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Montag, Juli 30, 2012

Lernen, singen und beten

Mein Lieblingsneffe, der den größten Teil seiner Jugend bei seiner Oma (meiner Schwiegermutter) verbracht hat, die ihn großgezogen hat, lebt seit nun etwa einem Jahr bei seinen Eltern. Das ist wohl in Taiwan eher ungewöhnlich, wo man irgendwie immer jemanden hat, der einem die Kinder großzieht. Will mich nicht beschweren, unser Junior ist ja auch bei meiner Schwiegermutter, also sozusagen der Nachfolger vom Lieblingsneffen. Wie dem auch sei, für einen aufstrebenden Taiwaner gehört es sich so, irgendetwas mit USA zu machen, man hat da gerne studiert - und wenn man es nicht hat, druckt man sich irgendein Master of Computerscience aus Californio oder ein Bachelor wenigstens aus London, das ist die Alternativversion für Arme. Manche haben da wirklich gelebt eine Weile, im Chinatown und sprechen deswegen bei Rückkehr genauso viel oder wenig Englisch wie vorher, aber sei es drum. Jetzt ist unser Lieblingsneffe dran, allerdings schicken ihn die Eltern in eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern oder so, in Maryland auf dem platten Land. Reimt sich sogar fast. Reimen muss er da auf der kleinen christlichen Schule mit nur 305 Schülern nicht, aber dafür singen und Gitarre spielen. Die Webseite, deren URL hier gnädig verschwiegen wird, zeigt die Schüler beim Gitarre spielen und der Text erwähnte, hier würde Jesus gepriesen.

 Oh Jesus, sei unser Hirte

Ob er sich denn auch seelisch drauf eingestellt habe, fragte ich ihn. "Du musst Gitarre spielen und Jesus besingen", warnte ich. Als Lieblingsonkel vom Lieblingsneffen wollte ich ihn schon mal auf den Schock vorbereiten. Er guckte auch ganz unglücklich aus der Wäsche und sagte "Weiß ich! Und die Bibel lesen! Alle drei!" Das verblüffte mich nun wieder. Wieso drei? Altes Testament und Neues Testament macht summa sumarum papas habemus nur zwei. Aber sicher hat die amerikanische Kirche, die die Schule betreibt, noch ein heiliges Büchlein dazu geschrieben, etwa wie die Mormonen so einen Fantasyroman haben, in dem Palästinenser, die komischerweise alle nordische Weiße sind, nach Amerika auswandern zu biblischen Zeiten und sich dort mit den (dunklen!) Indianern prügeln.
Taiwaner sehen ja das Christentum sehr durch die US-Brille. So erklärte mir mal mein ehemaliger Chinesischlehrer, die Katholiken seien keine Christen. Christen waren für ihn Protestanten, Methodisten, Mormonen und was auch immer es sonst noch in den USA gab.
Mein Lieblingsneffe hat von seinen Eltern das Christentum auch etwas anders gelernt, "sie verehren Mutter Maria, aber nicht Jesus", beschrieb das meine Frau einmal. Ganz nach dem Motto "Junior sei ruhig, wir reden mit deiner Mutter", wenn sie in die Kirche gehen.
Na das kann eine Umstellung werden, vom stinkigen, quirligen Taipei in eine Kleinstadt in Maryland, Jesus statt Maria und dann noch Gitarre spielen.
Hoffentlich kommt er da gut klar. Hatte leider vergessen ihm noch einen Crashkurs in Politik zu geben. "Bei jeder Diskussion fordern, dass die Menschen mehr Schusswaffen anschaffen", das wäre ein gute Regel gewesen. Oder ersatzweise Bibeln, Maryland ist ja Ostküste.

 Bergpredigt in Taiwan, Spontanheilung (leider verpasst)

Na ja, nun muss er gucken wie er zurecht kommt, mit dem Herrn Jesus, der ja bekanntlich US-Amerikaner in God's own country ist. Der kann sich auf was gefasst machen mit meinem Lieblingsneffen.

Der Herr sei gepriesen! Er hat es nötig...

EDIT: Jetzt verstehe ich es erst, Eltern verehren Maria und deswegen MARYland. Aha!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Criegtnixmit wrote:

Also sozusagen eine Koranschule?
Armer Kerl.