Sorry, this is only in German. Refer to other posts in this blog to have English or both languages. Will be posting some stuff from my old German blog here, though. Because my old provider seems to have server problems.
Von einem der auszog, das Stottern zu besiegen
Stottersaga Teil II
Teil I ist hier...
Also ging ich die Therapie im schönen Paderborn an und war bereit, mich 10 Tage (glaube ich, es ist schon lange her) harter Therapie auszusetzen. ALT heißt die Therapie, ein Kürzel, das ich immer wieder vergessen habe. Aus den USA soll sie kommen, wie alles heutzutage. Allerdings habe ich damals (1999) im Web nichts darüber gefunden außer dem deutschen Greifenhofer-Institut, das diese Therapie exklusiv durchführt und wohl für Deutschland lizenziert hat. Im schönen Paderborn neben dem Kurpark haben sie ihr Institut mitsamt Gästezimmern. Dort habe ich mich 10 Tage einquartiert, 3500 Mark hat das damals gekostet. Der kommerzielle Rahmen sorgt dann auch für reichlich Kritik bei Stottererverbänden und Logopäden, denn auf Krankenschein ging damals nichts. Aber andererseits probieren sie eine neue Therapie, die nicht von den Kassen anerkannt wird und müssen schließlich auch ihre Brötchen irgendwie verdienen. Logopäden kritisieren ferner, dass das Institut mit „Stottern ist heilbar“ wirbt, was nach medizinischer Schulmeinung außer bei Kindern unzutreffend sei und dass das Institut keine Nachbetreuung bietet. Doch ich hatte nun Gelegenheit mir meine Meinung selbst zu bilden. Schließlich wollte ich mein Stottern nicht pflegen, sondern weghaben und war dazu zu harter Arbeit bereit. Man könne die ALT-Therapie nicht anwenden, weil sie mit täglichen Übungen auf Jahre hinaus oder gar bis ans Lebensende verbunden ist, was man nicht leisten könne, schrieb mir einmal ein Logopäde in einem Online-Forum. „Man kann, wenn man will“, dachte ich mir jedoch. Weiterer Kritikpunkt an ALT von logopädischer Seite: Es würde der Eindruck einer Wunderkur entstehen, die einen in 10 Tagen vom Stottern heilt, was unzutreffend sei. In der Tat erweckte die Werbung (Stottern ist heilbar – nach 10 Tagen Symptome weg o.ä.) auch bei mir diesen Eindruck. Aber es wird während der Therapie immer wieder gesagt, dass es so NICHT läuft, sondern man hart an sich arbeiten muss, auch nach der Therapie, um einen Erfolg zu haben. Klang gut, fand ich. Ich war zu jedweden Überstunden bereit, um dem „Stottermännchen auf der Hutkrempe“, wie ich es im vorherigen Teil genannt habe, eins auszuwischen. Mögen die Spiele beginnen. Innerlich stellte ich mich schon wieder auf Ringelpietz mit Anfassen ein, wie bei meiner Logopädentherapie. Doch es kam alles ganz anders.
Heilung mit und durch BMW. Es geht, glaubt mir.
Anfangs machte das Ganze einen grenzwertig seriösen Eindruck auf mich. Mein Gedanke war: „jetzt bist Du doch auf so eine Fernsehpfarrer-Fliege- Pyramiden-Erdstrahlen“ -Sache reingefallen. Denn es war von Hypnose die Rede und mir als deutschem Mittelstandsbürger schien mir die in das Reich von Hexen, UFOs und Phantasten zu gehören. Außerdem trat der Herr Greifenhofer Junior, „Roman“ mit Vornahmen, mit dem pompösen Auftritt eines Neureichen auf. Lederhosen, Fransenhemd und ein röhrender BMW Z3. „Dahin ging also mein Geld“, dachte ich deprimiert. Und in den Werksporsche des Hauses. Aber seinen wir nicht voreilig, mein Hals-Nasen-Ohrenarzt hatte auch eine S-Klasse von Mercedes; ich war viel zu häufig da. Warum Heiler immer in Sack und Asche auftreten sollen, ist sowieso eine merkwürdige Sache, ganz so als müssen sie sich schämen, anderen helfen zu können.
Zwei Heilpraktiker waren mit von der Partie und wir alle wurden in einer großen Turnhalle abgetastet. Zu wenig feucht waren viele der jüngeren Teilnehmer, ein gekonnter Griff ins Genick zeigte es. Den Griff kenne ich sonst nur von Hundezüchtern, die Welpen abtasten, denn wenn es sich im Nacken nicht locker genug wellt unter festem Griff, ist der Welpe zu trocken, muss mehr Wasser trinken. Als jemand, der mit Hunden aufgewachsen ist, erweckte dieser Sachkundige Griff auch gleich Vertrauen bei mir. Obwohl meine Frau bis heute jedesmal schreit, wenn ich ihn bei ihr ausprobiere. Zu trocken waren auch die Junioren, „weniger Brause und mehr Wasser, weniger Schokoriegel“, lautete der Heilerrat. Das kann verkehrt nicht sein.
Ich war nass genug und ja auch schon trocken hinter den Ohren, bekam aber wie alle anderen meine persönliche Dosis Bachblüten verschrieben. Das ist ein kleines Glasfläschchen mit einer klaren, geruchs- und geschmacklosen Flüssigkeit darin, das wohl irgendwie den persönlichen Schwingungen (jetzt bitte die Beachboys auflegen mit GOOD VIBRATIONS) nachempfunden ist. Meine asiatische Frau hätte heute ihre Freude an solchen Dingen, aber mir war das entschieden zu esoterisch. Meiner Internetrecherche nach sind Bachblüten einfach Wasser, das mal an irgendwelchen Blüten vorbei getragen wurde, es ist also einfach Wasser, H2O, zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffteilchen, ungemein wichtig und gesund, aber gänzlich unwirksam gegen irgendwelche Zipperlein. Doch ich wollte an dieser Stelle das heilerische Gesamtwerk nicht stören und drückte brav die 25 oder 50 Mark für einen Schluck Wasser ab. Habe den Preis nach all den Jahren vergessen.
Ich war damals sehr skeptisch und mein geneigter Leser ist es sicher auch, aber ein bisschen Klappern gehört zum Handwerk, hier an meinem Wohnsitz Taiwan rülpsen die Tempelpriester schließlich manchmal ganz laut, bevor sie einem Ratschläge wie „mehr Bewegung, weniger Essen“ geben. Ungemein magisch, das Ganze. Oder das Resultat von zu viel Reis (chinesisch: „Fann“), der liegt oft schwer im Magen.
Die erste Gruppensitzung, 11 Leute waren in meiner, verlief dann ehr konventionell, mit analysieren, wer wann und wie stottert. Aber mir fiel positiv auf, dass nicht versucht wurde, einen geplatzte Currywurst aus dem Jahre 1974 dafür verantwortlich zu machen, sondern dass es hier darum ging, ein WERKZEUG gegen das Stottern zu erhalten. Keine magische Schnellheilung, sondern ein Werkzeug für harte Arbeit an sich selbst. Und unter meiner nicht vorhandenen Hutkrempe hörte ich das kleine Stottermännchen, das mich all die Jahre ungebeten begleitet hatte, ängstlich wimmern.
Mehr beim nächsten Mal.