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Mittwoch, November 11, 2015

Malinesische Notizen Teil 2

Die Fortsetzung von hier (http://osttellerrand.blogspot.tw/2015/11/jetzt-pr-der-philippinen.html), wird später bebildert.

Gegenstand des Berichts: Reise nach Manila/Philippinen

Essen in einem fast Schnellimbiss-mäßig wirkenden Lokal namens "Max's". An der Wand große Fotos von der Speisekarte um 1945, dem Gründungsjahr der Kette. Da kostete ein Komplettessen einen oder zwei Pesos statt heute ein paar Hundert. Das Essen ist etwas US-Fastfood-inspiriert denke ich, aber lecker. Es gibt kaum Gemüse und unsere Manilafamilie merkt an, dass die richtigen Philippinos sehr wenig Gemüse essen. Jedenfalls Zuhause denke ich. Die vielen schlanken Frauen nach Asia-Art in Hotpans oder Ultramini und mit orange gefärbten Haaren, entweder spanisch oder dunkler oder mit asiatischem Einschlag (das "oder" erlaubt hier eine Kombination) sprechen dafür, dass sich viele doch nicht so ungesund ernähren können. Das Essen besteht aus einer leckeren Schweinshaxe, die kross und etwas pikanter gewürzt ist als ihr bayrisches Pendant. Soll ursprünglich aus Spanien stammen. Dazu gibt es Pommes, die aber nur leicht anfrittierte Kartoffelspelten sind und daher viel leckerer sind als die üblichen Kartoffelpüree-Stäbchen a la Deutschland. Es gibt eine Variante der auch in Taiwan bekannten Kochnudeln mit gedünsteten Schweinefleischstreifen dran, allerdings nicht so labbrig-salzlos-Kochzwiebelig wie in Taiwan, sondern mit Salz gut abgeschmeckt. Spuren von Gemüse sind hier enthalten.
Eine Frühlingsrolle ist etwas anders als von Iglo, aber ausgesprochen lecker. Die Bedienung sieht aus wie eine Spanierin, mit im Nacken zusammengehaltenen Haaren und einem Signallippenstift in Mörder-Feuerwehrrot, der sich in Manila großer Beliebtheit erfreut. Sie hat dezent Parfum aufgelegt, dessen massierter Duft an das Aroma einer ausgebombten Moschusölfabrik im Morgennebel erinnert. Ihr Lächeln verwirrt mir die Sinne. Frau die taiwantemperamentiv wieder mal über irgendwas sauer ist erwähnt, ich möge vielleicht doch lieber nach Deutschland gehen anstatt mit nach Manila zu ziehen. Ich lächele sie benommen an und murmele geistesabwesend irgendwas von "Yes Darling". Eine Band spielt kostenlos in Tagalog auf. Jung und alt swingt beim Essen mit. Das lateinamerikanische Flair macht mich - auf ärztliche Weisung dem Swimmingpool-Infekt halber alkohollos - leicht trunken. Ich fange den vom Kind vom Nebentisch herüber fliegenden Luftballon auf und reiche ihn rüber und diskutiere mit Junior, ob ihm die Altersgenossinnen eher in Deutschland, Taiwan oder Manila zusagen. Er schwankt zwischen Manila und Deutschland, führt gelegentlich seine Kindergarten-Freundin ins Feld. Frau will dann doch wieder, dass ich hinterher ziehe.

 Endlosstau oder zähfließender Verkehr

Jedes der Häuser in den breiten Fußgängerzonen hat hinten eine Gratistoilette. Ich biete dem freundlichen Toilettenmann dort, der auf Englisch Smalltalk macht ein Trinkgeld an, aber er will es nicht. Nehmen die keins oder waren 20 Pesos zu wenig?

 Privater Jeep-Verschnitt. Diese Simpelautos oft ohne Tacho sind auch Basis für die Jeepneys, die privaten Busse und haben verblüffend wenig Bodenfreiheit gemessen am Namen

Anderer Tag. Junior (4) sitzt in der Kinderbahn, neben ihm ein kleines scheues Mädchen etwa gleichen Alters. Erst jetzt beim Durchsehen der Fotos bemerke ich, dass er auf einem seine Hand auf ihre gelegt hat. Oh dieser...

Bedingt durch den angestrebten Beruf latschen wir endlos durch Einkaufszentren

Ausflug ins Grüne, weil Schwager hier geschäftlich zu tun hat. Der Wachmann bei Starbucks ist freundlich und hält die Tür auf. Die ganze Ausflugsgegend wirkt auf mich wie ein deutsches Gewerbegebiet am Stadtrand, nur dass hier Bootsfahrten angeboten werden, die bunten asiatischen Karpfen zu sehen sind und Menschenmassen herein strömen. Es gibt wie immer ein nahegelegenes Einkaufszentrum und sonst sollen in dieser sehr westlichen Umgebung wieder Wohnungen verkauft werden. Ich streite mich mit Junior, ob ein wie ein Jeep aussehendes Kinderbett in einem Möbelhaus ein Auto oder ein Bett ist. "Auto zum fahren!" brüllt Junior und ich will das nicht länger ausdiskutieren und freue mich über eine verbesserte deutsche Ausdrucksweise.

 Gemäß der Familienpolitik erleben wir nur die Sicherheitszonen von Manila. "Draußen" sind wir nur im Auto. Was auch immer den Blick auf sich zieht, man sieht es nur die Fenster des unauffälligen Toyota-Kleinbusses. Zwar ist er auffällig Rot, aber das war auch die Hälfte der anderen Exemplare dieses Typs.

Junior hat Automarken entdeckt. "Toyota, Toyota, Toyota, kein Toyota, Toyota, Toyota, Toyota, Toyota, kein Toyota" zählt er aus dem Toyotafenster-guckend auf. "Was für ein Auto würdest du dir kaufen?", frage ich ihn. "einen Toyota!" antwortet er.



Im Supermarkt gibt es bei McDoof und KentuckySchreitStricken immer ein Billigessen. Pikant gewürztes Brathuhnteil mit Reisklos und einer labbrigen Würzsoße für einen Euro umgerechnet. "Wieder kein Gemüse" merkt die Schwester meiner Frau an. Ich bemerke verstört, dass sich an der nahe gelegenen Treppe exakt die selbe Szene abspielt wie einen Tag vorher. Drei mit Klamotten wie Mini-Ballkleidern und Ultra-Highheels aufgedonnerte stark geschminkte junge Damen im Alter von 16 oder dergleichen umkreisen einander künstlich lächelnd und machen Smartphone-Fotos voneinander. Genau das selbe haben sie gestern schon an der selben Stelle gemacht. Viele Altersgenossinnen hingegen texten auf altmodischen Handies. Werbepakete preisen SMS-Pakete als Gratiszugabe zu irgendwelchen Produkten an. Nur wenige junge Frauen tragen lange bunte Sommerkleider und Kopftuch, der Rest hat Hotpans und Ultramini an oder hautenge Jeans, ganz wie in Taiwan. Alle sind nichtsdestotrotz streng katholisch - bis auf die Kopftuchhupferl des Propheten natürlich. Jesus und Maria sieht man oft. Hinter Glas an Straßen oder als Bilder, etwa um das Heim zu schützen an der Gartenpforte. Auch bei uns am Printkiosk zu kaufen.



Angst vor dem Islam? Man sieht eher die 3-Kind-Familie mit jungen Eltern als die 1-Kind-Familie. Google verrät, dass die Frauen aus der untersten Bevölkerungsschicht im Schnitt 5 Kinder haben, während die aus der höchsten Schicht im Schnitt etwas über 2 haben. Erstaunlich was für eine große Menschenmenge eine katholische Familie sein kann, bei der 5 kleine Kinder an den Eltern hängen. Ich begucke mir die Mütter. Die sehen trotzdem in aller Regel gut genährt und attraktiv aus. Also nicht etwa ausgelaugt. Haben sie noch eine ältere Frau dabei, ist diese zwar erst in den 50ern oder 40ern, sieht aber oft im Gesicht sehr ausgelaugt aus. Manila hat ein starkes Wirtschaftswachstum. Es entstehen laufend teure Wohnungsviertel, die Security und je drei Einkaufszentren mit Arbeitsplätzen brauchen. Google verrät, trotz Wirtschaftswachstum würden die Armen nicht weniger auf den Philippinen. Ich mutmaße, dass bessere Versorgung eine eben höhere Überlebensrate der vielen Kinder bedeutet, was gut ist, aber eben die Armutsschicht nicht schrumpfen lässt. Hier in Manila gibt es eine moslemische Minderheit, aber der Katholizismus ist vital und kinderreich und dominiert im Straßenbild mit Anspielungen auf den Glauben selbst auf Firmenschildern und Jesus und Maria.

 Trad. Reiskuchen mit Käse drüber. Zu wenig Salz, schmeckt labbrig und das Ei schmeckt vor wie bei schlecht Gebackenem. Taiwaner finden es offenbar ganz lecker

Unser Gastgeber, selbst Sino-Philippino, erläutert, die islamischen Philippinos würden sich in "Krieger und Kaufleute" unterteilen. Er selbst räumt ein, keine Moslems einzustellen, weil er Angst vor Entführungen habe. Im TV läuft tagsdrauf eine Nachricht von westlichen Touristen, die aus einem malerischen Resort in der südlichen Sulu-See entführt worden sind. Solche südlichen Inselparadiese sind auf den Philippinen Jagdrevier islamischer Terrorgruppen. Schwesterherz erwähnt nette moslemische Kunden. Krieger und Kaufleute eben.
Wer auf den Philippinen Urlaub machen will, ergoogelt bitte vorher ganz genau wo er landet, nicht dass er gerade im Jagdrevier der "Religion des Friedens" landet.

Slums türmen sich hoch auf neben der Hochstraße

Fau sagt wieder, Manila sei heute da wo Shenzhen in China vor 20 Jahren war. Damals waren ihr dort Immobilien angeboten worden und sie hat abgelehnt. Heute will sie den Zug nicht wieder verpassen. Die Philippinen dampfen in die Zukunft. Streng katholisch und vital. Fanatischem Islam steht ein selbstbewusster Katholizismus gegenüber, der Jesus genauso liebt wie andernorten der Prophet geliebt wird. Man kann viel an den Philippinen aussetzen, aber vitaler als das in jüngster Zeit phlegmatisch und schwach wirkende Deutschland sind die Philippinos allemal.

Vorher/nachher ist immer eine Betrachtung wert. Neben unserem neuen Printkiosk im Vordergrund liegt ein Laden, der u.a. Diätprodukte anbietet, ein Vitaminkiosk, ein Anwerbestand für ein Callcenter, ein Elektro-Universalgeschäft a la Mediamarkt (gut für unseren Umsatz), ein Office-Irgendwas mit Mietcomputern und Mietdruckern, ein Comicladen und ein Waffenladen, wo auch Schwager seine Knarre her hat. Jau, ist das meine Welt, das Beine-in-de-Bauch-stehen im EKZ und das zwischenzeitliche Kaffeeschlürfen und Facebook-Schwachsinn-Posten zwischen den Kontrollgängen?

1 Kommentar:

Xinxi hat gesagt…

Manila was bis zum II. WK angeblich mit Abstand die schönste Stadt Asiens. Und dann haben zum Kriegsende japanische Marines beschlossen, sich in den spanischen Palästen und amerikanischen Villenvierteln einen aussichtslosen Straßenkampf mit den grummeligen Alliierten zu liefern. Das ist ein Kriegsverbrechen, das eigentlich auch in alle Geschichtsbücher gehört...