"Die Ratten verlassen das sinkende Schiff", sagt man. Ob es sinkt, der Kahn namens MS Deutschland, mit Traumschiffkapitän Merkel am Ruder, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht, irgendwie geht es immer weiter. Jedenfalls haben Frau und ich beschlossen unser letztes Geld aus Deutschland nach Taiwan zurückrück zu transferieren, was wir auch schon getan haben. Wegen des Kursverfalls des Euro zum Taiwandollar waren die Verluste enorm, ich will es gar nicht schreiben, aber wir fühlen uns besser, seit wir damit weitestgehend die Sorge los sind, wie sich der Kurs nun weiter entwicklen wird. Für das Keine-Gedanken-machen-zu-müssen zu bezahlen ist dann auch okay.
Wer in Deutschland lebt, den braucht das alles nicht zu interessieren, weil dann ja der Kurs nicht unmittelbar interessant ist, aber wenn man im Ausland lebt ist der Kursverlust nervig.
Ursprünglich wollten wir unser Geld in Deutschland sparen, auch weil wir da mal wieder hinziehen wollten. Sicher hätte meine Frau alle möglichen Ausreden genutzt, um das zu vermeiden, aber seit dem Tod des jungen Thaideutschen auf deutschen Straßen (von drei Berlinern türkischer Herkunft erschlagen, wie die Presse schrieb) haben wir uns überlegt, dass die praktisch gewaltfreien Straßen Taiwans, wo nur der Straßenverkehr als Gefahrenquelle bleibt, vermutlich besser sind als die doch recht gefährlichen nächtlichen Straßen deutscher Großstädte. Für Deutsche mag dieser Gedankengang überzogen wirken, aber wenn man halt die Möglichkeit hat, das straßengewaltfreie Taipei zu wählen oder die nächtlichen Reviere Deutschlands, muss man als Eltern seine Entscheidung sorgfältig treffen, abseits aller politischen Korrektheit. Und es sind eben Heranwachsende, die sich in Gefahr begeben und nächtens auf zentralen Pläzten in polizeileeren Innenstädten stehen. So ein dramatisches Ereignis wie der Tod des Thaideutschen ist dann nur der Anlass, um das Offensichtliche zu sehen.
Lieber einmal zahlen und dann Ruhe haben und die Mühen der Deutschen mit der gesamteuropäischen Last nur amüsiert in der Presse zu lesen, statt selbst unmittelbar betroffen zu sein - soviel Eigennutz möge man mir hier am östlichen Tellerrand der Weltscheibe verzeihen. Immerhin habe ich ja noch einmal die deutsche Finanzwirtschaft gesponsort, regt euch also nicht auf.
9 Kommentare:
Strumpf schreibt:
Ich würde dich gerne fragen, warum du nicht in eine Deutsche Kleinstadt ziehst, wie z. B. Bamberg or Darmstadt. Da gibts zwar Türken, die sind aber nicht so aggressiv.
Da. Da war ich sogar schon bei einer Dot-Com-Bubble - Firma, war ja nett. Sohenmann würde es sicher mal ins nächtliche Frankfurt ziehen.
Hi Ludigel,
nein ich rege mich nicht auf. Ich habe das sogar ein zweites Mal sorgfältig gelesen weil ich dachte dass ich die Ironie überlesen habe - aber ich habe sie (die Ironie) nicht gefunden.
Wenn ich es provokativ formulieren darf: Ihr habt die Entscheidung für das Land, in dem Ihr leben wollt, nach einem Artikel im "Stern" getroffen? Okay, gar so war's wohl nicht.
Trotzdem, da hab ich mal nach internationalen Kriminalitätsraten gegoogelt und bin bei der UNDOC Homicide Statistics rausgekommen. Die sagen (Link http://www.unodc.org/unodc/en/data-and-analysis/homicide.html)
dass 2010 in Deutschland 690 Personen einem Homizid (Mord? Totschlag?) zum Opfer gefallen sind. Das macht pro 100.000 Einwohner 0,8 Homizide. In Taiwan waren es 2010 743 Homizide, macht pro 100.000 Einwohner 3,2 Homizide. Somit schneidet TW hier deutlich schlechter ab als DE - wenngleich noch ein gutes Stück besser als die USA. Gerne würde ich nun die Verkehrstoten dazuaddieren, dann würde das wohl eine noch sinnvollere Zahl ergeben.
Also die Rente in TW verleben? Nun, unser Plan ist das auch. Nicht aber weil in Berlin jemand totgeschlagen wurde, sondern weil wir in TW einfach gerne sind und das Land aus vielerlei Gründen genießen... Zum Geld verdienen leben wir erst mal noch ein bisserl in DE.
Viele Grüße
Martin
Interessante Statistik. Viel Bandenkriege dabei in Taiwan? Oder so viele häusliche Dramen? Überfälle auf den Straßen können es nicht sein. In Deutschland früher öfter mal zu Fuß gehend auf nächtlichen Straßen musste ich schon öfter mal abschrecken/abwehren. in Taipei ist das fast unmöglich, in so eine Situation zu kommen.
Gut, Entführungen solle es hier wieder mehr geben und der Verkehr ist gefährlicher.
Meine Frau war natürlich froh, einen Grund zu haben, Deutschland auszuschließen. Ginge sowieso nicht mit ihr da zu leben;-)
Dem Herrn Mardin:
Die Homizide in Taiwan passieren meistens in der Familie. Banden, Krawalle, Betrunkene gibts fast nicht hier in Taipeh... Es gibt die Mafia in Wanhua, aber die verprügeln dich nicht, weil du "scheiß Deutscher" bist. Es gibt auch keine Ausländer-Banden, keinen Extremismus wie wir ihn von zuhause kennen. Taiwan ist sicherer, da brauch ich keine Statistik um dieses Gefühl zu bekommen. Ich hab mal in Neukölln gelebt, jetzt lebe ich in Banqiao.
Hallo,
bin eben aus TW zurück, und muss schreiben das mir TW sehr gut gefällt, und das der Eindruck der Sicherheit und Freundlichkeit nicht trügt. Der Straßenverkehr ist schon gewöhnungs bedürftig aber zu meistern (war einige 100km mit dem Auto unterwegs).
In der deutschen klein Stadt in der ich lebte und auch in Berlin und Leipzig hatte ich öffters Angst vor Übergriffe, aber in TW ist mir das nicht passiert, egal ob in Taichung, Taipei,...
Und das mit dem Euro geht mir auch auf den Senkel, mit 40NTD kann man nicht mehr rechnen, eher mit 36NTD für 1€.
Grüße,
Ralf N.
Ach, dann war das Video, das Du mal geposted hast, das mit dem Autofahrer, der daran gehindert wurde (von einer Schwangeren in einem Pkw und einem Mann mit Baseballschläger) aus einer Sackgasse rauszufahren, gar nicht real... ;-)
Jaaaaa der Taiwahnsinn hat eben viele Facetten. Gemeinhin sind sie friedlich, nur zwischen Eheleuten fliegen mal die Fäuste (Mr Ping gen Mrs Ping) und im Straßenverkehr drehen sie gerne durch. Dafür gibt es keine Überfälle auf den Straßen. Nur Frauen sollten nicht alleine nachts Taxi fahren, weil die Taxifahrer alles Exhäftlinge sind. Irgendwie so.
Ach so... ;-)
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