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Freitag, Februar 08, 2013

Neujahrsnotizen

Während sie die Deutschen und verwandte Volksstämme schon längst im neuen Jahr wähnen, geht es für uns in der chinesischen Kulturzone jetzt erst richtig los. Das chinesische Neujahrsfest fängt heute Abend an. Oder Morgen früh? Never mind. Heute ist der letzte Abhängtag im Büro, man hat schon früher Feierabend, verschieden je nach Firma und die Taiwaner sind heute besonders ausgelassen in den Büros. Man nascht Süßes von Kollegen, klönt viel und räumt seinen Cubical auf. Am Ende ist dann Klaugefährdetes in Schubladen verschwunden (ich baue meinen aus Einzelteilen zusammen gebauten Server ab) und die Stühle stehen auf den Schreibtischen. Denn das taiwanische Jahr 102, gerechnet ab Gründung der Republik China auf dem Festland, als die Kuamintang-Partei den letzten (Kinder-)Kaiser Chinas mehr oder minder beerbt hatte (von den ganzen Warlords abgesehen) und ein junger Chiang-Kai-Shek sich mit seiner nach westlichem Vorbild ausgebildeten "New Army" auf die Seite der Kuamintangrebellen schlug (schon ein paar Jahre vorher) und seinen bettnässenden Kaiser verriet, wird ein sauberes Jahr. Sauber, weil es eines der ungeraden Jahre ist (nach westlicher Zählung), in denen meine Firma alle Fußböden mit einer Schrubbmaschine säubern lässt und daher meine mühselig angelegten Kaffeeflecken auf dem Fußboden grausam vernichtet werden. Auch die Mäuse in manch einem alten Vorserienrechner oder Support-Ticket-Fall-Server von 1998 werden aufgeschreckt werden (wir haben industrielle Großkunden, die wollen die Rechner oft nicht zurück und dann bleiben sie hier). Manchmal haben sie große Körner-Vorratsspeicher in den stillgelegten Rechnergehäusen angelegt im Großraumbüro, die sie von den jungen Damen hier geklaut haben (die essen ja immer so gesunde Sachen, die jungen Damen und die Mäuse aller Altersgruppen).

Wir haben schon unseren Neujahrsbonus erhalten. Ein solcher ist übrigens der Grund, wieso man in Taiwan meist erst nach Neujahr (gemeint ist immer das Chinesische) die Firma wechselt. Wir wechseln nicht und der Bonus ist schon ausgegeben, sagt meine Frau, für mein Flugticket im Spätsommer, für eine neue Anti-Krebs-Versicherung, die meine Frau bei der ALLIANZ-Versicherung Taiwan (!) abgeschlossen hat (der Versicherungsvertreter hat so gegrinst bei der Unterzeichnung, dass er sich bestimmt erst mal ins thailändische Badehaus verzogen hat für die nächsten zwei Wochen, vergl. einschlägige Skandale in Deutschland) und für meine Elebensrente (bei der ehem. Volksfürsorge, die sich jetzt irgendwie anders nennt). Mein Rentenbeitrag steigt jedes Jahr an, das kann uns die nächsten Jahre um Jahre noch graue Haare bringen.

So ein Bonus kann durchaus mehrere Monatsgehälter umfassen, je nach Wirtschaftslage etc., ich hülle mich da in Schweigen. Ist ja alles eh schon wieder weg. Manche Firmen überweisen den Bonus nicht wie unsere aufs Konto, sondern zahlen ihn bar in traditionelle rote Neujahrskuverts gesteckt aus - dann kriegt man ein sehr dickes Geldbündel, denn der größte Schein ist eine 1000 NT-Note, umgerechnet etwa 25 Euro (manche Fressbuden in Taiwan weigern sich ihn anzunehmen, wenn man nur für 100 NT isst). Auch unsere Putzfrau erhält ihre Gratifikation. Für ihr donnerstägliches Putzen lagen wie immer 1200 NT auf dem Küchentisch, dazu ein rotes Kuvert mit 6000 NT Neujahrsbonus.

So, jetzt ganz entspannt in das neue Jahr 102 hinein grooven, vielleicht poste ich noch ein paar Fotos, schauen wir mal.

Grüße aus der rechnerischen Antike,

Ludigel


++++++++++ Kurzmeldung ++++++++++++

Der Brite Z.D., der in Taiwan in einem sehr umstrittenen Verfahren wegen Fahrerflucht mit Todesfolge zu 4 Jahren Haft in zweiter Instanz verurteilt worden ist und vor Haftantritt das Land verlassen hat, hält sich offenbar in der Schweiz auf. Die Republik China alias Taiwan ersucht die Schweiz um Amtshilfe. Ich weise bei diesem emotional geladenen Fall immer wieder darauf hin, dass es einen definitiven zweiten Fahrer gab, einen einheimischen Parkwächter, der zumindest Anfangs den Wagen gesteuert hat und sehr schnell von der Verdächtigenliste verschwand. Sein Unterweltlokal wiederum hat das Revier geschmiert, das hier die Ermittlungen führte. Nicht ganz schweizer  Präszision bei dem Kriminalfall in Taiwan, denke ich mal.
http://www.taiwannews.com.tw/etn/news_content.php?id=2143891 

UPDATE: Anwalt des Briten gibt an, ein weiterer Barangestellter hätte ausgesagt, der Brite sei nicht gefahren zur Unfallzeit sondern der ursprüngliche Fahrer (ein Parkwächter der Bar): http://www.etaiwannews.com/etn/news_content.php?id=2141170&lang=eng_news&cate_rss=news_Society 

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Ein Britischer Atomingenieur, der für eine franz. Firma ein AKW in Taiwan gewartet hat, ist in seiner Freizeit in den frühen Morgenstunden zu Tode gestürzt, offenkundig unter Alkoholeinfluss (schon im Dezember): http://focustaiwan.tw/ShowNews/WebNews_Detail.aspx?Type=aSOC&ID=201212050051

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was? Die Franzosen betreiben hier AKWs? Wenn ich an die welsch verkorkste Metrolinie in Taipei denke, wird mir nun etwas flau...