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Freitag, April 20, 2012

Ylan immer Sonntags

Immer Sonntag morgens noch vor dem Stau rase ich jetzt über den Highway nach Yilan, u.a. die Strecke mit dem 12,9km-langen Tunnel. Dort schnell rein in die Akupressurpraxis zur Massage, dann wieder zurück rasen. Sehnsüchtig starre ich grüne Reisfelder in der Sonne und freistehende Einfamilienhäuser.

"Hübsch ist es hier", sagt meine Frau.

"Können wir mal anhalten?", frage ich.

Können wir nicht, schnell zum Termin, dann schnell vorm Stau zurück und der Magen knurrt, schon klar. Mal sehen ob ich nächstes Wochenende mal 5 Minuten Sonnenscheinpause aushandle. Obwohl meine Frau so der Typ ist, der nie aus dem Auto will und es in Taiwan auch fast keine autofreien Spazierwege gibt.

"Hübsch ist es hier", sagt sie wieder. "So schöne Häuser"

"Aber wir sind aus Taipei", sage ich da, "wir mögen lieber hässlich."

Schnell durchkneten lassen zwischen Götterstatuen und alten Mopedhelmen und Regenschirmen, Plastikeimern und dem ganzen Zeug, das man bei uns im Keller aufbewahren würde und das hier im Praxisraum liegt. Typisch taiwanisch eben und irgendwie gemütlich. So ganz sauber nicht, oder sagen wir "abstellkammersauber", eben muffig-staubig sauber, taiwansauber. Aber mir ist das mittlerweile egal, sonst könnte man nicht irgendwo am Tellerrand der Welt leben, wenn es aussehen sollte wie zu Hause.


 Dicht gedrängt die kleinen Gassen, aber die Vorstädte sind hier reisfeldgrün. Eine Tante, die ich nie gesehen habe kommt vorbei mit dem Moped, lächelt mich an, herzt unseren im Kindersitz schlafenden Junior an und tanzt dann im "Geldvermeidungstanz" mit meiner Frau auf der Straße rum, eine Art Ritual, das sonst immer beim Bezahlen im Restaurant aufgeführt wird wenn es ums Geld geht und einer bezahlen will und die anderen 12 sich dazwischenschieben um schneller zu sein. Diesmal in der "Tante-will-rotes-Kuvert-mit-Geld-für-Junior-ins-Auto-legen-und-Frau-will-nicht"-Variante. Sieht niedlich aus, wie sie beide lachen und sich vor und zurückschieben.

Offenbar kommt meine Schwiegermutter aus Ylan (Nordosten müsste das sein, gell? - Manchmal auch Ilan geschrieben) und dann sind sie nach Kaoshiung im Süden gezogen und dann nach Chinatown (alias Taipei).

Dann schnell gut durchgeknetet zurück - noch vor dem Stau sind wir wieder in Chinatown, Frau, Schwiegermutter und Junior schnarchen auf der Fahrt am Sonntagmorgen durch die Taizone.

Ob ich diesen Sonntag den Affengott fotografieren kann, der bunt aus einem der Tempel guckte (?) - ungewöhnlich für Taiwan so ein Affengott. Oder vielleicht hatte der Gott auch nur eine hässliche Mutter, ich weiß es nicht. Über seine sexuelle Orientierung wollen wir hier auch kein Wort verlieren, trug er doch rot, gelb, grün und blau und noch ein paar andere Farbtöne*. So einen lebenfrohen Landgott haben wir in Taipei nicht....


* Erinnert mich an eines meiner Seidenhemden. Das zieht irgendwie merkwürdige Leute an, so ein Seidenhemd. In Deutschland musste ich bei meinem letzten Besuch am Nebentisch sitzenden Neonazis erklären, "warum ich so ein buntes Hemd anhabe". Ich antwortete "das ist noch aus meiner metrosexuellen Phase, schon länger her....". Mein Gesprächspartner verstand die Vokabel nicht, aber der Tischkommandant nebenan sagte versöhnlich "das erkläre ich dir später".
Und in Indien zog es die rotgewandeten geschminkten Eunuchen an. Seufz, lauter Erinnerungen...

[Warnung, der nun folgende Teil enthält möglicherweise Lebensweisheit. Nur nach genauer Überlegung lesen!]
P.S.: Was ist nun merkwürdiger: Rotseidene Eunuchen in Indien, saufende Neonazis mit Tischkommandanten in Deutschland oder nette Affengötter und Abstellkammertherapeuten in Taiwan? Ich weiß es längst nicht mehr.
[Ende der Sektion. Das mit der Weisheit hat noch nicht richtig geklappt, vielleicht beim nächsten Mal]

1 Kommentar:

Tamasü hat gesagt…

Könnte 'mal bitte jemand, der das kann, eine Wikipedia Zugriffsstatistik für die letzten acht Tage posten, den Begriff Metrosexualität betreffend?