Passend zum Ghostmonth/Geistermonat in Taiwan eine weitere Geschichte aus der Welt des Unerklärlichen.
Gott sei Dank dass es den Geistermonat in Taiwan gibt, hat man endlich mal ein Alibi um die ganzen merkwürdigen Geschichten im Leben aufzuschreiben, deren Reproduktion halber man sonst als Wirrkopf gilt.
Eine Redensart sagt, dass wenn man nur genug auf Reisen ist, man sich irgendwann selber trifft. Irgendwo da draußen in der Weite. Ein Werbespot der Deutschen Bahn hat das vor Jahren mit Ex-Außenminister Genscher recht hübsch inszeniert, der sich selbst in einem Zug auf dem anderen Gleis sitzen sieht, als er aus dem Fenster guckt. Ein grob ähnliches Erlebnis hatte ich auch mal, obwohl ich sicher nicht so viel reise wie der Herr in der gelben Weste damals.
Alles fing an in den frühen 80ern. Das ist in der Retrospektive ein etwas peinlicher Lebensabschnitt. Auf dem Gymnasium ging es fast jeden Abend feiern und meine Clique war eine, die der alkoholischen Gärung allzusehr zugesprochen hat. Unser Leader of the Pack war ein Mitschüler, der schon etliche Jahrgänge wiederholt hatte und einen dem Wort "Machete" sehr ähnlichen Spitznamen hatte. Oder richtigen Namen, ich wusste wohl damals auch nicht wie er hieß. Er grinste immer nur zufrieden, lallte anfangs noch "Alkohol", dann später "Allelhol", noch später "Lohl" und ganz am Ende nur noch "Llllll". Diese berühmte Lautabfolge fand allgemeine Bewunderung und unter anderem bei den legendären Feten eines gewissen Junge Unions-Mitgliedes, das auch meine Wenigkeit und einen anderen Juso damals zu seinen Feten einlud, kopierten wir alle munter unseren Vortrinker "Machete". Gewalttätig war der ganz und gar nicht trotz des Namens - oder höchstens einer Bar gegenüber. Wie dem auch sei, bei dieser Geschichte geht es weniger um echte Geister, noch um den Weingeist per se. Eher darum, wie vielleicht das Raumzeitkontinuum durch Massentrinkerei aus den Fugen geraten kann und sich ganz und gar erstaunliche Phänomene einstellen - im Wachzustand und unter Zeugen.
Aber zurück zum Mittelteil. Es war eines jener spektakulären Besäufnisse im JU-Keller, bei dem mir heute die Schamesröte ins Gesicht steigen. Junge Männer die viel zu viel trinken sind ein peinliches Klischee und wir alle kennen ja die Stories von Türkeiurlauben und Methanoltoten. Methanol gab es freilich im JU-Keller nicht, dafür aber schon mal Fast-Trinkopfer. Ich habe selbst mal eines ins Krankenhaus gefahren nachdem ich ... die Atmung wieder hergestellt hatte. Was man damals alles gemacht hat in jungen Jahren, unglaublich finde ich das heute selbst. Wie dem auch sei - an einem anderen Fetentag war ich selbst so ein Alkoholopfer gewesen - und hier fängt die Geschichte eigentlich erst an. Ich erinnere mich noch dunkel daran, das irgendjemand "Sternenfeuer 72%" auf den Tisch stellte. Viel mehr weiß ich nicht mehr. Jugendsünden sind peinlich und ich endete buchstäblich an einer Straßenbahnhaltestelle, war verschollen und brachte den Rest der Truppe damals zu einer fehlgeschlagenen Suchaktion. Wach wurde ich auf der Intensivstation des örtlichen Kleinstadtkrankenhauses. Ich erinnere mich noch, dass mich die Krankenschwestern nach dem Namen fragten und ich geantwortet habe. Irgendwann fragten sie mich dann, wieso ich Englisch reden würde und ob ich Engländer sei. Das hat mich im Nachhinein immer gewundert, konnte ich doch damals gar nicht so gut Englisch und stand sogar mit meinem Englischlehrer im Leistungskurs auf Kriegsfuß. Det war so ein ekeliger USA-Fan, der jeden schlechten Kommentar über seine ehemalige Heimat -obwohl Deutscher- mit Anfeindungen und schlechten Noten bestrafte. Wochen später erst kam die komplette Erinnerung an den denkwürdigen Abend zurück. Und nun wurde es recht merkwürdig. Ich erinnerte mich an folgenden Ablauf, obwohl der Abend ja im niederdeutschen Niedersachsen stattgefunden hatte:
a) Ich gehe mit einer Frau Hand-in-Hand an einem schönen Stand entlang (liegt linkerhand), rechts liegt ein Hotel vor dschungelähnlicher Kulisse. Toller Blick aufs Meer im Sonnenuntergang. Sehr merkwürdige Bilder für das strandlose Hannover, wo der Abend ja stattgefunden hatte. Ich sah alles recht deutlich vor mir. Die Frau an meiner Hand konnte ich nicht erkennen, wie auf diesen Fotos, wo man selbst schwarz unterbelichtet ist vor dem hübschen Sonnenuntergang. Ich unterhalte mich auf Englisch mit der Frau, die mir offenbar sehr vertraut ist.
b) Ich werde in dem wach in etwas, was offensichtlich eine Krankenstation ist. Mein erster Gedanke ist: "Ich muss am Strand ohnmächtig geworden sein und bin jetzt auf der Hotel-Krankenstation!". Ich fragte mich, wieso zur Hölle ich ohnmächtig geworden bin (da habe ich kein Vorleiden o.ä.) und frage das anwesende "Hotelpersonal" - natürlich auf Englisch - was denn passiert ist. Sicher wird gleich meine weibliche Begleitung aufgeregt durch die Tür der Krankenstation kommen!
Beunruhigende Erinnerungen im Nachhinein des Jahres 1984 oder welches Jahr auch immer wahr, hatte ich doch einen solchen Urlaub nie gemacht und auch keine feste Beziehung gehabt in der Zeit. Und meine niedersächsische Kleinstadt sah wirklich nicht so aus wie diese offenbar exotische Umgebung.
Man ahnt es vielleicht schon. Das - als ich auf Englisch frage was los ist - ist der Augenblick, in dem mich die Krankenschwestern auf Deutsch fragen, wieso ich Englisch spreche. Dann wird mir kurz schwindlig und ich weiß wieder wo ich bin. Deutschland, JU-Fete etc. Und die Krankenschwestern klären mich auch auf wo ich mich aufhalte.
Jetzt vergehen viele Jahre, es dauert bis 2004, bis ich nach Taiwan auswandere (meine Frau kenne ich seit 2003). Und etwa bis 2006 oder 2007 oder dergleichen, bis ich mit meiner Frau eine Reise ... nach Malaysia mache. Ich erinnere mich noch gut. Wir hatten gut gegessen, ich gehe Hand in Hand mit ihr am Strand lang. Links liegt das Meer im wunderschönen Sonnenuntergang, rechts das Hotel vor Dschungelkulisse. "Das darf doch nicht wahr sein", dachte ich. Das sieht ja genau aus wie in meinen merkwürdigen Trunkenheitsbildern vor.... langer Zeit. Skeptisch sah ich mich um, erwartete halb wie in einem schlechten SciFi-Streifen nun ohnmächtig zu werden und mich im Jahre 1984 wieder zu finden. Na das wäre was gewesen! Kein Handy in der Tasche, kein Internet zu Hause und morgen früh Englisch, Französisch, Mathe und Sport. Um Gottes Willen! Das ist mir erfreulicherweise erspart geblieben. Gut, privat hätte ich eine wesentliche Sache anders gemacht, aber das sprengt jetzt hier den Rahmen (seufz). Natürlich gab es keine Zeitschleife oder ähnliches. Frau und ich gingen einfach weiter und ich tat die ganze merkwürdige Vision als Narretei ab.
Jedoch ist mir die Episode nie so ganz aus dem Kopf gegangen. In der Retrospektive erscheint es mir wie eine wirre, Sternenfeuer-72%-induzierte Zeitreise zu sein, in einem Augenblick, als der Geist vielleicht frei war von den Beschränkungen, die unsere chronologisch sonst streng sortierte und kausalitätshörige Existenz sonst hat. Schließlich gibt es auch physikalische moderne Theorien von gleich mehreren Raumzeiten und Parallelität. Wie auch immer: "Don't try this at home" ist sicher ein guter Ratschlag. Jedenfalls "mit ohne Sternenfeuer"(sic) ist immer besser.
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