um dann ein Jahrzehnt später fröhlich die Rendite der vorher gemachten Geldanlage zu kassieren (ohne Ausgaben in der Zwischenzeit!)? Wohl nicht. Vermutlich hätten sechs Terrorattentate und vier Wirtschaftskrisen das gesamte Geld vernichtet und es verginge einem die Lust am ausdosen.


Und wenn man in die Vergangenheit reisen könnte, in welche würde man reisen? Für mich ist das einfach zu beantworten. In die späten 70er, um mir ein paar LPs aus der Motown-Phase von Sammy Davis Jr. zu kaufen, schnelle Funk-Swing-Rythmen, die heute einfach nicht mehr zu kriegen sind und nur noch in Form einer Musikkassette im Schrank meiner Eltern (und einer von mir angefertigten verrauschten CD-Kopie) existieren. Aber vorher noch in die 80er, um einen großen Fehler in der Vergangenheit zu korrigieren, aber dann gäbe es jetzt dieses Blog nicht.
Allzu großen Aufwand muss man aber nicht treiben, unter der oben angegebenen Adresse landet man dann vor einer zum Ausflugsort umgebauten Fabrikhalle, die einem 60er-Jahresflair aus Taiwan präsentiert.

Für mitreisende Taiwaner in unserer Gruppe (es war ein Betriebsauflug) war es eine fast magische Zeitreise, denn alles sah etwa so aus, wie sie Taiwan aus ihrer Kindheit der frühen 70er in Erinnerung hatten.

Immer wieder erinnerten sie Werbeplakate oder auch nachgemachte alte Haushaltsutensilien, die neben allerlei modernen in den Geschäften angeboten wurden, an ihre Kindheit.

...

Infokästen und alte Reklame waren mit großer Detailliebe rekonstruiert worden. Den Taiwanern jedenfalls kam das alles authentisch vor.

...
Leicht konnten wir uns in den Gassen verlieren, wenn ich von einem Motiv gefangen war und wartete, bis Passanten mit modernen Digitalkameras oder zu moderner Kleidung aus dem Bild gegangen waren.

...

Die Illusion einer alten Stadt war manchmal fast perfekt, nur das Halogenlicht in den Obergeschossen und Geschäften war zu hell.

Hier ein altes Plakat einer häufig aus rassistisch bezeichneten Zahncreme aus Taiwan, die ursprünglich mit englischem Namen tatsächlich "Darkie" hieß, wobei Darkie eine abwertende englischsprachige Bezeichnung für einen dunkelhäutigen Menschen darstellt. Die Zahncreme hatte in ihrer Werbung auf die offenbar im Kontrast zur schwarzen Haut weißer wirkenden Zähne abheben wollen. Mittlerweile nennt sich die Zahncreme "Darlie" und die Wandlung der Packungen sieht man hier: http://creoleindc.typepad.com/rantings_of_a_creole_prin/2009/08/darkie-darlie-toothpaste.html

Manchmal war es schon erschreckend authentisch.


Wie man damals wohl als Weißer in Taiwan aufgefallen wäre? Noch heute wird man ja öfter mal angestarrt wie ein veritabler Marschmensch.

Was auch immer es hier gibt...

Hier kann man telefonieren, suggeriert das alte Schild an einem Kioskladen.

Modern gekleidete Leute ruinierten allerdings immer wieder schnell das alte Flair.

Wandmalerei

Taiwans unerschrockene Damen damals in Cinemascope, heute in den Büros überall zu finden.

Ein Prosit der Gemütlichkeit ... im Kinderzimmer? sieht eigentlich wie eine Bierflasche aus.

Der Pappzug fährt freilich nirgends hin, auch nicht in den falschen Papptunnel auf der anderen Seite. Und auch nicht über die Gleisattrappe.

... Lottobude altertümlich...

Stars von gestern. Damals noch ohne Latexmini.Oder höchstens beim Gartenumgraben bei Regenwetter.

Leckerli zu allen Zeiten...


...

Düstere Passage in die Vergangenheit.


...

Alte Werbung überall dran gepflastert. Man verzeihe mir die Auswahl.

... gell? ...
Und zum Abschied noch eine Szene auf den Gleisen, die junge Frau, die ihrem Freund entgegenlief wie in einer Wiedersehszene vor einem Eisenbahntunnel in einem der alten Kinofilme, deren Plakate überall herum hingen, schien fast so, als würde hier ein Film live ablaufen. Hätte nur noch das ausklingende Geräusch einer sich entfernenden Dampflok gefehlt, dann wäre der "und sie kriegen sich doch"-Abschluss des Films perfekt gewesen.

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