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Montag, Mai 23, 2016

Uhrenfreak im Land der arbeitsunwilligen Uhrmacher (Update)

Ein Dantesches Höllenszenario ist sicherlich, wenn einem gehörnte Leute bis in alle Ewigkeit glühende Metallspieße in den Allerwertesten stecken, während man langsam über einem kleinen Feuer röstet. Oder man lebt als Uhrenfreak in einem Land arbeitsunwilliger Uhrmacher. 

Ich hatte dem Tag, an dem ich in Taiwan einen Uhrmacher brauchen würde, schon länger mit Grauen entgegen gesehen, denn Taiwaner sind eher so die quick-and-dirty - Leute, wie man in der Softwareentwicklung (mein Fachbereich) sagt. Hauptsache schnell und eher einfach ehrlich gesagt - und schnell den heißgeliebten Dollar bringend, der als wahrer Gott Taiwans längst jeden hochverehrten Holzgott im Tempel ersetzt hat. Oder anders gesagt: Taiwaner denken in einstudierten Prozessen und mögen es nicht von diesen abzuweichen. Auch weil das mehr Aufwand und nicht so viel Ertrag im Verhältnis zum Aufwand entspricht.

 Ah jetzt verstehe ich: Der Uhrmacher hat den Slogan zu wörtlich genommen (Breil vergebe mir den Werbeklau)

Seit einiger Zeit fing meine Breil Milano, ein schweizer Automatik-Chronograph, mit Ärger an. Ich hatte ja einst das original Lederarmband, das praktisch eins mit der Uhr war, entfernt und gegen ein Kautschukarmband eines Parallelmodells ersetzt. In der Tat schien das Armband zu passen und gab der Uhr einen unverwechselbaren Look. Doch im Laufe der Zeit saß das Fremdarmband lockerer und lockerer und erst ein genauer Blick auf die Armbanddetails zeigte wieso: Das Originalband hat eine Metallnase (winzig klein), die unter das Gehäuse in eine Fuge passen will, doch das sonst passende Fremdband hat leider zwei. Die reiben sich im Laufe der Zeit ab und lassen das eigentlich wie verwachsen sitzende Band dann lose sitzen.

Nach ergebnislosem Herumfeilen am Armband versuchte ich nochmals ein Originalarmband zu bekommen, doch da war nichts zu machen. Breil hat da mit der Ersatzteilversorgung wohl nicht so viel am Hut. Sogar das nicht ganz passende Band war beim holländischen Bandverkäufer im Internet mittlerweile von 70 auf 140 Euro im Preis gestiegen, knappe Güter sind eben auch teuer. Folglich entschied ich mich für ein lächerliche 3.95 Euro kostendes Fremd-Lederband und erfreute mich wieder an meiner Breil. Bis sie die Tage einfach stehen blieb. Manchmal kommt man gegen die Entropie einfach nicht an, insbesondere wenn sie mit den taiwanischen Uhrmachern im Bunde ist.

Denn meine heißgeliebte Breil Milano ließ sich nicht mehr in Gang setzen. Trotz längerem Tragens, der ja das Schwungrad bewegen sollte. Auch Aufziehversuche brachten nichts. Erst brachte ich sie zu einem lokalen Brillenladen, der auch Uhren hat. Obwohl der schon beim Kürzen eines chinesischen Metallarbands bei einer Alpha aus Hongkong mal ein ähnlich gestresstes Gesicht gemacht hatte wie ich selbst: Die Armbandstifte mancher Glieder saßen da einfach trotz richtigem Werkzeug verteufelt fest. Trotzdem ist es ein schlechtes Omen, wenn die Fähigkeiten des Fachmanns nicht wesentlich über den eigenen liegen.

Derjenige öffnete mutig die Uhr, spielte ein bisschen an den mechanischen Teilen im schönen Uhrwerk herum und eröffnete mir dann, die Uhr sei "Swiss" und daher könne er da nichts machen. Exotische Bergvölker und ihre exotischen Produkte sind in Taipei-NeiHu eben doch nicht so ganz akzeptiert, das wurde schnell klar.

In der Nähe fand sich dann eine Filiale der Kette "Formosatimes", die offizielle Vertretung der Swatch-Group-Marke Hamilton ist. Ein gutes Omen, denn auch der Uhrwerkshersteller ETA, der das Herz meiner Breil (ein Valjoux 7750) baut, ist aus der Swatch Group. Dort war man jeodch wenig geneigt, sich meine Breil überhaupt anzusehen. Erst ein Hinweis auf "ETA 7750", also das Uhrwerk, ließ einen der beiden Uhrmacher sich erbarmen, mit der sowieso immer angesetzten Augenlupe durch den halb verglasten Rücken zu gucken und eine Weile an der Krone zu drehen. Kurz darauf reichte er mir die Uhr zurück und sagte fast schon empört etwas auf Chinesisch. Dank einer Kollegin hatte ich jetzt eine englische Übersetzung, denn so weit reichte mein Notfallchinesisch nicht. Was hatte den Uhrmacher so empört?

Ganz einfach, er hatte diagnostiziert, dass die Krone kaputt war. Nun ist die nicht wirklich kaputt, sondern nur etwas ausgeleiert und braucht etwas Druck beim Drehen, was höchstwahrscheinlich nichts mit dem Defekt zu tun hat. Aber ich ertappt mich dabei, mich richtig schuldig zu fühlen. Denn beide Uhrmacher und die Übersetzerin sahen mich nun vorwurfsvoll an. Wie konnte ich es wagen, solche Spezialisten hier mit einer kaputten Krone zu konfrontieren. Wie sollten die armen Menschen hier die Uhr reparieren, wenn sie auch noch kaputt war?

Erst da wurde mir der Irrsinn der irgendwie taiwahnsinnigen Situation klar. Ein schüchternes "Can you repair the crown?" entfleuchte meinen Lippen. Ginge nicht, sagte die Übersetzerin sofort, schließlich könne man die Krone nicht ordern. Ich wusste ja schon, dass Breil in Taiwan nicht vertreten ist. Allerdings kann man eigentlich an eine Uhr mit Standarduhrwerk wie meine auch eine andere passende Krone stecken. Aber irgendwie sollte ein solcher Vorschlag ja vom Uhrmacher kommen und ablehnend wie alle waren, fand ich es an der Zeit zu gehen. Man hatte offenbar keine Lust einfach irgendeine Uhr zu reparieren bei "Formosatimes".

Derzeit suche ich einen deutschen Uhrmacher und werde mir dann das Ding per deutschem Paketforwarder selbst zurück schicken. Eigentlich sind schweizer Uhren für die Ewigkeit gebaut, jedenfalls die automatischen. Und ich denke, womöglich braucht die Breil - aus den mittleren 2000er Jahren stammend - nur mal neues Öl und eine Reinigung. Und einen richtigen Uhrmacher eben. Der Neupreis - den ich nicht bezahlt habe - lag mal bei über 1000 Euro, EVP sogar 1600. Nur braucht auch so ein schon etwas teureres Ding eben mal fachgerechte Wartung. Worauf sie jetzt noch ein bisschen warten muss.

Nachtrag: Mir wurde ein Reparaturservice empfholen, der für Hublot und Tag-Heuer arbeitet. Abgesehen von den üblichen Bürozeiten stört mich da freilich der Gedanke, vielleicht doch wieder nur meine Zeit zu verschwenden. Ein deutscher Uhrmacher wird es dann wohl werden.

UPDATE: Die Uhr ist mittlerweile bei Watchart.com, einem Händler der Rolex und Konsorten hat und keine "billigen" Uhren. Dort hat sich ein Uhrmacher sofort der Uhr angenommen, sie 10 Minuten aufgeschraubt beäugt und diagnostiziert, dass sie nur einen "Full Service", im Wesentlichen also Ölen und Reinigen des Uhrwerks braucht. Kostenpunt 8000 NT aka 200 Euro, wie in Deutschland auch. Man sollte hier gleich zu den teuren Geschäften gehen und die arbeitsunwilligen oder arbeitsunfähigen simpleren Geschäfte vermeiden. Die Uhrmacher verhalten sich da ähnlich wie das Gesundheitswesen hier ;-)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Viel Spaß mit den deutschen Uhrmachern. Die sind mindestens genauso "Arbeitswillig" wie die Kollegen aus Taiwan. Ein Uhrmachermeister, ja Uhrmachermeister, der mit so nem' tollen Meisterbrief an der Wand hängend, hat es sogar geschafft, das Gehäuse beim aufmachen des Deckels zu vermurksen. Von Uhrmachern bin ich restlos bedient.