siehe auch Teil 1: Start bei Schwiegermama im wunderschönen NeiHu, Weltkulturerbe der UNESCO (Ironie-Flag ON)
So ein Tempelbesuch kann eine aufregende Sache sein. Ich mache mich ja rar beim Familienpilgern in den Tempel, möchte ich doch mittlerweile vermeiden unter den strengen Augen meiner Schwiegermutter bunt bemalte Holzfiguren formal korrekt anzubeten. Der Buddhismus ist nicht meine Religion und das Betdiktat meiner Taiwanfamilie wollte ich da einfach nicht mehr für mich gelten lassen. Tun auch die Knie weh auf den harten Steinfliesen.
Wie immer vergrößert LINKSklick + LINKSklick beim Firefox die Bilder. Es ging also zu dem Friedhofstempel, indem mein Schwiegervater liegt. Oder eigentlich steht er, denn seine Urne steht in einer Art Wandschrankfach, aber das ist ja in Italien durchaus ähnlich. Oben am Berg (nicht im Bild) ist der eigentliche Friedhofstempel und unten im Tal ein größerer Zeremonientempel, der immer leer und verlassen ist, wenn ich da bin (im Bild).
Frau und Schwiegermama beten vor dem Tempel, sie haben Räucherstäbe in das Becken gesteckt. Drinnen ist ein kleiner Raum, in dem auf einem Holzaltar die hier relativ schmucklosen Versionen des Götterhimmels in Holz stehen. Taiwan hat den chinesischen Götterhimmel natürlich "übernommen", es sei wieder mal daran erinnert, dass Taiwan formell "Republik China" heißt. Drinnen fotografiere ich nicht, die Leute würden das nicht mögen - obwohl viele Ausländer so etwas einfach tun und man es toleriert. Ohne meine Frau würde ich auch manchmal heimlich abdrücken, aber sie wacht dann immer über mich mit Argusaugen.
Die Götterriege war innen hierarchisch in zwei Reihen sortiert, ganz in der Mitte müsste der legendäre "Jadekaiser" sein der, soweit ich das verstehe, dem chinesischen Götterhimmel vorsteht und auf einen legendären chinesischen Kaiser zurückgeführt wird, der wirklich existiert hat. Nun bin ich in chinesischer Geschichte nicht fit, aber der Jadekaiser müsste Einiger der drei Reiche sein; bitte korrigieren wenn irgendjemand mehr weiß. Dieser Jadekaiser begegnet uns auch laufend in Hollywood. Zu faszinierend sind seine Fähigkeiten, schließlich kann er sich u.a. wie viele chin. Götter in einen leibhaftigen Drachen verwandeln - man kennt das von zu Hause ggf.
Hollywood hat kürzlich in "Die Mumie 3" einen gemeinen Schurken aus ihm gemacht und ihn vom Ausländerhelden erschießen lassen - da war sogar Ludigel ein bisschen beleidigt, schließlich hat meine Frau ihn als ihren Spezigott aus der Götterriege auserkoren.
In Stargate SG-1 taucht er als einer der Goa-Uld auf, ist da ein relativ verträglicher Kerl, der aber Menschen versklavt und innen drin einen bösen Alienwurm hat, der ihn wie eine Puppe fernsteuert. Ein Gott wollte er aber garnicht sein, lehrt die Fernsehserie. Ätsch-Mann, trotzdem betet ihn heute ganz China inklusive Taiwan an. Ich finde es faszinierend, dass dieser legendäre chinesische Kaiser von Hollywood immer negativ gesehen wird - eine realistische Darstellung wäre mal sehr viel interessanter als der gängige Unsinn, den Hollywood da produziert.
Andere der Götter haben sogar noch einen indischen Kastenpunkt auf der Stirn, wie man manchmal sieht, wenn die Figuren detailliert genug sind, aber meine Frau streitet energisch ab, dass ihre Religion irgend etwas mit Indien zu tun hat (glins).
Ein kleiner Ofen dient zum Verbrennen von Geistergeld. Das sind mit chinesischen Zeichen bedruckte Papiere, die die Strafgefangenen in Taiwan herstellen und die durch die Verbrennung ins Jenseits gelangen. Drüben im Geisterreich dienen sie dann als Zahlungsmittel. So denkt man jedenfalls, das Gegenteil hat schließlich noch nie jemand bewiesen.
Während Frau und Schwiegermama dann in den eigentlichen Friedhofstempel gingen, wo ich mich auch kurz vorm Altar verneigte und Schwiegermutter die Opfergaben (Fleisch und Geflügel ungekocht) in Schalen auf einen der Opfertische tat, verdrückte ich mich ins Tal runter zum immer leeren großen Tempel. 30 Minuten hatte ich Zeit, schließlich brauchte Schwiegervater etwas Zeit, um den Geist der mitgebrachten Speisen in sich aufzunehmen. In Taiwan weiß man, nichts wäre schlimmer als vernachlässigte, hungrige und durstige Geister, die stellen dann übelst den Lebenden nach. Aber deshalb gibt es ja den Totenmonat, wo man pauschal alle daher kommenden Geister füttert - kleine Firmen gehen dazu geschlossen nach draußen. Denn im Totenmonat berühren sich die Welt der Toten und die der Lebenden auf gefährliche Art und Weise. Jedesmal habe ich in dieser Zeit Todesfälle beobachtet. Todkranke versterben meist in dieser Zeit, Straßenhunde liegen plötzlich tot herum und sogar den Schwan in unserem Teich hatte es erwischt.
Ein Hund in der typischen Färbung eines taiwanesischen Straßenhundes (hell- und dunkelbraun getigert) interessierte sich für mich. Bestimmt war er im früheren Leben mal ein Wachmann hier, damals als in Taiwan noch Zucht und Ordnung unter der Diktatur herrschte.
Schnurstraks kam der Wauzi auf mich zu. Man hat mit Straßenhunden in Taiwan eigentlich nie Probleme, wenn man sich nichtängstlich bis freundlich verhält. Probleme machen aber diejenigen, die von Menschen scharf gemacht sind und denken, man hält sich auf ihrem Territorium auf - die scharfen laufen auch immer ohne Leine in Taiwan herum. Dieser Hund wirkte nicht aggressiv, sondern selbstbewusst-neugierig, aber ich wollte "Ludigels Hundepsychologie für Angebellte und Fortgeschrittene" nicht auf die Probe stellen und habe mich langsam verkrümelt. Bedächtig und ohne Angst zu zeigen, dem Tempelwauzi einfach den Rücken zukehrend. Da ist er nicht hinterher gekommen.
Schnell auf die andere Seite des Tempels und ein Bild von Eingangstor gemacht. Gerade war ein schwarzer Hund dabei, den einsamen Platz zu überqueren und blieb prompt stehen und sah mich an, als ich das Foto machte. Sein Stirnrunzeln konnte man förmlich sehen. Die beiden arbeiten zusammen, das ist klar, einer vorne, einer hinten!
Trotzdem ließ ich mich nicht erschrecken, drehte mich um und fotografierte das Eingangstor zum Tempel, das dann genau zum gestreiften Hund im anderen Hof führen müsste. Obwohl man es wohl nicht als Hundeweiterleitung gebaut hat.
Verblüffend, wie die Seiten des Eingangs verziert waren. Wer ist denn der sympathische Glatzkopf, der da gerade eine Rede hält?
Aha! Es ist China-Ede höchst persönlich. Taiwans Diktator Chiang Kai Shek, (CKS) dessen Partei KMT-Kuamintang ab etwa 1911 über das chinesische Festland geherrscht hatte und der dann als chinesischer Staatschef 1949 vor den Kommunisten auf die kleine Insel Taiwan geflohen war. Taiwan war damals japanische Kolonie, aber die Amerikaner hatte ihm erlaubt, die Insel ab 1945 in chinesischen Besitz zu nehmen - die Japaner sollten sich ihm ergeben. Chiang herrschte dann mit harter Hand über die Insel Taiwan, ab 1945 transportierte er Fabrikationsanlagen nach China und enteignete munter Taiwanesen, aber 1949 kam er dann auf der Flucht vor Kommunisten mit samt seiner Partei, Restmilitär und Kaiserschatz aus China zurück und unterjochte die ganze Insel. Im Prinzip beherrscht seine KMT sie bis heute, auch wenn es ab 1992-96 freie Wahlen gab und wir von 2000-2008 sogar mal die Opposition dran hatten. Aber jetzt ist wieder die KMT am Ruder und will wieder die ganze Insel enteignen. Diesmal aber nicht für sich selbst, sondern sie will sie der KP Chinas auf dem Festland schenken. Die machen halt nur Ärger, die blauen Jungs von der KMT. Und wieso klebt man den Exdiktator Taiwans hier an einen Tempel? Ich hatte schon immer befürchtet, dass man CKS irgendwann im Norden Taiwans als Gott verehrt, bald ist es wohl so weit. Im Süden hingegen montiert man seine Statuen meist ab, wenn man sie noch irgendwo findet, schließlich herrscht da im Gegensatz zur Hauptstadt Taipei die Opposition. Taipei aber ist das Zentrum der KMT, von dort aus wollte einst CKS China zurück erobern und sein Nach-...-Nachfolger Ma Ying Jeou will sich heute dann wenigstens mit China vereinigen, weil das mit dem Erobern nichts geworden ist.
Doch schauen wir uns die linke Seite mal an (während mich der Straßenhund misstrauisch beobachtet). Da wird geschossen! Doch wer schießt da scharf auf wen?
Da erkennt man links die Flagge der Republik China, das ist also im Prinzip die KMT, die von 1911 bis 1949 über das chinesische Festland geherrscht hat und ab 1945 über Taiwan. Und rechts sind... die Japaner! Hier im Fries kriegen die Japner kräftig was auf die Mütze und fallen tot von der Brücke.
Meine Frau hat noch in der Schule gelernt, dass die Japaner von CKS und seiner Armee ab 1945 blutig bekämpft worden sind und schließlich chinesisch/taiwanesischer Kriegskunst weichen mussten. Ein heroischer Sieg, der die Republik China ab 1949 auf Taiwan ermöglichte und der Grundstein des heutigen "freien Chinas" auf Taiwan oder eben der taiwanischen Demokratie war.
Doch unsere Geschichtsbücher im Westen sagen, die Amerikaner hätten 1945 den Japanern befohlen, sich CKS und der KMT einfach zu ergeben. Tja, was war wohl wirklich los damals? Ein Diktator braucht aber ein bisschen Glamour, das ist klar.
Als ich endlich den Tempeleingang frei gab um die Löwen zu fotografieren, da ....
nahm der Tempelhund Nr. 2 schnell meinen Platz ein und hob an der Seite sogar das Bein. Sein Tempel ist das, keine Frage. Hätte ich mich respektlos verhalten, er hätte bestimmt gebellt und es hätte geblitzt und gedonnert. Mehr beim nächsten Mal! Schwiegerpapa ist jetzt bestimmt mit Essen fertig und ich muss los nach oben zum anderen Tempel...
2 Kommentare:
"Chinesen-Ede"? Unverschämt!
Chang
Dr. Z. says:
Ja Mensch, "Koreaner-Ede" macht doch keinen Sinn.
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