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Donnerstag, November 13, 2014

Als Kleinunternehmer in Manila? (Update)

Ob was draus wird aus dem Auswandern auf die Philippinen steht noch in den Sternen. Aber hier schon mal ein paar Randbedingungen

Ich gebe es zu, im Gegensatz zur Eröffnung des kleinen Italieners in Taipei, den meine Frau und ich kurze Zeit mit anderen betrieben hatten, stehe ich bei der Planung unseres künftigen kleinen geschäftlichen Engagements in Manila fast völlig unbeteiligt daneben. Denn hier agieren meine energische Gattin und ihre ältere Schwester. Ein Concerto aus Tochter Nummero Drei und Zwei, bei so viel Drachenfeuer ist für mich einfach kein Platz mehr in der Planung. Was genau wir aufmachen wollen in einem Mittelklasse-Einkaufszentrum in Manila (typisch mit grimmigen schwer bewaffneten Herren vor stets piepsender Metalldetektorschleuse am Eingang des Einkaufszentrums) will ich nicht verraten. Denn wenn man tagelang im Einkaufszentrum war nur um den Einheimischen auf den Mund zu gucken und den Markt analysiert hat, dann will man das auch wieder nicht so ohne weiteres gratis weggeben. Jedenfalls soll es wieder ein kleines Restaurant oder eher ein "Diner" werden. Kein Italiener wie hier in Taipei, denn die Standards bei italienischem Essen in Manila sind sehr sehr hoch und das Angebot ist schon erschöpfend. Der angestrebte Kundenkreis ließe sich vielleicht als untere Mittelschicht klassifizieren. Der Deutsche stellt sich ja wohl vor, auf den Philippinen gäbe es nur Arme und Superreiche, aber das ist unrichtig. Warum wir nicht "nach oben" gehen vom Kundenkreis und der Restaurantklasse her? Nun, eine höhere Restaurantklasse bedeutet auch höheres Risiko und hohes Investment. Wir wollen einfach nicht so viel Geld auf die Philippinen tragen derzeit und uns fehlt die Erfahrung im Betreiben eines gehobenen Restaurants, ganz einfach.

 "Gated Community" der Mittelklasse in Manila. Miete für ein im Falle meiner Manilafamilie als Gewerbeobjekt ausgeschriebenes sogar dreistöckiges Reihenhaus 12.000 Pesos im Monat (Faktor 3/4 rechnet in NT um), also irgendwie über 200 Euro umgerechnet. Sie dürfen allerdings nur Gewerberegale reinstellen, sagt der Vermieter. Führt zu interessanter Einrichtung ;-)


Interessant fand ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Betreiben eines Einfachrestaurants in Manila und Taipei:

a) Preisspanne in Taipei um die 80-110 NT (durch 40 in Euro).
Preisspanne in Manila um die 160 Pesos (Faktor 3/4 rechnet es etwa in NT um) .... ähnlich

b) Essen in Manila in den Diners oft einfacher als in Taipei. Schlicht aber wohlschmeckend.

c) Personal in Manila ist noch billiger als in Taipei.

Mir ist klar, dass nach deutscher Denkart nun das "aber Du musst den Angestellten ganz tolle Arbeitsbedingungen mit ganz viel Sozialem bieten" kommt. Ich habe mich sogar für einen Sekundenbruchteil selbst bei diesem Gedanken ertappt, schließlich sind die Philippinen ein radikalkapitalistisches Land ohne Sozialsystem und ich war ja früher auch mal ein "richtiger" Deutscher. "Volldeutscher"* sozusagen.

 Typischer "Jeepney" auf Basis eines lokalen Jeeps, hier mit "Mercedes"-Anbau. Das Fahrzeug hat nur eine Frontscheibe, ansonsten sitzt man offen im Smog. Dient als Linienbus.

Es sollte sofort klar sein, wieso man nicht den Angestellten freiwillige Sozialleistungen bieten kann: Der Martpreis ist der Grund. Nicht so sehr die Kosten, sondern der Marktpreis. Denn platt gesagt, was würden einen hohe Kosten interessieren, wenn man sie sich vom Kunden wiederholen kann. Verkaufe ich einen Bentley oder habe ich ein Nobelrestaurant mit 100 Euro das Essen hat man sicher mehr Luft bei den Bauteilen oder Zutaten und den Kosten. Aber wenn ein komplettes Essen mit Vorsuppe und Gratiseistee 2 Euro umgerechnet kostet, dann muss man die Kosten hart kontrollieren und hat nichts zu verschenken. Sonst macht man schlichtweg Minus. Ein  Beispiel hierfür ist die Hausfrauenkocherei der Geschäftsführerin unseres ehemaligen Restaurants in Taipei die nur zu einem führte: Zum Minus. Weil sie nicht die Kosten pro Portion kontrolliert hat und das Personal nicht genau genug eingeteilt hat.

Bei 2 Euro umgerechnet pro Essen in Manila oder dergleichen habe ich also nur einen Bruchteil eines Euros an Gewinn pro Essen - der auch noch die Gemeinkosten tragen muss. Da kann ich die Gemeinkosten nicht noch mit bezahltem Urlaub, Krankenversicherung und Segelschein für die Angestellten in die Höhe treiben.

Dieser Jeepney ist ein "Geschenk von Gott" und die Philippinos mögen Gott sehr, bemerkte die Schwester meiner Frau. "Weil wenn Du Geld hast, bist du Gott. Hast du nichts, bist du ein Nichts."

Oh, jetzt höre ich die deutsche Leserschaft empört einatmen! Natürlich sollten auch die Philippinos eine gesetzliche Krankenversicherung haben, da bin ich ja auch der Meinung. Der Punkt ist nur, es gibt keine. Wenn es eine gäbe, dann wären die Gemeinkosten bei ALLEN Lokalen höher und dann wäre auch ALLE Preise höher und die Kunden würden es fröhlich bezahlen, denn sie profitieren ja selbst vom Sozialen wie eben in Deutschland. Oder eben auch in Taiwan, wo es eine gesetzliche Krankenversicherung gibt. Aber auf den Philippinen hat sich der Marktpreis für ein Essen im Einfachrestaurant eben NOCH NIEDRIGER eingependelt. Mache ich freiwillige Sozialleistungen, dann sind meine Kosten höher und mein Essen teurer und die Kunden gehen lieber zu Konkurrenz. Wass will Pedro Sanchez für die Sozialversicherung MEINER Angestellten zahlen, wenn er selbst keine hat?

 Allen Unkenrufen zum Trotz sind die Philippinos zur Zeit ein aufsteigendes Volk. Die Wirtschaft boomt, überall wird für neue Mittelklasseleute und neue Oberklasse-Pinkel neu gebaut. Das schafft auch Arbeitsplätze für die Unterschicht.


In Taiwan gibt es mehr Soziales und auch die Gehälter sind im Schnitt höher. Aber wir reden nun mal von Manila/Philippinen. Ein weiterer interessanter Punkt ist die unterschiedliche Arbeitshaltung der Angestellten in Taipei und Manila. Der Philippino arbeitet (jedenfalls in dieser Unternehmensklasse) nur, wenn er dazu angehalten wird, wurde ich gewarnt. Will sagen, steht der Chef oder sein vertrauenswürdiger Geschäftsführer nicht im Lokal, dann verfallen die Angestellten in eine Art Lähmung. Frau und ich haben das selbst erlebt. Da war ein Eisstand. Viel lecker Eis, schräg gegenüber von unserem geplanten Restaurant. Drei junge Frauen und ein junger Mann saßen da in adretten Firmenuniformen. Meine Frau wollte ein Eis bestellen.

"Mam, sorry, no ice!", sagte eine der jungen Damen, um dann sofort weiter zu schwatzen mit ihren Kollegen.

Meine Frau insistierte.

"No sorry Mam, no ice."

Meine Frau klärte die ja immer zumindest einfaches Englisch sprechende Crew darüber auf, dass sie an einem Eisstand arbeiteten und die Karte voller Eis sei.
Verlegenes Gekichere und wieder:

"No ice!"

Ich zog meine Frau weg und musste auch lachen. Das waren philippinische einfache Arbeitskräfte in voller Aktion. Die Schwester meiner Frau, die selbst ja bis vor kurzem noch eine Taiwan-Bubbletea-Kette in Manila hatte sagte dazu, die Leute am Eisstand würden nur arbeiten, wenn der Chef da sei. Sonst eben "no ice". Und das sei genau typisch für Philippinos.
Das Einheimischenbild meiner taiwanisch/chinesischen Manilafamilie, die also zu der ethnischen Gruppe der gesamt gesehen überdurchschnittlich erfolgreichen Sinophilippinos gehören (mit frischem Taiwanblut aufgefrischt seitens der Schwester meiner Frau)  ist daher sehr negativ. Schnell redet man von von phlegmatisch und faul, aber ich denke die Situation ist mehr durch die Gesamtbedingungen des Marktes festgeschrieben. Im Prinzip wird der philippinische Arbeiter und Angestellte ausgebeutet, d.h. er arbeitet lange ohne soziale Absicherung, 6 Tage die Woche sind wohl die Regel. Und sein Gehalt ist gering. Da hat er wohl auch wenig Antrieb freiwillig hart zu arbeiten. Gäbe es Gewerkschaften und Soziales und könnte er sich aus der Lohntüte mehr leisten, dann würde er wohl auch lieber arbeiten.

Weitere Dinge die zu beachten sind:  Gehalt nicht monatlich, sondern wöchentlich auszahlen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, das Angestellte unter der Woche wieder Gehaltsvorschuss einfordern, weil sie nicht mehr genug "zum Essen" haben. Ob in der Familie jemand krank war oder das Geld einfach für Spaß und Freude ausgegeben worden ist, weiß man natürlich nicht. Der Fahrer meiner Manilafamilie dort hat jedenfalls immer Geld für Zigaretten, bemerkte das Schwesterherz meiner Frau, aber oft unter der Woche kein Geld mehr fürs Essen. Zahlt man monatlich, haben die Angestellten oft schon in der ersten Woche angeblich kein Geld mehr und würden dann auch nicht mehr zur Arbeit kommen, wenn man ihnen kein neues Handgeld gäbe.

Vorführwagen vom BMW-Händler "Prestige Cars". Wir würden wohl nicht mal unseren Volvo mitnehmen nach Manila, damit wir nicht so auffallen.


Interessant die Warnung eines "deutschen Nachbarn" hier in Taipei, der geschäftliche Erfahrungen in Manila mit mir geteilt hat: Philippinos wollen sich von Ausländern oft nichts sagen lassen.

Ob wir uns da engagieren oder nicht hängt jetzt vom Gang der Dinge vor Ort ab, was von Schwesterherz wahrgenommen wird. Der Entscheidungsweg des Managements des Supermarktes, ob man eine Parzelle dort bekommt oder nicht soll immer 6 Monate dauern und man wird dann wohl nach dem Zufallsprinzip angenommen oder abgelehnt wenn die Wartezeit abgelaufen ist. Wird man abgelehnt, kann die Parzelle trotzdem noch Jahre leer stehen. Die haben es dort nicht so eilig, das ist auch etwas, auf das man sich einstellen muss. Ein zweites "Business" wollen wir dort auch noch eröffnen, wenn es denn etwas wird. Schauen wir mal.

 Die wäre Oberklasse, die würde nie bei uns essen. Viel zu teuer, so ein Weib. ;-)


Die Chaoskomponente ist momentan für mich, dass die Aufmerksamkeitsspanne und Begeisterungsfähigkeit meiner Taiwanfamilie (hier Frau und Schwester) eben durchaus von Volatilität geprägt ist. Gut möglich, dass in 6 Monaten kein Hahn mehr nach der Planung von heute kräht. Genauso, wie auch das Eröffnen eines italienischen Restaurants in Taipei längst wieder Schnee von Übervorgestern ist.

UPDATE: Eine Rentenversicherung immerhin scheint es zu geben. Aber diese Feinrecherche wird noch folgen.

* Volldeutscher als neues Schimpfwort ;-) ?

1 Kommentar:

Fabian hat gesagt…

Das Gehalt in kleinen Raten auszahlen, um dem Angestellten beim "geplanten Geldausgeben" zu helfen und Angestellte, die nur arbeiten, wenn der Chef schaut - dein Post könnte auch "Mein Leben in Mexiko" betitelt sein...

Was ich noch bzgl. "Auswanderungs"-Plänen sagen wollte: Ich weiß ja nicht, wie gut deine Lesefähigkeit im Chinesischen ist, aber falls du bisher gewöhnt bis, des Lesens kundig zu sein und dann auf den Philippinen plötzlich nicht nur Analphabet, sondern auch "stumm" bist - das würde mich eher stören. Wobei man ja mit Englisch und Chinesisch angeblich ganz gut zurechtkommen soll... Wie habt ihr euch denn mit den Locals dort verständigt? Spricht auch der "einfache Arbeiter" Englisch?

Liebe Grüße,
Fabian