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Montag, Oktober 12, 2015

Peinliches bei Mr. Donut

Da will man nur seine Donuts in Ruhe essen. Und schon ist man mitten drin im Apple-Daily-Taiwan. Wenn auch nicht ganz schuldlos.

 Am verlängerten Wochenende waren wir jeden Tag mit Junior in einem Spielparadies, wo er klettern kann und in den unvermeindlichen Bällen herumtauchen kann, die dort dne Boden pflastern. Sowohl Junior als auch sein Vater waren stolz, auf diesen mehrere Meter hohe Scheiben-Kletterpfosten geklettert zu sein. Auch die vielen dratigen Taiwaneltern wollen da den Kids nicht folgen, während ich Junior erst mal mit Schweiß auf der Stirn vormachen musste, dass das Klettern da gefahrlos ist. Ab dem dritten Mal ging es dann bei mir fast automatisch, offensichtlich hatte sich irgendein altes Primaten-Kletterprogramm aktiviert. Als die Tage dann ein Ziehen in allen vier Gliedmaßen einsetzte musste ich mich ermahnen, nichts davon gegenüber der Frau zu erwähnen. Die hätte mich sicher sofort zum Taiwanarzt geschickt, der die Amputation aller vier Gliedmaßen oder einen Herzschrittmachen empfohlen hätte, tolloperationswütig wie sie sind. Muskelkater nennt man das eigentlich.
Jedenfalls nach dem Spielaufenthalt dort will Junior immer seine Donuts bei Mr. Donut essen, wofür wir extra in ein zweites Einkaufszentrum fahren. Nach Hause mitnehmen will er sie nicht, sondern man muss zusammen sitzen, essen und gucken, wie er mit seinen 4 Jahren ausführt. Das Wort "Café" hat er schon fest im Wortschatz auf Englisch und Deutsch. Die Donuts nach US-Vorbild sind deutlich filigraner als die in den US-Polizeiserien, wo sie offenbar das Grundnahrungsmittel eines jeden schießwütigen Polizisten sind. Neulich haben die sogar einen Rollstuhlfahrer erschossen, weil er nicht die Hände hoch genommen hat, habe ich gelesen. Unglaublich. Schuld wird aber eher die nur wenigwöchige Ausbildung der Herren Polizisten sein und nicht der Donut. Die Donuts bei Mr. Donut sind auch viel filigraner, kleine Kugeln bilden einen Ring aus etwas, das man in Niedersachsen als "Krapfenteig" bezeichnen würde. Was nichts mit Fischen zu tun hat.

So warteten Junior und ich am Tisch auf Mama, die die US-Krapfenring bestellte und schließlich mit an den Tisch brachte. Zwei für Junior und einen je für uns nebst Tee. Junior schmiert sich wegen der Schokokuvertüre seiner bevorzugten Sorte Donuts schon immer ein so dass wir wie alle Elternteile einen dicken Stapel Papierservietten mitnehmen. Meine Frau brachte taiwantypisch sowieso wieder einen extradicken, aber auch ich bediene mich da durchaus. Nicht ganz koscher, musste ich selbstkritisch feststellen, legt man doch da dem Unternehmen im Prinzip einen finanziellen Anteil an der Aufzucht der eigenen Brut auf die Kasse. Nichtsdestotrotz verbraucht Junior aber auch immer 90% der von mir üblicherweise mitgenommen Servietten und etwa 50% der von Frau eingesteckten. Auch am Nebentisch fand es so statt, eine Familie mit 2 Kindern hatte einen noch dickeren Stapel und ließ mindestens die Hälfte davon gleich in der Tasche verschwinden. Taiwan-Sorglos-Gratiskultur. So machen wir es denn nun doch nicht.

Nächstes Bild: Plötzlich steht einer der uniformieren Leutchen vom Bedientresen bei uns am Tisch, guckt mich wütend mit rotem Kopf an und fummelt in den von Frau mitgebrachten Servietten herum, von denen er die Hälfte wieder mit nimmt. "Tai dou le" sagt er dabei die ganze Zeit mehrfach vor sich hin, was etwa mit "ziemlich viele" zu übersetzen wäre. Er sieht nur mich an, nicht meine Frau und ich bemühe mich nach besten Kräften, den Kerl zu ignorieren. Klar dass er mich ansieht, denke ich so. Er hat vermutlich Apple Daily gelesen, die Taiwan-Bildzeitung, die schreibt gerne von unverschämten Ausländern, die keine Steuern zahlen, Drogen nehmen und nur die Mädels flach legen wollen. Aber ich habe auf den ganzen Mist keine Lust und mache mit ihm das was ich fast immer mit mir auf die Nerven gehenden Leuten mache: Ich ignoriere sie. So verschwindet er mit seiner Beute und ich muss ihm ja auch zugestehen, dass er nicht ganz Unrecht hat. Und wer möchte auch schon Aufhebens davon machen, dass man gerade deswegen zum "Mr. Donut strikes back"-Ziel geworden ist, weil man irgendwie anders aussieht. Woran es vermutlich liegen wird. In Taiwan wird man mittlerweile so behandelt als "weißer" Ausländer, was ich "moderat unfreundlich" nenne. Meistens neutral, mit dem ein oder anderen bösen Blick auf der Straße, manchmal aber auch etwas freundlicher als der Normalo behandelt würde, manchmal aber auch etwas unfreundlicher, etwa von Service-Personal. Eigentlich kann es sich Personal im serviceorientierten Taiwan ganz und gar nicht leisten, Kunden unfreundlich zu behandeln. Aber unsereins Langnase erwischt es manchmal, wohl aus dem Gedanken heraus, dass wir uns ja nicht so einfach beim Vorgesetzten oder gar dem Firmen-HQ einer Kette beschweren können wegen der Sprachbarriere. Manche Taiwaner glauben auch, meine Frau spräche nur Englisch, wenn sie sie mit mir auf Englisch reden hören. Dann halten sie uns wohl für ein US-Paar, denke ich mal.

Na ja, es kam wie es kommen musste. Frau rief das Headquarter an, die schicken zweimal den Serviettenrücknehmer zu uns an den Tisch nebst anderem Personal zum Entschuldigen. Er hat wieder einen roten Kopf, diesmal aber nicht vor Wut sondern vor Angst um seine Karriere, wie man den stark geweiteten Pupillen und dem Kaninchenblick entnehmen kann. Beim 2. Mal wollten sie die Donuts auch noch aufs Haus gehen lassen, aber wir haben das abgelehnt. Alles in allem eine oberpeinliche Veranstaltung, aber auch grenzwertig lustig, wie Taiwan eben oft ist.

Trotz allem ist Taiwan im Jahre 2015 ein angenehmeres Pflaster als es 2004 war, als ich hier her gekommen bin. Damals wurde man oft wie ein Popstar glorifiziert, fast unglaublich ist das heute. Aber auch ständig gefragt ob oder warum man immer nur Cola trinkt und Burger frisst - beides tat ich damals eigentlich nur sehr selten wie auch heute -  und hatte schon mal "Ausländer! Ausländer!"-singende Kinder hinter sich her dackeln und die beiden Jungs im "Family"-24h-Supermarkt waren so unfreundlich, dass ich manchmal befürchtete, sie würden eine Prügelei mit mir anfangen wollen. Und das Kantinenpersonal tatschte an mir herum wie an einem frisch gelandeten Marschmenschen und die halbe Firma wieherte dazu ... mit rotem Kopf.

Heute gibt es weniger rote Köpfe und das Klima ist angenehm neutral. Fast immer jedenfalls. Wenn es Probleme gibt, dann mit Leuten mit niedrigem Bildungsgrad, die möglicherweise für Servietten zuständig sind oder mit manchmal mit Senioren. Oder es lag doch nur an den Servietten oder am Bossanova.


1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Meinst du er hat dich angemault weil du als Weißbrot aus der Masse herausstichst?
Vielleicht warst du an diesem Tag auch nur der 33. der Servietten mitgehen lie8 und das hat das Faß zum überlaufen gebracht?
Keine Ahnung war ja nicht dabei ;)