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Dienstag, April 30, 2013

Endlosgeschichte um flüchtigen Briten

Die Ausländergemeinde, wenn eine solche denn überhaupt existiert und jedenfalls das Ausländerforum  beschäftigt seit Ewigkeiten der Kriminalfall um den angeblichen britischen Todesfahrer Z.D., der wegen einer Trunkenheitsfahrt mit Fahrerflucht und Todesfolge in zweiter Instanz von einem Gericht in Taiwan verurteilt worden ist. Auch das Taiwanblog berichtete mehrfach, zu Letzt hier: http://osttellerrand.blogspot.com/2013/01/verurteiler-brite-fluchtig-aus-taiwan.html

Z.D. bestreitet seine Schuld nach wie vor. Um noch einmal den Ablauf der unseeligen Nacht zusammenzufassen: Z.D. hat in einem wohl der Unterwelt angeschlossenen Karaoke-Lokal mit Taiwanern so viel getrunken, dass er kaum noch auf den Beinen war und ein von seinen Trinkgenossen abgestellter Fahrer (angestellt im Karaokelokal) hat ihn daraufhin nachweislich in Richtung zu Hause aus dem Lokal gefahren. Der Karaokebarangestellte saß am Steuer, Z.D. auf dem Beifahrersitz. Nach Angaben von Z.D. muss sich der tödliche Unfall mit einem Mopedfahrer zugetragen haben als er, Z.D., praktisch bewusstlos auf dem Beifahrersitz döste. Hingegen gab der Karaokebarangestellte an, das Steuer auf Drängen von Z.D. diesem schnell wieder übergeben zu haben, so dass Z.D. zum Unfallzeitpunkt den Wagen selbst gesteuert hätte.

 Unklar wer der Fahrer ist....?*

Wer ist nun wirklich gefahren? Ich weiß es natürlich auch nicht, jedoch fiel mir auf, dass Z.D. eben nicht der übliche Trunkenheitsfahrer war, der sich einen fiktiven "Mr. X" als wirklichen Fahrer ausdenkt, dem er dann die Schuld in die Schuhe schieben will , sondern dass Mr. X hier eben Namen und Adresse hatte. Trotzdem wirkte Z.D.s Geschichte bisweilen löchriger als die des Barangestellten, das will ich nicht verleugnen. Zwei Umstände brachten mich dazu bisweilen eher Z.D. zu zuneigen: Erstens die massive Vorverurteilungskampagne  der Taiwanpresse, die oft einer Hexenjagd glich. Und zweitens der Umstand, dass viele Prozessbeobachter aus der Ausländerszene nach dem ersten Prozess davon sprachen, ein Beweisvideo, das die frühe Heimkehr des Barangestellten beweisen sollte, sei manipuliert gewesen und daher für den Prozess nicht verwendet worden. Es entstand der Eindruck, Z.D. sei ohne wirkliche Beweise verurteilt worden.

Nach dem zweiten Prozess war jedoch NICHT mehr die Rede davon, das Video, das mit Zeitstempel zeigt, dass der Barangestellte schon nach wenigen Minuten wieder zurück in der Bar war, sei manipuliert. Stattdessen brachten sowohl Z.D. in der Diskussion im Forum wie auch andere einen Dritten ins Spiel, der nun der Fahrer gewesen sein solle. Ein zweiter Barangestellter?
Natürlich hilft eine sehr komplexe Mr.X-plus-Mr.Z - Geschichte nicht sehr der Glaubwürdigkeit eines Beschuldigten, das ist klar.

Derzeitiger Stand: Z.D. hat sich abgesetzt in die Schweiz (wo er sich jetzt aufhält weiß ich natürlich auch nicht) und hat die Haftstrafe nicht angetreten. Zur Flucht verwendete er den offenbar ihm freiwillig überlassenen Pass eines anderen Engländers, der sich jetzt in Untersuchungshaft befindet und dem offenbar eine mehrjährige Haftstrafe droht. Auch die Frau oder Freundin von Z.D. befindet sich offenbar in Haft. Z.D. äußert sich im Forum wieder selbst zur Tatnacht: [Link auf Ausländerforum entfernt], erstes Posting oben.

Als Außenstehender bekommt man nur vor-gefilterte und subjektiv verdrehte Infos vom Prozess oder den Fakten, da kann man eigentlich keine Meinung abgeben sinnvollerweise, das lerne ich mehr und mehr.
Unangenehm, wie sehr die Affaire möglicherweise das Verhältnis von Taiwanern und Ausländern berührt. Als der neuste Bericht vorgestern in der Kantine im TV lief, guckte ein mir unbekannter Kollege die ganze Zeit rüber zu mir. Als ob ich der Zwillingsbruder des pakistanischstämmigen Z.D. sei. Ein merkwürdiges Gefühl, da in einen Kontext mit völlig fremden Leuten aus anderen Kulturkreisen geworfen zu werden, nur weil wir beide "Nichttaiwaner" sind. Das war Pol Pot auch.

UPDATE 2017: Z.D. in Schottland, noch immer in Auslieferungshaft (?), schottischer Highcourt hat gegen Auslieferung an Taiwan entschieden, jedoch hat der Supreme Court vom GB die Weichen andersherum gestellt. Offenbar muss der High Court neu prüfen. Siehe auch: https://newbloommag.net/2017/07/10/zain-dean-controversy-extradition/


* vom Betreiber des Roadies Café angefertigte WKII-Miniatur (http://www.roadiescafe.com.tw/). Ludigels Leib- und Magenlokal.


WEITERE MELDUNG:

"Deutsche" Windkraftanlage in Taiwan führt zu Hungerstreikprotesten: http://www.taipeitimes.com/News/taiwan/archives/2013/04/18/2003560034,
gefunden in der Mutter aller Taiwanblogs: http://michaelturton.blogspot.com/2013/04/daily-links-monday-april-28-2013.html

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ari Ben Wirrensi wrote:

Nach dem was man hört, soll sich Z.D. mittlerweile in Abottabad, Pakistan, versteckt halten und Präsdient Ma soll einen Helikopterangriff auf sein Versteck authorisiert haben.
http://breakingnews.wasfuernscheiss.com

Xinxi hat gesagt…

Nee, keine Sorge. Einfach ein T-Shirt mit Deutschlandflagge (optional: Reichskriegsflagge) und Taiwanesen sind von deiner Herzensgüte überzeugt. (Übrigens hat mein ehemaliger [deutscher] Chinesischdozent immer damit geprahlt, wie er irgendwann in den 1980ern seine Verlobte hier in Taiwan vor dem Altar hat stehen lassen. Die Brüder der Dame haben wohl geschworen, diesen Mittelbaudozenten einer angesehenen deutschen Sinologieabteilung wortwörtlich umzubringen, sollte er sich jemals wieder in Taiwan blicken lassen. Na, das hat sich auf das allgemeine Deutschenbild auch nicht sonderlich ausgewirkt. Siemens, Weleda, Zwilling und Miele sind hier die besten Botschafter. Am Ende wird es halt wie überall sein: Bei Menschen mit Hintergrund aus dem Vorderen Orient ist man doppelt vorsichtig.

TG hat gesagt…

Es ist halt schade, dass jetzt zwei andere in U-Haft sitzen, während er frei ist. Was für ein Schlamassel.

"Ludigel" hat gesagt…

MKL: Ja, an seine Unschuld zu glauben wird sicherlich immer schwieriger, desto komplexer die Geschichte wird, wer nun gefahren sein soll. Auch wenn man hört im Forum, das die Valets oft die Betrunkenen nur ein paar hundert Meter weit fahren, bis an die "Radargrenze" der lokalen Verkehrspolizei. Lob hier an die Taiwaner, endlich das Betrunkenfahren aufs Korn zu nehmen, da scheint man effektiver gegen vor zu gehen, jedenfalls in der Stadt und per Strafsummen. Auch Ausländer bekleckern sich hier nicht mit Ruhm in der Hinsicht (schon er mit Rum, räusper).
Grosses Schlamassel, sicher hat auch Z.D.s Ausländersein dazu beigertagen die übliche Einigung "zwischen den Familien" zu verhindern, weil hier von Anfang an mit Hundertausenden von US-Dollar jongliert wurde und so reich war er dann wohl doch nicht. Bei lokalem Täter würde man ja ehr in der Lokalwährung verhandeln.

"Ludigel" hat gesagt…

Xinxi: Jau, mit der Methode hat er seiner Verlobten natürlich einen so kapitalen Geischtsverlust beigebracht, dass es dem Fass den Boden ausschlägt. Brrrrrr.....
Meine Frau meinte mal, sowas würde das Umfeld hier als "die Frau hatte wohl viele andere, da ist der Bräutigam weggelaufen" auslegen.

Luo2 You1 hat gesagt…

Und deshalb ist es so wichtig, dass für ausländische Medienvertreter genügend Sitzplätze im Gerichtssaal reserviert werden! Aber interessierte sich jemand außerhalb von Taiwan für Z.D. oder die jetzt Inhaftierten?

"Ludigel" hat gesagt…

Guter Hinweis. Ein Medienecho zu dem Fall, von Blogs und blogartigen Webseiten abgesehen, gab es erst als die Schlagzeile lautete:

BRITON ON THE RUN WITH OTHER MAN'S PASSPORT

Ausser subjektiven Forumosa-Postern saß wohl niemand im Prozess. Und natürlich der hexenjagenden Taiwanpresse.