Fast möchte ich hier schon ein abschließendes Resümee ziehen, meiner ausreisewilligen Frau halber. Noch ist das verfrüht, aber ich denke man kann festhalten, dass sich Karriere-machen im Büro, will sagen als Angestellter bei einem taiwanischen Unternehmen, nicht wirklich lohnt. Dann hat man in Taiwan leicht 12-15h - Arbeitstage und zu Hause kommen noch ein paar Stunden "Heimarbeit" am Notebook über Excelsheets dazu. Das ist bei meiner Frau der Fall, die etwa 50 Leute kommandiert. Als Teamleiter wie meine Wenigkeit etwas entspannter, aber auch viel lange Arbeitstage. Wochenendarbeit kommt bei vielen Firmen noch dazu, bei meiner Frau findet sie wieder am Notebook statt. Das Gehalt entspricht dem deutschen Nettogehalt 2-3 Hierarchiestufen unter dem der aktuellen Tätigkeit, wobei reine Softwareentwickler das oft auf 1 Stufe darunter reduzieren können. Mein Arbeitgeber allerdings stellt zu diesen annähernd westlichen Gehältern dann erst gar nicht ein.
Anmerkung: Wer als nach Taiwan geschickter Manager aus Deutschland hier lebt, hat natürlich eine ganz andere Lebenswelt, Porsche Cayenne und Nobelapartmentblock, das ist klar. Davon ist hier nicht die Rede.
Positiv: Man hört die Leute viel lachen in Taiwan (kicher)
Altersversorgung gibt es neuerdings auch, das ganze etwas mit Unsicherheit geprägt, ob das wirklich auch später mal ausgezahlt wird, wenn man nicht mehr in Taiwan lebt oder ob Taiwan dann längst Richtung VR-China eingemeindet worden ist und der dann ungeliebten "Langnase" eher nichts auszahlt. Ein Fragezeichen. Krankenversichert ist man und wenn man nicht gerade auf westlichem Essen und teuren Geschäften in der Innenstadt in Taipei besteht, sind auch die Preise günstig. Bei Mieten muss man aufpassen, keinen Ausländeraufschlag zu bekommen, aber wenn einem Taiwaner die Wohnung besorgen oder man gar eingeheiratet hat, geht das natürlich.
Früher ist man im Straßenbild viel aufgefallen, heute dreht sich kaum noch einer um
Schon in mittleren Führungspositionen hat man dann ordentlich Kaufkraft, aber wenig Zeit irgendwas zu kaufen. Der Begriff "Arbeitsdrohne" kommt in den Sinn und mit anfangs 0 (später 3,7,10) Tagen bezahltem Urlaub im Jahr ist das Leben dann leicht eine Einöde aus immer gleichen Verrichtungen. Aufstehen. Durch dicken Verkehr ins Büro. Cubical, wenn man Glück hat interessante Arbeit, durch dicken Verkehr zurück, schnell zum Seven-Eleven Kiosk-Supermarkt ein paar Kleinigkeiten kaufen und noch 2 Stunden in den eigenen vier Wänden, bevor man sich ins Bett legt und der Zyklus von neuem beginnt.
Man kann es sich natürlich gemütlich einrichten, hier mit Papptiger
In den ersten Jahren hatte ich dazu noch die graugrüne Wellblechkulisse des Gewerbegebiets und die grauen Schmuddelgassen des heimatlichen Schlichtwohnviertels meiner Taiwanfamilie. Das hat sich deutlich gebessert, das enge und immer noch bürgersteiglose Wohnviertel wird zusehens sauberer und viel Graues ist durch neue Glas- und Betonbauten bereits weggerissen. Ebenso im Gewerbegebiet. Und die Metro (MRT) breitet sich immer mehr aus und ersetzt bald für die meisten den Stau - wenn man will.
Und kann stündlich zusehen, wie das neue Taipei das alte verdrängt. Die beiden Wohntürme, die hier noch im Bau sind, sind bereits fertig und geben der Gegend mit verzierten Fassaden ein ganz anderes Antlitz. Viele weitere Baustellen verdrängen das alte verrostete Wellblech
Neulich holte ich eine Art Krapfen und Kaffee dazu in einem modernen Café mit Sambamusik und saß kurz im Park auf einer Bank, da wo neulich noch verrostete Fabrikhallen waren und ich vorher durch ehrlich gesagt Hundekot- und Betelnusspriem-verschmierte Wellblechgassen gewandert bin um von kichernden alten Frauen zusammemgepappte fettige Sandwichs zu kaufen. Die Gassen und die alten Damen gibt es immer noch, aber ich kaufe da nicht mehr, bürgersteiglose Gassen mit rasenden LKWs und Unrat und Müffelei schrecken doch irgendwie ab, wenn das natürlich teurere Samba-Café in der Nähe liegt.
Desto später man ab dem heutigen Datum in Taipei anfängt, desto angenehmer wird die Umgebung sein und in einer Programmiererposition o.ä, kann sich das Arbeiten durchaus lohnen. Aber wehe wenn man aufsteigt, dann ist man Teil seines Cubicals geworden - festgewachsenerweise.
Siehe auch den alten, sicherlich teilweise veralteten Artikel zur Arbeitswelt in Taiwan:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2010/01/arbeitswelt-in-taiwan.html
Auch nicht mehr ganz taufrisch, die Lebeshaltungskosten: http://osttellerrand.blogspot.com/2009/04/fragen-zu-kosten-etc-in-taiwan.html, zur Sicherheit ein Viertel oder so draufzählen heute
Frau und ich suchen nach Änderungen, gucken wir mal, was passiert.
8 Kommentare:
Mach es doch so wie ich und plane Dein Arbeitsleben so, dass Du demnächst zum Dauerglobetrotter werden wirst. ;-) Kumpel N. wird jetzt wohl wg. Freundin immerhin für die nächsten zwei Jahre in Japan sesshaft werden. Er meint, sie werden mich allerdings in Taiwan oder Festlandchina besuchen (je nachdem, wo ich für die paar Monate hinkomme. Aber ist ja noch etwas hin.). Vlt. jetten wir dann ja alle zusammen noch kurz zu Euch auf die Philippinen. Man gönnt sich ja sonst nichts. ;-)
Meine kleine Tochter bringt sich mittlerweile im Selbststudium Mandarin bei und freut sich schon sehr auf Asien... Einer ihrer Lieblingssätze momentan: "Danke, mir geht es auch sehr gut." Er hört sich auf Mandarin irgendwie so melodisch und so beruhigend an. So schön...
Der asiatische Freundeskreis hier in D meint, ich sei mitunter sehr asiatisch. Hmmmmm, was sie wohl damit meinen? ;-)
Na ja, Kumpel N. meint ja immer, ich würde mich in Taiwan wie zu Hause fühlen. ;-) Na denn... ;-)
Leben und dinge erleben sollte wichtiger sein als arbeiten und alltagstrott.
"...meiner ausreisewilligen Frau halber..." ??? Hä? Wer will ausreisen? Und für wie lange?
Nun, meine Frau kann überall auf der Welt leben. Solange es dort genau wie in Taipei ist. Wir wollen erstmal probeweise nach Manila, wo sie eine geschäftl. Möglichkeit prüfen will. Klingt zwar interessant, aber ich denke auch es wird sie alsbald nach Taipei zurück ziehen.
http://www.tripadvisor.com/LocationPhotoDirectLink-g298573-d310870-i35296368-Binondo-Manila_Metro_Manila_Luzon.html#last
Chinatown Manila. Zugestopft, versmogt, hässliche graue Schlichthäuser. Könnte funktionieren! Jedenfalls wenn wir da im Siff wohnen und das Geschäft in einer schicken Tourigegend haben. Ich lebe im Büro.
Na, erstmal einmal da Urlaub machen, mal gucken....
Meine Gattin hat Taiwan auch satt - dabei ist sie die Taiwanesin. Ich kann mich immer noch für Palmen und die letzten Reste alter Architektur begeistern. Wir ziehen wohl spätestens in 2, 3 Jahren zurück nach Europa. Allerdings ist mir D komplett fremd geworden. Wird sicher ein Kulturschock. Auch für die Kinder. (Ich muss erst einmal wieder lernen, deutsche Steuerformulare auszufüllen...)
Ich freue mich trotzdem auf Taiwan... ;-)
Nebenhöhlenentzündungen verschwinden in T.? -> N. hat recht. Ich werde dieses Land lieben! :-)
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