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Mittwoch, Februar 06, 2013

Im Rückwärtsgang Lokalkolorit zerstört

Neulich beim Einparken in unseren gemieteten Familienparkplatz vor Schiwegermutters Haus auf dem ich täglich parke, habe ich das reinste Drama ausgelöst. Gegenüber liegt ja ein kleiner Baochi-Stand (keine Ahnung ob man "Bauze" so schreibt, gemeint sind Schnellfutter-Teigtaschen mit Mett gefüllt), die schmale Gasse ist mit für Essen anstehenden Leuten gefüllt, teilweise noch zugeparkt und dann brauche ich immer recht viel Raum, um auf dem im 90-Grad-Winkel zur Fahrbahn stehenden Parkplatz einzuparken. Dabei löst man oft eine veritable Volksumgruppierung aus. Erstmal musste ich zwei Autos weghupen, die den Parkplatz fahrbahnseitig blockierten - was dazu führte, dass ganze Familien und Freundeskreise, die locker entspannt auf der Fahrbahn standen, in ihre Autos stiegen und mit diesen ein Stück weiterfahren mussten.

 Ähnliche Straße ganz in der Nähe, unsere Gasse ist noch etwas schmaler

Dann sah ich, dass eine Frau ihr Fahrrad an der metallenen Parkplatzabsperrung unseres Parkplatzes angelehnt hatte und diese nun auch fortschieben musste. Unser Parkplatz war der einzige freie in der ganzen Straße und da wo jeder Quadratzentimert entweder zugeparkt war oder als Fahrbahn diente, hatte der abgesperrte Parklatz scheinbar die Funktion eines Sozialplatzes übernommen. "Treffen wir uns unterm Schwanz" sagt man in Hannover bei mir zu Hause und meint damit die Reiterstatue des alten Königs von Hannover vor dem Bahnhof. Bei uns im Viertel könnten sie fast sagen: Treffen wir uns auf dem Ausländer(parkplatz). Ein Kind war auch noch dabei auf dem leeren Parkplatz (wir reden hier nur von einer einzigen etwas großzügigen Parkbucht!), der hübsch mit einem Bäumchen an der Seite dekoriert ist, mit seinem Fahrrad Kreise zu fahren und verschwand dann auch. Als ich rückwärts einparkte war der kleine Kerl natürlich plötzlich wieder da und zog mit seinem Velo aus der Tarnung des Nachbarwagens kommend direkt hinter meine Stoßstange - er will ja mal taiwanischer Mopedfahrer werden und muss solche Manöver daher schon mal üben. Schlecht zu sehen sowas, aber dank meiner Zeitlupen-Einparkerei (wegen der Volksmassen), Vorausschau und der stoßstangenseitigen Rückfahrkamera kein Problem.
Jedenfalls hatte ich ein schlechtes Gewissen beim Aussteigen. Ich hatte fast ein Dutzend Leute und vier Fahrzeuge vertrieben und einem Kind seinen Fahrradplatz genommen, alles nur um mein Auto zu parken! Fast möchte man die Parkbucht der Öffentlichkeit spenden, als freien Sozialplatz. So wie ich die Taiwaner kenne im dichtbesiedelten NeiHu/Taipei, wäre der Platz dann aber entweder ein Mopedparkplatz, ein PKW-Stellplatz für den Blockwart oder eine neue Imbissbude würde drauf eröffnet. Oder jemand baut ein Kaufhaus drauf, in dem man nur hochkant einkaufen kann.

Für Deutsche liest sich das sicher komisch, denn die Wohnblocks in meiner Heimatstadt Laatzen bei Hannover sind von riesigen betonierten Garagenhöfen umgeben, haben immer wieder Grünanlangen dazwischen und ellenlange verwaiste Fußwege. Da kann man sich kaum vorstellen, wie sehr ein leerer Stellplatz hier die Massen anzieht in Taiwan.

Bizarrste Vorkommnisse auf dem Parkplatz bislang: Einmal stand ein Fernsehteam drauf, das die Fressbude gegenüber filmte. Und der Fressbudenbesitzer steht da öfter Mal zur Salzsäure erstarrt hinter meiner Stoßstange. Kreidebleich , bewegungslos und zersaust des Morgens wie ein lauernder Zombie in der Fernsehserie "The Walking Dead". Tai-Chi-Übungen in Zeitlupe sind das wohl. Irgendwann macht die KMT da mal eine Militärparade, auf meinem Stellplatz, da habe ich keinen Zweifel.

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