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Freitag, April 07, 2017

Frisörin tot

Nachrufe im Taiwanblog werden langsam zur Gewohnheit

Der Sensenmann geht mir in der letzten Zeit mächtig auf die Nerven. Aber es liegt in der Natur des Lebens, dass es endlich ist. Vor langer Zeit hatte das Blog bereits einen Nachruf auf meine Cousine Christine, die eine eifrige Blogleserin war und von uns gegangen ist. Mein Steuerberater schloss sich an. Ein Mensch, dem ich immer erst mal eine große Flasche Hochprozentiges mitbringen musste, bevor er zur Beratung schritt und diese Flasche dann in meinem Beisein während der kompetenten Beratung leerte, ohne dass er davon betrunken wurde. Ich sage immer, dass ich mir um die fiskalischen Aspekte meines Einzugs in die Nachwelt keine Gedanken mache, das hat er sicher alles unter Kontrolle. Und irgendwo wird sich ein Fass vergorenes Manna auftreiben lassen, das er während der Beratung geniest.
Dann verstarb mein Vater, auch wenn er hier im Blog keinen Nachruf erfuhr. Dann eine geschätzte Kollegin vom Vertrieb, deren Nachruf (http://osttellerrand.blogspot.tw/2017/03/kollegin-beerdigt-renn-weg-renn-weg.html) mehr zur einer multikulturellen Schilderung wurde. Aber warum auch nicht.

Als ich unlängst nach Taiwan zurück kehrte hörte ich, dass nun auch unsere Frisörin verstorben sei. Die nette ältere Dame bewohnte ein sehr kleines Reihenhaus ganz bei uns in der Nähe, es ist im unteren Foto zu sehen - eines der kleinen Reihenhäuser rechts mittig im Bild.

Dort unten hatte sie ein kleines Frisörgeschäft, dass in dem winzig kleinen Haus aus kaum mehr als einem Frisörstuhl und ein bisschen zugestellten Platz drum herum bestand. Von außen zu erkennen durch eine klassische amerikanische Frisör-"Rolle" in Weiß, Blau und Rot. Markenzeichen von Frisörgeschäften in den USA. Drinnen ein alter Frisörstuhl, ein Spiegel mit Fotos von ihrer Familie und einem Haufen schwarzer Haare unter dem Bord, die mich bei meinem ersten Besuch einen Hund vermuten ließen.


Nur ein paar Meter rechts von diesem Bild hat sie gewohnt und gearbeitet. Am Spiegel hatte sie auch Fotos von ihrer Tochter, die mit einem Iren verheiratet war und in Irland lebte, wenn ich mich recht erinnere. Für 150 NT hat sie die Haare geschnitten. Mehr schlecht als recht nach dem Prinzip kurz ist gut und ab ist ab und es war mir oft genug. Ich bin auch wegen unserer sicher sprachbarrierebehafteten Kommunikationsversuche gerne dort hin gegangen und war dort lieber als anderswo. Nicht so sehr wegen ihrer Scherenkunst, das gebe ich gerne zu. Aber ab ist ab und kurz ist gut, was gab es bei dem Preis zu meckern.
Doch dann machte in der Nähe einer dieser 100 NT-Frisöre auf, wo man einen 100 NT-Schein in einen Automaten zwängt, eine Pappkarte erhält, die man dem Frisör gibt und dann wird man auch geschoren. Und es sieht ein bisschen besser aus glaube ich. Sagte meine Frau. So bin ich dann auch immer seltener zu 150er-Haarschnitt und eher zum 100er, ich gebe es zu. Drei Euro für einen Haarschnitt, es ist bizarr.

Nun ist der Frisörladen - in dem früher fast immer Licht war und in dem so oft ganze Familien saßen - dauerhaft geschlossen. Selbstmord, sagt meine Frau. Traurig gucke ich auf die nun immer dunkle Fassade und schäme mich ein bisschen. Für's Wegbleiben. Unsere Gesprächsversuche werden mir fehlen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Judge Mental wrote:

Das Blog ist ein Massaker geworden.