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Freitag, September 09, 2011

Sturmklingler

Gestern Abend fahre ich also im Fahrstuhl nach oben in den siebten Stock, da steigt im Vierten ein Herr in schwarzer Hose und weißem Hemd zu und drückt auf den Knopf mit der Vier. Der geneigte Leser ahnt jetzt schon, was schief gegangen ist. Die Vier leuchtet kurz auf und wird dann wieder dunkel. Der Fahrstuhl bleibt im Vierten stehen. Türen schließen sich, wir warten. Ich denke "Da ist mal ein veritabler Einstein, der mich da mit seiner Gegenwart beehrt." Ich gucke ihn an, er runzelt die Stirn, drückt wieder auf die Vier, wieder das selbe, der Fahrstuhl bleibt wo er ist. Die große rote Vier (Stockswerksanzeige über der Tür) schimmert über seinem Kopf. Sehr geduldig programmiert die Software. Fahrstuhl wartet. Er drückt noch mal. Wieder nix. Und noch mal. Auch wieder nix.
"This is fourth floor", sage ich zu ihm. "Dies ist der vierte Stock." Mir nicht die Mühe machend Madarinen-Chinesisch mit ihm zu reden, keine Lust dazu. Das würde dann wie "Zhe sh(i) s(i) loh" klingen und wer will solche Laufe schon nach Feierabend produzieren ohne dafür bezahlt zu werden.
Also drückt er auf die Fünf und wir können weiterfahren. Geht im fünften raus und murmelt irgendwas beim rausgehen, ich sage höflich "bye bye" und fahre weiter in den Siebten. Ahne aber schon, dass er mich später auch noch belästigen wird, denn diese Verhaltensweise passte eigentlich nur zu einem orientierungslosen Vertreter.


Wichtig: Immer höflich bleiben im Taiwahn.


Kaum habe ich mich zum Duschen vorbereitet, klingelt es also prompt bei mir an der Tür. Ich ignoriere es, da klingelt es wieder und wieder und schließlich kommt Sturmklingeln. Typisch in Taiwan, hier ist man dreist und rücksichtslos, solange bis man Gegenwind kriegt. Also Bademantel suchen und ich mache die innere Tür auf, nicht aber die äußere Gittertür.

Ludigel: What can I do for you?  (Was kann ich für Sie tun?)
"Vertreter" [Räuspert sich und nimmt mit gewichtger Miene einen Zettel zur Hand]. "So you are...?" (Und Sie sind...?)"

Was soll das für ein Satzanfang sein, dachte ich. Wie soll der Satz jetzt weitergehen?
"....the love of my life" oder "my long-lost step cousin?"
Man stellt sich gefälligst erstmal vor wenn man irgendwo klingelt und verlangt nicht frecherweise vom Anwohner eine Identifikation.

Also sage ich "Fourth floor is downstairs" (Vierte Etage ist unten) und füge noch ein höfliches "Bye bye" an während ich die Tür schließe. Aus seinem offen stehenden Mund kam so ein hilfloser "oooops"-Ton heraus, mehr habe ich nicht von ihm gesehen.

Vermutlich war er im Auftrag irgendwelcher Betrügerfirmen unterwegs, die erst mal Daten über die Leute sammeln wollen, denn in Taiwan steht an den Wohnungen und der Haustürklingel nirgends ein Name. Neulich erst war jemand an der Tür, der meine Frau fragte, wie die Nachbarn heißen. Irgendwann kriegt man dann Anrufe mit persönlichen Daten und die Leute geben sich als Polizei oder sonstiges aus. Solche Betrugsmaschen sind Standard in Taiwan, meine Schwiegermutter hat so tatsächlich einmal fast ihre gesamte Barschaft an solche Betrüger übergeben, wie im Blog früher berichtet.

Oder es war der Blockwart, hier in der Soldatensiedlung gibt es tatsächlich noch einen. Aber der kann ja auch ohne mich auf seinen Block warten. Läuft ja nicht weg, das Ding.

Also immer höflich bleiben und lächeln. Schönes Wochenende wünscht schon mal....

Ludigel

3 Kommentare:

Karl hat gesagt…

Gib es bei Dir keinen Security Guard der aufpasst wer denn da ins Haus möchte? Meiner ruft per Hausanlage an und ich muss bestätigen, dass ich jemanden erwarte. Außerdem müsste er die Treppen laufen da der Aufzug nur mit Karte zu bedienen ist.

"Ludigel" hat gesagt…

So schön wohne ich leider nicht. Wann immer wir etwas in der Richtung angesehen hatte, hatte meine Frau ihr Veto.

Miri hat gesagt…

;-D