Meine Mutter scherzte die Tage, ich würde mit meiner "Kamerasammlung" (div. SLR Minoltas der 80er und 90er) wohl daneben liegen, da das ganze Zeug jeweils nur wenige Euro wert ist (analoge Reflexkameras sind praktisch wertlos geworden). Recht hat sie, meine edle Minolta Dynax 600si classic, eine Kleinserie, wird für 25 Euro oder so gehandelt, meine Dynax 505si super für 1-10 Euro. Und das wo eine alte Leica die Tage ja gerade für Millionen Euro über den Auktionspult gegangen sei, fügte sie noch hinzu.
EINE meiner Kameras steigt aber wirklich im Wert, kurioserweise die billigste von allen und damals (90er) nur als Spielzeug für 79 Mark bei Karstadt oder Neckermann gekauft, eine...
SEAGULL 2-äugige Reflexkamera. Wikipedia hat ein Bild:
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Seagull_4BI_front.jpg
Genau so ein Schätzchen habe ich zu Hause in Deutschland noch im Schrank, samt krachlederner brauner Ledertasche, die irgendwie appetitlich aussieht und die ein Schwan veritabel mal für einen Laib Brot gehalten hat und dran herum knabbern wollte. Es handelt sich um einen Nachbau einer Rolleiflex, wird allgemein gesagt, denn Rollei ist mit diesen Kameras in den 30er Jahren berühmt geworden. Allerdings hatten auch andere solche Kameras, ein Minoltabuch behauptet gar, Minolta hätte so eine 2äugige Reflexkamera als erster gehabt (ich dachte immer Rollei, aber gut...). Noch in den 90ern baute Rollei solche Kameras, kein Wunder das es kein gutes Ende mit Rollei nahm (sind heute umfirmiert und haben quietschbunte kleine Digitalkameras u.a.). Um die 2000 Mark kostete so eine echte Rollei mit Belichtungsautomatik zum Schluss.
Die Seagull hingegen war eine absolute Billigkamera aus China, ist jedoch ein schönes Stück Handwerksarbeit und für den Preis einfach unschlagbar. Film spulen und Auslöser spannen ist noch getrennt, sie kurbelt 6x6er-Rollfimn (wird wohl schwieriger den heute noch zu finden) a 10 Fotos der Film und hat keinerlei Elektronik und nicht mal Elektrisches oder Batterien. Man klappt oben den Deckel auf und guckt auf eine riesige (spiegelverkehrte) Sucherleinwand, mit der man durch das obere Objektiv linst. Das untere geht eben auf den Film und beide werden immer parallel bewegt beim Scharfstellen - das war der große Vorteil gegenüber den vormaligen Sucherkameras und gegenüber den späteren einäugigen Reflexkameras hatten sie den Vorteil, dass es keinen schwarzen Moment gibt, wenn der Spiegel hochklappt um den Film zu belichten (hier klappt nichts hoch). Als Belichtungsmesser nahm ich damals eine alte Minolta mit kaputtem Verschluss, die aber noch herrlich die Belichtung vorschlagen konnte mit ihrer Halbautomatik.
Man fühlt sich wie Helmut Newton, wenn man das Ding auf dem Stativ hat und oben rein guckt, ein herrliches Gefühl. Auch wenn man vom Schwan gebissen wird dabei. Die Linse hat etwas starke Verzeichnungen an den Ecken und oben aus dem Sucher wollte immer ein Haltestift rausfallen - aber der lies sich mit schwarzem Klebeband fixieren. Ein tolles Spielzeug für wenig Geld. Später hat Seagull das Finish durch grauen glänzenden Kunststoff ersetzt und den Preis um 100 Mark auf etwa 180 DM erhöht... die verkauften sich dann plötzlich als ernsthafte Kameras.
Heute werden bei Ebay die grauen und schwarzen für unter 200 Euro gehandelt. Bei meiner gibt es als Gratisbeigabe noch ein echtes chinesisches Samenkorn, das zwischen den Linsen von Anfang an saß - stört aber beim Fotografieren nicht, das große Format bügelt solche kleinen Fehler wieder aus.
Wahrscheinlich kommt das Samenkorn nie zum Aussamen, die stabile Metallkamera scheint ewig zu halten und ist ein tolles Vitrinenstück. Nach Taiwan nehme ich sie nicht mit, hier ist es zu feucht. Am Ende wächst mir sonst Zitronengras im Objektiv...
Anmerkung: Zumindest von 1960-2000 wurde die Kamera hergestellt. Meine ist ein Original mit chin. Schriftzeichen der Reihe 4A (nicht die schnöde "Revue"-Version von Fotoquelle ;-): http://camerapedia.wikia.com/wiki/Seagull_4A (die 4A hat Kurbelaufzug, die 4B Knopfaufzug, aha!)
Mehr alte "Kamera"den:
http://bobhonest.blogspot.de/2012/05/zooanalog.html
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