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Freitag, März 29, 2013

Machen wir mal was Verbotenes

Pssst. Meine Frau ist gerade beschäftigt und sieht nicht hin. Machen wir doch schnell mal was Verbotenes. Wie wäre es mit einer Exkurison auf verbotenes Territorium? Begleiten Sie mich doch einfach mal kurz.


Diskret schleichen wir davon hier in der Dorfidylle (oder wie auch immer man graue Schlichtbauten und Wellblech nennt) hier auf dem Lande im Landkreis Taoyuan, irgendwo bei Dashi, das man neuerdings auch Daxi schreiben darf (oder irgendwie anders). "Taxi" wäre auch hübsch. Man spricht es zwar etwa "Dahschi", aber Danshui (etwa Danschwej gespr.) schreibt man neurdings ja auch "Tamsui" in der Romanisierung.

Hier sitzt meine Frau nämlich beschäftigt bei den beiden Frisördamen in einem dieser Reihenhäuser, die hier von hinten zu sehen sind.

Wo steht denn nur das Auto? Ach hier. Sie sehen es immer noch nicht? Ja gut, die braune Farbe sieht man schlecht. Genau, da isser. Hinter Ihnen. Ja ja ich weiß, SUV. Mit meinen 150 PS brenne ich ein Loch in die Ozonschicht während Ihr BMW mit 300 PS viel ökologischer ist, weil eben kein SUV. Schon klar, schon klar. Aber jetzt einsteigen bitte.

Nein, einen Hybrid will ich auch nicht. Wie hier die Feinstaubwerte sind? Herrjeh mineh, wenn man schon mal mit einem Deutschen rumfährt. Feinstaub gibt es nicht, der ist erst erfunden worden, nachdem ich 2004 aus Deutschland weg bin und ich ignoriere alles, was später erfunden wurde. Inklusive Asperger. Hat ja heute jeder seit es modern ist. Ihr Cousin auch? Oh.... war nicht so gemeint.

Wo wir hinfahren? Das sehen Sie gleich. Lassen wir es noch geheim bleiben einen Moment. Verdammt, jetzt haben sie da ein Haus hingebaut, wo ich früher immer mit den Hunden spazieren gegangen bin. Never mind, fahren wir weiter.

Machen wir kurz halt an einem Seven-Eleven-Kioskmarkt und holen uns ein paar getrocknete Mangos aus den Philippinen. Sehens, das Hello-Kitty-Zeug gab es gratis dazu. Traditionell-Chinesisch mit Hello-Kitty, wir müssen in Taiwan sein.

Warum wir hier diese Bruchbude anfahren? Watt? Ob das ein Slum ist für arme Fabrikarbeiter? Herrjehmineh, die armen Fabrikarbeiter gibt es in China, hier ist aber die Republik China. Nein, hier wohnt niemand. Das ist einfach eine Baracke vom alten Wasserwerk. Wir gehen jetzt den Weg hier runter....

Watt das für eine Pflanze ist? Äh.... Hulahobhibiskus Müllnensis. So... jetzt aber weiter...


Hier geht es rein. Sehen Sie, der Müll, den die Taiwaner sehr gerne ins Grüne schmeißen, geht nur bis an den Eingang, dahinter ist alles sauber. Weil sich hier keiner reintraut.

Warum nicht? Giftmüll? Landminen? Drogenbanden kontrollieren das Gebiet? Mann, Sie sehen einfach zu viel RTL, das muss ich sagen. Ein Friedhof ist das hier! Und der ist verboten, es sei denn man hat hier klar definierte Besuche zu absolvieren... weil einem sonst die Toten als Geister nach Hause folgen. Ist doch klar. Insbesondere Fotos sind hier verboten. Also nicht richtig verboten, aber irgendwie unerwünscht.

KLICK. Wie? Was ich gerade auch Chinesisch gestammelt habe? Äh.... um Entschuldigung für ein Foto gebeten. Wir wollen ja nicht unhöflich sein.

Die Häuschen sind also Totenhäuser. Wo die Urne drin ist. Gibt kleine und große und ganz große.

Hier ist es sauber und ruhig. Keine Autos, kein Müll. Ganz anders als draußen. Und keine Taiwaner, he he he... Räusper. Was ich gerade gesagt habe? Ach nichts.

Nanu.... Waren Sie das eben? Hat sich da nicht irgendwas bewegt hinter der Mauer da? Ach so. Nur der Wind. Nun lachen Sie doch nicht so. Ist schließlich ein Friedhof hier.

Hier ist alles begrünt und idyllisch, während draußen die Zweckmäßigkeit vorgeht. Hier gibt es keine Mopeds und keine Betoneinöde. Und hier hat mal viel mehr Platz als bei den Lebenden. Ja, die Toten wohnen in Taiwan am schönsten, sagt man.

Watt das hier bedeutet? Äh.... tja... irgendwas wird es schon bedeuten. Da hat doch wieder was gekraspelt hinter dem Stein. (Ludigel flüstert wieder auf Chinesisch). Wie hieß doch Fotoapparat gleich auf Chinesisch? Xiaoshiangji oder irgendwie so.

So idyllisch würde man sich das Taiwan draußen wünschen. Viel Platz und Grün. He.... wenn Sie noch einmal "Buh" sagen während ich knipse werde ich ernstlich....

Was meine Frau sagen würde, wenn sie wüsste das ich hier bin? Oh lieber Herrgott Nummer 312, das gebe einen Ärger. Müssten wahrscheinlich zum Tempel hin um magische Zettel zur Geistervertreibung zu erhalten. Diese gelben Dinger die kostenpflichtig beschriftet werden.

Jau.... wirklich hübsch hier. Wenn es nur nicht immer im Gebüsch knistern würde.

Ich meine, so Westler-freundlich wie die Taiwaner zu Lebzeiten sind, werden sie jetzt ja wohl auch nichts gegen unseren Besuch haben. Wie? Warum ich Sie gerade auf die Schulter getippt habe? Nein, ich war das nicht!

Ja... langsam sollten wir wieder los...

Sind wir nicht eben hier schon vorbei gekommen? Never mind...

Ja, wenn man das lesen könnte....

...
Hier sind wir aber eben schon vorbei gekommen, oder? Sieht alles so gleich aus...

Ah.... hier ist wieder das zentrale Häuschen am Platz....

So.... da links geht's raus. Einschlechtes Gewissen hat man ja doch irgendwie.

 Huch? Hier war doch eben noch der Eingang....?

Sieht so anders aus plötzlich? Ob das wohl Mini-Totenhäuser sind?

Wir hätten Brotkrumen ausstreuen sollen...

...

Ah..... hier sind wir wieder. Gerade noch mal gut gegangen.

Und hinterher erst mal ins Roadies auf einen Burger und einen Long Island Tea. Bestellen wir drei Burger, für den Fall, dass jemand mitgekommen ist.


Mittwoch, März 27, 2013

Zu alte Kindersitze: Gefährlich

In Taiwan kam eine schlimme Geschichte groß im TV zur Mittagszeit: Bei einem Unfall mit einem Kleinkind hat es den Kindersitz zerlegt, der eigentlich das Kind schützen sollte, so dass bei der Krafteinwirkung auf die Halswirbel des Kindes eine Querschnittlähmung eingetreten ist. Es ist also leider genau das passiert, was der Kindersitz verhindern soll. Als Erklärung wurde gegeben, dass der Kindersitz schon sehr alt war, weil man so ein Ding eben oft von anderen Eltern gratis oder billig bekommt und dass diese mit der Zeit durch die Einwirkung von Licht, Hitze und Kälte im Wechselbad (Klimaanlage!) brüchig werden. So soll im gezeigten tragischen Fall der Kindersitz eben zerbrochen sein, statt die Kräfte aufzunehmen. Auch unserer ist neun Jahre alt, von der Schwester meiner Frau bekommen. So soll jetzt ein neuer Kindersitz angeschafft werden. Schnell ergoogelte meine Frau, dass die ISOFIX Normbefestigung für Kindersitze die beste sei (weil sie Befestigungsfehler vermeidet) und so examinierten wir unseren Nissan X-Trail von 2006 (Taiwanmodell) auf eben diese Befestigung. Fehlanzeige! Prompt ging es gestern zum Subaru-Vertragshändler, weil der Forester (SUV) so gut im Crashtest abgeschnitten hatte. Na gucken wir mal. Ich glaube, jetzt komme ich um einen Neukauf nicht mehr drum herum. Sorgenvoll nahm ich zur Kenntnis, dass Frau und Verkäuferin gestern immer um die 200+ PS - Version des Forester herum standen, während ich verzweifelt versuchte, die Aufmerksamkeit auf de 150 PS - Basisversion zu lenken. "Guck mal hier, wie schön blau der ist". Eine Million Taiwandollar soll er kosten mit 150 Pferden (die Taiwaner schreiben sogar PS statt HP - horse power- auf der Webseite), hat aber keine 0%-Finanzierung (sondern 2.5%) und laut Foren muss man 4 Wochen auf Ersatzteile warten. Na, dann behalten wir am besten den alten Nissan, damit wir in den 4 Wochen weiterfahren können....

P.S.: Sinnvoll wäre es einen Toyota RAV4 zu kaufen, weil er in Taiwan einen viel höheren Wiederverkaufswert hat, aber seit dem US-Drama ("hilfe, mein Toyota fährt von selbst") ist er bei meiner Gattin unten durch.
Den neuen X-Trail gibt es in Taiwan nicht, dafür ein amerik. Nissan-Modell namens Rogue, der allerdings recht teuer ist und eine steuerlich teure 2.7-Liter-Maschine hat. Besonders gut haben neuer und alter X-Trail im Crashtest eh nicht abgeschnitten.

FÜR ÖKOBEWEGTE DEUTSCHE: Warum einen SUV? Nun, als ich neulich wieder auf dem Lande hier herum fuhr, war eine hohe Bodenfreiheit bei den vielen Kuhlen und Schlaglöchern nett. Auch ist der Frisör meiner Gattin umgezogen und hat so eine hohe gebogene Auffahrt, wo die PKWs immer 3 Minuten am ultralangsamen Hochrangieren sind, während mein SUV-Ding da einfach hochböllert mit Karacho....
 

Montag, März 25, 2013

Taipei 101 bei Nacht (Teil 1)


Ich muss zugeben, dass mir mein in diesem Blog häufig vorkommendes Geschimpfe über mein bisweilen slumartig wirkendes Wohnviertel langam selbst surrealistisch vorkommt. Erstmal haben sich viele Wohnungsbesitzer moderne Fensterfronten einsetzen lassen und die alten verrosteten Gitter entfernt, dann sind die Müllhalden zwischen den Häusern weg (nur in Ludigels Hinthofblick sieht man noch Müll auf den Vordächern lagern) und außerdem ist bereits so viel von dem ehemals sehr großen Viertel an der WenDe Road in NeiHu weggerissen, dass ich nur 50 Meter gehen muss, um in moderner Bebauung zu stehen. Moderne Wohnscheiden, Beton viel adretter als in den alten 70er-Häusern verbaut, neoklassizistische Nobelreihenhäuser und Beton- und Glasbauten von Büros. Taipei wandelt sich rasant. Wo ich mich 2004 noch über schmutzige Baracken an der Hauptstraße aufgeregt habe, sind heute u.a. eine Bentley-Vertretung und ein Burger King in adretten Fassaden nebst diversen Bankfillialien. Auch "Taipei 101", ehemals das höchste Haus der Welt und noch heute eines der höchsten, ist heute Teil eines noch im Bau befindlichen modernen Stadtzentrums, während es um 2004 herum noch wie ein moderner Riesenbau aus teilweise slumartigen Schlichthäusern ragte. Taiwan hatte in den 70ern sein Transistor-Wirtschaftswunder und hat heute eine Funktion als Computer-Ingenieurbüro der Welt und passt sich langsam auch optisch an. Ist das schade? Mag sein. Würde Rennovieren der alten Bauten reichen? Vielleicht, aber dann hätte man immer noch keine Bürgersteige, denn von den "Parkstreifen" am Fahrbahnrand wollen sich die Anwohner sicher nicht trennen, autoverrückt wie sie alle sind. Neue Nobelreihenhausviertel haben immer noch keine Bürgersteige, insbesondere die mit Security-Schranke davor. Da geht keiner zu Fuß, ist wohl der Gedanke.


Mit der "MRT"-Stadtbahn Taipeis, die auch immer noch ausgebaut wird und erst seit etwa 2 Jahren bei uns ins Viertel reicht, an der "City Hall"-Station ausgestiegen. Die ganzen Häuser um mich herum gab es vor ein paar Jahren hier noch gar nicht.

Positiv die vielen neuen Fußgängerzonen, wo es sonst in Taipei häufig nicht mal Bürgersteige gibt. Aber ergreift man die Gelegenheit zum ökologischen Neubau, viele Parks um die in Taipeo so oft gequälte und ausgemerzte Natur mit der modernen Stadtarchitektur zu versöhnen? Dumme Frage, natürlich nicht. Lampen an die Fassaden und schon solle es modern sein. Aber wenigstens ist alles sauber und man kann entspannt ohne Moped- und Autowüteriche zu Fuß gehen.

Wozu studieren die Leute eigentlich ihre eigene Kultur (wenn sie es denn tun) und Architektur, wenn sie am Ende doch nur die einst triste graue Schlichthaus-Betonlandschaft durch 80er-Jahres Betonarchitektur ersetzen? Aber gut, anders als im Westen sieht es auch nicht aus, auch wenn man da neuerdings vielleicht ein bisschen hübscher baut.


Beton und Lampen, aber immerhin sauber und rein und viel Platz zum flanieren und grübeln, was da wohl dran steht. Ein Schriftzeichen kann ich sogar lesen.

Hier ist schon die Spitze von Taipei 101 zu sehen, dem Ziel meines Ausflugs. Teuer ist es, das neue Taipei. In den teilweise noch in Bau befindlichen Straßen etwa locken Uhrengeschäfte mit Rolex, Tudor und Omega, nicht etwa mit einer profanen Tissot, für die ich mich interessierte. "Dior" steht am Wahrzeichen von "Free China", wie Taiwan manchmal genannt wird. So viel anders als Peking ist das also auch nicht, wirtschaftssystemisch gesehen.

 Fauler Zauber hier im Blog. Mit der Kamera umschmeichele ich die moderne Architektur und gebe textuell postmoderne Gesellschaftskritik a la Deutschland. Dabei habe ich mich in Wirklichkeit nur auf den Ausblick aus dem italienischen Restaurant im 86. Stock (oder dergleichen) gefreut. Und hatte Hunger.


Parks mit wenig Bäumen, dafür Beton und Licht. Sieht aber ganz nett aus.


Inhaltlich muss ich im Blog langsam umsatteln, vom Meckern über Schlichthäuser und fehlende Bürgersteige auf das Meckern über Betonkaufhäuser und öde leere Fußgängerzonen vielleicht.

 Ganz oben angekommen wunderte ich mich dann, wieso der Ausblick manchmal so milchig ist. Ach ja... W-O-L-K-E-N. Hier spiegeln sich Lüster und Servietten nebst Tellern im Fenster hoch über Taipei.



Von Essen in "Diamand Joe's" Italiener habe ich nicht so viel mitbekommen. Meine Roulladen war jedoch sehr gut, auch wenn manche Kollegen über ihre roten ganzen faustgroßen Krebse enttäuscht waren. Na ja, vielleicht wollten sie, dass sie noch weglaufen auf dem Teller statt sitzen zu bleiben. Ansonsten gab es wieder den Pseudo-Feinschmeckerhorror a la Taiwan. Irgendwelche Krusten-Meerestiere mit Käse auf dem harten Panzer. Weil Käsedrauf eben europäisch ist und der Taiwaner, der eh keinen Käse mag oder verträgt, diesen gleich mit dem Panzer entsorgen kann. Kein Wunder, dass das nicht schmeckt. Feinschmeckeressen heißt für viele Taiwaner eben Meeresgetier mit Panzer möglichst intakt auf dem Teller. Mag sein, dass so ein Italiener diesen Pseudo-Gourmet-Taiwan-Food nur etwas lieblos macht. Obwohl die rote Krabbe der Kollegin hinter mir noch aussah, als ob sie gleich loslaufen könne.

Zwischen 2000 und 4500 NT kostete so ein Menü, durch 40 in Euro. Wie immer sehr fischlastig wie alle Italiener in Taiwan. Ich hatte Carpacchio als Vorspeise und vergessen was das war, solange war ich nicht mehr bei richtigen oder halbrichtigen Italienern essen hier in Taiwan. Rohes Rind mit Salat offenbar. Pfui deibel.

Das sieht Supermann, wenn es aus den Wolken auf eine Tüte Stinky-Tofu nach Taipei einfliegt.

Im Restaurant selbt waren alle in weißen Hemden, ohne Krawatte (abgelegt) und mit schwarzen Hosen. Nur die Damen farbenfroh gekleidet, eine Barsängerin nebst Begleitung stand wie bestellt und nicht abgeholt neben dem Tresen und sang, alles waren natürlich viel zu cool um auf die Musik zu achten. Sehr viele Westler, etwa die Hälfte der Leute und der Rest gleich gekleidete Einheimische. Meine helle Hose war schon ein Sonderfall da oben.

Emsige Geister umdienen die Businessmenski über den Wolken am Tellerrand der Weltscheibe.


Unser Team fiel mit Jeans und Sweatshirts etwas auf, aber wir hatten ja auch einen eigenen Saal. Bei uns sind alles Hardware-Testleutchen, keine angloamerikanischen Manager. Ich war wie immer perfekt gekleidet, einfach die weiße Atemschutzmaske (Papier) aus der Einstecktuchtasche des Nadelstreifen-Jacketts gezogen und fertig.

Die möglicherweise echte Blueberry-Handtasche meiner Frau und meine Fototasche blicken auf die Stadt unter uns. Frau schimpfte über das Essen, ich knipste und murmelte "Hmmmmm..... Hmmmmmmm".